Nr. 5/1993
Werbung mit Fernsehmoderatoren

('Schweizer Familie'/'Schweizer Illustrierte'), vom 6. September 1993

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Stellungnahme

Werbung mit Fernsehmoderatoren

Wenn Journalistinnen und Journalisten in anderer als in unmittelbar beruflicher Funktion in der Öffentlichkeit auftreten, haben sie darauf zu achten, dass dadurch ihre Unabhängigkeit und damit mittelbar die Glaubwürdigkeit der Medien nicht beeinträchtigt wird.

Der Presserat erachtet die Mitwirkung und Zurschaustellung von Fernsehmitarbeitern in Illustriertenbeiträgen dann als problematisch, wenn dies im Zusammenhang mit direkter oder indirekter Produktewerbung geschieht. Medienschaffenden kann aber unter berufsethsichen Gesichtspunkten nicht verwehrt werden, durch Öffentlichkeitsauftritte das Image ihres Arbeitgebers bzw. Mediums zu fördern, soweit dadurch nicht gleichzeitig kommerzielle Zwecke Dritter unterstützt werden.

Prise de position

Publicité et présentateurs de télévision

Quand des journalistes (en dehors de liens professionnels immédiats) paraissent en public, ils doivent veiller à ne pas entamer leur indépendance, et par la crédibilité des médias qu’ils servent.

Le Conseil de la presse juge que le recours à des collaborateurs de la télévision et leur mise en vedette dans des illustrés deviennent problématiques quand ils sont sollicités en relation directe ou indirecte avec la publicité faite à un produit. En revance, on ne peut empêcher des journalistes de mettre en valeur l’image de leur employeur ou de leur média, pour autant qu’ils ne favorisent pas, par ce moyen, les intérêts commerciaux d’un tiers.

Presa di posizione

Animatori televisivi nella pubblicità

Se il giornalista compare in pubblico fuori dell’esercizio della sua funzione professionale deve essere attento ai rischi che corrono la sua indipendenza e la sua credibilità.

Il Consiglio della stampa ritiene problematica la presenza e l’esibizione di giornalisti della televisione in supplementi illustrati quando siano direttamente o indirettamente a contatto con la pubblicità per determinanti prodotti. La deontologia professionale non vieta a dei giornalisti di propagandare l’immagine dell’ente o della trasmissione per cui lavorano, purché contemporaneamente non si promuovano gli interessi commerciali di altre ditte o persone.

I. Sachverhalt

A. Im redaktionellen Teil der „Schweizer Familie Nr. 33 vom 12. August 1992″ erschien unter dem Titel „Krawattenschau » ein Modebeitrag, worin Tagesschaumoderatoren neue Krawattentrends zeigten. Auf insgesamt sieben Seiten wurden jeweils auf der linken Seite nacheinander die Krawattenvorlieben von Heinrich Müller, Charles Clerc und Hansjörg Erny beschrieben und im Bild gezeigt, währenddem auf der rechten Seite weitere Krawatten präsentiert, und auf der letzten Seite neben den verschiedenen Krawattenknoten die Bezugsquellen angegeben wurden. Bei sämtlichen im Beitrag abgebildeten Krawatten wurde sowohl die Marke als auch der ungefähre Preis angegeben, bei den Tagesschaumoderatoren auch die Bezugsquelle ihrer übrigen Bekleidung.

B. In der „Schweizer Illustrierten Nr. 37 vom 7. September 1992″ erschien unter dem Titel „Der Krawatten-Wahn » ein ähnlicher Artikel über die Kleider- und insbesondere Krawattengewohnheiten verschiedener Moderatoren des Schweizer Fernsehens mit dem Kommentar des „Fabric-Frontline »-Chefs Andy Stutz.

C. An seiner Plenarsitzung vom 11. September 1992 beschloss der Presserat, die beiden Artikel aufzugreifen und abzuklären, ob es unter berufsethischen Gesichtspunkten zulässig ist, wenn sich Fernsehmoderatoren für solche Darstellungen als Mannequins hergeben und inwiefern in den beiden Beiträgen die Grenzen zwischen redaktionellem Teil und Werbung verwischt worden sind. Der Presserat setzte einen Ausschuss bestehend aus den Mitgliedern Marie-Theres Larcher, Vizepräsident Michel Perrin und Rudolf Zbinden ein.

D. Der Presseratsausschuss führte am 15. und 16. März 1993 je ein Hearing mit Charles Clerc und Beat Durrer, Juristischer Direktor der SRG durch, und befragte den Chefredaktor der „Schweizer Familie », Werner Ehrensperger, telefonisch über die Hintergründe des Krawattenbeitrags.

II. Erwägungen

1. Der Presserat erachtet die Mitwirkung und Zurschaustellung von Fernsehmitarbeitern in Illustriertenbeiträgen dann als problematisch, wenn dies im Zusammenhang mit direkter oder indirekter Produktewerbung geschieht. Damit die Medien ihre Informations- und Kontrollfunktion glaubwürdig wahrnehmen können, bedarf es der Unabhängigkeit der Medien-schaffenden. Die Glaubwürdigkeit der Medien kann nicht nur durch tatsächliche materielle und personelle Abhängigkeiten und Verflechtungen beinträchtigt werden (vgl. dazu eingehend die Presseratsstellungnahmen Nr. 3/92 i.S. abhängiger Wirtschaftsjournalismus und Nr. 7/92 zu Problemen des Reise-, Auto- und Sportjournalismus), sondern bereits durch jedes öffentliche Auftreten von Journalistinnen oder Journalisten, welches im Publikum den Anschein erweckt, sie hätten noch Nebeneinnahmen, z.B. eben als „Mannequins » oder ihre Unabhängigkeit sei in anderer Beziehung beeinträchtigt.

Wenn Journalistinnen und Journalisten in anderer als in unmittelbar beruflicher Funktion in der Öffentlichkeit auftreten, sollten sie deshalb generell darauf achten, dass durch solche Auftritte nicht ihre Unabhängigkeit und damit mittelbar die Glaubwürdigkeit der Medien beeinträchtigt wird.

2. a) Nach Auskunft des Chefredaktors der „Schweizer Familie », Werner Ehrensperger, wurde der Artikel gebracht, weil die Krawatten damals wieder in Mode gekommen waren. Sie hätten nicht wie üblich mit Mannequins gearbeitet, weil sie sich sagten, Männer, die man jeden Abend im Fernsehen sehe, seien einmal etwas anderes. Da alle wüssten, dass er ein Krawattenfan sei, hätten sie Charles Clerc angefragt, der zugesagt habe. Es sei absolut harmlos gewesen und sie hätten nichts bezahlt. Ebenso habe es keine Koppelung mit Inseraten gegeben. „Frontline » inseriere nie in der „Schweizer Familie ». Er sehe im Ganzen kein Problem. Mit Autos wäre das etwas anderes, doch hier sei es nur um einen Modebeitrag gegangen.

b) Charles Clerc bestätigte im Hearing vom 15. März 1993 von der „Schweizer Familie » angefragt worden zu sein. Die „Schweizer Familie » habe jedoch nie gesagt, dass sie auch die Krawattenpreise veröffentliche. Interessant sei auch die Geschichte der „Schweizer Illustrierten ». Diese habe wissen wollen, wie sich die Moderatoren gegen die Sommerhitze schützten. Die veröffentlichte Krawattengeschichte sei jedoch ohne das Wissen der Fernsehmoderatoren entstanden. Bei der SRG habe er nicht Rückfrage genommen. Es bestünden zwar Vorschriften bezüglich Nebenbeschäftigungen, doch in diesem Fall habe es sich um einen Dienst am Hause gehandelt, für den er seine Freizeit geopfert habe. c) Beat Durrer führte anlässlich des Hearings vom 16. März 1992 aus, bei der SRG gelte die Mitwirkung bei Werbung generell als Nebenbeschäftigung. Die SRG-Richtlinien würden an das neue RTVG angepasst. Vollbeschäftigte Mitarbeiter würden der Bewilligungspflicht, Teilbeschäftigte der Meldepflicht unterliegen. Der Fall der „Schweizer Illustrierten » falle unter die Gesetze des Medienbusiness. Für die Zeitschrift falle ein Trittbrettfahrer-Effekt ab. Diese Art von Symbiose liege seines Erachtens im zulässigen Rahmen. Dagegen sei der Fall der „Schweizer Familie » berufsethisch problematisch, handle es sich doch dabei um eine Art „Publireportage ». Beim Ganzen dürfe man jedoch nicht unterschätzen, dass sich die SRG-Mitarbeiter bei der „Boulevard-Presse » nicht unbeliebt machen wollten. Im Anschluss an das Hearing regte Beat Durrer SRG-intern an, ein Merkblatt zur Werbung mit Fernsehprominenz zu schaffen, welches berufsethische Aspekte, insbesondere Ziff. 9 der „Erklärung der Pflichten und Rechte des Journalisten », die SRG-Richt
linien zur Mitwirkung bei der Werbung, das Image des Unternehmens der SRG und seines Personals, sowie Fragen der Abgrenzung gegenüber dem Sponsoring und der Persönlichkeitsrechte der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einbeziehen soll. 3. a) Gemäss Ziff. 9 der „Erklärung der Rechte und Pflichten des Journalisten » vermeidet dieser in seiner beruflichen Tätigkeit jede Form von kommerzieller Werbung und akzeptiert keinerlei Bedingungen von Seiten der Inserenten.

b) Vorliegend stellt sich die Frage, ob mit „Vermeidung jeglicher Form kommerzieller Werbung » dem Journalisten auch „Werbung » für das Medium untersagt wird, für welches er tätig ist. Der Presserat hat in seiner bisherigen Praxis zu dieser Frage noch nie Stellung genommen. Der Sinn und Zweck dieser berufsethischen Norm liegt in der Vermeidung einer Vermischung von Information und Werbung. Sie dient damit mittelbar der Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit der Informationsmedien.

Nach Auffassung des Presserates wird die Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit eines Informationsmediums nicht beeinträchtigt, wenn Medienschaffende im Rahmen ihrer Funktion als Arbeitnehmer und Journalisten durch Auftritte in der Öffentlichkeit das Image ihres Arbeitgebers bzw. Mediums zu verbessern versuchen. Die Medienrezipienten sind diesfalls durchaus in der Lage solche Auftritte treffend zu werten. Die zunehmende Medialisierung von Medienschaffenden ist eine Tatsache, die der Presserat ohnehin nicht ändern kann. Öffentlichkeitsauftritte von Journalistinnen und Journalisten, welche das Image ihrer Zeitung, ihrer Radio- oder Fernsehstation zu fördern suchen, sind deshalb mit der „Erklärung der Rechte und Pflichten des Journalisten » grundsätzlich vereinbar, wenn streng darauf geachtet wird, dass die Medienschaffenden nicht gleichzeitig für die kommerzielle Zwecke Dritter missbraucht werden.

c) Ein Missbrauch für kommerzielle Zwecke Dritter hätte sich vorliegend im Fall „Schweizer Familie » durchaus vermeiden lassen, wenn dieser klare Auflagen bezüglich der Verwendung der Bilder gemacht worden wären. Der Presserat würde es daher begrüssen, wenn die in der Schweiz wohl hauptsächlich betroffene SRG, wie intern bereits vorgeschlagen, entsprechende Richtlinien ausarbeiten würde, die auch die berufsethische Problematik einbeziehen.

d) Nach den Selektionskriterien des Unterhaltungsjournalismus stellen die Krawattengewohnheiten von Fernsehmoderatoren ein relevantes Thema dar, weshalb gegen eine journalistische Behandlung desselben aus berufsethischer Sicht nichts einzuwenden ist. Unter dem berufsethisch relevanten Aspekt der Vermischung von Information und Werbung sind zwischen den beiden Beiträgen in der „Schweizer Familie » und der „Schweizer Illustrierten » jedoch klare Unterschiede feststellbar. Währenddem der Artikel in der „Schweizer Illustrierten » mit zwei Ausnahmen keinerlei Angaben über die Herkunft der von den Moderatoren getragenen Krawatten macht, werden in der Schweizer Familie sämtliche Preise und Bezugsquellen angegeben, was eindeutig zu weit geht, fällt doch dadurch ein journalistisch nicht zu rechtfertigender Werbeeffekt für die betreffenden Firmen ab. Daran ändert auch nichts, dass Chefredaktor Werner Ehrensperger geltend macht, keinerlei Bedingungen von Inserenten erfüllt zu haben. Die Art und Weise wie im Artikel der „Schweizer Familie » Product Publicity für Kravatten und Kleider gemacht wird, verletzt die „Erklärung der Pflichten und Rechte des Journalisten ».

e) Charles Clerc hat gegenüber dem Presserat glaubhaft geltend gemacht, nichts davon gewusst zu haben, dass im Artikel der „Schweizer Familie » die Preise genannt, und damit Werbung für Krawatten gemacht werden würde. Da davon auszugehen ist, dass dies auch für die beiden anderen Tagesschaumoderatoren gilt, kann Ihnen bezüglich der festgestellten Verletzung des Ehrenkodexes kein Vorwurf gemacht werden. Die diesbezügliche Verantwortung liegt allein bei der Redaktion der „Schweizer Familie ».

III. Feststellungen

Aus diesen Gründen hält der Presserat fest:

1. Wenn Journalistinnen und Journalisten in anderer als in unmittelbar beruflicher Funktion in der Öffentlichkeit auftreten, haben sie darauf zu achten, dass dadurch nicht ihre Unabhängigkeit und damit mittelbar die Glaubwürdigkeit der Medien beeinträchtigt wird.

2. Medienschaffenden kann unter berufsethischen Gesichtspunkten nicht verwehrt werden, durch Öffentlichkeitsauftritte das Image ihres Arbeitgebers bzw. Mediums zu fördern, soweit dadurch nicht gleichzeitig kommerzielle Zwecke Dritter unterstützt werden.

3. Der Presserat fordert die SRG und andere potentiell betroffene Medien auf, für Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entsprechende interne Richtlinien zu erlassen, welche mit der Berufsethik vereinbar sind.

4. Im vorliegenden Fall stellt der Presserat fest, dass die Redaktion der „Schweizer Familie » mit dem Artikel „Krawattenschau » den Ziff. 9 der „Erklärung der Pflichten und Rechte des Journalisten » verletzt hat.