Nr. 46/2025
Unabhängigkeit / Trennung zwischen redaktionellem Teil und Werbung / Fristenlauf

(X. c. «SonntagsZeitung»)

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I. Sachverhalt

A. Am 20. April 2024 (im Print am 21. April 2024) veröffentlichten die «SonntagsZeitung» sowie die von ihr belieferten Onlineportale in der regelmässigen Rubrik «Geldberater» unter dem Titel «Kassenobligationen im Krisenfall gesichert» die Antwort von Martin Spieler auf die Anfrage einer Leserin. Deren Frage hatte gelautet: «Ich möchte gerne 100’000 Franken bei der Cembra Money Bank in eine Kassenobligation investieren. Was ist, wenn der Emittent der Obligation bankrottgeht: Wäre meine Anlage verloren? R. E.».

In der Antwort schreibt der in einem Kästchen als «Journalist und unabhängiger Wirtschafts- und Finanzexperte» vorgestellte Autor: Nein, die Anlage wäre nicht verloren, Kassenobligationen gälten als «gesicherte Guthaben», allerdings nur bis 100’000 Franken. Nach einigen Erläuterungen über die Funktionsweise der Absicherung schliesst der kurze Text mit: «Die Cembra Money Bank halte ich für ein sicheres Institut. Dies unterstreicht die Einstufung mit A–/stabil der Ratingagentur Standard & Poor’s».

B. Am 16. Juli 2024 reichte X. Beschwerde beim Schweizer Presserat ein. Er macht geltend, dieser Text, sowie eine Reihe weiterer, bis in den Januar 2022 zurückliegende Empfehlungen des «Geldberaters» verletzten die Ziffer 10 (Vermeidung kommerzieller Werbung) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (nachfolgend «Erklärung») sowie die Richtlinien 2.4 (öffentliche Funktionen, Interessenkonflikte), 9.1 (Unabhängigkeit), 9.2 (Interessenbindungen), 10.1 (Trennung zwischen redaktionellem Teil und Werbung) und 10.2 (Koppelung zwischen redaktionellem Teil und Werbung).

Zur Begründung führt der Beschwerdeführer an:

– Die Rubrik «Geldberater» verletze die Ziffer 10 der «Erklärung», weil die insgesamt 17 Empfehlungen für die Cembra Money Bank insbesondere angesichts ihrer Häufung die Wirkung von kommerzieller Werbung hätten. Diese werde zusätzlich verstärkt durch die Bezeichnung des Autors als Wirtschafts- und Finanzexperte, welcher in einem Medium mit breiter Publikumswirkung Fragen mit seinen Empfehlungen beantworte.

– Weiter verletze die Berichterstattung die Richtlinie 2.4 (Interessenkonflikte), indem sie faktisch für die Cembra Money Bank werbe.

– Hinsichtlich der in Richtlinie 9.1 geforderten Unabhängigkeit entstünden Zweifel angesichts der regelmässigen Fokussierung und Bewerbung der Cembra Money Bank.

– Die Fokussierung auf die Cembra Money Bank, deren wiederholte Bewerbung lasse die Frage aufkommen, ob die Interessenbindungen korrekt offengelegt worden seien (Richtlinie 9.2). Der Autor werde als «unabhängiger Wirtschafts- und Finanzexperte» bezeichnet.

– Die von Richtlinie 10.1 geforderte klare Trennung zwischen Werbung und redaktionellem Inhalt sei nicht erfolgt.

– Richtlinie 10.2 (Sponsoring, Pressereisen, Koppelung von redaktionellen Berichten und Werbung) sei ebenfalls verletzt, weil nicht klar zwischen Werbung und redaktionellem Inhalt abgegrenzt und somit Schleichwerbung betrieben werde.

C. Mit Beschwerdeantwort vom 15. Mai 2025 beantragte die Rechtsabteilung der TX Group, welcher die «SonntagsZeitung» sowie die übrigen von dieser bedienten Onlineportale gehören, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten. Eventualiter sei diese abzuweisen. Den Antrag auf Nichteintreten begründet sie damit, dass nur die letzten beiden vom Beschwerdeführer beanstandeten 17 Artikel rechtzeitig beanstandet worden seien. Die Frist von drei Monaten seit Veröffentlichung gemäss Artikel 11 Absatz 1 des Geschäftsreglements des Schweizer Presserats sei bei allen anderen 15 Texten abgelaufen. Entsprechend sei auf diese nicht einzutreten.

Was die übrigen Beschwerdepunkte angehe, seien diese unter allen beanstandeten Titeln unbedenklich:

– Die Richtlinie 2.4, welche Interessenkonflikte betrifft, die zu vermeiden sind, sei nicht betroffen, weil der Autor des «Geldberater» keine der vom Beschwerdeführer insinuierten Beziehungen zur Cembra Money Bank unterhalte und nie irgendwelche Honorare oder anderweitige Vorteile von dieser Seite erhalten habe. Dies gelte auch für die TX Group selber. Man schliesse Inserate von Geldinstituten nicht aus, aber bezüglich der monierten Artikel habe die «SonntagsZeitung» keine Entgelte oder andere Vorteile von Dritten erhalten.

– Die Richtlinien 9.1 (Unabhängigkeit) und 9.2 (Interessenbindungen), welche die Beeinflussung durch die Annahme von Geschenken respektive durch die Nutzung von Vorinformationen betreffen, seien ebenso wenig verletzt. Da weder der Autor noch die Redaktion von der Cembra Money Bank Zuwendungen im Rahmen der fraglichen Berichterstattung erhalten hätten, erübrige sich das Thema. Der Beschwerdeführer nenne diesbezüglich auch nur Vermutungen und nicht konkrete Sachverhalte, keine Textstellen, wie die «Erklärung» dies verlange, wenn er schreibe, die Berichterstattung «erwecke Zweifel» an der Unabhängigkeit des Autors. Der Umstand, dass häufig von der Cembra Money Bank die Rede gewesen sei, liege daran, dass diese von Leserinnen und Lesern häufig thematisiert wurde. Dies wiederum habe seinen Grund darin gehabt, dass im Zusammenhang mit dem Kollaps der Credit Suisse viele Anfragen nach alternativen, sicheren Anlagen, welche einen regelmässigen Zins abwerfen, eingegangen seien. Hier habe die besagte Bank ein speziell interessantes Produkt angeboten.

– Mit der Ziffer 10, respektive den Richtlinien 10.1 und 10.2, rüge der Beschwerdeführer eine mangelnde Trennung von redaktionellem Text und Werbung. Auch hier verweise er weder auf konkrete Textstellen, die dies belegten, noch inwiefern die aufgeführte Liste von Artikeln eine Ziffer der «Erklärung» oder Richtlinien verletzen würden. Da der Autor und die «SonntagsZeitung» keine Zuwendungen irgendwelcher Art für die Berichte erhielten, erübrige sich auch die Diskussion über ein allfälliges Trennen von redaktionellem Text und bezahlter Werbung.

D. Am 30. Juli 2025 teilte der Presserat den Parteien mit, die Beschwerde werde vom Präsidium behandelt, bestehend aus Susan Boos, Präsidentin, Annik Dubied, Vizepräsidentin, Jan Grüebler, Vizepräsident, und Ursina Wey, Geschäftsführerin.

E. Das Präsidium des Presserats hat die vorliegende Stellungnahme am 14. Dezember 2025 verabschiedet.

 

II. Erwägungen

1. Zum Eintreten: Der Presserat tritt auf die Beschwerde ein, soweit sie den «Geldratgeber» vom 20. April 2024 (respektive vom 21. April im Print) betrifft. Der zweite in der Beschwerde unter diesem Datum aufgelistete «Ratgeber»-Artikel mit dem Titel «Cembra: Dank Konsumkrediten höherer Zins bei Kassenobligationen» ist nicht am 20. April 2024 erschienen, wovon beide Parteien in ihren Stellungnahmen ausgehen, sondern bereits am 22. März 2024. Er lag deshalb ausserhalb der Frist von drei Monaten nach Erscheinen. Dasselbe gilt entsprechend für die übrigen 15 beanstandeten Texte, die bis in das Jahr 2022 zurückreichen. Auf den Text des 20. April 2024 ist einzutreten, die übrigen liegen ausserhalb der Frist des Artikels 11 Absatz 1 der Geschäftsordnung des Schweizer Presserats.

Wo eine Beschwerde sich, wie die vorliegende, darauf stützt, dass eine Häufung von medienethisch problematischen Äusserungen verbreitet worden sei, kann dies durchaus gerügt werden, aber nur, wenn diese Nennungen innerhalb der der Beschwerde vorangehenden drei Monate erfolgt sind. Mehr lässt das Reglement des Presserats nicht zu.

2. Die Richtlinie 2.4 verlangt, dass eine klare Trennung erfolgt zwischen einer öffentlichen oder privaten Tätigkeit eines Autors, einer Autorin und der journalistischen Funktion, mit der sie sich überschneiden könnte. Die «SonntagsZeitung» bestreitet jede Überschneidung, es bestehe keine Verbindung der Zeitung oder des Autors mit dieser Bank. Der Beschwerdeführer begründet seine Kritik damit, dass der beanstandete Ratschlag «bewerbenden» Charakter besitze.

Dem ist nicht zuzustimmen. Zwar empfiehlt der Text ganz am Schluss eine Kassenobligation dieser Bank, dies aber mit vorgängig deutlicher Begründung und auf ausdrückliche Frage hinsichtlich eben dieser Bank.

3. Die Richtlinien 9.1 und 9.2 betreffen die Unabhängigkeit in der Berichterstattung, auf die sich die Leserschaft verlassen können muss. Dies gilt im Fall von Richtlinie 9.1 generell für den Fall, dass Journalistinnen oder Journalisten im Zusammenhang mit der Berichterstattung Geschenke angeboten oder gemacht werden, im Fall von Richtlinie 9.2 wird dies speziell für den Fall der Wirtschaftsberichterstattung formuliert. Der Beschwerdeführer sieht beides verletzt. Im ersten Fall (Richtlinie 9.1) entstünden angesichts einer «regelmässigen Fokussierung und Bewerbung der Cembra Money Bank Zweifel an der Unabhängigkeit» des Autors. Im zweiten (Richtlinie 9.2) lasse die Fokussierung und Bewerbung dieser Bank «die Frage aufkommen», ob die Interessenbindungen des Autors korrekt offengelegt worden seien.

Die «SonntagsZeitung» verneint auch hier jede Annahme von Geschenken oder andere Formen der Interessenbindung gegenüber dieser Bank.

Der Presserat sieht im Text vom 20. April 2024 keinen Anhaltspunkt, der eine Interessenbindung belegen könnte. Der Beschwerdeführer behauptet das auch nicht, er spricht nur von «Zweifel» an der Unabhängigkeit und im zweiten sieht er «eine Frage aufkommen». Der Presserat kann nicht gestützt auf «Vermutungen» oder «aufkommende Fragen» urteilen.

4. Gleiches gilt für die Ziffer 10 der «Erklärung», welche jede Form von kommerzieller Werbung durch Journalisten, Journalistinnen verbietet, ebenso wie für die präzisierenden Richtlinien 10.1 (Trennung von redaktionellem Teil und Werbung) und 10.2 (Koppelung von redaktionellem Teil und Werbung): Der Beschwerdeführer geht in all diesen Punkten davon aus, dass es beim vorliegenden Text um irgendeine Form von nicht deklarierter Werbung geht. Er kann das aber nicht belegen, er vermutet dies nur, gestützt auf eine Serie von Artikeln, die im vorliegenden Verfahren aber keine Rolle spielen können. Mangels Belegs für eine erfolgte versteckte Werbung sind auch die Ziffer 10 der «Erklärung» und die dazugehörigen Richtlinien 10.1 (Trennung von redaktionellem Teil und Werbung) und 10.2 (Koppelung von redaktionellem Teil und Werbung) nicht verletzt.

III. Feststellungen

1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit der Presserat auf sie eintritt.

2. Die «SonntagsZeitung» hat mit dem Artikel «Kassenobligationen im Krisenfall gesichert» vom 20. April 2024 die Ziffern 2 (Freiheit der Information), 9 (Unabhängigkeit) und 10 (Verbot kommerzieller Werbung) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» nicht verletzt.

3. Auf die übrigen 16 der 17 beanstandeten Texte tritt der Presserat nicht ein, da sie vor mehr als drei Monaten seit Eingang der Beschwerde veröffentlicht wurden.