Nr. 47/2024
Vorteilsannahme

(X. c. «Luzerner Zeitung»)

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I. Sachverhalt

A. Am 25. September 2023 veröffentlichte die «Luzerner Zeitung» einen Beitrag mit dem Titel «Bernhard Alpstaeg kehrt ins eigene Stadion zurück: Schulterklopfen im VIP-Bereich, Buhrufe aus der Fankurve – und eine unerwartete Ankündigung», verfasst von François Schmid-Bechtel, Patrik Müller und Roman Loeffel. Der Beitrag besteht aus einem Text und einem Video über Bernhard Alpstaegs Matchbesuch im Luzerner Stadion. Alpstaeg spricht im Video über seine Gefühle, begrüsst Besucherinnen und Besucher und beantwortet einige Fragen der Journalisten. Im Begleittext geht es darum, dass Bernhard Alpstaeg, der das Stadion mitfinanziert hat, nach einem Eklat mit der Vereinsführung des FC Luzern aber um seine Sicherheit fürchtete. Er hatte die Vereinsführung in einem Interview mit dem «Sonntags-Blick» kritisiert, woraufhin ein Teil seiner Aktien blockiert wurden und beide Seiten einander mit Strafanzeigen eindeckten. Ein Jahr lang blieb Bernhard Alpstaeg daraufhin dem Stadion fern, bis zu diesem Bericht. Der Artikel beschreibt die Begegnung mit dem Vereinspräsidenten, dem anderen Grossaktionär des Vereins und einen Rundgang durch den VIP-Bereich. Dann geht es mit Impressionen aus der Fankurve weiter, in der zwei Transparente gegen Alpstaeg hochgehalten werden – unter anderem eines mit «CH Media chasch chaufe, aber üüs bechonsch nie». Der Text endet mit der Erwähnung eines Mails eines Anwalts des anderen Grossaktionärs, in dem sich dieser darüber befremdet zeigt, dass die Journalisten während des Fussballspiels mit Alpstaeg in der Loge sassen. Am 26. September erscheint dasselbe Video erneut in der «Luzerner Zeitung» (online).

B. Am 14. November 2023 reichte X. beim Schweizer Presserat Beschwerde gegen den Videobeitrag und den Artikel ein, der in der «Luzerner Zeitung» und in mehreren weiteren Erzeugnissen von CH Media erschienen ist. Der Beschwerdeführer macht einen Verstoss gegen Ziffer 9 (Vorteilsannahme) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (nachfolgend: «Erklärung») geltend. Die Journalisten hätten eine Einladung von Bernhard Alpstaeg bzw. seines Umfelds angenommen, ein Fussballspiel in dessen privater Loge zu besuchen. Dieser Besuch habe einen finanziellen Wert von ungefähr 1000 Franken pro Journalist. Auf diese Zahl kommt der Beschwerdeführer, indem er den Jahresmietpreis von Alpstaegs Loge auf die Zahl der Heimspiele und Sitzplätze umrechnet. Diese Einladung in die Loge und eine allfällige Verköstigung der Journalisten gefährde deren berufliche Unabhängigkeit. Den Beweis dafür sieht der Beschwerdeführer im vorliegenden, wohlwollenden Bericht über Bernhard Alpstaeg. Der Konflikt im Zusammenhang mit dem FC Luzern habe eine grosse Relevanz, es stünden gar strafrechtliche Vorwürfe im Raum. In diesem Zusammenhang sei die wohlwollende Berichterstattung über Alpstaeg heikel. Die Berichterstattung sollte in solch sensiblen Angelegenheiten neutral und objektiv sein, um die öffentliche Meinung nicht einseitig zu beeinflussen.

C. Am 7. Mai 2024 nahm Chefredaktor Christian Peter Meier für die Redaktion der «Luzerner Zeitung» zur Beschwerde Stellung und beantragte deren Abweisung. Die «Luzerner Zeitung» und CH Media hätten in den Monaten zuvor in Dutzenden von Artikeln über den Aktionärsstreit beim FCL berichtet, wobei mehrheitlich die VertreterInnen des Clubs, der Fans und weiterer Kritiker von Bernhard Alpstaeg zu Wort gekommen seien. Nachdem Alpstaeg in einem Interview am 25. August 2023 seine Furcht vor einem Stadionbesuch erwähnt habe, schlugen ihm die Journalisten vor, gemeinsam ein Spiel zu besuchen und darüber zu schreiben. Die Initiative sei also von Seiten der Journalisten gekommen, die ohnehin einen kostenlosen Zutritt zum Stadion haben. Im Beitrag sei beschrieben worden, wie Alpstaeg den Stadionbesuch erlebt habe und wie Freund und Feind darauf reagiert hätten. Dies runde das Gesamtbild zum Streit ab.

D. Am 29. Mai 2024 teilte der Presserat den Parteien mit, die Beschwerde werde gemäss Artikel 13 Abs. 1 seines Geschäftsreglements vom Präsidium behandelt, bestehend aus Susan Boos, Präsidentin, Annik Dubied, Vizepräsidentin, Jan Grüebler, Vizepräsident, und Ursina Wey, Geschäftsführerin.

E. Das Präsidium des Presserats hat die vorliegende Stellungnahme am 11. November 2024 verabschiedet.

II. Erwägung

Laut Ziffer 9 der «Erklärung» nehmen JournalistInnen weder Vorteile noch Versprechungen an, die geeignet sind, ihre berufliche Unabhängigkeit und die Äusserung ihrer persönlichen Meinung einzuschränken. Der Beschwerdeführer sieht den Vorteil darin, dass die Journalisten eine Einladung in die persönliche Loge von Bernhard Alpstaeg angenommen haben und dort verköstigt worden sind. Die Redaktion der «Luzerner Zeitung» macht geltend, die Initiative zum gemeinsamen Matchbesuch sei von den Journalisten ausgegangen, indem sie Alpstaeg vorgeschlagen hätten, gemeinsam ein Spiel zu besuchen und darüber zu schreiben. Der Presserat sieht keinen Grund, an der Schilderung der «Luzerner Zeitung» zu zweifeln. Ob eine Verköstigung der Journalisten stattgefunden hat, wie der Beschwerdeführer suggeriert, lässt sich für den Presserat nicht eruieren. Der Beschwerdeführer bringt ausser den Mietkosten für die Loge auch kein Argument, dass die Journalisten ihre Unabhängigkeit aufs Spiel gesetzt hätten. Die «Luzerner Zeitung» wollte Bernhard Alpstaeg nach langer Abwesenheit aus dem Stadion an ein Spiel begleiten und darüber berichten, wie die übrigen Gäste darauf reagiert haben. Diese Vorgabe erfüllt der Artikel. Dass die Begleitung von Alpstaeg ins Stadion nur einen von vielen Artikeln zum Thema ausmacht, rundet dieses Bild ab.

Schliesslich ist der Beschwerdeführer der Ansicht, Medien müssten objektiv über laufende Ermittlungen berichten. Gemäss Praxis des Presserats sind Medien zwar verpflichtet, fair zu berichten, sie müssen dabei aber nicht neutral sein, sondern dürfen durchaus eine subjektive Meinung oder These dabei vertreten. Angesichts dieser Überlegungen kommt der Presserat zum Schluss, dass Ziffer 9 der «Erklärung» nicht verletzt ist.

III. Feststellungen

1. Der Presserat weist die Beschwerde ab.

2. Die «Luzerner Zeitung» hat mit dem Beitrag «Titel «Bernhard Alpstaeg kehrt ins eigene Stadion zurück: Schulterklopfen im VIP-Bereich, Buhrufe aus der Fankurve – und eine unerwartete Ankündigung» vom 25. September 2023 die Ziffer 9 (Vorteilsannahme) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» nicht verletzt.