I. Sachverhalt
A. «Blick» veröffentlichte am 25. November 2003 einen Artikel von Ralph Donghi über den Übergriff eines Lehrers. Der Titel lautete: «Ich schiess euch in die Knie», der Obertitel: «Lehrer X. stürmte bewaffnet ins Schulzimmer». Der Lead fasst zusammen: «(…). Die schwere Mathe-Probe bei der Klassenlehrerin ist gerade vorbei. Da stürmt plötzlich X. (35) ins Schulzimmer – bewaffnet! Er droht: ÐIch schiesse euch in die Knieð. Der Horror-Morgen für die 24 Schüler beginnt.» Im Lauftext gibt der Artikel den Erlebnisbericht eines betroffenen Schülers wieder:
«ÐEr schloss die Türe ab, warf ein Mäppli und seinen Schlüsselbund aufs Pult und schrie: ,Jetzt rede ich, dies ist kein Ferienlager’, erzählt Stefan M.* (15) mit zittriger Stimme Blick (…) Unseren Lehrer hat es gestört, dass einige von uns im Unterricht manchmal eine Kappe trugen und Kaugummi kautenð, sagt Stefan. ÐAls er kurz nach der Mathe-Probe ins Klassenzimmer stürmte, hat er Stühle und Bänke umgeworfen. (…) Einem Kosovo-Albaner rief er ,Sau-Jugo’ zu. Er würde gerne eine 400-Franken Busse zahlen, wenn er ihm eine in die ,Fresse’ hauen könnte.ð Da habe der Schüler den Lehrer Ðschon etwas provoziertð und auf seine Wange gezeigt. ÐX. schlug zu! Mein Kollege hat sich gewehrt. Es kam zu einer Schlägerei zwischen den beiden.ð, sagt Stefan. ÐZwei Schüler konnten sie trennen.ð Dann habe X. die Polizei alarmiert. Und was machen die Polizisten? ÐSie haben nur meinen ausländischen Kollegen weggebrachtð, so Stefan. X. lassen sie in Ruhe. Und der rastet endgültig aus. Stefan: ÐEr ist einfach so zurück ins Zimmer gestürmt, bewaffnet.ð X. klappt ein Messer mit einer zirka 15-Zentimeter-Klinge auf. ÐDann schrie er: ,Falls einer auf mich zukommt, steche ich zu’ (…) Stefan: ÐEr fuchtelte mit dem Messer, hielt es einem Schüler vors Gesicht und sagte: ,Ich habe auch einen Pfefferspray und eine 9-mm-Waffe dabei. Ich schiesse euch in die Kniescheiben, falls ihr euch getraut, näher zu kommen.’ð Doch plötzlich wirft X. das Messer aufs Pult und läuft davon.»
Weiter kommen im Artikel der Vater des Schülers und der Schulleiter je kurz zu Wort. Der betroffene Lehrer nahm gemäss «Blick» zu den Vorfällen keine Stellung, da er ab sofort in ärztlicher Behandlung sei.
B. Tags darauf titelte «Blick»: «Schüler wollen Amoklehrer nicht.» Die 24 Primarschüler hätten den «Ausraster» ihres Lehrers trotz psychologischer Hilfe noch nicht verdaut. Für die 9.-Klässler sei klar, sie wollten den Lehrer nie mehr sehen. Abschliessend vermeldete «Blick»: «Ein Psychologe aus der Region glaubt zu wissen, weshalb X. durchdrehte: ÐIm Herbst geht es vielen Lehrern schlecht, sie geraten in die so genannte ,Herbst- Depression’ und tun Dinge, die sie sonst nie tun würden.ð»
C. Neben dem «Blick» berichteten zahlreiche weitere Medien über den Vorfall, so die «Berner Zeitung» (26. November 2003; «Horrorstunde im Schulzimmer»), «Mittelland Zeitung» (26. November; «Schock sitzt bei Schülern noch tief; Lehrer bedroht (…) Neuntklässler mit einem Messer»); «20 Minuten.ch» (25. November 2003; «Lehrer ging mit Messer auf Schüler los») und «Bund» (26. November 2003; «Polizei ermittelt gegen Lehrer»). In einer zweiten Phase («Bund» vom 6. Dezember 2003, «Berner Zeitung» vom 10. Dezember 2003) äusserte sich dann auch der betroffene Lehrer zum Vorfall, den er bereue. Gleichzeitig wehrte er sich gegen die «Vorverurteilung» und die «tendenziöse, ehrverletzende und vorverurteilende» Berichterstattung in der Tagespresse.
D. Mit Schreiben vom 16. Dezember 2003 beschwerte sich X., beim Presserat über die «tendenziöse», «massiv vorverurteilende» Berichterstattung in erster Linie des «Blicks» vom 25. und 26. November 2003. Diverse Printmedien im Kanton Bern hätten diese Berichterstattung wortwörtlich übernommen, ohne weitere Stellungnahmen und Meinungen einzuholen. Mehrere Presseerzeugnisse hätten damit insbesondere gegen die Ziffern 1, 3, 5, 7 und 8 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verstossen.
E. Mit Schreiben vom 17. Dezember 2003 forderte der Presserat den Beschwerdeführer auf, für die beanstandeten Berichte näher zu begründen, welche Punkte der «Erklärung» durch welche Passagen verletzt worden seien.
F. Am 20. Februar 2004 reichte der zwischenzeitlich anwaltlich vertretene Beschwerdeführer die eingeforderte Beschwerdebegründung beschränkt auf die beiden Artikel des «Blick» vom 25. und 26. November 2003 nach. Für die mit der Angelegenheit nicht vertraute Leserschaft sei der falsche Eindruck entstanden, X. habe aus einem nichtigen Anlass einen Aussetzer gehabt, sei unkontrolliert auf eine Gruppe harmloser Schüler losgegangen und habe diese massiv bedroht. In Wirklichkeit habe der bedauerliche Vorfall eine komplexe Vorgeschichte. Hintergrund seien Gewaltübergriffe von 9.-Klässlern auf jüngere Schüler gewesen. Am Tag des Vorfalls habe er die betroffenen Schüler zur Rede stellen und zurechtweisen wollen. Aufgrund einer massiven Provokation eines dieser Schüler und einer nachfolgenden Schlägerei sei die Situation dann eskaliert. Er sei überfordert gewesen.
Der Autor des Berichts, Ralph Dongy, habe in der Absicht, eine «reisserische Story» zu bringen, mit dem Artikel vom 25. November 2003 die Unschuldsvermutung (Richtlinie 7.5 zur «Erklärung»), die Berichtigungspflicht (Richtlinie 5.1) verletzt und sich zudem nicht um «objektive Wahrheitssuche» bemüht (Richtlinie 1.1). Auch wenn X., weil krankgeschrieben, sich gegenüber dem «Blick» nicht habe äussern wollen, wäre es einfach gewesen, weitere Augenzeugen des Vorfalls zu befragen. «Blick» habe seine Schilderung des Vorfalls zudem trotz entsprechender Aufforderung nicht, wie dies andere Zeitungen getan hätten, zu einem späteren Zeitpunkt ergänzt und relativiert. Schliesslich sei X. aufgrund der Angabe von Vornamen und erstem Buchstaben des Nachnamens sowie des Schulorts identifizierbar gewesen, womit «Blick» auch die Richtlinie 7.6 (Namensnennung) verletzt habe.
Die gleichen Bestimmungen von «Erklärung» bzw. der zugehörigen Richtlinien habe «Blick» auch mit dem Artikel vom 26. November 2004 verletzt. Der Stempel des «Amoklehrers» sei nun wortwörtlich gesetzt und zur Begründung die Ferndiagnose eines Psychologen aus der Region angeführt worden, der ins Blaue hinaus die Diagnose «Herbstdepression» gestellt habe.
G. Am 31. März 2004 beantragte die anwaltlich vertretene «Blick»-Redaktion, die Beschwerde sei vollumfänglich abzuweisen, soweit überhaupt darauf einzutreten sei. Der Beschwerdeführer räume ein, dass der «Blick» Äusserungen zitiert habe, die tatsächlich im Schulzimmer gefallen seien. Dass die publizierte Darstellung unvollständig und möglicherweise chronologisch nicht in jeder Hinsicht absolut richtig sei, sei hingegen irrelevant. Entscheidend sei, dass «Blick» weder relevante Fakten unterdrückt bzw. erfunden oder in ihrer Bedeutung wesentlich verzerrt dargestellt habe. Dementsprechend habe die Redaktion auch keinen Anlass zur nachträglichen Veröffentlichung einer Berichtigung gehabt. In der Beschwerde werde zudem auch nicht ausgeführt, inwiefern «Blick» die Unschuldsvermutung hätte verletzen sollen. Ebensowenig sei der Beschwerdeführer mit Wohnsitz in Bern aufgrund der Angaben im «Blick» identifizierbar gewesen. Zudem wäre eine Namensnennung zulässig gewesen. Andere Medien hätten den vollen Namen genannt. Schliesslich enthalte auch der Artikel vom 26. November 2004 nichts, das presseethisch über den vom Vortag hinausgehen würde.
H. Gemäss Art. 10 Abs. 7 des Geschäftsreglements des Schweizer Presserates kann das Präsidium zu Beschwerden, die in ihren Grundzügen mit vom Presserat bereits früher behandelten Fällen übereinstimmen oder sonstwie von untergeordneter Bedeutung erscheinen, abschliessend Stel
lung nehmen.
I. Am 6. April 2004 erklärte der Presserat den Schriftenwechsel als geschlossen und teilte den Parteien mit, die Beschwerde werde vom Presseratspräsidium, bestehend aus dem Präsidenten Peter Studer sowie den Vizepräsidentinnen Sylvie Arsever und Esther Diener-Morscher behandelt.
K. Das Presseratspräsidium hat die vorliegende Stellungnahme per 2. November 2004 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.
II. Erwägungen
1. a) Gemäss ständiger Praxis des Presserates (seit der Stellungnahme 3/1996; vgl. zuletzt die Stellungnahme 15/2004) kann aus der «Erklärung» keine Pflicht zu «objektiver» Berichterstattung abgeleitet werden. Ebensowenig kann aus dem berufsethischen Gebot, keine wesentliche Informationen zu unterschlagen, abgeleitet werden, dass in jedem Medienbericht sämtliche Aspekte eines Themas zu berücksichtigen sind (Stellungnahme 9/94).
b) Soweit X. die einseitige «tendenziöse» Berichterstattung rügt, kann daraus deshalb noch keine Verletzung berufsethischer Pflichten abgeleitet werden. Ebenso durfte «Blick» einseitig aus der Optik eines betroffenen Schülers berichten. Jedenfalls solange er nicht wichtige Informationselemente unterschlug, Informationen entstellte oder die Anhörung eines von schweren Vorwürfen Betroffenen unterliess.
Allerdings ist die Erwartung des Beschwerdeführers verständlich, wonach die Vorgeschichte und die Motivation seines Verhaltens in die Berichterstattung einzubeziehen gewesen wären. Doch war die Ausweitung der Recherche auf weitere oder alle am Vorfall direkt oder indirekt Beteiligte berufsethisch unabdingbar? Nach Auffassung des Presserates würde dies zu weit führen, auch wenn man sich fragen kann, weshalb der Autor nicht wenigstens die Stellungnahme der Klassenlehrerin einholte, die ja offenbar während des Vorfalls anwesend war. Schliesslich schrieb er seinen Bericht erst Tage nach dem Ereignis.
Die «Erklärung» und die Richtlinien sehen eine zwingende Kontaktnahme lediglich vor, wenn gegenüber einer Person schwere Vorwürfe erhoben werden (Richtlinie 3.8). Dies trifft zwar beim Beschwerdeführer zu, doch er ist zugestandenermassen vor Erscheinen des ersten «Blick»-Artikels von Ralph Donghi telefonisch kontaktiert worden. Auch wenn er damals in ärztlicher Behandlung war, wäre es ihm zumutbar gewesen, entweder selber eine kurze «Rechtfertigung» für sein Handeln abzugeben oder zumindest eine Person anzugeben, die dies in seinem Namen hätte tun können. Denn immerhin hat er sich bereits am 26. November 2004 gemäss einem von ihm dem Presserat eingereichten und offenbar selbst verfassten Gesprächsprotokoll mit einem Vertrauensanwalt des Lehrerverbands eingehend über den Vorfall und dessen Vorgeschichte unterhalten.
Unter diesen Umständen ist es dem «Blick» nicht anzulasten, wenn die beanstandeten Berichte vom 25. und 26. November 2003 einseitig auf die Schilderung des Schülers M. abstellen. Zumal der äussere Ablauf des Vorfalls vom 21. November 2003 zwischen den Parteien in wesentlichen Punkten unbestritten ist. «Blick» durfte sich zudem auf die Schilderung des äusseren Ablaufs der dramatischen Ereignisse beschränken und war berufsethisch nicht verpflichtet, auf die Vorgeschichte und auf die inneren Beweggründe für das Handeln des Beschwerdeführers einzugehen. Dies wäre aus Sicht der Leserinnen und Leser zwar von Interesse gewesen, doch kann aus dieser Unterlassung weder eine Verletzung der Wahrheitspflicht (Ziffer 1 der «Erklärung») noch des Gebots, keine wichtigen Informationselemente zu unterschlagen oder Tatsachen zu entstellen (Ziffer 3) abgeleitet werden.
2. a) Gemäss der Ziffer 5 der «Erklärung» sind Journalistinnen und Journalisten verpflichtet, jede von ihnen veröffentlichte Meldung zu berichtigen, deren Inhalt sich ganz oder teilweise als falsch erweist.
b) Der Beschwerdeführer macht unter diesem Gesichtspunkt geltend, «Blick» wäre wenigstens verpflichtet gewesen, seine beiden Berichte vom 25. und 26. November 2003 zu einem späteren Zeitpunkt zu ergänzen oder zu relativieren, wie dies andere Zeitungen getan hätten. «Blick» sei der Berichtigungspflicht nicht einmal nach Aufforderung durch den Beschwerdeführer nachgekommen.
c) Wie «Blick» dazu zu Recht einwendet, gibt X. nicht genau an, welche der von «Blick» veröffentlichten Fakten falsch gewesen sind und dementsprechend hätten berichtigt werden müssen. Vielmehr rügt er auch hier in erster Linie die aus seiner Sicht in unzulässiger Weise einseitig auf die Schilderung durch einen der betroffenen Schüler abstützende, unvollständige Perspektive des Artikels. Wenn aber diesbezüglich keine Verletzung der Wahrheitspflicht bzw. Unterschlagung von Informationen und/oder Entstellung von Tatsachen festzustellen ist (siehe oben unter Ziffer 1 der Erwägungen) war die Redaktion auch nicht verpflichtet, von sich aus nachträglich Fakten zu berichtigen.
Soweit der Beschwerdeführer darüber hinaus geltend macht, selber nachträglich beim «Blick» vorstellig geworden zu sein und den Abdruck einer «Berichtigung» verlangt zu haben, ist ihm in erster Linie sein ursprünglicher Verzicht entgegenzuhalten, sich gegenüber «Blick» zum Vorfall zu äussern (siehe oben unter Ziffer 1 b der Erwägungen). Bei Berücksichtigung der Umstände des konkreten Falls wäre es allerdings angesichts der Schwere der gegenüber ihm erhobenen Vorwürfe und seiner von den vorangegangenen Veröffentlichungen des «Blick» abweichenden Darstellung zumindest sinnvoll erschienen, ihm ausnahmsweise trotz des früheren Verzichts Gelegenheit für eine nachträgliche Stellungnahme einzuräumen (Stellungnahme 13/2001). Da die von X. behauptete nachträgliche Kontaktnahme mit der Redaktion durch die von ihm eingereichten Unterlagen jedoch nicht dokumentiert ist, lässt der Presserat die Frage offen, ob «Blick» darüber hinaus ausnahmsweise gar berufsethisch verpflichtet gewesen wäre, einem entsprechenden Begehren stattzugeben.
3. a) Gemäss der Praxis des Presserates (vgl. zuletzt die Stellungnahmen 27/2004, 60 und 61/2003) wird der Richtlinie 7.5 (Unschuldsvermutung) zur «Erklärung» Genüge getan, wenn ein Artikel darauf hinweist, dass eine Verurteilung noch nicht oder noch nicht rechtskräftig erfolgt ist.
b) In keinem der beiden beanstandeten «Blick»-Artikel vom 25. und 26. November 2003 ist von einer Verurteilung die Rede. Im ersten Bericht nimmt einzig der Satz «Er weiss, dass die Polizei gegen ihn ermittelt.» im weitesten Sinn auf ein möglicherweise einzuleitendes strafrechtliches Verfahren Bezug. Der zweite Bericht äussert sich nicht mehr dazu. Der blosse Hinweis auf ein laufendes polizeiliches Ermittlungsverfahren verletzt die Unschuldsvermutung nicht. Dass ein solches angeordnet worden sei, wurde immerhin laut einer SDA-Meldung vom 25. November 2003 von einem Sprecher der Kantonspolizei bestätigt.
4. a) Die Richtlinie 7.6 (Namensnennung) zur «Erklärung» fordert die Journalistinnen und Journalisten auf, vorbehältlich von begründeten Ausnahmen weder den Namen der von einem Gerichtsverfahren betroffenen Person zu nennen, noch andere Angaben zu machen, die eine Identifikation durch Dritte ermöglichen, die nicht zu Familie, sozialem oder beruflichem Umfeld gehören, also ausschliesslich durch die Medien orientiert werden. Entgegen dem engen Wortlaut der Richtlinie 7.6 gelten die darin enthaltenen Grundsätze nicht bloss für die Gerichtsberichterstattung im eigentlichen Sinne, sondern generell für die identifizierende Berichterstattung über Personen.
b) X. sieht seine Privatsphäre durch die Angabe seines Vornamens, den ersten Buchstaben des Nachnamens, des Berufs sowie des Schulortes verletzt. «Blick» bestreitet, dass eine Identifikation durch Dritte möglich war und macht zudem geltend, dass eine Namensnennung ohnehin zulässig gewesen wäre.
c) Nach Auffassung des Presserates ist zeitlich zwischen zwei Phasen zu unterscheiden. Nachdem X. im Interview mit der «Berner Zeitung» vom 10. Dezember 2003 selber mit Name und Bild an die Öff
entlichkeit gegangen war, durften ihn – zumindest unmittelbar danach – wohl auch andere Medien namentlich nennen. Anders ist dies hingegen für die Zeit davor, also auch im Zeitpunkt der Publikation der beiden beanstandeten «Blick»-Artikel zu beurteilen. Die Tätigkeit als Lehrer machte X. noch nicht zur Person des öffentlichen Lebens (Stellungnahme 2/2003). Dementsprechend war zum Zeitpunkt der beiden «Blick»-Artikel eine identifizierende Berichterstattung nicht gerechtfertigt. Allerdings erscheint eine Identifikation des Beschwerdeführers aufgrund der in den beiden Berichten enthaltenen Angaben (Schulort, Beruf, Vorname und erster Buchstabe des Nachnamens) durch ausserhalb des familiären und sozialen Umfelds stehende Dritte hier aber gerade deshalb höchst unwahrscheinlich, weil der Wohnort (Stadt Bern) und der Arbeitsort des Beschwerdeführers relativ weit auseinander liegen. Es ist deshalb davon auszugehen, dass X. aufgrund der verschiedenen Medienberichte über sein persönliches Umfeld hinaus in erster Linie von denjenigen Personen erkannt wurde, die ihn aufgrund seiner Tätigkeit an der Schule kannten und vom Vorfall mit grosser Wahrscheinlichkeit auch ohne die Medienberichterstattung Kenntnis erhalten hätten. Deshalb ist auch eine Verletzung der Richtlinie 7.6 zur «Erklärung» zu verneinen. Der Presserat erinnert jedoch in diesem Zusammenhang an seine Empfehlung (Stellungnahme 6/1996), nicht nur auf die volle Namensnennung zu verzichten, sondern statt der Nennung von Vorname und erstem Buchstaben des Nachnamens besser vorsichtshalber ein als solches deklariertes Pseudonym zu verwenden.
5. Bezüglich des Artikels vom 26. November 2003 beschwert sich X. schliesslich, ohne die aus seiner Sicht damit verletzten berufsethischen Norm anzugeben, insbesondere über den Begriff «Amoklehrer» und die Wiedergabe des Statements eines «Psychologen aus der Region», der eine sog. Herbstdepression «diagnostizierte».
Dazu ist festzuhalten, dass der Begriff «Amoklehrer» für die Leserschaft als vertretbare kommentierende Wertung erkennbar ist. Ebenso erkennbar sind die dieser Wertung zugrundeliegenden Fakten. Schliesslich wird aus der Formulierung «Ein Psychologe aus der Region glaubt zu wissen, weshalb X. durchdrehte» genügend deutlich, dass es sich bei der «Diagnose» «Herbstdepression» um eine Mutmassung handelte. Die Leserinnen und Leser des «Blick» waren damit ohne weiteres in der Lage, auch dieses Informationselement zu gewichten und einzuordnen.
III. Feststellung
Die Beschwerde wird abgewiesen.