I. Sachverhalt
A. Am 11. April 2020 veröffentliche «20 Minuten» online einen Artikel mit dem Titel «China macht vor, was der Lockdown wirklich bringt». Unter diesem Artikel erschienen Leserkommentare, darunter solche, die Bemerkungen enthielten wie «Alle Asiaten sind dreckige Schweine», «Einfaches Rezept: alle Chinafotzen zubetonieren» oder «China muss nuklear desinfiziert werden».
B. Mit Eingabe vom 16. April 2020 reichte X. Beschwerde gegen die Veröffentlichung dieser «und anderer» «absolut inakzeptabler Kommentare» durch «20 Minuten» ein. Er macht geltend, die Veröffentlichung solchen Materials verstosse gegen Ziffer 8 (Schutz der Menschenwürde, Verbot der Diskriminierung) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (nachfolgend «Erklärung»). Er weist darauf hin, dass die Kommentare in der Zwischenzeit (fünf Tage später) verschwunden seien, dennoch seien immer noch diskriminierende Texte unter dem betreffenden Artikel zu finden. Schliesslich fügt er an, er behalte sich die Einleitung eines Gerichtsverfahrens vor.
C. Am 29. Juni 2020 nahm der Rechtsdienst der TX Group namens der Chefredaktion von «20 Minuten» (Beschwerdegegnerin, BG) Stellung zur Beschwerde und beantragte Nichteintreten, allenfalls Abweisung der Beschwerde.
Den Antrag auf Nichteintreten begründet die Redaktion damit, der Beschwerdeführer behalte sich ein Gerichtsverfahren vor. Das müsse nach Art. 11 Abs. 1 des Geschäftsreglements des Presserates zu einem Nichteintreten führen. Hinzu komme, dass die BG die fraglichen Kommentare, drei von insgesamt 1370 Stück, umgehend gelöscht habe. Was gemäss Art. 11 des Geschäftsreglements ebenfalls zu einem Nichteintreten führen müsse. Im Weiteren begründe der Beschwerdeführer nicht, welche genaue Textstelle wie genau die Ziffer 8 der «Erklärung» verletze. So sei aber eine Verteidigung fast unmöglich. Und die vom Reglement verlangte Kopie des beanstandeten Medienberichts fehle. Das seien insgesamt vier Gründe für ein Nichteintreten.
Falls doch eingetreten werden sollte, wird geltend gemacht, dass «20 Minuten» die Problematik sehr wohl bewusst sei. So habe man einen neuen Algorithmus erarbeitet, welcher diskriminierende Kommentare unterbinden solle. Ebenso habe sich die BG für diese Problematik auch entschuldigt, und die Chefredaktion habe der Leserschaft erklärt, dass Diskriminierung nicht toleriert werde. Man habe zudem die Massnahmen erläutert, die dazu führen sollen, dass derartige Kommentare vermehrt unterbunden werden können. Insofern sei klar, dass die Chefredaktion ihren journalistischen Sorgfaltspflichten nachkomme. Schliesslich wird auf die Güterabwägung hingewiesen, welche immer wieder erforderlich sei zwischen Diskriminierungsverbot und möglichst grossem Meinungspluralismus. Dabei sei zu berücksichtigen, dass es nicht zielführend wäre, User mit «anstössigem Vokabular oder bissigen Bemerkungen» vom Diskurs auszuschliessen. Dies sei auch mit der Haltung des Presserats vereinbar, der seine Aufgabe nicht als «Wächter der political correctness» sehe.
D. Gemäss Art. 13 Abs. 1 des Geschäftsreglements behandelt das Presserats-präsidium, bestehend aus Dominique von Burg, Präsident, sowie Casper Selg und Max Trossmann, Vizepräsidenten, Beschwerden, auf die der Presserat nicht eintritt.
E. Das Presseratspräsidium hat die vorliegende Stellungnahme per 7. September 2020 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.
II. Erwägung
Gestützt auf Art. 11 Abs. 1 seines Geschäftsreglements tritt der Presserat nicht auf eine Beschwerde ein, «wenn sich die betroffene Redaktion oder die Journalistin/der Journalist bei einer Angelegenheit von geringer Relevanz bereits öffentlich entschuldigt und/oder Korrekturmassnahmen ergriffen hat». All dies trifft im vorliegenden Fall zu:
– Die Kommentare wurden gelöscht. Wann genau ist nicht bekannt, jedenfalls waren sie nach fünf Tagen nicht mehr zu sehen. Die Redaktion spricht von «unverzüglich», der Beschwerdeführer macht dazu keine Angaben, ausser dass sie «jetzt», also fünf Tage nach Erscheinen, verschwunden seien.
– Der Chefredaktor hat sich knapp zwei Monate später in einem Kommentar «in eigener Sache» für mehrfach freigeschaltete sexistische und rassistische Kommentare entschuldigt. Als Grund gab er an, der neue Kommentar-Filter funktioniere noch nicht wie er sollte. Weiter erläutert er, was in dieser Hinsicht an Massnahmen umgesetzt werde.
– Und schliesslich handelt es sich um eine «Angelegenheit von geringer Relevanz». Zwar sind die Kommentare unerträglich primitiv und anstössig. Entsprechend ist es wichtig, dass die Redaktion ihre redaktionelle Verantwortung für die Leserbriefspalte wahrnimmt und solche Inhalte nicht zulässt. Aber hier geht es dennoch nicht um die Berichterstattung von «20 Minuten», sondern um drei von offenbar rund 1300 Kommentaren.
Insgesamt geht der Presserat davon aus, dass damit die Voraussetzungen von Art. 11 Abs. 1 des Geschäftsreglements erfüllt sind und auf die Beschwerde entsprechend nicht eingetreten wird.
III. Feststellung
Der Presserat tritt auf die Beschwerde nicht ein.