Zusammenfassung
Der Schweizer Presserat hat eine Beschwerde der Solothurner Spitäler AG gegen den Regionalfernsehsender Tele M1 und die «Solothurner Zeitung» gutgeheissen. Anfang 2015 hatte Tele M1 über den Fall einer jungen Frau berichtet, welche mit starken Bauchschmerzen die Notfallstation des Spitals Solothurn aufgesucht hatte. Noch während den Untersuchungen liess sie sich in ein Berner Spital verlegen, wo sie in der gleichen Nacht aufgrund eines akuten Darmverschlusses operiert wurde. Im Fernsehbeitrag wurde der Vorwurf erhoben, dass die untersuchenden Ärzte in Solothurn den Gesundheitszustand der Patientin nicht ernst nahmen und sie daher hätte sterben können. Der kritisierte Fernsehbeitrag bestand weitgehend aus Interviews mit der Patientin und ihrer Mutter. Tele M1 ist deren Darstellung umfassend und ohne weitere Überprüfung gefolgt.
Der Presserat sieht in dieser Art der Berichterstattung eine eklatante Verletzung der journalistischen Sorgfaltspflicht, da der Beitrag allein auf die Aussagen der Patientin abstellte und sie ungeprüft übernahm. Die Wahrheitssuche setzt aber die Beachtung verfügbarer und zugänglicher Daten und deren Überprüfung voraus. Angesichts der Schwere der Vorwürfe – ärztlicher Fehler mit möglicher Todesfolge – war zudem eine Anhörung des Spitals zwingend. Tele M1 hat im Beitrag jedoch den Eindruck erweckt, die Verantwortlichen wollten keine Stellung nehmen und versteckten sich hinter dem Arztgeheimnis. Das Spital durfte sich jedoch zum Zeitpunkt der Ausstrahlung gar nicht zum Fall äussern, da die Patientin es noch nicht von der Schweigepflicht entbunden hatte. Tele M1 hätte darauf hinweisen müssen, weshalb eine solche Stellungnahme im Beitrag fehlt oder mit der Ausstrahlung des Beitrags zuwarten.
Die «Solothurner Zeitung» rügt der Presserat dafür , dass sie den Bericht von Tele M1 ohne ergänzende Recherchen übernommen hat und die Gründe für das Fehlen einer Stellungnahme des Spitals ebenfalls nicht transparent machte.
Résumé
Le Conseil suisse de la presse a accepté un recours de Solothurner Spitäler AG contre la chaîne de télévision régionale Tele M1 et le «Solothurner Zeitung». Début 2015, Tele M1 avait relaté le cas d’une jeune femme qui s’était rendue aux urgences de l’hôpital de Soleure à la suite de forts maux de ventre. Alors que les examens étaient encore en cours, elle s’est fait transporter dans un hôpital bernois, où elle a été opérée la nuit même d’une occlusion intestinale aiguë. Dans le reportage de la télévision, il était reproché aux médecins de Soleure ayant examiné la patiente de ne pas avoir pris au sérieux son état de santé et qu’elle aurait pu en mourir. Ce compte rendu critique était essentiellement composé d’interviews de la patiente et de sa mère. Tele M1 a repris entièrement leur exposé de la situation sans plus ample examen.
Le Conseil de la presse voit dans ce type de compte rendu une violation éclatante du devoir de diligence des journalistes puisqu’il repose exclusivement sur les dires de la patiente et qu’aucune vérification n’a été faite. La recherche de la vérité présuppose toutefois que les données disponibles et accessibles soient prises en compte et examinées. Vu la gravité des reproches – erreur médicale susceptible d’entraîner la mort –, il aurait fallu entendre des représentants de l’hôpital. Tele M1 a pourtant donné l’impression que les responsables ne voulaient pas prendre position, se cachant derrière le secret médical. L’hôpital ne pouvait cependant pas s’exprimer sur le cas à la date de la diffusion parce que la patiente ne l’avait pas encore délié de son obligation de discrétion. Tele M1 aurait dû signaler pourquoi sa prise de position manquait dans le compte rendu ou reporter sa diffusion.
Au «Solothurner Zeitung», le Conseil de la presse reproche d’avoir repris le compte rendu de Tele M1 sans faire de recherches complémentaires et sans indiquer de manière transparente pourquoi l’hôpital n’avait pu prendre position.
Riassunto
Il Consiglio della stampa ha accolto il reclamo presentato dalla Solothurner Spitäler AG contro un servizio della televisione regionale Tele M1 e della «Solothurner Zeitung» sul caso di una giovane donna che in preda a forti dolori era ricorsa al pronto soccorso dell’ospedale di Soletta, si era fatta ricoverare e la notte stessa era stata operata per una grave occlusione intestinale. Nel servizio televisivo si faceva stato di una presa a carico superficiale da parte dei medici del pronto soccorso e del rischio mortale che la paziente avrebbe corso in quelle circostanze. Intervistate erano state la paziente stessa e sua madre, il servizio si basava sulle loro dichiarazioni senza altre verifiche. Basarsi su dichiarazioni unilaterali e non verificate è una negligenza grave – dice il Consiglio della stampa. Il principio della ricerca della verità presuppone da parte dei media la raccolta e la verifica dei dati disponibili e accessibili. Considerata la gravità delle critiche rivolte ai sanitari – l’errore medico e il pericolo di vita corso dalla paziente – almeno l’ascolto del loro avviso era necessario. Il servizio di Tele M1 insinua che i responsabili si erano rifiutati di prendere posizione rifugiandosi dietro il segreto professionale. In realtà, l’ospedale non si era potuto pronunciare perché la paziente non li aveva ancora autorizzati a rilasciare dichiarazioni. Tele M1 – afferma il Consiglio della stampa – avrebbe dovuto riferire questa circostanza oppure rimandare la messa in onda del servizio.
Quanto alla «Solothurner Zeitung», il Consiglio della stampa deplora che il giornale abbia semplicemente ripreso l’informazione della stazione televisiva senza curarsi di verificare i motivi della mancata presa di posizione da parte dell’ospedale.
I. Sachverhalt
A. Am 18. Januar 2015 berichtete der Regionalsender Tele M1 in der Nachrichtensendung «Aktuell» von einer Patientin, die mit Bauchschmerzen im Bürgerspital Solothurn nicht korrekt behandelt worden sei. In einem längeren Interview erzählt diese, dass man sie in der Notfallabteilung lediglich bezüglich einer möglichen Schwangerschaft befragt, den eigentlichen Grund ihrer Schmerzen aber nicht erkannt habe. Die Ärzte hätten dies, so der Sprecher im Beitrag, «auch nach fast zehn Stunden nicht diagnostizieren können». Bereits in der Ansage zum Beitrag wird auf einen früheren Fall verwiesen, bei dem eine dreifache Mutter aufgrund eines nicht diagnostizierten Darmverschlusses gestorben sei. Nur mit «viel Glück» habe sich diese Geschichte nicht wiederholt. Im Bericht selbst wird dieser Zusammenhang ebenfalls direkt hergestellt, sei es doch gemäss dem Journalisten «nicht das erste Mal, dass das Bürgerspital Solothurn einen Darmverschluss nicht findet». Die Patientin von 2008 sei mit der Fehldiagnose Magen-Darm-Grippe nach Hause geschickt worden und dort in der Nacht an einem Darmverschluss gestorben. Im aktuellen Fall habe die Patientin «zum Glück» selbst die Verlegung in ein Berner Privatspital veranlasst. Dort sei sie notfallmässig wegen eines Darmverschlusses operiert worden. Der behandelnde Arzt, so erzählt sie im Interview, habe sie am nächsten Tag darüber informiert, dass es sehr schlimm hätte ausgehen können. Im Fernsehbeitrag kommt auch die Mutter der Patientin zu Wort. Sie beklagt, dass man sie im Spital in Solothurn nicht ernst genommen habe. Der Journalist führt aus, sie seien sich dort wie «Menschen dritter Klasse» vorgekommen. Das Bürgerspital Solothurn habe sich seither nicht mehr gemeldet und wolle der Patientin trotz Nachfrage keine Auskünfte geben. Die Verantwortlichen des Spitals k
önnten keine Stellung nehmen und würden sich auf das Arztgeheimnis berufen.
Am Folgetag wird der Bericht in einer Meldung der «Solothurner Zeitung» aufgegriffen. Unter dem Titel «Darmverschluss blieb unerkannt» werden die zentralen Inhalte des Beitrags mit Verweis auf den Regionalsender Tele M1 als Quelle wiederholt. Es wird ebenfalls eine Verbindung zum Todesfall von 2008 hergestellt, wobei gemäss «Solothurner Zeitung» die Fehldiagnose damals auf Magenschleimhautentzündung gelautet habe.
Am 20. Januar 2015 nahm die Solothurner Spitäler AG in einer Medienmitteilung Stellung. Sie bezieht sich dabei auf die Berichterstattung von Tele M1, Tele Bärn sowie der «Mittellandzeitung». Es wird darauf hingewiesen, dass die Solothurner Spitäler AG sich erst jetzt äussern könne, nachdem sie von der Patientin von der Schweigepflicht entbunden wurde. Entgegen der Schilderung der Patientin habe sehr wohl ein Verdacht auf Darmverschluss bestanden, die Befunde seien aber nach ersten Untersuchungen nicht eindeutig gewesen. Es wäre auch in Solothurn eine Operation durchgeführt worden. Bevor jedoch die weiteren medizinischen Abklärungen erfolgen konnten, habe die Patientin die Verlegung in das Berner Privatspital verlangt, in dem sie bereits früher einmal operiert worden sei.
Gleichentags strahlte Tele M1 einen zweiten Beitrag zu diesem Fall aus, diesmal unter dem Titel «Ärztepfusch? Spital Solothurn wehrt sich». Die Vorwürfe werden mittels Ausschnitten aus dem früheren Interview nochmals zusammengefasst. Anschliessend kommt die ärztliche Leiterin der Notfallstation zu Wort und erläutert den medizinischen Sachverhalt aus ihrer Sicht. Wie bereits in der Medienmitteilung wird darauf hingewiesen, dass zum Zeitpunkt der von der Patientin gewünschten Verlegung nach Bern die Abklärungen im Spital Solothurn noch im Gange waren. Es wäre aber gemäss der Ärztin ebenfalls operiert worden. Von den massiven Vorwürfen aus dem ersten Beitrag bleibt nunmehr lediglich stehen, dass die Patientin an ihrer Version festhalte. Zudem würde sie rechtliche Schritte prüfen.
B. Am 30. April 2015 reichte die Solothurner Spitäler AG beim Schweizer Presserat eine Beschwerde gegen Tele M1 und die «Solothurner Zeitung» ein, konkret gegen den TV-Beitrag vom 18. Januar 2015 sowie den Zeitungsbericht vom 19. Januar 2015. Gerügt werden die Verletzung von Ziffer 1 (Wahrheit) und Ziffer 3 (Unterschlagung wichtiger Elemente von Informationen sowie Anhörung bei schweren Vorwürfen) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» sowie eine Verletzung des Fairnessgebots. Insbesondere kritisiert die Solothurner Spitäler AG, dass allein die Aussagen der Patientin übernommen wurden, welche «nachweislich falsch» seien. Das Spital habe keine Gelegenheit gehabt, rechtzeitig Stellung zu nehmen. In der Berichterstattung sei zudem nicht darauf hingewiesen worden, dass dies für das Spital erst möglich sei, nachdem die Patientin ihr Einverständnis dazu gegeben hat. Bemängelt wird auch mangelnde Fairness, da das Spital zum Zeitpunkt der Anfrage gar nicht wusste, um welche Patientin es sich handelte, sondern den Namen erst durch den Fernsehbericht erfahren habe. Aus Sicht der Beschwerdeführerin bestand keine Dringlichkeit für die Ausstrahlung des Berichts. Dieser hätte ihrer Ansicht nach eine ganz andere Wirkung gehabt, wenn sich auch die zuständige Ärztin hätte äussern können.
C. In der Beschwerdeantwort vom 4. Juni 2015 begründet Theodor Eckert, Chefredaktor der «Solothurner Zeitung», das Interesse am Beitrag des Regionalsenders damit, dass es am Bürgerspital Solothurn bereits «mehrfach zu Aufsehen erregenden Todesfällen» gekommen sei. Die Zeitung habe korrekt zitiert und davon ausgehen können, dass sich die Mitarbeitenden von Tele M1 an die journalistischen Regeln halten.
D. In seiner Beschwerdeantwort weist Tele M1 am 8. Juni 2015 die Beschwerde ebenfalls zurück. Chefredaktor Stephan Gassner hält fest, dass der Mediensprecher der Solothurner Spitäler Eric Send am Morgen vor der Ausstrahlung um eine Stellungnahme angegangen worden sei. Nachdem dieser auf die Problematik der Schweigepflicht hingewiesen habe, sei vom Journalisten in Aussicht gestellt worden, die notwendige Entbindung umgehend bei der interviewten Patientin einzuholen, damit eine Stellungnahme durch das Spital möglich wird. Der Mediensprecher habe daraufhin jedoch geantwortet, dass aufgrund der ärztlichen Schweigepflicht gleichentags keine Stellungnahme erfolgen könne und dass im Beitrag darauf hingewiesen werden müsse, falls dieser am selben Tag ausgestrahlt werde. Dem sei Folge geleistet worden. Aus Sicht von Tele M1 habe das Spital eine Ausstrahlung verhindern wollen, möglicherweise habe dies mit dem früheren Fall zu tun. Es sei ein Grundsatz des Senders, bei allen involvierten Parteien eine Stellungnahme einzuholen, was auch geschehen sei. Nach der Veröffentlichung der schriftlichen Stellungnahme des Spitals habe man dann umgehend mit dem zweiten Bericht reagiert und ein Interview mit der Leiterin der Notfallstation ausgestrahlt. Wieweit die dort gemachten Angaben bezüglich Verlauf der Abklärungen stimmen, könne der Sender nicht beurteilen. «Fakt» sei hingegen, dass «die Patientin selber der Meinung ist, sie sei wegen einer falschen Diagnose und einer zu langsamen Abklärung beinahe gestorben».
E. Das Präsidium des Presserats wies den Fall seiner 1. Kammer zu. Ihr gehören Francesca Snider (Kammerpräsidentin), Michael Herzka, Pia Horlacher, Klaus Lange, Francesca Luvini, Casper Selg und David Spinnler an.
F. Die 1. Kammer behandelte die Beschwerde an ihrer Sitzung vom 23. September 2015 sowie auf dem Korrespondenzweg.
II. Erwägungen
1. Beitrag «Wieder Ärztepfusch im Bürgerspital Solothurn?», ausgestrahlt auf Tele M1 am 18. Januar 2015: Die Beschwerdeführerin macht eine Verletzung der Wahrheitspflicht dadurch geltend, dass Tele M1 allein auf die Aussagen der Patientin abgestellt habe, welche nachweislich in fast allen relevanten Punkten falsch seien und den äusserst schweren Vorwurf eines Kunstfehlers mit möglicher Todesfolge ohne weitere Abklärungen kolportiert habe. Ziffer 1 der «Erklärung» verpflichtet Journalistinnen und Journalisten, sich an die Wahrheit ohne Rücksicht auf die sich daraus für sie ergebenden Folgen zu halten und sich vom Recht der Öffentlichkeit leiten zu lassen, die Wahrheit zu erfahren. Richtlinie 1.1 präzisiert, dass die Wahrheitssuche den Ausgangspunkt der Informationstätigkeit darstellt. Sie setzt die Beachtung verfügbarer und zugänglicher Daten, die Achtung der Integrität von Dokumenten (Text, Ton und Bild), die Überprüfung und die allfällige Berichtigung voraus. Der kritisierte Beitrag besteht im Wesentlichen aus einem Interview mit der Patientin. Auch deren Mutter kommt zu Wort. Der Journalist bezieht sich in der Darstellung der Fakten vollumfänglich und ausschliesslich auf die Einschätzung der Patientin und deren notwendigerweise eher laienhafte medizinische Beurteilung. Es fehlt eine Stellungnahme des Bürgerspitals Solothurn, des zweiten behandelnden Spitals in Bern oder weiterer unabhängiger Fachpersonen. Der Beitrag lässt keine Zweifel daran, dass die Patientin gestorben wäre, wenn sie in Behandlung des Bürgerspitals geblieben wäre. Während des Interviews wird der folgende Text eingeblendet: «Danijela Jaksic, wäre beinahe gestorben». Gestützt darauf zieht der Beitrag eine Parallele zu einem sieben Jahre zurückliegenden Fall, welcher medizinisch ähnlich gelagert sei. Es wird damit ein schon fast systematisches Versagen des Bürgerspitals konstruiert. Dies kommt klar auch in der Titelgebung des Beitrages zum Ausdruck («Wieder Ärztepfusch im Bürgerspital Solothurn?»).
Die Wahrheitssuche setzt die Beachtung verfügbarer und zugänglicher Daten bzw. Quellen und deren Überprüfung voraus. Vorliegend hat sich Tel
e M1 damit begnügt, allein auf die Aussagen der Patientin abzustellen. Diese Aussagen wurden nicht überprüft. Dies ist ein eklatanter Verstoss gegen die journalistische Sorgfaltspflicht. Wenn schon lediglich auf die Aussagen einer direktbetroffenen Person abgestellt wird, wären weitere Stimmen nötig gewesen, die deren Aussagen einordnen können, nicht nur diejenige ihrer Mutter. Mit der Ausstrahlung dieses Beitrags hat Tele M1 die Wahrheitspflicht (Ziffer 1 der «Erklärung») demnach verletzt.
2. Die Beschwerdeführerin macht weiter geltend, im Beitrag sei nicht transparent gemacht worden, dass sie erst Stellung beziehen könne, nachdem sie von der Patientin von der ärztlichen Schweigepflicht entbunden worden ist. Die Solothurner Spitäler AG ist zudem der Meinung, dass sie zu den gegen sie erhobenen Vorwürfen hätte angehört werden müssen. Es habe keinen zwingenden Grund für die sofortige Information der Mediennutzer gegeben. Der Beitrag hätte eine komplett andere Wirkung entfaltet, wenn die zuständige Ärztin im selben Beitrag ihre Sicht der Dinge hätte darlegen dürfen.
Ziffer 3 der «Erklärung» verlangt von Journalistinnen und Journalisten, dass sie keine wichtigen Elemente von Informationen unterschlagen. Im Beitrag wird festgehalten, die Verantwortlichen des Spitals könnten keine Stellung nehmen und würden sich auf das Arztgeheimnis berufen. Damit wird das zeitliche Element völlig ausgeblendet. Zum einen musste das Spital erst eigene Abklärungen machen und herausfinden, um welche Patientin es sich handelt. Zum anderen hatte es eine Stellungnahme in Aussicht gestellt. Dies ist für die Zuschauenden ein wesentliches Element, um sich ein eigenes Bild machen zu können. Mit dessen Unterschlagung wurde Ziffer 3 der «Erklärung» verletzt. Beim Vorwurf des ärztlichen Kunstfehlers («Ärztepfusch») handelt es sich zweifelsohne um einen schweren Vorwurf. Potenziert wird dieser Vorwurf durch die Verbindung, die mit einem Fall gemacht wird, welcher sich vor sieben Jahren ereignet hat. Es wird suggeriert, es handle sich um einen Wiederholungsfall. Eine Anhörung des Spitals war deshalb unabdingbar. Tele M1 hat das Spital um eine Stellungnahme gebeten, diese jedoch nicht abgewartet, obwohl keine zeitliche Dringlichkeit bestand, den Beitrag genau an diesem Tag auszustrahlen. Entweder hätte Tele M1 somit transparent machen müssen, dass die Stellungnahme des Spitals folgt, sobald die Patientin ihre Einwilligung zur Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht erteilt hat, oder es hätte mit der Veröffentlichung des Beitrags zuwarten müssen.
3. Artikel der «Solothurner Zeitung» vom 19. Januar 2015 mit dem Titel «Darmverschluss blieb unerkannt»: Die Beschwerdeführerin macht geltend, die «Solothurner Zeitung» habe sich in ihrer Berichterstattung nicht an die gebotene Sorgfaltspflicht gehalten und Fakten übernommen, ohne die Quelle zu prüfen oder der angegriffenen Institution die Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Damit macht sie eine Verletzung von Ziffer 1 (Wahrheitspflicht) und 3 (Unterschlagen wichtiger Elemente von Informationen sowie Anhörung bei schweren Vorwürfen) geltend. Zu fragen ist somit, ob die «Solothurner Zeitung» den Bericht von Tele M1 ungeprüft übernehmen durfte, oder mit den Worten des Chefredaktors davon ausgehen durfte, dass Tele M1 die journalistischen Sorgfaltspflichten eingehalten hatte.
Pflicht zur Wahrheitssuche heisst nicht, Medien müssten einseitige Parteidarstellungen immer durch ergänzende Recherchen «objektivieren». Hingegen sind Journalisten verpflichtet, ihre Quellen zu nennen und deren Informationen kritisch zu hinterfragen und mit verhältnismässigem Aufwand zu überprüfen. Zur Wahrheitssuche trägt auch die Pflicht bei, Betroffene zu schweren Vorwürfen anzuhören und ihre Aussage im Bericht zumindest kurz wiederzugeben. Indem die «Solothurner Zeitung» all dies nicht getan hat, hat sie sowohl gegen die Wahrheitspflicht verstossen, als auch wichtige Elemente von Informationen unterschlagen.
III. Feststellungen
1. Die Beschwerde wird gutgeheissen.
2. Tele M1 hat mit seinem Bericht «Wieder Ärztepfusch im Bürgerspital Solothurn?» vom 18. Januar 2015 die Ziffern 1 (Wahrheit) und 3 (Unterschlagung wichtiger Elemente von Informationen) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» dadurch verletzt, dass dem Spital Solothurn keine ausreichende Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt wurde sowie die Gründe für das Fehlen einer Stellungnahme nicht korrekt benannt wurden.
3. Die «Solothurner Zeitung» hat mit dem Artikel «Darmverschluss blieb unerkannt» Ziffer 1 (Wahrheitspflicht) und 3 (Unterschlagung wichtiger Informationen) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» dadurch verletzt, dass sie die wesentlichen Elemente des Beitrags von Tele M1 ungeprüft übernahm und die Gründe für das Fehlen einer Stellungnahme des Spitals Solothurn nicht korrekt angab.