I. Sachverhalt
A. Am 21. November 2008 publizierte «20 Minuten Online» auf seiner Website einen Bericht mit dem Titel «Rütli-Bomber bleibt weiterhin in U-Haft». Der Lead lautete: «Der mutmassliche Urheber der Sprengstoffanschläge um die Rütlifeier 2007 bleibt vorerst in Untersuchungshaft.» Illustriert wurde der Artikel mit einem Foto, auf dem gross die Fahne der Partei national orien-tierter Schweizer (Pnos) abgebildet ist. Als Bildlegende stand zu lesen: «Rund 300 Rechtsradika-le pilgerten am Sonntag, 5. August 2007, auf das Rütli um den Nationalfeiertag nachzuholen. Am 1. August 2007 kam es während der offiziellen Feierlichkeit zu einer Sprengstoff-Explosion. (Bild: Keystone)».
B. Am 28. November und 9. Dezember 2008 erhob Michael Vonäsch, Vorsitzender der Pnos-Sektion Willisau, Beschwerde beim Schweizer Presserat. Durch die Illustration des Artikels mit einer Abbildung der Pnos-Fahne «soll beim Leser der Eindruck erweckt werden, die Pnos habe a) mit dem Vorfall etwas zu tun und sei b) gewalttätig». Die entspreche «in keiner Weise der Wahr-heit» und verletze deshalb Ziffer 1 der Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (Wahrheitssuche). Weiter habe «20 Minuten» mit der Veröffentlichung des Bildes im Zusammenhang mit dem Rütli-Bomber auch Ziffer 3 der «Erklärung» (Unterschlagung wesentlicher Informationen») verletzt. Die Redaktion habe unterschlagen, «dass die Pnos mit den Anschlägen auf dem Rütli nichts zu tun hat».
C. Am 7. Januar 2009 beantragte die vom Rechtsdienst der Tamedia AG vertretene Redaktion von «20 Minuten Online», die Beschwerde sei abzuweisen. Im beanstandeten Artikel werde an keiner Stelle eine Verwicklung der Pnos mit dem Rütli-Bomber behauptet oder suggeriert. «Die Bildlegende sagt ausdrücklich, dass die Beschwerdeführerin erst am 5. August auf das Rütli pil-gerte. (…) Das verwendete Bild ist ein klassisches Symbolbild, das in Erinnerung ruft, dass das Rütli für verschiedenste Zwecke herhalten muss. Dass Geschichten mit Bildern illustriert werden, die nicht in direktem Zusammenhang mit dem Artikel stehen, ist journalistischer Alltag.» Zudem habe kein Anlass bestanden, «explizit zu erwähnen, dass die Beschwerdeführerin nichts mit der Explosion zu tun hatten», da der Artikel ja insgesamt nicht von der Pnos handle.
D. Das Präsidium des Presserats wies den Fall seiner 3. Kammer zu; ihr gehören Esther Diener-Morscher als Präsidentin an sowie Thomas Bein, Andrea Fiedler, Claudia Landolt Starck, Peter Liatowitsch, Daniel Suter und Max Trossmann.
E. Die 3. Kammer behandelte die Beschwerde an ihrer Sitzung vom 25. Juni 2009 sowie auf dem Korrespondenzweg
II. Erwägungen
1. Wird mit der von «20 Minuten» verwendeten Illustration – wie die Beschwerdeführerin be-hauptet – der wahrheitswidrige Eindruck erweckt, die Pnos habe etwas mit dem Sprengstoffan-schlag auf dem Rütli zu tun? Oder ist für den Betrachter sofort klar, dass die Illustration keinen Zusammenhang mit dem Text herstellen soll, sondern als Symbolbild für das Rütli und für die Aktivitäten rund um den 1. August ausgewählt worden ist?
2. Der Presserat hat schon früher (vgl. die Stellungnahme 36/2007) darauf hingewiesen, dass – ebenso wie die Auswahl der zu veröffentlichenden Texte – auch die Wahl von Illustrationen grundsätzlich im Ermessen der Redaktionen liegt. In der Richtlinie 3.4 zur «Erklärung» ist aus-drücklich festgehalten, dass Bilder oder Filmsequenzen mit Illustrationsfunktion, die ein Thema oder einen Kontext ins Bild rücken, die keinen direkten Zusammenhang mit dem Textinhalt ha-ben (Symbolbilder), als solche erkennbar sein sollen. Sie sind klar von Bildern mit Dokumentati-ons- und Informationsgehalt unterscheidbar zu machen, die zum Gegenstand der Berichterstat-tung einen direkten Bezug herstellen.
3. Die Illustration des Artikels mit der Pnos-Fahne ist nach Auffassung des Presserates unglück-lich gewählt. Das Bild und der erste Satz der Bildlegende illustrieren und beschreiben einen ganz anderen Sachverhalt als denjenigen, mit dem sich der Titel und der Lauftext des Artikels befas-sen. Dabei ist nicht auszuschliessen, dass einzelne flüchtige Leserinnen und Leser tatsächlich zum Fehlschluss verleitet werden, rechtsradikale Kreise hätten etwas mit dem Anschlag auf dem Rütli zu tun, wie dies offenbar auch die Polizei zunächst vermutete.
Allerdings ist in der Legende zum beanstandeten Bild deutlich festgehalten, dass das Foto den Zug der «Rechtsradikalen» auf das Rütli vom 5. August 2007 abbildet. Ebenso macht die Bildle-gende deutlich, dass sich die Sprengstoff-Explosion am 1. August 2007, also vier Tage vorher ereignete. Bild und Bildlegende sind einander eindeutig zugeordnet und die Lektüre der Bildle-gende macht deutlich, dass das Bild nicht die Sprengstoff-Explosion als solche illustrieren soll, sondern sich auf das Rütli als den (gemeinsamen) Ort des Geschehens bezieht. Die wehende Fah-ne vor dem Hintergrund eines grünen Baumes und dem blauen See lässt denn auch eher an Nati-onalfeiertag und Folklore denken als an Gewaltbereitschaft und Sprengstoff-Explosionen. Ent-sprechend dürfte der grösste Teil des Publikums in der Lage sein, die Illustration als Symbolbild zu erkennen. «20 Minuten Online» hat deshalb die Ziffer 1 der «Erklärung» (Wahrheit) nicht ver-letzt.
4. Ebenso wenig war die Beschwerdegegnerin unter diesen Umständen gestützt auf Ziffer 3 der «Erklärung» (Unterschlagung wichtiger Informationen) verpflichtet, ausdrücklich darauf hinzu-weisen, die Pnos habe mit den Anschlägen des «Rütli-Bombers» nichts zu tun. Gegenstand des beanstandeten Artikels vom 21. November 2008 ist nicht die Rolle der Pnos und ihr Verhältnis zur Gewalt, sondern ein (Zwischen-)Entscheid des Bundesgerichts in einem Haftentlassungsver-fahren im Fall «Rütli-Bomber».
III. Feststellungen
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
2. «20 Minuten Online» hat mit der Illustrierung des Artikels «Rütli-Bomber bleibt weiterhin in U-Haft» vom 21. November 2008 mit einem Foto der Pnos-Fahne die Ziffern 1 und 3 der «Erklä-rung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» nicht verletzt.