Nr. 72/2013
Namensnennung

(X. c. «Rigi Post»); Stellungnahme des Schweizer Presserates vom 27. Dezember 2013

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I. Sachverhalt

A. Am 25. April 2013 berichtete die wöchentlich erscheinende «Rigi Post», «Amtliches Publikationsorgan des Bezirkes Schwyz und der Gemeinde Arth», über die Jahresversammlung des Gewerbevereins «Arth Oberau Goldau» (Titel: «Betrogener Gewerbeverein fängt sich wieder auf»). Am Schluss seines Jahresberichts habe der Präsident das «Schlüsselereignis» angesprochen. «Der Vorstand musste am 14. Dezember 2012 mitteilen, dass in der Kasse des Gewerbevereins ein Betrag von 55’000 Franken fehlt.» Der im Artikel der «Rigi Post» dreimal mit vollem Namen genannte ehemalige Kassier habe zugegeben, dass er das Geld zulasten der Vereinskasse für sich abgezweigt habe. Der Kassier habe sich am 13. Dezember 2012 selbst angezeigt. Die Staatsanwaltschaft habe ein Strafverfahren wegen Veruntreuung, ungetreuer Geschäftsführung und Urkundenfälschung eröffnet. Vorerst müsse der Verein den Ausgang dieses Verfahrens abwarten. Es werde aber schwierig werden, das verlorene Geld zurückzuerhalten.

B. Am 11./12. Mai 2013 beschwerte sich X. beim Presserat über den obengenannten Bericht. Die «Rigi Post» habe mit dessen Veröffentlichung die Ziffer 7 (Schutz der Privatsphäre; Identifizierung) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verletzt. Der ehemalige Kassier des Gewerbevereins werde darin regelrecht an den Pranger gestellt.

C.
Die Redaktion der «Rigi Post» hat sich innert der vom Presseratssekretariat verlängerten Frist nicht zum Vorwurf der unzulässigen Namensnennung geäussert.

D.
Am 31. Juli 2013 teilte der Presserat den Parteien mit, die Beschwerde werde vom Presseratspräsidium behandelt, bestehend aus dem Präsidenten Dominique von Burg, Vizepräsidentin Francesca Snider und Vizepräsident Max Trossmann.

E. Das Presseratspräsidium hat die vorliegende Stellungnahme per 27. Dezember 2013 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.

II. Erwägungen

1.
Gemäss der Ziffer 7 zur «Erklärung» respektieren die Medienschaffenden «die Privatsphäre der einzelnen Personen, sofern das öffentliche Interesse nicht das Gegenteil verlangt». Die zugehörige Richtlinie 7.2 (Identifizierung) verlangt, dass die Medienschaffenden «die beteiligten Interessen (Recht der Öffentlichkeit auf Information, Schutz der Privatsphäre) sorgfältig» abwägen. Eine identifizierende Berichterstattung ist zulässig, «sofern die betroffene Person ein politisches Amt beziehungsweise eine staatliche oder gesellschaftlich leitende Funktion wahrnimmt und der Medienbericht damit im Zusammenhang steht (…) Überwiegt das Interesse am Schutz der Privatsphäre das Interesse der Öffentlichkeit an einer identifizierenden Berichterstattung, veröffentlichen Journalistinnen und Journalisten weder Namen noch andere Angaben, welche die Identifikation einer Person durch Dritte ermöglichen, die nicht zu Familie, sozialem oder beruflichem Umfeld des Betroffenen gehören, also ausschliesslich durch die Medien informiert werden.»

2.
Bei einem Kassier eines lokalen Vereins überwiegt das private Interesse am Schutz seiner Privatsphäre das Interesse der Öffentlichkeit an einer identifizierenden Berichterstattung selbst dann, wenn die ihm vorgeworfenen Verfehlungen wie vorliegend im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit für den Gewerbeverein «Arth Oberau Goldau» stehen. Zwar wäre der Angeschuldigte bei einem Bericht über die Hauptversammlung des Gewerbevereins für einen wesentlichen Teil der Leserschaft auch ohne Namensnennung erkennbar. Trotzdem war es unverhältnismässig, den Namen zu nennen. Denn der Kreis derjenigen, die den Betroffenen gestützt auf den Bericht erkennen, vergrössert sich dadurch in unnötiger Weise. Immerhin hat die Gemeinde Arth mehr als 10’000 Einwohner.

III. Feststellungen

1. Die Beschwerde wird gutgeheissen.

2. Die «Rigi Post» hat mit der Veröffentlichung des Artikels «Betrogener Gewerbeverein fängt sich wieder auf» vom 25. April 2013 die Ziffer 7 (Privatsphäre, Identifizierung) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verletzt.