Zusammenfassung
Das «St. Galler Tagblatt» berichtete über eine Schulsportanlage, die in der Gemeinde Eggersriet gebaut werden soll. Der Standort des Neubaus ist umstritten. Im Artikel wurde ein anonymes Flugblatt zitiert, das die verantwortlichen Gemeindebehörden scharf kritisierte. Die Kritik galt besonders dem Gemeindepräsidenten und dessen Stellvertreter. Auch der Sohn des Gemeindepräsidenten wurde erwähnt, der als «Gemeinderatsschreiber Bau und Umwelt» am Bauprojekt beteiligt ist. Im Flugblatt hiess es, die Involvierten verstünden nichts vom Baufach – wörtlich: «Alles keine Baufachleute. Vater, Sohn, Freund». Der betreffende Gemeinderatsschreiber beschwerte sich beim Presserat über den Artikel. Dass er «nicht vom Baufach» sei, sei falsch, er verfüge über entsprechende Ausbildungen.
Der Journalismuskodex erlaubt es nicht, «anonyme Anschuldigungen» zu verbreiten. Im konkreten Fall kursierte das anonyme Schreiben jedoch bereits in der Gemeinde. Es durfte deshalb im Bericht darauf eingegangen werden. Allerdings hätten die anonymen Vorwürfe vor der Publikation verifiziert werden müssen. Das war nicht der Fall, was der Presserat rügt. Hätte die Journalistin den Gemeindeschreiber vor der Publikation angehört – da es ja auch ein schwerer Vorwurf ist, dass er in seiner Funktion nichts vom Bauen verstehe – hätte der Fehler vermieden werden können.
Résumé
Le « St. Galler Tagblatt » a publié un article sur des installations sportives devant être construites pour un établissement scolaire de la commune d’Eggersriet. L’emplacement prévu pour le nouveau bâtiment ne fait pas l’unanimité. L’article cite un tract anonyme qui critique de manière véhémente les autorités communales responsables, en particulier le président de la commune et son suppléant. Le fils du président, qui participe au projet en tant que secrétaire de l’exécutif chargé des constructions et de l’environnement, est également sous les feux de la critique. Le tract dénonce l’absence de connaissances des personnes susmentionnées en matière de constructions : « Alles keine Baufachleute. Vater, Sohn, Freund » (aucun spécialiste de la construction : papa, fiston, copain). Le secrétaire visé a porté plainte auprès du Conseil suisse de la presse à propos de l’article, arguant qu’il était bien spécialiste du domaine et avait suivi les formations nécessaires.
Le code de déontologie n’autorise pas les accusations proférées de manière anonyme. Dans le cas concret, le tract anonyme circulait déjà dans la commune. L’autrice de l’article était donc autorisée à en parler. Cela dit, il aurait été bon de vérifier les reproches avant publication. Le Conseil suisse de la presse déplore que ce n’ait pas été le cas. Des erreurs auraient pu être évitées si la journaliste avait permis au secrétaire de prendre position sur les graves reproches dont il faisait l’objet.
Riassunto
Il «St. Galler Tagblatt» ha pubblicato un articolo sull’impianto sportivo scolastico che dovrebbe essere costruito nel comune di Eggersriet. L’ubicazione del nuovo edificio è controversa. Il pezzo cita un volantino anonimo nel quale vengono criticate aspramente le autorità comunali responsabili, in particolare il sindaco e il suo vice. È stato menzionato anche il figlio del sindaco, che è coinvolto nel progetto di costruzione come «segretario comunale per l’edilizia e l’ambiente».
Il volantino afferma che le persone coinvolte non sanno nulla di edilizia e scrive testualmente: «Nessuno di loro è esperto di edilizia. Sono un padre, un figlio e un amico».
Al riguardo, il segretario comunale citato ha presentato un reclamo al Consiglio della stampa. Affermare che non sia un «esperto di costruzioni» è errato, sostiene l’uomo, poiché possiede la formazione adeguata.
Il codice del giornalismo non consente la diffusione di « accuse anonime». Tuttavia, in questo caso specifico il volantino anonimo circolava già tra i cittadini del comune ed era dunque ammissibile citarlo nel servizio. Ciononostante, le accuse anonime avrebbero dovuto essere verificate prima della pubblicazione.
Questo non è avvenuto, come rimprovera il Consiglio della stampa. Se prima della pubblicazione la giornalista avesse consultato il segretario comunale – poiché è un’accusa grave affermare che una persona con le sue funzioni non sa nulla di edilizia – l’errore avrebbe potuto essere evitato.
I. Sachverhalt
A. Am 4. November 2023 erschien im «St. Galler Tagblatt» ein Artikel gezeichnet von Melissa Müller mit dem Titel «Umstrittene Pläne: Gemeinde Eggersriet will trotz Volksentscheid eine Sportanlage auf der Heimatwiese bauen: ‹Das ist ein Angriff auf unser politisches System›». Der Lead lautete: «Die Bevölkerung hat entschieden, dass sie auf der Heimatwiese in Eggersriet kein Schulhaus will. Genau dort plant der Gemeinderat jetzt aber eine separate Schulsportanlage. Das geht Gemeinderatskandidat Jonas Streule gegen den Strich. Er fordert zudem, dass der ‹kopflose Gemeinderat› das 30-Millionen-Projekt erst aufgleist, wenn er wieder komplett ist.»
Der Artikel schildert, dass das Volk in Eggersriet im März 2023 entschieden habe, das neue Schulhaus nicht auf der «Heimatwiese» zu bauen, sondern im Dorfkern. «Die Sache ist eigentlich klar. Und was macht der Gemeinderat?», fragt die Autorin: «Er plant jetzt auf der Heimatwiese eine separate Schulsportanlage. Auf jener Wiese also, die als Standort abgelehnt wurde.» Das werde von verschiedener Seite kritisiert. Unter anderem von einem Gemeinderatskandidaten und einem Ex-Gemeinderat. Sie argumentierten, mit dem Entscheid für den Standort Dorfzentrum habe das Volk sich explizit gegen den Standort auf der Wiese ausgesprochen, dem widerspreche jetzt der neue Entscheid für die Schulsportanlage. Umgekehrt wird der Vize-Gemeinderatspräsident Gerold Hochreutener zitiert. Er sage, der vorliegende Antrag stelle den Schulstandort Dorfkern nicht in Frage. Man habe mit dem Bau der Sportanlage auf der Wiese vielmehr den Wünschen Rechnung getragen, welche von verschiedenen Vereinen in der Vernehmlassung geäussert worden seien. Dem wiederum widerspreche – so der Artikel – der Gemeinderatskandidat Jonas Streule. In einem Leserbrief bezeichne er den Gemeinderat als «kopflos», weil der Gemeindepräsident «teilarbeitsunfähig» gemeldet sei. Zwar arbeite dieser sehr wohl im Restaurant seines Sohnes. Aber solange er nicht voll im Gemeinderat tätig sei, solle der Rat auch nicht Entscheide von solcher Tragweite fällen. Dies wiederum bestreite Ratsmitglied Gerold Hochreutener: Der Gemeindepräsident «nehme an Sitzungen teil, leite Projekte und fälle Entscheidungen», heisst es im Artikel.
Zum Schluss des Artikels wird über ein anonymes Flugblatt berichtet, das in der Gemeinde kursiere, gezeichnet von einer «Deckers Klara». Unter diesem Namen habe bis zu ihrem Tod 1955 eine Fasnächtlerin mit scharfer Zunge humoristisch allerlei Dreistigkeiten verbreitet. Die Flugblatt-Klara kritisiere, dass in der für die Bewilligung des Baus verantwortlichen Kommission drei Hochreuteners sässen. Roger, sein Sohn Benno und der im Artikel bereits zuvor zitierte Gerold Hochreutener. «Alles keine Baufachleute. Vater, Sohn, Freund», zitiert der «Tagblatt»-Artikel direkt aus dem Flugblatt. Und weiter: «Im engen Familienkreis werde ein 30-Millionen-Projekt geplant: ‹Unglaublich›». Die Autorin schreibt, sie habe Roger und Gerold Hochreutener mit dem Flugblatt konfrontiert. Die beiden hätten dazu lediglich festgestellt, das Verwenden des Namens «Deckers Klara» stelle einen Identitätsmissbrauch dar. Mehrere Eggersrieter fänden den anonymen Brief unverschämt, fügt die Autorin noch an. Auch Kritiker Streule sage, man müsse zu Kritik mit eigenem Namen stehe. Der Artikel schliesst mit der Bemerkung, der Brief habe im Dorf auch für Gelächter gesorgt. Deckers Klara habe makabren Humor ebenfalls gemocht, vielleicht kugle sie sich in ihrem Grab vor Lachen.
B. Am 15. November 2023 reichte der anwaltlich vertretene Benno Hochreutener Beschwerde beim Schweizer Presserat ein. Er macht geltend, der Artikel verletze die Ziffern 1, 3, 7 und 8 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (nachfolgend «Erklärung»), insbesondere die Richtlinien 1.1 (Wahrheitssuche), 3.1 (Quellenbearbeitung), 3.8 (Anhörung bei schweren Vorwürfen), 7.1 (Schutz der Privatsphäre) und 8.1 (Achtung der Menschenwürde).
Zur Begründung macht der Beschwerdeführer einleitend geltend, er sei der Sohn des Gemeindepräsidenten Roger Hochreutener, gegen den seitens des «St. Galler Tagblatt» seit langem eine «Negativkampagne» laufe und führt einige Beispiele an. Er selber arbeite als nicht gewählter, sondern angestellter «Gemeinderatsschreiber Bau und Umwelt». Er sei ein zertifizierter Fachmann für Baufragen; das entsprechende Diplom legte er bei.
Die Wahrheitssuche (Richtlinie 1.1) sieht der Beschwerdeführer dadurch verletzt, dass das «Tagblatt» die Behauptung aus dem anonymen Flugblatt übernommen habe, wonach die drei Mitglieder der Baukommission namens Hochreutener «Vater, Sohn, Freund, alles keine Baufachleute» seien. Er, der Beschwerdeführer, sei ausgewiesener Baufachmann. Dass die Autorin die dafür zugänglichen Quellen nicht beachtet habe, entspreche einem Verstoss gegen die Pflicht, die Wahrheit zu suchen.
Mit der gleichen Textpassage habe die Autorin auch gegen die Pflicht, die Quelle zu überprüfen, verstossen (Richtlinie 3.1), weil sie vor Veröffentlichung des anonymen Briefes mit dessen Behauptung, er, der Beschwerdeführer, sei kein Baufachmann, weder die Quelle noch deren Glaubwürdigkeit geprüft habe.
Zu Richtlinie 3.8 (Anhörung bei schweren Vorwürfen): Wenn der Beschwerdeführer als die für Bauten verantwortliche Amtsperson als «kein Baufachmann» tituliert werde und gleichzeitig als unglaublich bezeichnet werde, dass «im engen Familienkreis ein 30-Millionen-Projekt» geplant werde, sei dies ein schwerer Vorwurf, dazu hätte er angehört werden müssen, das sei nicht der Fall gewesen.
Schliesslich sieht er die Richtlinien 7.1 (Schutz der Privatsphäre) und 8.1 (Achtung der Menschenwürde) verletzt, weil er im Artikel mit Namen genannt worden sei, was nur statthaft wäre, wenn er eine Person des öffentlichen Interesses wäre. Das sei nicht der Fall, er sei keine gewählte Persönlichkeit.
C. Mit Schreiben vom 23. April 2024 reichte Stefan Schmid, Chefredaktor des «St. Galler Tagblatt», dem Presserat ohne weiteren Kommentar eine persönliche Stellungnahme der Autorin Melissa Müller ein.
Die Autorin bestreitet zunächst den einleitenden Vorwurf des Beschwerdeführers, den fraglichen Artikel im Rahmen einer «Negativ-Kampagne» gegen dessen Vater, den Gemeindepräsidenten, verfasst zu haben. Es habe vielmehr in dessen Umfeld mehrere Entwicklungen gegeben, über die zu berichten im öffentlichen Interesse gelegen habe und führt dafür konkrete Beispiele an. Sie sei in der Gemeinde gut vernetzt und habe regelmässig Informationen zu verschiedenen Themen erhalten. Dabei habe sie den Gemeindepräsidenten immer wieder um eine Stellungnahme gebeten, aber kaum je eine Antwort erhalten. Die häufige Weigerung, Fragen zu beantworten, sei denn auch der Grund gewesen, weshalb sie sich in der vorliegenden Angelegenheit (Sportanlage) direkt an dessen Stellvertreter, Gerold Hochreutener, gewandt habe, allerdings mit Kopie an den Gemeindepräsidenten.
Weiter führt die Autorin aus, sie habe die Fachkompetenz des Beschwerdeführers Benno Hochreutener, des Sohnes des Gemeindepräsidenten, nie in Frage gestellt. Was das in satirischer Form abgefasste Flugblatt von «Deckers Klara» betreffe, so habe sie die Betroffenen ausdrücklich mit dessen Inhalt konfrontiert. Den Stellvertreter des Gemeindepräsidenten direkt, den Präsidenten selber im CC. Den Beschwerdeführer habe sie nicht auch noch angefragt. Sie sei davon ausgegangen, dass sein Vater und Vorgesetzter ihn über die Presseanfrage informiere. Auch habe sie das Flugblatt nicht «einfach stehen lassen», sondern geschrieben, dass dieses verschiedene Reaktionen ausgelöst habe, «von Empörung bis zu Gelächter». Zur Annahme des Beschwerdeführers, dass gegen seine Persönlichkeitsrechte verstossen worden sei, weil sein Name genannt worden sei, führt die Autorin aus: Benno Hochreutener arbeite auf der Gemeinde in leitender Funktion, sein Vater sei Gemeindepräsident, dass diese ungewöhnliche Konstellation erwähnt werde, erscheine ihr nicht verwerflich.
D. Am 25. Juli 2024 teilte der Presserat den Parteien mit, die Beschwerde werde von der 1. Kammer behandelt, bestehend aus Susan Boos (Präsidentin), Luca Allidi, Dennis Bühler, Ursin Cadisch, Michael Herzka, Francesca Luvini und Casper Selg.
E. Die 1. Kammer hat die Stellungnahme in ihrer Sitzung vom 23. August 2024 und auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.
II. Erwägungen
1. Allgemeines: Als Hintergrund und Motivation seiner Beschwerde bezeichnet der Beschwerdeführer einleitend den Umstand, dass das «St. Galler Tagblatt» gegen seinen Vater, den Gemeindepräsidenten, seit Jahren eine «Negativkampagne» betreibe. Er legt der Beschwerde zum Beweis fünf Artikel bei, die sich kritisch mit dem Gemeindepräsidenten auseinandersetzen.
Der Presserat sieht in diesen Artikeln legitime Fragestellungen eines kritischen Mediums und kann deren Charakterisierung als «Negativkampagne» in keiner Weise teilen.
2. Zu Richtlinie 1.1 (Wahrheitssuche): Den Vorwurf einer unwahren Darstellung begründet der Beschwerdeführer damit, das «St. Galler Tagblatt» habe in seinem Artikel zu seiner Tätigkeit und beruflichen Ausbildung «die verfügbaren und zugänglichen Daten nicht beachtet (…) und ausschliesslich auf die Behauptung im anonymen Brief von ‹Deckers Klara›» abgestellt.
Zunächst ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer hinreichend belegt, dass er mit der Aussage, «kein Baufachmann» zu sein, falsch beschrieben worden ist. Die Formel «Alles keine Baufachleute» ist diesbezüglich unzutreffend. Allerdings gilt es dabei einiges zu berücksichtigen: Im gesamten Artikel ging es nur am Rande um den Beschwerdeführer, den Sohn des Gemeindepräsidenten, sondern vielmehr um dessen Vater und um das Funktionieren respektive umstrittene Funktionieren von Gemeinderat und Baukommission. In der fraglichen Passage hat sich – anders als vom Beschwerdeführer mehrfach formuliert – nicht das «Tagblatt» mit der beruflichen Qualifikation des Beschwerdeführers auseinandergesetzt. Vielmehr hat das «Tagblatt» aus dem anonymen Brief zitiert, der angesichts seines Inhalts und seiner Verbreitung im Dorf von Bedeutung war.
Es stellt sich daher die Frage, ob eine anonyme Quelle, die sich selber als satirisch bezeichnet, einfach so zitiert werden kann. Bezüglich anonymer Anschuldigungen ist die «Erklärung» streng. Ziffer 7 hält fest: JournalistInnen «unterlassen anonyme und sachlich nicht gerechtfertigte Anschuldigungen». Gemäss Praxis des Presserats ist die Veröffentlichung eines anonymen Schreibens jedoch nicht a priori ausgeschlossen. Ein anonymer Brief darf aber nur publiziert werden, wenn die Quelle sorgfältig überprüft worden ist (siehe Stellungnahmen 29/2018 und 3/2017). Damit die Leserschaft Echtheit und Bedeutung eines anonymen Briefs beurteilen kann, muss die Urheberschaft so detailreich dargestellt werden, wie es die Anonymität gerade noch zulässt (Stellungnahme 3/2017).
Im vorliegenden Fall ist die Urheberschaft nicht bekannt. Das Flugblatt machte aber in der Gemeinde die Runde. Viele Leute wussten davon. Das schafft ein öffentliches Interesse, darüber zu berichten. Allerdings wäre es – im Sinne der Wahrheitssuche – für das Publikum wichtig gewesen, wenn die Journalistin den Wahrheitsgehalt des Flugblattes überprüft hätte. Das hat sie unterlassen. Zwar geht es im Artikel nur am Rande um den Beschwerdeführer, aber die zitierte Charakterisierung bleibt inhaltlich falsch. Der Presserat sieht somit einen Verstoss gegen die Wahrheitspflicht.
3. Zu Richtlinie 3.1 (Quellenbearbeitung): Die allgemeine Regel der Ziffer 1 (Wahrheit) der «Erklärung» und der Richtlinie 1.1 (Wahrheitssuche) wird, was den Umgang mit Quellenmaterial betrifft, spezifiziert durch die Richtlinie 3.1. Dieses Thema ist mit dem festgestellten Verstoss gegen die Wahrheitspflicht eingeschlossen.
4. Zu Richtlinie 3.8 (Anhörung bei schweren Vorwürfen): Der Beschwerdeführer macht geltend, die implizite Kritik, er sei kein Baufachmann, sei ein schwerer Vorwurf im Sinne der Richtlinie 3.8, entsprechend hätte er von der Redaktion vor der Publikation angehört werden müssen. Es trifft zu, dass der Vorwurf, jemand sei kein Baufachmann, schwer wiegt, wenn es um dessen berufliche Tätigkeit auf genau diesem Gebiet geht. Insbesondere, wenn als Kontext angeführt wird, dass Bauprojekte in dieser Gemeinde im engeren Familienkreis geplant würden. Die falsche Beschreibung wurde zwar nicht direkt von der Autorin erhoben, sie zitierte lediglich ein breit gestreutes anonymes Schreiben und dieses betraf auch nur einen vergleichsweise nebensächlichen Punkt.
Dennoch bleibt es dabei, dass dem Vorsteher des Bauamtes mit der Publikation des Briefes implizit unterstellt wird, nichts vom Baufach zu verstehen und Projekte im «engen Familienkreis» zu planen. Dieser Vorwurf wiegt schwer, er ist, wie die Richtlinie 3.8 dies umschreibt, «geeignet, jemandes Ruf nachhaltig zu schädigen». Zu diesem Vorwurf hätte der Beschwerdeführer entsprechend angehört werden müssen, wie der Entscheid 16/2005 dies insbesondere für den Fall einer anonymen Anschuldigung vorsieht. Die Richtlinie 3.8 (Anhörung bei schweren Vorwürfen) ist im Ergebnis verletzt.
5. Schliesslich moniert der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte (Schutz der Privatsphäre, Richtlinie 7.1 und Achtung der Menschenwürde, Richtlinie 8.1), weil das «St. Galler Tagblatt» ihn beim Namen genannt hat, obwohl dafür kein öffentliches Interesse bestanden habe. Er sei nur ein Angestellter der Gemeinde und nicht eine gewählte Persönlichkeit, also keine Person von öffentlichem Interesse.
Im Wesentlichen geht es hier darum, ob der Beschwerdeführer mit Namen genannt werden durfte. Das ist gemäss der hier effektiv zur Diskussion stehenden Richtlinie 7.2 (Identifizierung) der Fall, «wenn die betroffene Person (…) eine staatlich (…) leitende Funktion wahrnimmt und der Medienbericht damit im Zusammenhang steht». Das trifft hier ohne Zweifel zu. Der Beschwerdeführer ist als Bauverwalter und Mitglied der Baukommission direkt in den zur Diskussion stehenden Sachverhalt (Bauprojekt Sportanlage) involviert. Er ist nach eigenen Angaben: Gemeinderatsschreiber, leitet das Bausekretariat, ist zuständig für die Ortsplanung/Zonenplanung, die Bauberatung, Baurechtsermittlungen, das Baubewilligungsverfahren, den baulichen Zivilschutz und er hat im Gemeinderat Antragsrecht. Es steht ausser Frage, dass er angesichts des 30-Millionen-Bauprojekts eine Person mit einer staatlich leitenden Funktion ist, die mit dem Medienbericht im Zusammenhang steht und entsprechend mit Namen genannt werden darf. Dass er nicht gewähltes Mitglied der Exekutive ist, spielt dabei keine Rolle, entscheidend ist seine faktische Funktion. Eine Persönlichkeitsverletzung im Zusammenhang mit der Namensnennung liegt nicht vor, Richtlinie 7.2 (Identifizierung) ist nicht verletzt.
III. Feststellungen
1. Der Presserat heisst die Beschwerde teilweise gut.
2. Das «St. Galler Tagblatt» hat mit dem Artikel «Umstrittene Pläne: Gemeinde Eggersriet will trotz Volksentscheid eine Sportanlage auf der Heimatwiese bauen: ‹Das ist ein Angriff auf unser politisches System›» vom 4. November 2023 die Ziffern 1 (Wahrheit) und 3 (Anhören bei schweren Vorwürfen) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verletzt.
3. Darüber hinausgehend wird die Beschwerde abgewiesen.