I. Sachverhalt
A. Am 13. November 2017 berichtete «Liberatv.ch» online über einen Unfall auf der Autobahn A2 im Tessin, bei welchem ein Rollerfahrer von einem schwer betrunkenen Autofahrer gerammt und getötet wurde. Autor des Beitrages ist Marco Bazzi, Chefredaktor von «Liberatv». Der Beitrag geht vor allem ein auf die Person des Opfers, die menschliche Tragödie, insbesondere darauf, dass der Getötete eben erst Vater geworden sei. Der Bericht zeigt zuoberst ein Foto des Unfallopfers mit seinem Baby, die Namen aller Beteiligten werden im Beitrag ohne jede Anonymisierung genannt. Es wird aufgezählt, woher der Mann kommt, wie alt er war, was für eine Ausbildung er hatte, wo er gewohnt und gearbeitet hat, etc. Dabei gibt «Liberatv.ch» den Schwager des Getöteten als Quelle an.
Am 15. November 2017 erscheint bei «Liberatv.ch» ein weiterer Bericht, auch dort werden Vater und Kind erneut unverpixelt gezeigt, ihre Namen genannt.
B. Am 6. Februar 2018 reichte X. beim Schweizer Presserat Beschwerde ein gegen die Berichterstattung von «liberatv». Er nennt dabei zuerst und vor allem den zweiten Artikel vom 15. November 2017 und macht geltend, die «unzensierte», gemeint wohl unverpixelte Darstellung des Unfallopfers und seines Kindes verstosse gegen Ziffer 7 (Schutz der Privatsphäre) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (nachfolgend «Erklärung»), speziell gegen die zur «Erklärung» gehörende Richtlinie 7.1 (Persönlichkeitsschutz). Weiter macht er geltend, es werde mit dem Bild Richtlinie 7.8 (Notsituationen) verletzt, welche Bilder von Verstorbenen nur zulässt, wenn ein öffentliches Interesse oder eine Freigabe von Angehörigen vorliege. Im Weiteren sei Ziffer 4 der «Erklärung» (Beschaffung von Material) verletzt, weil die Bilder unrechtmässig beschafft worden seien, nämlich ohne irgendeine Zustimmung vom Internet heruntergeladen. Und schliesslich bezieht sich der Beschwerdeführer nach den Bildern auch auf den Text, welcher die Richtlinien 7.1 (Persönlichkeitsschutz), 7.2 (Identifikation) und 7.3 (Schutz von Kindern) verletze, weil er das Opfer mit Namen, Vornamen und vielen Details aus seinem Leben identifiziere, sowie auch Namen und Wohnort des Kindes preisgebe.
Als Zweites kommt der Beschwerdeführer auf den früheren Artikel zu sprechen, auch dort, am 13. November 2017, seien wiederholt Details aus dem Privatleben des Opfers publiziert worden, die dieses ausserhalb seines Umfeldes erkennbar werden liessen. Auch hier werde das Opfer mit seinem Kind abgebildet. Auch dies seien Verstösse gegen Ziffer 7 der «Erklärung» sowie die Richtlinien 7.1, 7.2 und «insbesondere» 7.3.
C. Aufgrund von Übermittlungsproblemen im Mailverkehr und folgender Missverständnisse erhielt der Presserat erst am 11. Dezember 2018 eine sehr kurze Stellungnahme der Beschwerdegegnerin. «Liberatv» macht geltend, der Schwager des Opfers habe «Liberatv» alle verwendeten Informationen und Bilder geliefert, die Witwe sei mit deren Veröffentlichung einverstanden gewesen.
D. Angesichts der diametral auseinandergehenden Tatsachenbehauptungen («kein Einverständnis der Angehörigen» – «Einverständnis der Angehörigen») beschloss das Präsidium des Presserates ausnahmsweise einen zweiten Schriftenwechsel und bat den Beschwerdeführer am 9. März 2019 um eine Stellungnahme zu den Argumenten der Beschwerdegegnerin, mit dem Hinweis, dass diese dann auch noch replizieren dürfe.
Beschwerdeführer X. hat auf diese Anfrage nicht reagiert.
E. Am 29. Mai 2019 teilte der Presserat den Parteien mit, der Schriftenwechsel sei abgeschlossen, die Beschwerde werde vom Presseratspräsidium behandelt, bestehend aus dem Präsidenten Dominique von Burg, Vizepräsidentin Francesca Snider und Vizepräsident Max Trossmann.
F. Das Presseratspräsidium hat die vorliegende Stellungnahme per 22. Juli 2019 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.
II. Erwägungen
1. Der Hauptpunkt der Beschwerde besteht im Vorwurf, «Liberatv» habe die Persönlichkeitsrechte des Unfallopfers und seines Kindes verletzt, indem es die beiden in seiner Berichterstattung in Bild und Wort kenntlich gemacht habe. Das wäre gemäss der «Erklärung» ein Verstoss gegen Ziffer 7 (Privatsphäre) sowie gegen die Richtlinien 7.1 (Schutz der Privatsphäre) und 7.2 (Identifizierung), allenfalls auch 7.3 (Kinder). All dies allerdings nur, sofern die Angehörigen, in concreto die Witwe des Unfallopfers, nicht zugestimmt haben. Genau dies aber macht die Beschwerdegegnerin «liberatv» geltend. Sie beruft sich als Quelle für die Informationen über das Unfallopfer schon in einem der Artikel ausdrücklich auf dessen Schwager, der ebenfalls mit Namen genannt wird. In der Stellungnahme von «Liberatv» wird aber auch ausdrücklich eine Zustimmung der Ehefrau erwähnt. Angesichts dieser Diskrepanz sah es das Presseratspräsidium als nötig an, den Beschwerdeführer dazu Stellung nehmen zu lassen. Dieser hat sich aber nicht mehr gemeldet. Auch hat er in seiner Beschwerde nie ausdrücklich gesagt, die Witwe des Unfallopfers habe keine Zustimmung gegeben.
Angesichts dieser Aktenlage muss der Presserat der Darstellung der Beschwerdegegnerin «Liberatv» folgen. Ziffer 7 der «Erklärung» sowie die Richtlinien 7.1, 7.2 und 7.3 sind bei diesem Stand der Dinge nicht verletzt.
2. Was die ebenfalls angerufene Richtlinie 7.8 (Notsituationen, Krieg und Konflikte) betrifft, so ist diese ohnehin nicht anwendbar, da sie sich – soweit sie sich auf den vorliegenden Fall beziehen lässt – auf die Abbildung von Getöteten, also auf Bilder von Leichen, bezieht.
3. Die weitere vom Beschwerdeführer angerufene Ziffer 4 der «Erklärung» (unlautere Beschaffung von Informationen) kann ebenfalls nicht als verletzt gelten, weil beim Stand der Akten, wie er sich zum Schluss des Verfahrens präsentiert, angenommen werden muss, dass die Familie die Bilder selber herausgegeben oder autorisiert hat.
III. Feststellungen
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
2. «Liberatv» hat mit den Bildern und dem Text über das Unfallopfer von der Autobahn A2 am 13. und 15. November 2017 weder Ziffer 4 noch Ziffer 7 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verletzt.