Nr. 68/2009
Kommentarfreiheit / Identische Beschwerden

(X. c. «Berner Zeitung» / Capital FM) Stellungnahme des Presserates vom 31. Dezember 2009

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I. Sachverhalt

A. Am 31. August 2009 vermeldete Radio Capital FM, der Berner Grosse Rat habe über die «Ökologisierung der Motorfahrzeugsteuer» debattiert. Neu solle ein Bonus-Malus-System eingeführt werden. Damit würden Autos mit geringer Umweltbelastung künftig begünstigt und «Dreckschleudern» stärker belastet.

B. Am 1. September 2009 berichtete Dominic Ramel in der «Berner Zeitung» in einem ausführlichen Artikel («Motorfahrzeuge. Steuern sinken um 5,6 Prozent») ebenfalls über die Grossratsdebatte vom Vortag. Das neue Bonus-Malus-System werde neu in Verkehr gesetzte Autos mit geringer Umweltbelastung begünstigen, «Dreckschleudern» hingegen mit einem Zuschlag stärker zur Kasse bitten.

C. Am 5. Oktober 2009 gelangte X. mit zwei gleichlautenden Beschwerden gegen Capital FM und «Berner Zeitung» an den Schweizer Presserat. «Seit Anfang der 80er-Jahre des letzten Jahrhunderts wurden die schweizerischen Abgasnormen laufend verschärft. Mit dem Dreiweg-Katalysator wurde der Ausstoss an schädlichen Abgasen, CO (Kohlenmonoxyd), HC (Kohlenwasserstoffen) und NOx (Stickoxyden) um rund 90% gesenkt. Laufende Verbesserungen an den Motor- und Abgas-Systemen haben dazu geführt, dass die Reduktion heute noch weit höher liegt. (…) Da noch von ‹Dreckschleudern› zu reden ist also nicht nur reine Polemik und Stimmungsmache, sondern vor allem sachlich falsch.»

Entgegen der Stellungnahme 43/2009 des Presserats verlangten die «Standesregeln des Journalismus», dass ein redaktioneller Beitrag «objektiv, neutral und faktisch richtig gestaltet werden muss. Wertungen und Kritik zum Artikel sind zwar zulässig, haben aber in einem klar erkennbaren persönlichen Kommentar der Redaktion und des Journalisten zu erfolgen. Eine Wertung im redaktionellen Artikel ist für das Publikum, entgegen den Aussagen des Schweizer Presserates, nicht ohne Weiteres erkennbar.» Radio Capital FM und «Berner Zeitung» seien deshalb anzuhalten, bezüglich des Abgasausstosses von Motorfahrzeugen künftig auf die Bezeichnung «Dreckschleuder» oder ähnlich lautende Qualifikationen zu verzichten.

D. Gemäss Art. 12 Abs. 1 des Geschäftsreglements des Presserats werden Beschwerden, auf die der Presserat nicht eintritt, vom Presseratspräsidium behandelt.

E. Das Presseratspräsidium, bestehend aus Presseratspräsident Dominique von Burg und Vizepräsident Edy Salmina, hat die vorliegende Stellungnahme per 31. Dezember 2009 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet. Vizepräsidentin Esther Diener-Morscher, freie Mitarbeiterin der «Berner Zeitung», trat von sich aus in den Ausstand.

II. Erwägungen

1. Der Presserat ist in der Stellungnahme 43/2009 auf eine gleichlautende Beschwerde desselben Beschwerdeführers gegen das «Bieler Tagblatt» nicht eingetreten. Er wies dabei auf frühere Stellungnahmen (6/2002, 56/2002) hin, wonach es nicht Aufgabe eines berufsethischen Gremiums ist, sich im Sinne einer «Sprachpolizei» verbindlich zur Zulässigkeit bestimmter Termini zu äussern. Der beanstandete Terminus «Dreckschleuder» sei für das Publikum ebenso wie dessen faktische Grundlage (Zuordnung zu den Energieklassen F und G) ohne Weiteres als Wertung erkennbar. Selbst wenn dem Beschwerdeführer zuzugestehen sei, dass der Terminus «Energieschleuder» eigentlich näher liegen würde, liege es jedenfalls innerhalb des weit zu ziehenden Rahmens der Freiheit des Kommentars und der Kritik, ein Motorfahrzeug der Energieklasse F und G als «Dreckschleuder» zu bezeichnen.

2. Angesichts des identischen Sachverhalts hat der Presserat in Bezug auf die beanstandete Berichterstattung von Capital FM und «Berner Zeitung» keine Veranlassung, von seiner bisherigen, nur wenige Wochen zurückliegenden Beurteilung abzuweichen. Denn entgegen den Behauptungen des Beschwerdeführers leitet der Presserat in konstanter Praxis aus der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» weder eine berufsethische Pflicht zur formalen Trennung von Nachrichten und Kommentaren ab (vgl. z.B. die Stellungnahme 18/2007), noch eine solche zu «objektiver», neutraler Berichterstattung (vgl. zuletzt die Stellungnahme 54/2009).

III. Feststellungen

Der Presserat tritt nicht auf die Beschwerde ein.