I. Sachverhalt
A. Am 19. März 2024 veröffentlichte die «Badener Woche Stadt» auf der Frontseite einen Beitrag von Corinne Remund mit dem Titel «‹Noch attraktiver und moderner – auf die Schweizer Kunden zugeschnitten›». Es geht um die Automarke Lexus und deren neues Automodell, mit dem gemäss Lead «ein neuer Stern am Lexus-Firmament» aufgeht. Der Bericht ist ein Interview mit dem Direktor von Lexus Schweiz. Dieser spricht über das Wachstum, seine Kundschaft, die Vorzüge sowie den Preis des neuen Autos und seine neue Markenbotschafterin. Der Artikel geht auf Seite 3 weiter. Dort erklärt der Direktor, weshalb die Kunden einen Lexus kaufen sollen. Zudem publizierte die «Badener Woche Stadt» in dieser Ausgabe ein Lexus-Inserat sowie eine doppelseitige Publireportage.
Auf Seite 2 derselben Ausgabe steht ein Artikel mit dem Titel «Die erste Etappe zum neuen Traumjob», gezeichnet mit dem Kürzel JoW. Es handelt sich um ein Porträt der Lernwerkstatt Olten und den AbsolventInnen des SVEB-zertifizierten Lehrgangs Ausbildner/in. Der Text berichtet auch von Veränderungen in der Bildungslandschaft und den entsprechenden Anpassungen der Lehrgänge der Lernwerkstatt. Er wird ergänzt mit zwei Infokästen: Im einen geht es um die Zertifikate, im andern um persönliche Ausbildungs-Subventionen. Daneben steht ein Inserat, in welchem die Lernwerkstatt eine Weiterbildung zur HR-Assistent/in anpreist.
Ein dritter Text auf Seite 5 der Ausgabe, bezeichnet mit «Publireportage», ist ein Interview mit dem Generalagenten von Swiss Life, der «einen Überblick über das breitgefächerte Angebot von Swiss Life» gibt und «flexible Lösungen der privaten Vorsorge» vorstellt. Das Interview führte Corinne Remund, es wird ergänzt mit Adresse, Telefonnummer und Öffnungszeiten der Generalagentur der Swiss Life in Baden.
B. Am selben Tag, dem 19. März 2024, reichte X. beim Schweizer Presserat Beschwerde gegen diese drei Artikel in der «Badener Woche Stadt» ein. X. macht einen Verstoss gegen die Richtlinie 10.1 (Trennung zwischen redaktionellem Teil und Werbung) und Richtlinie 10.2 (Koppelung von redaktionellen Berichten und Werbung) zur «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (nachfolgend: «Erklärung») geltend.
Der Beschwerdeführer ist der Ansicht, das Interview mit dem Lexus-Direktor sei ein reiner PR-Text ohne Hinweis auf bezahlte Werbung, aber auch ohne Bezug zur Region Baden. Obwohl die Seite optisch leicht anders gestaltet sei, fehle die entsprechende Kennzeichnung als Werbung und die saubere Trennung vom redaktionellen Teil, die von den Richtlinien 10.1 (Trennung zwischen redaktionellem Teil und Werbung) und 10.2 (Koppelung von redaktionellen Berichten und Werbung) zur «Erklärung» verlangt werden.
Auch beim Text zur Lernwerkstatt handle es sich um Werbung ohne Kennzeichnung. Das Bildungsinstitut sei in der «Badener Woche» schon öfters porträtiert worden, ohne dass es einen Bezug zur Region Baden gebe. Das darunterstehende Inserat deute ebenfalls auf eine Bezahlung des Beitrags hin. All diese Hinweise bestätigen für den Beschwerdeführer einen Verstoss gegen Richtlinie 10.1 (Trennung zwischen redaktionellem Teil und Werbung) und 10.2 (Koppelung von redaktionellen Berichten und Werbung) zur «Erklärung».
Zuletzt sei das Interview mit dem Generalagenten der Swiss Life zwar mit Publireportage gekennzeichnet, das Layout unterscheide sich aber nicht von demjenigen redaktioneller Beiträge. Dies verstosse gegen Richtlinie 10.1 (Trennung zwischen redaktionellem Teil und Werbung) zur «Erklärung».
C. Am 25. Juli 2024 unterbreitete der Presserat der «Badener Woche Stadt» die Beschwerde zur Stellungnahme bis zum 10. September 2024. Weder Verleger Giuseppe Nica noch die Autorin Corinne Remund haben das Schreiben des Presserates beantwortet.
D. Am 4. Oktober bat der Presserat Verleger Nica und Autorin Remund erneut um eine Stellungnahme, diesmal mit einer Nachfrist bis 21. Oktober 2024. Erneut entschied sich die «Badener Woche Stadt», das Schreiben des Schweizer Presserates nicht zu beantworten.
E. Am 11. Dezember 2024 teilte der Presserat den Parteien mit, die Beschwerde werde gemäss Artikel 13 Abs. 1 seines Geschäftsreglements vom Präsidium behandelt, bestehend aus Susan Boos, Präsidentin, Annik Dubied, Vizepräsidentin, Jan Grüebler, Vizepräsident, und Ursina Wey, Geschäftsführerin.
F. Das Präsidium des Presserats hat die vorliegende Stellungnahme am 19. Dezember 2024 verabschiedet.
II. Erwägungen
1. Ziffer 10 der «Erklärung» verbietet Journalistinnen und Journalisten in ihrer beruflichen Tätigkeit jede Form von kommerzieller Werbung. Sie akzeptieren keinerlei Bedingungen von Seiten der Inserentinnen und Inserenten. Die dazugehörige Richtlinie 10.1 (Trennung zwischen redaktionellem Teil und Werbung) besagt, dass Inserate, Werbesendungen und bezahlte oder durch Dritte zur Verfügung gestellte Inhalte gestalterisch von redaktionellen Beiträgen klar abzuheben sind. Sofern sie nicht optisch eindeutig als solche erkennbar sind, müssen sie explizit als Werbung deklariert werden. Journalistinnen und Journalisten dürfen diese Abgrenzung nicht durch Einfügen von Schleichwerbung in der redaktionellen Berichterstattung unterlaufen.
Richtlinie 10.2 (Sponsoring, Pressereisen, Koppelung von redaktionellen Berichten und Werbung) besagt, dass bei gesponserten Medienberichten der Name des Sponsors transparent zu machen und die freie Themenauswahl und -bearbeitung durch die Redaktion zu gewährleisten ist. Redaktionelle Beiträge (z. B. «begleitende» redaktionelle Berichterstattungen), die als «Gegenleistung» zu Inseraten und Werbesendungen veröffentlicht werden, sind unzulässig.
Die «Badener Woche Stadt» ist eine lokale Gratiszeitung, herausgegeben von Aaremedien. Gemäss ihrem Leitbild will die Zeitung aktuelle Fragen und Ereignisse aus einem anderen Blickwinkel beleuchten, Hintergründe und Zusammenhänge aufzeigen. Sie erwähnt aber auch, dass Publireportagen und die Förderung von PR-Aktionen «bei den Aaremedien auf offene Ohren stossen» und für die Inserenten «individuelle, auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Vorschläge» ausgearbeitet werden.
Dem Presserat ist klar, dass Gratiszeitungen nur dank Sponsoren und Inseraten bestehen können. Das ist an sich nicht problematisch. Die Vereinbarungen und Absprachen mit den Inserenten sind aber sorgfältig zu kennzeichnen und transparent zu machen.
2. Beim Interview mit dem Direktor von Lexus Schweiz handelt es sich um ein gänzlich unkritisches Befragen zum neuen Automodell von Lexus und zu dessen Vorteilen. Illustriert ist der Beitrag mit Bildern, die von Lexus zur Verfügung gestellt worden sind, in der Bildlegende wird das Modell zusätzlich angepriesen und der Text endet mit der Schweizer Webseitenadresse der Automarke. Zudem publizierte die «Badener Woche Stadt» weiter hinten eine doppelseitige Publireportage zu Lexus sowie ein ganzseitiges Inserat. Es scheint sich beim Frontartikel offensichtlich um einen Gefälligkeitstext zu handeln, sprich um Public Relations und nicht um Journalismus. Ein derartiger Bericht hätte ebenfalls als Werbung gekennzeichnet werden oder sich durch das Layout vom Rest der Zeitung abheben müssen. So aber wirkt es wie ein gewöhnlicher, redaktioneller Frontaufmacher, was er vom Inhalt her offensichtlich nicht ist. Die Redaktion hat bedauernswerterweise darauf verzichtet, zur Beschwerde Stellung zu nehmen. Es muss jedoch davon ausgegangen werden, dass der Bericht auf einer Vereinbarung mit dem Werbekunden beruht, was gegen Richtlinie 10.1 (Trennung zwischen redaktionellem Teil und Werbung) und Richtlinie 10.2 (Sponsoring, Pressereisen, Koppelung von redaktionellen Berichten und Werbung) zur «Erklärung» verstösst.
3. Die Lernwerkstatt Olten ist ein privates Bildungsinstitut. Der Beschwerdeführer gibt an, die «Badener Woche Stadt» habe schon mehrere Male über die Lernwerkstatt berichtet, obwohl diese nicht im Einzugsgebiet liege. Das Verbot kommerzieller Werbung in Ziffer 10 der «Erklärung» betrifft nicht nur den Verkauf von Produkten. Die berufsethischen Regeln erfassen auch Berichte, die Dienstleistungen vorstellen. Wie es in der Richtlinie 10.3 (Nennung von Marken und Produkten) heisst, gefährdet die unkritische oder hochlobende Präsentation von Konsumgegenständen, die häufiger als nötige Nennung von Produkte- oder Dienstleistungsmarken und die blosse Wiedergabe von Werbeslogans im redaktionellen Text die Glaubwürdigkeit des Mediums und der Journalistinnen und Journalisten. Der Artikel zum Bildungsinstitut umrahmt ein Inserat der Lernwerkstatt, das einen Lehrgang anpreist. Diese unmittelbare Nähe von Text und Inserat lässt darauf schliessen, dass eine unzulässige Koppelung von bezahlter Werbung mit einem gefälligen Bericht besteht, was gemäss «Erklärung» nicht zulässig ist. Richtlinie 10.1 (Trennung zwischen redaktionellem Teil und Werbung), Richtlinie 10.2 (Koppelung von redaktionellem Bericht und Werbung) sowie Richtlinie 10.3 (Nennung von Marken und Produkten) sind verletzt.
4. Das Interview mit dem Generalagenten des Lebensversicherers Swiss Life ist als Publireportage gekennzeichnet. Gemäss der aktuell geltenden Richtlinie 10.1 (Trennung zwischen redaktionellem Teil und Werbung) sind Inserate, Werbesendungen und bezahlte oder durch Dritte zur Verfügung gestellte Inhalte gestalterisch von redaktionellen Beiträgen klar abzuheben. Sofern sie nicht optisch eindeutig als solche erkennbar sind, müssen sie explizit als Werbung deklariert werden. Gestalterisch hat die «Badener Woche Stadt» den Artikel nicht vom redaktionellen Teil abgegrenzt, der Text ist jedoch als «Publireportage» markiert. Damit ist die Vorgabe erfüllt. Richtlinie 10.1 (Trennung zwischen redaktionellem Teil und Werbung) und Richtlinie 10.2 (Koppelung von redaktionellem Bericht und Werbung) sind nicht verletzt.
Ab 1. Januar 2025 tritt die revidierte Richtlinie 10.1 (Trennung zwischen redaktionellem Teil und Werbung) in Kraft. Künftig wird verlangt, dass nicht-redaktionelle Beiträge, die im Umfeld redaktioneller Beiträge erscheinen (also zum Beispiel sogenannte Native Ads) eindeutig gekennzeichnet sind und in erkennbar anderer Gestaltung daherkommen. Bislang war nur ein Entweder-oder verlangt worden. Damit wird der Presserat die Richtlinie an die Regelungen der Schweizerischen Lauterkeitskommission und des Verbands Schweizer Medien anpassen.
III. Feststellungen
1. Der Presserat heisst die Beschwerde in der Hauptsache gut.
2. Die «Badener Woche Stadt» hat mit den Beiträgen «‹Noch attraktiver und moderner – auf die Schweizer Kunden zugeschnitten›» und «Die erste Etappe zum neuen Traumjob» vom 19. März 2024 die Ziffer 10 (Trennung zwischen redaktionellem Teil und Werbung) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verletzt.