I. Sachverhalt
A. Am 13. April 2022 veröffentlichte die «bz – Zeitung für die Region Basel» auf der Seite «Gesundheit» zwei Texte. Der eine beschäftigte sich mit der «reinigenden Kraft des Atems», der zweite, rubriziert als «Ratgeber Gesundheit» mit «Verbrühungen bei Kindern». Den ersten Text zeichnet Roger Marti, der in einem Kasten vorgestellt wird als «Osteopath D.O. GDK M. Sc. und Verbundener-Atem-Therapeut bei CURAVIDA, seiner eigenen Praxis im Berner Mittelland. Er versteht den Menschen als eine untrennbare Einheit von Körper, Geist und Seele. Gesundheitliche Beschwerden können aus seiner Sicht nur dann heilen, wenn Blockaden auf mentaler und körperlicher Ebene gelöst werden. www.curavida.ch». Diese Webseite verweist auf Martis eigene Selbstheilungs-Institution. Der Text über das Verhalten bei Verbrühungen von Kindern ist überschrieben mit «Ratgeber Gesundheit. Heute Dr. med. Dörthe Harms Huser, Leitende Ärztin Notfall für Kinder und Jugendliche KSB (Kantonsspital Baden, Anm. Presserat), Gesundheit Aargau».
Neben dem grossen Seitentitel «Gesundheit» ist klein, unter dem Datum der Ausgabe zu lesen «Sponsored Content» und unter dem Text übers Verbrühen und Verbrennen bei Kindern steht zum einen: «Sie fragen – Fachleute antworten» mit den entsprechenden Anlaufstellen. Ganz unten, schliesslich: «‹Ratgeber Gesundheit› ist ein von der Redaktion unabhängiges PR-Gefäss. Für den Inhalt sind die mit ihren Logos präsenten Gesundheitsdienstleister verantwortlich.» Im Kopf der Ratgeber-Rubrik steht neben dem Foto der Ärztin das Logo «gesundheit aargau», die Ärztin ist einem «KSB» zugeordnet; ob Basler Leser damit das Kantonsspital Baden verbinden, ist offen.
B. Am 19. April 2022, mit einer Ergänzung vom 10. Juni 2022, reichte X. Beschwerde gegen die Artikel beim Schweizer Presserat ein. Der Beschwerdeführer macht einen Verstoss gegen die Ziffer 10, respektive gegen die Richtlinie 10.1 (Trennungsgebot von Werbung und redaktionellem Inhalt) zur «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (nachfolgend: «Erklärung») geltend.
Zur Begründung führt er an, dass der fehlende Hinweis auf bezahlte Werbung in der Internetausgabe gegen das Gebot der Trennung von redaktionellem Teil und Werbung verstosse. In einem beigelegten und als Teil der Beschwerde erklärten Schreiben an den Verleger Peter Wanner macht er weiter geltend, dass die erforderliche Trennung von redaktionellem Inhalt und Werbung auch in der Printausgabe nicht gewährleistet sei. Der klein gedruckte Hinweis «Sponsored Content» sei dafür nicht ausreichend, das sei eine fremdsprachliche Bezeichnung, die dem wahren Sachverhalt, nämlich «Werbung» nicht gerecht werde. Dies wäre aber gerade in einem Bereich wie Gesundheitsfragen von grosser Bedeutung. So werde der Autor des Artikels über die «reinigende Kraft des Atems» angekündigt wie wenn er ein redaktioneller Mitarbeiter wäre, dabei verbreite Marti reine Eigenwerbung mit «Eso-Geschwurbel».
C. Am 24. Juni 2022 bat der Presserat den Chefredaktor von CH Media, Patrik Müller, um eine Stellungnahme zur Beschwerde. Nachdem dieser nicht reagierte, bat der Presserat ihn am 26. September 2022 ein zweites Mal um eine Stellungnahme. Als auch hier keine Antwort erfolgte, wandte sich der Presserat am 15. November 2022 direkt an den Chefredaktor der «bz», Patrick Marcolli. Auch von diesem traf innerhalb der bis am 18. Dezember 2022 laufenden Frist keine Antwort ein.
D. Am 27. Januar 2023 teilte der Presserat den Parteien mit, der Schriftenwechsel sei geschlossen, die Beschwerde werde vom Präsidium des Presserates behandelt, bestehend aus Susan Boos (Präsidentin), Annik Dubied (Vizepräsidentin), Jan Grüebler (Vizepräsident) und Ursina Wey (Geschäftsführerin).
E. Das Präsidium des Presserats hat die vorliegende Stellungnahme am 3. April 2023 verabschiedet.
II. Erwägungen
1. Die Beschwerde betrifft beide Text-Varianten, die Artikel, welche online erschienen sind, wie auch diejenigen in der gedruckten Ausgabe.
2. Die Texte der Print-Version sind klein und kaum wahrnehmbar als «Sponsored Content» bezeichnet. Dieser Ausdruck bedeutet, wie auch eine wissenschaftliche Untersuchung gezeigt hat, der Leserschaft meist nichts. Jedenfalls weiss der durchschnittliche Leser, die durchschnittliche Leserin in der Regel nicht, dass sie jetzt bezahlte Werbung vorgesetzt bekommt. Dies gilt ganz besonders, wenn der Hinweis nur auf Englisch, und, wie erwähnt, auch noch ganz klein angebracht wird. Der deutliche Hinweis auf Werbung wäre umso dringender, wie der Beschwerdeführer richtigerweise anmerkt, wenn es um Fragen der Gesundheit der Leserschaft geht. Gemäss der Richtlinie 10.1 (Trennung zwischen redaktionellem Teil und Werbung) und der ständigen Praxis des Presserates müssen sich Inserate und dergleichen bezahlte Texte vom übrigen Inhalt «klar abheben. Sofern sie nicht optisch/akustisch eindeutig als solche erkennbar sind, müssen sie explizit als Werbung deklariert werden.» Der Presserat hat in seiner Praxis immer wieder unterstrichen, dass Hinweise wie «Sponsored Content» und dergleichen nicht ausreichen und dass die entsprechenden Texte sich bei ungenügender Kennzeichnung als Werbung dann eben durch ihr Layout klar vom redaktionellen Inhalt unterscheiden müssen (zuletzt u. a. Stellungnahmen 4/2019, 67/2019, 17/2020, 28/2021). Hinzu kommt, dass «bezahlte Werbung» und «gesponserte» Texte ohnehin nicht gleichzusetzen sind. Denn «Sponsoring» bedeutet finanzielle Unterstützung eines journalistischen Projekts, das man im Sinne von Imagewerbung mit dem eigenen Namen verbinden will, auf das man aber inhaltlich keinen Einfluss nimmt. Die Bezeichnung «Sponsored Content» unter dem Seitentitel ist also auch unter diesem Aspekt irreführend.
Ein Verstoss gegen die Richtlinie 10.1 liegt mindestens in einem der beiden Texte vor: Der erste ist mit «Roger Marti» gezeichnet wie bei einem redaktionellen Autor. Zwar wird in einem Kasten darauf hingewiesen, dass Marti ein Osteopath mit eigener Praxis sei, aber nicht deutlich genug (nur «Sponsored Content», unauffällig) darauf, dass dieser für die Publikation seines Textes offenbar bezahlt hat und so kommerzielle Werbung in eigener Sache publiziert. Auch der «Ratgeber Gesundheit» ist insofern irreführend, als die Redaktion – wenn auch sehr unscheinbar – jede Verantwortung für dessen Inhalt ablehnt. Möglicherweise wird auch für diese Rubrik bezahlt, dafür spricht jedenfalls der über beiden Texten stehende Hinweis «Sponsored Content».
3. Noch deutlicher erscheint der Verstoss gegen die Ziffer 10 der «Erklärung» im Fall der Online-Ausgabe: Dort weist überhaupt nichts auf den Umstand hin, dass der Leserschaft beim fraglichen Text nicht etwa redaktioneller Inhalt, sondern Werbung angeboten wird.
Die «bz» hat infolgedessen sowohl mit der Printversion der Seite «Gesundheit» vom 13. April 2022, als auch mit der Onlineversion gegen die Richtlinie 10.1 (Trennung zwischen redaktionellem Inhalt und Werbung) verstossen.
4. Was gleiche oder vergleichbare Veröffentlichungen zu anderen Zeitpunkten oder in anderen Ausgaben von CH Media betrifft, nimmt der Presserat mangels diesbezüglicher Beschwerden nicht Stellung. Er betont aber, dass – mutatis mutandis – dasselbe gelten würde und fordert die Chefredaktion CH Media auf, für eine Kennzeichnung zu sorgen, welche den Anforderungen der «Erklärung» und ihrer Richtlinie 10.1 entspricht. Im Übrigen erinnert der Presserat daran, dass die gleichen Anforderungen an die klare Trennung von bezahltem und redaktionellem Inhalt auch vom Verband Schweizer Medien und von der Lauterkeitskommission der Werbebranche gestellt werden.
III. Feststellungen
1. Der Presserat heisst die Beschwerde gut.
2. Die «bz» verletzt mit der Seite «Gesundheit» vom 13. April 2022 und speziell mit deren Veröffentlichung auf der Webseite die Ziffer 10 (Trennung zwischen redaktionellem Teil und Werbung) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten».