Zusammenfassung
Unter dem Titel «Pro Helvetia: Sex, Geld und Affären» publizierte der Mediendienst «Kleinreport.ch» einen kritischen Beitrag über die Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia. Darin wird behauptet, Pro Helvetia kenne keine Amtszeitbeschränkung. Dies führe dazu, dass einmal abgelehnte KünstlerInnen praktisch keine Chance mehr auf Fördergelder hätten. Zudem prangerte der Artikel ein «ausgesprochenes Gleichstellungsproblem in der Kultur» an, von dem vor allem Männer profitieren würden. Die Stiftung Pro Helvetia bestritt beides und forderte den «Klein Report» auf, die Fehler zu korrigieren. Dies blieb jedoch aus. In der Folge reichte Pro Helvetia beim Presserat eine Beschwerde ein.
Dieser kommt zum Schluss, dass die Behauptung, Pro Helvetia kenne keine Amtszeitbeschränkung, nachweislich falsch ist, womit der «Klein Report» gegen die «Erklärung» verstossen hat. Beim Vorwurf des Gleichstellungsproblems ist hingegen nicht klar, ob er sich auf die Branche als Ganzes bezieht, weshalb der Presserat in diesem Punkt keine Rüge ausspricht.
Résumé
«Kleinreport.ch» a publié sous le titre «Pro Helvetia: Sex, Geld und Affären» (Pro Helvetia: sexe, argent et relations» un article critique à l’encontre de la Fondation suisse pour la culture Pro Helvetia. L’article affirmait que Pro Helvetia ne pratiquait pas la limitation de la durée de fonction, si bien que les artistes, une fois une demande de subventions refusée, n’avaient pratiquement plus aucune chance d’en obtenir. Il dénonçait par ailleurs un problème criant d’égalité entre femmes et hommes dans le secteur de la culture («ausgesprochenes Gleichstellungsproblem in der Kultur»), au profit essentiellement des hommes. La fondation Pro Helvetia a réfuté les deux affirmations et exigé que le «Klein Report» fasse corriger les erreurs constatées. Celle-ci ne s’étant pas exécutée, Pro Helvetia a porté plainte.
Le Conseil suisse de la presse a relevé que l’affirmation relative à la limitation de la durée de fonction était fausse, preuves à l’appui, et a conclu à une violation de la «Déclaration des devoirs et des droits du/de la journaliste». Dans la mesure où il n’est pas possible de déterminer si le problème d’égalité entre femmes et hommes relaté porte sur la branche dans son ensemble ou seulement sur la fondation, le Conseil suisse de la presse ne constate pas de violation sur ce point.
Riassunto
Con il titolo «Pro Helvetia: Sex, Geld und Affären» (Pro Helvetia: sesso, denaro e affari) il servizio multimediale «Kleinreport.ch» ha pubblicato un articolo critico sulla fondazione culturale svizzera, in cui afferma che Pro Helvetia non possiede limiti sulla durata dei mandati. Ciò significherebbe che le artiste e gli artisti rifiutati una prima volta, non avrebbero praticamente più possibilità alcuna di ottenere sostegno finanziario. Inoltre, l’articolo denuncia un «evidente problema di parità nella cultura» di cui beneficerebbero soprattutto gli uomini.
La fondazione Pro Helvetia ha respinto entrambe le accuse e ha chiesto all «Klein Report» di correggere gli errori. Tuttavia, ciò non è avvenuto e Pro Helvetia ha quindi inoltrato un reclamo presso il Consiglio della stampa. Quest’ultimo conclude che l’affermazione secondo cui Pro Helvetia non avrebbe limiti di durata di mandato è manifestamente errata e che pertanto il «Klein Report» ha violato un principio della «Dichiarazione». Di contro, per quanto riguarda l’accusa di discriminazione di genere non risulta chiaro se faccia riferimento o meno al settore nel suo insieme, ragione per cui il Consiglio della stampa si astiene dall’emettere un rimprovero su questo punto.
I. Sachverhalt
A. Am 18. August 2023 veröffentlichte der Mediendienst «Klein Report» den Artikel «Pro Helvetia: Sex, Geld und Affären». In dem Text, dessen Autor oder Autorin nicht genannt wird, wird zunächst die Bedeutung der Stiftung Pro Helvetia hervorgehoben. Sie sei mit einem Budget von 45,8 Millionen Franken Steuergeldern eine der wichtigsten Kulturstiftungen der Schweiz. Im Weiteren werden drei Probleme beschrieben, welche die Stiftung habe. Erstens gebe es bei Pro Helvetia keine Amtszeitbeschränkung, so dass einmal in Ungnade gefallene Künstler und Künstlerinnen oder Kulturprojekte keine Chance mehr auf Unterstützungsgelder hätten. Zweitens habe die Stiftung ein ausgesprochenes Gleichstellungsproblem, Männer würden auf allen Ebenen von öffentlichen Geldern profitieren. Als drittes Problem wird eine Liebesaffäre von Direktor Philippe Bischof mit einem weiteren Kadermitglied angesprochen – wobei als Quelle auf einen Artikel des «Tages-Anzeiger» verwiesen wird. Dabei wird erwähnt, dass es betreffend die Trennung von beruflichen und privaten Beziehungen bei Pro Helvetia – anders als beispielsweise in den USA – keine festen Regeln gebe. Illustriert wird der Artikel mit einem Screenshot einer Karikatur von Felix Schaad, die im «Tages-Anzeiger» erschienen ist.
B. Am 22. August 2023 wies die Stiftung Pro Helvetia, die Redaktionsleiterin Ursula Klein nach einem Telefongespräch am Vortag schriftlich darauf hin, dass es nicht zutreffe, dass Pro Helvetia keine Amtszeitbeschränkung kenne. Weiter sei es falsch, dass Pro Helvetia ein Gleichstellungsproblem habe. Am 30. August 2023 forderte Pro Helvetia schriftlich erneut eine Richtigstellung und bot an, «Klein Report» mit zusätzlichen Informationen zu versorgen, sollte dies gewünscht sein. Antworten von Ursula Klein auf diese Anfragen liegen nicht vor, der Text wurde nicht korrigiert.
C. Am 8. November 2023 reichte Pro Helvetia eine Beschwerde beim Schweizer Presserat gegen «Klein Report» ein: Der Artikel verletze Ziffer 3 (Quellen) sowie die Ziffer 5 (Berichtigung) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (in der Folge «Erklärung» genannt). Dabei bezieht sich die Beschwerdeführerin auf zwei der drei im Sachverhalt beschriebenen Probleme, die der Artikel des «Klein Report» der Stiftung Pro Helvetia attestiert.
Erstens: Die Information, dass Pro Helvetia über keine Amtszeitbeschränkung verfüge, sei falsch. Alle Führungspositionen und Entscheidungsgremien der Schweizer Kulturstiftung (d. h. sämtliche Abteilungsleitungen, Mitglieder der Geschäftsleitung, Mitglieder des Stiftungsrates sowie alle Jurys und die Fachkommission) seien in einem zeitlich begrenzten Mandat tätig (zehn Jahre für Mitarbeitende, vier oder acht Jahre für die Jurys und Gremien).
Zweitens: Es sei unrichtig, dass die Stiftung ein ausgesprochenes Gleichstellungsproblem habe und Männer auf allen Ebenen von öffentlichen Geldern profitieren würden. Richtig sei, dass dies nicht ein Problem der Stiftung sei, sondern ein Problem struktureller Art, das den Kultursektor als Ganzes betreffe. Das habe eine von Pro Helvetia finanzierte Studie aufgezeigt, deren Namen die Beschwerdeführerin allerdings nicht nennt. Die Stiftung Pro Helvetia habe seither zahlreiche konkrete Massnahmen unterstützt, um das Gleichstellungsproblem im Kultursektor zu bekämpfen.
Die Herausgeberin Ursula Klein habe diese Fehler trotz mehrmaliger telefonischer und schriftlicher Aufforderung nicht korrigiert. Die Beschwerdeführerin schreiben es nicht ausdrücklich, aber es ist davon auszugehen, dass sie in den Fehlern eine Verletzung von Ziffer 3 und in der Nicht-Korrektur eine Verletzung der Ziffer 5 der «Erklärung» sehen (Quellen- und Berichtigungspflicht).
D. Am 31. Mai 2024 nahm die anwaltschaftlich vertretene Press Media AG für den «Klein Report» Stellung zur Beschwerde. Der «Klein Report» bestreitet eine Verletzung der Ziffern 3 und 5 der «Erklärung» und verlangt die Abweisung der Beschwerde. Zunächst schickt die Press Media voraus, dass die beiden beanstandeten Themen untergeordnete Wertungen im Beitrag seien, in der Hauptsache gehe es um das Problem, das als drittes im Artikel auftaucht – eine mögliche Liebesaffäre auf Kaderstufe und die kommunikations- und medientechnische Sicht darauf. Das zeige schon der Titel «Pro Helvetia: Sex, Geld und Affären».
Die Beschwerde führe nicht aus oder begründe, worin eine Verletzung von Ziffer 3 (Quellen) der «Erklärung» bestehen soll. Sie sei in diesem Punkt abzuweisen: Der Beitrag unterschlage keine wichtigen Informationen, er sei inhaltlich gut abgesichert, basiere auf mehreren Quellen und sei gründlich recherchiert.
Was eine Verletzung von Ziffer 5 (Berichtigung) der «Erklärung» angeht, so stellt sich der «Klein Report» auf den Standpunkt, die Aussage «Zudem kennt Pro Helvetia keine Amtszeitbeschränkung» sei nicht eine unwahre Behauptung, sondern allenfalls eine journalistische Ungenauigkeit. Zehn Jahre Amtszeit sei eine sehr lange Zeit. Wenn eine abgelehnte Künstlerin oder ein abgelehnter Künstler zehn Jahre warten müssten, bis wieder eine Chance auf Förderung bestehe, entspreche dies «einer kleinen Ewigkeit». Die zentrale Aussage sei, dass in Ungnade Gefallene über eine sehr lange Zeit hinweg keine Chance mehr auf Förderung hätten.
Zum vorgeblichen Gleichstellungsproblem in der Kultur führt der «Klein Report» aus, dass Pro Helvetia dies selber einräume: indem die Stiftung Anstrengungen unternehme, dieses Problem zu überwinden. Wenn der Kultursektor als Ganzes ein Gleichstellungsproblem habe, bedeute dies nichts anderes, als dass eben auch Pro Helvetia ein Gleichstellungsproblem habe. Darüber habe der «Klein Report» bereits 2022 geschrieben, zudem hätten der Redaktion zum Zeitpunkt der Verfassung des Artikels direkte Aussagen von weiblichen Kulturschaffenden vorgelegen, welche die Praxis von Pro Helvetia bei der Vergabe der Mittel heftig kritisieren.
Der Artikel enthalte also keine falschen Informationen, die korrigiert werden müssten und Ziffer 5 (Berichtigung) sei damit nicht verletzt.
E. Das Präsidium des Presserates wies die Beschwerde der 3. Kammer zu. Ihr gehören Jan Grüebler (Kammerpräsident), Annika Bangerter, Lena Berger, Dennis Bühler, Monika Dommann, Andri Rostetter und Hilary von Arx an.
F. Die 3. Kammer behandelte die Beschwerde an ihrer Sitzung vom 20. November 2024 und auf dem Korrespondenzweg.
II. Erwägungen
1. Journalistinnen und Journalisten sind aufgrund der Ziffer 1 der «Erklärung» dazu verpflichtet, sich an die Wahrheit zu halten. Richtlinie 1.1 präzisiert, dass Ziffer 3 (Quellen) der «Erklärung» eine Präzisierung von Ziffer 1 ist. Demzufolge dürfen Journalistinnen und Journalisten «keine wichtigen Elemente von Informationen unterschlagen und weder Tatsachen, Dokumente, Bilder und Töne noch von anderen geäusserte Meinungen entstellen».
Art. 9 des Geschäftsreglements des Schweizer Presserats schreibt vor, dass Beschwerden 1. zu begründen sind und 2. den massgeblichen Sachverhalt umreissen und ausführen müssen, inwiefern einzelne Bestimmungen der «Erklärung» verletzt sind. Die Beschwerdeführerin äussert sich in ihrer Beschwerde wenig detailliert dazu, worin ihre Kritik am Umgang mit Quellen bei den beiden beanstandeten Passagen besteht. Anzunehmen ist dennoch, dass ihre Ausführungen darauf abzielen, dass in dem Artikel Tatsachen entstellt werden, mithin also falsch sind – wodurch Ziffer 3 der «Erklärung» verletzt sei.
a. Wenn der «Klein Report» der Ansicht ist, die bestehende Amtszeitbeschränkung von zehn Jahren sei im Ergebnis so lange, dass die Auswirkungen so seien, als gäbe es keine Amtszeitbeschränkung, so ist dem nicht zuzustimmen. Der Webseite der Stiftung Pro Helvetia ist ohne Weiteres zu entnehmen, dass die Mitglieder in den Gremien und Jurys für eine Amtszeit von vier Jahren gewählt sind. Mitglieder der Fachkommissionen und des Stiftungsrats können einmal wiedergewählt werden, für Mitglieder der Jurys und für externe Experten ist die Amtsdauer auf vier Jahre befristet. Die Aussage im beanstandeten Artikel ist damit falsch und nicht lediglich eine «journalistische Ungenauigkeit». Der Artikel befasst sich mit drei Problemen, die Pro Helvetia textlich im gleichen Umfang attestiert werden. Das erste, das prominent genannt wird, ist die angeblich fehlende Amtszeitbeschränkung. Das entspricht nicht der untergeordneten Bedeutung, die der «Klein Report» dem Thema gegeben haben will. Daran ändert nichts, dass sich der Titel auf eine Liebesaffäre bezieht. Die Pflicht, Tatsachen nicht zu entstellen, erstreckt sich auf sämtliche relevanten Fakten eines Artikels, auch wenn diese nicht zentral für dessen Aussage erscheinen. Ziffer 3 (Quellen) der «Erklärung» ist damit verletzt.
b. Die Beschwerdeführerin moniert, dass gleiches für die folgende Aussage gelte: «Zudem hat Pro Helvetia ein ausgesprochenes Gleichstellungsproblem in der Kultur: Männer profitieren auf allen Ebenen von öffentlichen Geldern ausgerechnet in dem Bereich, der sich ja immer so hip und links und divers gibt.» Diese Formulierung ist mehrdeutig, der Satz ist für den Presserat unverständlich: Mit «Gleichstellungsproblem in der Kultur» könnte einerseits gemeint sein, dass Pro Helvetia ein solches in Bezug auf die «Firmenkultur» habe, Chancengleichheit also innerhalb der Institution einen geringen Stellenwert habe. Diesfalls wäre Pro Helvetia Recht zu geben: Ziffer 3 (Quellen) der «Erklärung» könnte insofern verletzt sein, als in dem Artikel «wichtige Elemente von Informationen unterschlagen» werden. Konkret: die Massnahmen, welche die Stiftung ergriffen hat, um mehr Diversität und Chancengleichheit zu erreichen. In der Beschwerde wird nicht weiter aufgeführt, worin diese Massnahmen bestehen, dem Mailverkehr ist aber zu entnehmen, dass sich die Ausführungen auf den Förderbereich Diversität und Chancengleichheit beziehen.
Mit «Gleichstellungsproblem in der Kultur» könnte andererseits gemeint sein, dass die Schweizer Kulturbranche als Ganzes ein solches hat. Damit wäre die Aussage verkürzt, weil «Klein Report» nicht darauf hingewiesen hat, dass im Kultursektor als Ganzes ein Gleichstellungsproblem besteht und Pro Helvetia nur ein Teil davon ist. Damit ist die Aussage nicht falsch und Ziffer 3 der «Erklärung» wäre nicht verletzt.
Wie eingangs erwähnt, bleibt letztlich unklar, was der Satz bedeuten soll. Der Presserat weiss nicht, welche Interpretation stimmt. Ob der Satz Tatsachen entstellt und damit Ziffer 3 der «Erklärung» verletzt, kann der Presserat daher nicht beurteilen. Er kann für diese Passage daher keine Verletzung von Ziffer 3 (Quellen) rügen.
2. Die Beschwerdeführerin ist der Meinung, dass «Klein Report» Ziffer 5 (Berichtigung) der «Erklärung» in zwei Punkten verletzt, in dem die Herausgeberin sich weigerte, die Aussagen zu berichtigen, Pro Helvetia habe a) keine Amtszeitbeschränkung und b) ein ausgesprochenes Gleichstellungsproblem in der Kultur.
Wie oben erwähnt, ist es falsch, dass Pro Helvetia keine Amtszeitbeschränkung kennt. Die Redaktion wäre also dazu verpflichtet gewesen, das zu korrigieren, da sich diese Aussage als falsch erwiesen hat. Ziffer 5 (Berichtigung) ist verletzt.
Was die zweite Passage zur Gleichstellung angeht, so ist deren Sinn derart unklar, dass sie nicht eindeutig als falsch qualifiziert werden kann. Entsprechend liegt auch keine Verletzung der Berichtigungspflicht vor.
III. Feststellungen
1. Der Presserat heisst die Beschwerde in der Hauptsache gut.
2. Der «Klein Report» hat mit dem Artikel «Pro Helvetia: Sex, Geld und Affären» die Ziffer 3 (Entstellen von Tatsachen) und Ziffer 5 (Berichtigung) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verletzt.