Stellungnahme
Vermischung von politischer Tätigkeit und Journalismus Unabhängigkeit ist für Journalistinnen und Journalisten eine wesentliche Voraussetzung für die Ausübung ihres Berufs. Ziel muss daher nach Auffassung des Presserates eine strikte Trennung zwischen politischem Amt und journalistischer Tätigkeit sein. Dies sollten sich insbesondere Medien mit einer Monopolstellung in ihrer Region zur Verpflichtung machen. Jedes andere Medium sollte sich bemühen, dieses Ziel ebenfalls zu erreichen. Bekleiden Journalistinnen und Journalisten aus Gründen der schweizerischen Eigenheiten/Realitäten dennoch ein politisches Amt, sollen sie bestimmte Regeln einhalten: Öffentlichmachung ihres Amtes, Ausstand bei „grosser Nähe », ausführliche Kennzeichnung ihrer Beiträge (politisches Amt, Parteizugehörigkeit). Prise de position Mélange d’activité politique et de journalisme L’indépendance constitue pour les journalistes une condition préalable importante à l’exercice de leur profession. Par conséquent, le Conseil de la presse est d’avis que le but doit être une séparation stricte entre mandat politique et activité journalistique. Tel devrait être l’obligation que s’efforcent de remplir les médias bénéficiant d’une situation de monopole dans leur région. Tout autre média devrait s’efforcer d’atteindre également ce but. Si toutefois des journalistes sont investis d’un mandat politique pour des raisons liées aux particularités et réalités suisses, ils doivent respecter certaines règles: information du public au sujet de leur mandat, retenue en cas de „forte proximité », mention complète de leurs contributions (mandat politique, appartenance à un parti). Presa di posizione Commistione di attività politiche e giornalistiche L’indipendenza è per i giornalisti una premessa essenziale allo svolgimento della loro professione. L’obiettivo dev’essere perciò una netta separazione tra funzione politica e attività giornalistica. E’ un dovere che incombe soprattutto ai media in posizione di monopolio regionale, ma ogni altro organo d’informazione deve sforzarsi di tendere verso tale obiettivo. Se, a causa della specificità di determinate situazioni svizzere, vi sono giornalisti che rivestono una carica politica, devono essere osservate alcune regole precise: trasparenza circa la carica di chi scrive, presa di distanza nel caso di collisione di interessi, firma completata dall’indicazione dell’appartenenza a un’autorità o a un partito. |
I. Sachverhalt
A. In zwei Schreiben vom 17. Juli 1995 und vom 27. September 1995 haben sich Désirée Hanimägi und Priska Brülhart von der „Neuen Idee Opfikon » mit verschiedenen Fragen an den Presserat gewandt, welche die Berichterstattung des „Stadt-Anzeiger Opfikon » betreffen. Das Präsidium des Presserats beschloss, auf einige dieser Fragen einzutreten und überwies sie zur Behandlung an die 3. Kammer des Presserates. Dieser gehören an: Vizepräsident Reinhard Eyer, Denis Barrelet, Daniela Fornaciarini, Marie-Therese Larcher, Adi Kälin und Christian Schwarz. Die 3. Kammer beschäftigte sich an ihren Sitzungen vom 14. März 1996 und 25. Juni 1996 mit den vorgelegten Fragen.
B. In ihrem Brief vom 27. September 1995 stellten Désirée Hanimägi und Priska Brülhart drei Fragen zur Doppelfunktion von Valentin Perego (Gemeinderat und zugleich Journalist beim „Stadt-Anzeiger »):
1) „Inwieweit ist es zulässig, dass ein Politiker, der in einer Gemeinde politisch tätig ist, auch gleichzeitig Berichterstatter in der lokalen Zeitung der Sparte Politik ist und zum Beispiel vor und nach Abstimmungen und Wahlen ausführlich Berichte unter dem Journalistenkürzel (vp) schreibt? » (Zum Beispiel am 10. Februar 1994 über die Gemeindewahlen, in denen Valentin Perego selber kandidierte, oder am 9. März 1995 über die Behandlung einer von ihm zusammen mit zwei anderen Politikern eingereichten Interpellation durch den Gemeinderat.)
2) „Ist die Berichterstattung zur Verwaltungs-Analyse, die noch nicht vom Gemeinderat behandelt wurde, Ihrer Meinung nach neutral? Werden Berichterstattung und Kommentar des Berichterstatters inhaltlich klar getrennt? »
3) „Wie sehen Sie die Tatsache, dass Valentin Perego unter dem Kürzel (vp) Artikel zum Teil auf der Titelseite geschrieben hat, ohne im Impressum aufgelistet worden zu sein? »
C. Mit Schreiben vom 9. Februar 1996 bat Presseratssekretär Martin Künzi den Verleger des „Stadt-Anzeiger Opfikon-Glattbrugg », Theophil Maag, zu den aufgeworfenen Fragen Stellung zu nehmen. Am 1. März 1996 teilte Rechtsanwalt Dr. Walter Hagger dem Presserat in einem Brief mit, er sei vom Verlag Theophil Maag AG, Herausgeberin des „Stadt-Anzeiger », als Vertreter eingesetzt worden.
D. Mit Schreiben vom 22. April 1996 antwortete Dr. Walter Hagger unter anderem Folgendes zu den von Désirée Hanimägi und Priska Brülhart aufgeworfenen Fragen: Weder Theophil Maag noch Valentin Perego seien Mitglieder des SVJ; die eingereichten Beschwerden stünden „in unmittelbarem Zusammenhang » mit politischen Angriffen auf den „Stadt-Anzeiger », insbesondere auch in Zusammenhang mit einer Initiative für ein unentgeltliches und politisch neutrales, amtliches Publikationsorgan; folglich habe sich der Presserat nicht mit den aufgeworfenen Fragen zu beschäftigen. Valentin Perego sei neben seiner vollberuflichen, nichtjournalistischen Tätigkeit als „freier Mitarbeiter » des „Stadt-Anzeiger » tätig. Als Nichtmitglied des SVJ sei für ihn die „Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten » nicht verbindlich; der Presserat sei auch nicht befugt, Peregos Arbeit zu beurteilen. Der „Stadt-Anzeiger » habe politisch eine klare, bürgerliche Ausrichtung. Die Beiträge des freisinnigen Valentin Perego entsprächen dieser Grundhaltung der Zeitung. Über deren Plazierung in der Zeitung entscheide die Redaktion. Da Opfikon-Glattbrugg eine Gemeinde mit überschaubaren Verhältnissen sei, wüssten die Leser, wer Valentin Perego sei, wüssten auch, dass er freisinniger Gemeinderat sei, und würden auch das Kürzel „vp » einordnen können. Die von Valentin Perego verfassten Beiträge seien unbestrittenermassen gezeichnet. Wertungen und Kommentare würden von einer politisch klar positionierten Zeitung vom Leser erwartet. Eine Pflicht zur Aufnahme Valentin Peregos ins Impressum bestehe nicht.
Aus all diesen Gründen beantragte Dr. Walter Hagger, nicht auf die Fragen/Beschwerden einzutreten.
E. Um sich ein Bild über die Praxis bei Schweizer Zeitungen machen zu können, bat Presseratssekretär Martin Künzi einige Blätter, ihre internen Regeln betreffend die Vereinbarkeit von politischen Ämtern und journalistischer Tätigkeit mitzuteilen.
Dabei antwortete Thomas Bornhauser, Chefredaktor der „Neuen Luzerner Zeitung », im Redaktionshandbuch seines Blattes sei festgelegt: „Redaktoren und die im Impressum aufgeführten redaktionellen Mitarbeiter kandidieren für keine politischen Ämter und nehmen keine politischen Ämter an. » Möglich seien Kandidaturen für oder der Einsitz in gewissen Kommissionen, deren Arbeit hauptsächlich unpolitisch sei, zum Beispiel Fürsorge oder Schulen; dies müsse aber der Chefredaktor bewilligen. Erlaubt sei Redaktoren und redaktionellen Mitarbeitern, Mitglied einer politischen Partei zu sein; dies müsse jedoch der Chefredaktion mitgeteilt werden. Aktive Parteimitglieder dürften nicht über Veranstaltungen der eigenen Partei oder über Ereignisse in der eigenen Partei berichten.
Der Verhaltenskodex des „Tages-Anzeiger » für Redaktorinnen und Redaktoren hält fest, dass mit der Tätigkeit eines Redaktors nicht vereinbar seien: für legislative und exekutive Ämter auf allen Stufen zu kandidieren; in einer Partei oder einer parteiähnlichen politischen Vereinigung
im Vorstand oder in einer andern leitenden Funktion tätig zu sein; sich ausserhalb der Zeitung bei Wahlen sowie bei Initiativen, Referenden, Abstimmungen, Aufrufen und Kampagnen öffentlich zu engagieren. Möglich sei die einfache Mitgliedschaft in Parteien oder parteiähnlichen Gruppen. Freie Mitarbeiter, die einen wesentlichen Teil ihrer beruflichen Tätigkeit dem „Tages-Anzeiger » widmen, müssen diese Regeln sinngemäss beachten. Journalisten des „Tages-Anzeiger » müssen ihre unmittelbaren Interessenbindungen gegenüber dem Chefredaktor offenlegen. Besteht bei der Behandlung eines Themas ein materieller Interessenkonflikt oder die Gefahr der Beziehungskorruption, muss der Journalist in den Ausstand treten.
Die Richtlinien der „Basler Zeitung » halten fest: „Die Basler Zeitung, die sich als politisch engagierte Zeitung versteht und der die intensive Beteiligung der Bevölkerung am politischen Leben ein Anliegen ist, steht der politischen Betätigung der Redaktoren grundsätzlich positiv gegenüber. » Mit Hinweis auf die Unabhängigkeit und die Glaubwürdigkeit der „Basler Zeitung » macht das Blatt jedoch Einschränkungen: Es sei ratsam, dass die Redaktoren der „Basler Zeitung » möglichst partei- und anderweitige direktpolitische Abstinenz übten; die Unabhängigkeit der Zeitung dürfe nicht durch direkte politische Betätigung ihrer Redaktoren gefährdet respektive präjudiziert werden; die Loyalität der Redaktoren gegenüber ihrer Zeitung habe Priorität vor ihren direkten politischen Engagements. Zulässig sei also die Mitgliedschaft bei einer Partei oder Bewegung, zulässig sei auch das Amt eines Delegierten; nicht zulässig sei jedoch der Einsitz in die Leitung oder den Vorstand einer eidgenössischen oder kantonalen Partei, eines Verbandes oder einer Bewegung mit Ausnahme der eigenen berufsständischen Organisationen; und grundsätzlich ausgeschlossen sei ein parlamentarisches Mandat auf eidgenössischer oder kantonaler Ebene; in der Gemeinde (ausser Basel-Stadt) sei die Übernahme eines Amtes oder der Einsitz in eine Behörde im Prinzip frei. Für jedes politische Amt besteht eine Meldepflicht an den Chefredaktor, welcher Redaktionsleitung und Gesamtredaktion informiert. Bei Konfliktsituationen habe der Journalist das Recht, in den Ausstand zu treten; der Ausstand könne aber auch vom Chefredaktor nach Anhörung der Ressortleiter verlangt werden. Den Redaktoren gleichgestellt seien jene Mitglieder, die über politische Vorgänge referieren und kommentieren und denen in dieser Beziehung eine ähnliche Bedeutung wie den Redaktoren zukomme.
Für den „Bund » antwortete Chefredaktor Dr. Konrad Stamm, es gebe in seinem Blatt keine schriftlichen Richtlinien bezüglich der Ausübung politischer Ämter. Aufgrund der bisherigen Praxis müssten aber sämtliche Nebenbeschäftigungen, „welche die Disponibilität und/oder zeitliche Verfügbarkeit » einer festangestellten Journalistin oder eines festangestellten Journalisten beeinträchtigten, mit dem Chefredaktor und dem Ressortleiter „abgesprochen » werden.
Für die „Neue Zürcher Zeitung » teilte Chefredaktor Dr. Hugo Bütler mit, es gebe in seinem Haus keine schriftlich formulierten Regeln: „Zur traditionellen Auffassung unseres Hauses hat es seit langer Zeit gehört, dass Redaktoren und Journalisten in unserem Milizstaat auch gelegentlich politische Ämter übernehmen können sollen. Dies natürlich unter verschiedenen Bedingungen und Beachtung von Grundregeln. Zu diesen Grundregeln gehört der Vorrang der beruflichen Aufgabe. Die Übernahme von Milizämtern in der Politik kommt also für journalistische Mitarbeiter der NZZ nur in Frage, wenn sie ihre berufliche Pflicht beherrschen und hundertprozentig erfüllen. Die berufliche Arbeit und das allfällige politische Amt sind in dem Sinne zu trennen, dass der Journalist auf Gebieten in den Ausstand tritt bzw. sie Kollegen überlässt, in denen er direkt politisch tätig und engagiert ist. » Allfällige Konflikte würden vom Chefredaktor oder einem zuständigen Vorgesetzten im Interesse der Zeitung und ihrer Unabhängigkeit geregelt. Für das „Journal de Genève et Gazette de Lausanne » schrieb Chefredaktor Antoine Maurice, seine Zeitung habe keine betreffende interne Regelung. Die Sache habe sich im Lauf der Jahre mit Bezug vor allem auf die Personen gelöst. Auch wenn die Redaktion darüber diskutiert habe, gelte letztlich der Grundsatz, dass die beiden Tätigkeiten (politisches Amt, Journalist) miteinander vereinbar seien. In letzter Instanz müsse der jeweils Betroffene selber entscheiden.
Auch beim „Nouveau Quotidien » gibt es, so antwortete Chefredaktor Jacques Pilet, keine interne Regelung. Im täglichen Umgang werde aber vom aktiven Engagement in einer Partei energisch abgeraten, doch werde jeder Fall gesondert geprüft. Mitgliedschaft zum Beispiel in einer Gemeindelegislative sei durchaus gestattet. Was in jedem Fall am meisten zähle, sei die „Unabhängigkeit des Geistes ».
Bei der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) halten die Richtlinien des Generaldirektors fest: „Die Mitarbeiter/innen haben das Recht, ein öffentliches Amt zu bekleiden oder sich dazu zu bewerben. Sie haben die Direktion auf dem Dienstweg – nach Möglichkeit bereits vor der Bewerbung – zu informieren. Der Direktor oder die Direktorin kann in begründeten Fällen feststellen, dass das Amt mit der beruflichen Tätigkeit der Mitarbeiter/innen unvereinbar ist. Die Zustimmung kann nicht verweigert werden, wenn die Mitarbeiter/innen zur Annahme eines öffentlichen Amtes verpflichtet sind. » Die mögliche Unvereinbarkeit ergebe sich aus dem Programmauftrag der SRG, der sie zur Unparteilichkeit und sachlichen Ausgewogenheit verpflichte.
Kivanç Camkir stellte im Rahmen einer am 21. August 1995 vorgelegten Facharbeit am Institut für Medienwissenschaften der Universität Bern („Rollenkumulation und Rollentrennung zwischen Politik und Journalismus ») ebenfalls die Frage nach internen Regelungen. Dabei erfuhr er von der „Tribune de Genève », dass diese von ihren Redaktoren und regelmŠssigen journalistischen Mitarbeitern erwarte, dass sie sich jeglicher politischer Aktivität enthielten, die mit der Ausübung ihres Berufes unvereinbar sei. Bei „24 Heures » gebe es eine Redaktionscharta, welche die Journalisten unterschreiben müssten und die deren politische Ambitionen begrenze. So sei wohl die Mitgliedschaft in einer Partei erlaubt, jedes aktive politische Engagement dagegen untersagt. Die Direktion des „Corriere del Ticino » habe geurteilt, dass die beiden Funktionen (politisches Amt, Journalist) nicht miteinander vereinbar seien.
II. Erwägungen
1. Die Nicht-Mitgliedschaft Valentin Peregos beim SVJ hindert den Presserat in keiner Art und Weise, seine Auffassung zu den an ihn gerichteten Fragen zu äussern, sofern diese von allgemeiner Bedeutung sind und daher den gesamten Berufsstand interessieren. Dies trifft in hohem Masse auf die erste der drei von Désirée Hanimägi und Priska Brülhart gestellten Fragen zu (Vereinbarkeit von politischen Ämtern und journalistischer Tätigkeit). Der Presserat hatte sich zwar bereits bei früheren Gelegenheiten kurz dazu geäussert, möchte jetzt aber ausführlicher Stellung nehmen.
2. Die zweite und die dritte von Désirée Hanimägi und Priska Brülhart gestellten Fragen bedürfen keiner umfassenden Erörterung.
a) Der Bericht im „Stadt-Anzeiger » vom 14.11.1994 über die vom Gemeinderat noch nicht behandelte Verwaltungs-Analyse war durchaus angebracht. Stadtrat und Stadtpräsidenten hatten, wie in dem Bericht festgehalten wird, den Gemeinderat und anschliessend auch die Presse orientiert. Die Präambel der „Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten » weist auf das „Recht der Öffentlichkeit auf Kenntnis der Tatsachen und Meinungen » hin. Auf die Frage nach der „Neutralität » der Berichterstattung ist zu antworten, dass „neutral » kein ethisches Kriterium ist. Die Ziffern 1, 3 und 4 der „Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten » legen den
Finger auf eine wahrheitsgetreue Berichterstattung. (Ziffer 1 lautet: „Sie halten sich an die Wahrheit ohne Rücksicht auf die sich daraus für sie ergebenden Folgen und lassen sich vom Recht der Öffentlichkeit leiten, die Wahrheit zu erfahren. » Ziffer 3 lautet: „Sie veröffentlichen nur Informationen, Dokumente und Bilder, deren Quellen ihnen bekannt sind. Sie unterschlagen keine wichtigen Elemente von Informationen und entstellen weder Tatsachen, Dokumente und Bilder noch von anderen geäusserte Meinungen. Sie bezeichnen unbestätigte Meldungen und Bildmontagen ausdrücklich als solche. Sie halten sich an zumutbare Sperrfristen. » Ziffer 4 lautet: „Sie bedienen sich bei der Beschaffung von Informationen, Dokumenten und Bildern keiner unlauteren Methoden. Sie bearbeiten nicht oder lassen nicht Bilder bearbeiten zum Zweck der irreführenden Verfälschung des Originals. Sie begehen kein Plagiat. ») Was die Frage nach der inhaltlich klaren Trennung von Bericht und Kommentar betrifft, hält der Presserat fest, dass es im Bericht wohl einige kommentierende Sätze gibt, dass der eigentliche Kommentar jedoch sauber abgetrennt in einem separaten Kasten steht. Noch besser wäre gewesen, wenn der Kommentar auch ausdrücklich als solcher gekennzeichnet gewesen wäre. Im übrigen hat der Presserat bereits in seiner Stellungnahme vom 11. Juni 1992 (Sammlung der Stellungnahmen des Presserates Nr. 1/92) festgehalten, die berufsethischen Regeln schrieben die Trennung von Nachricht und Meinung nicht vor. Betreffend diese zweite Frage von Désirée Hanimägi und Priska Brülhart ist somit keine Verletzung der „Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten » zu erkennen.
b) Zur dritten Frage betreffend das Impressum hält der Presserat fest, dass in allen Zeitungen Redaktoren und Korrespondenten, die nicht im Impressum aufgeführt sind, auf der Titelseite schreiben. Das Impressum enthält die Namen der zeichnungsberechtigten Redaktoren und Mitarbeiter; dies ist aber kein Schlüssel für besondere Zutritte. Alle Seiten stehen allen offen. Was und wer in einem Impressum steht, ist Sache von Verlag und Chefredaktion, und hat nichts mit berufsethischen Regeln zu tun. Auch hier liegt somit keine Verletzung der „Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten » vor.
3. Zur Beurteilung der Hauptfrage, der Vereinbarkeit von politischen Ämtern und journalistischer Tätigkeit, ist im weitern Sinn Ziff. 8 der „Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten » heranzuziehen: „Sie nehmen weder Vorteile noch Versprechungen an, die geeignet sind, ihre berufliche Unabhängigkeit und die Äusserung ihrer persönlichen Meinung einzuschränken. » Zwar zielt Ziffer 8 der „Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten » in erster Linie auf die Beschränkung der Unabhängigkeit durch die Annahme materieller Vorteile. Doch geht bereits aus der Präambel der „Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten » „… Die Verantwortlichkeit der Journalistinnen und Journalisten gegenüber der Öffentlichkeit hat den Vorrang vor jeder anderen … Diese Pflichten können aber nur dann erfüllt werden, wenn die notwendigen Voraussetzungen für die Unabhängigkeit der Journalistinnen und Journalisten … gegeben sind… » hervor, dass das Prinzip der Wahrung der Unabhängigkeit der Medienschaffenden der „Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten » immanent ist.
4. Die Pressefreiheit ist Bestandteil einer umfassend verstandenen Meinungsäusserungsfreiheit, wie sie schon in der Erklärung der Menschenrechte von 1789 postuliert worden ist. In einer ersten Phase benutzten politische Bewegungen und Parteien die Presse vorab als Instrument für die einseitige Beeinflussung des Volkes und weniger für die sachliche Unterrichtung. Ebenso waren die Rollen noch wenig ausdifferenziert. Viele führende Publizisten waren anfänglich gleichzeitig bekannte Politiker. Vor allem im 19. Jahrhundert dienten viele Presseorgane als Sprachrohre politischer Parteien und Bewegungen.
Im Laufe des 20. Jahrhundert ist eine Entwicklung zu parteiunabhängigen Medien festzustellen. Diesen dient das angelsächsische Modell des Informationsjournalismus als Vorbild. Die Glaubwürdigkeit dieser Medien basiert auf deren Unabhängigkeit, der korrekten Information und der Freiheit von Kritik und Kommentar. Zuerst der öffentlichrechtliche Rundfunk, später auch das öffentlichrechtliche Fernsehen wurden durch gesetzliche Regelungen zur Neutralität und Ausgewogenheit verpflichtet. Auch viele Zeitungen, die früher Parteizeitungen waren, entwickelten sich so zu unabhängigen Organen.
Die Entwicklung zu parteiunabhängigen Forumsmedien wurde schliesslich auch durch die zunehmende Kommerzialisierung des Mediensystems begünstigt. Mit der zunehmenden Abhängigkeit der Medien von ihrem Erfolg auf dem Werbemarkt sank der Einfluss der politischen Parteien. Diese Entwicklung zu von bestimmten politischen Gruppierungen unabhängigen Medien wurde vom Publikum durchaus begrüsst.
Die aufgezeigte Entwicklung bedeutet aber keineswegs, dass eine Meinungspresse, die bestimmte politische, ökonomische, ideologische und religiöse Tendenzen vertritt, heute keinerlei Bedeutung und Berechtigung mehr hätte. Die öffentliche Auseinandersetzung in der Demokratie bedarf nach wie vor pointierter, klar positionierter Meinungsäusserungen, welche gegenüber der Leserschaft als solche deklariert werden.
5. Bereits in seiner Stellungnahme zu den ethischen Regeln und Normen der „Washington Post » vom 10. September 1990 schrieb der Presserat: „Der Presserat ist sich der Unterschiedlichkeit der schweizerischen Zeitungen und der bestehenden Beziehungen von einigen Journalisten zu Wirtschafts-, politischen und anderen Kreisen bewusst. Diese Beziehungen können einen positiven Aspekt haben, wenn sie, auch im Spiegel der Presse, die vielseitigen Aspekte des sozialen Lebens verkörpern. Sie führen dennoch zu einer zwiespältigen Situation, sowohl innerhalb eines Medienunternehmens als auch in dessen Beziehungen zur Öffentlichkeit. Da dies nicht verhindert werden kann, muss jede Beziehung politischer, wirtschaftlicher oder anderer Art, die für ein Presseorgan oder für deren Mitarbeiter eine Einschränkung der Informationsbeschaffungs- oder Ausdrucksfreiheit zur Folge haben kann, innerhalb des Unternehmens offengelegt und der Öffentlichkeit zur Kenntnis gebracht werden. „An dieser Stelle ist zudem auf eine weitere Passage aus den ethischen Regeln und Normen der „Washington Post » hinzuweisen, wonach bereits der Anschein von Befangenheit dem Anliegen eines unabhängigen Journalismus schaden kann: „…Die Zeitung verpflichtet sich, Interessenkonflikte oder den Anschein von Interessenkonflikten zu vermeiden wo und wann immer das möglich ist … Wir vermeiden aktives Engagement für irgendwelche Parteien in politischen, sozialen, öffentlichen Angelegenheiten, Demonstrationen, die unsere Fähigkeit unvoreingenommen darüber zu berichten beeinträchtigen oder auch nur in Frage stellen könnte. „(Übersetzung durch Presserat, Sammlung der Stellungnahmen 1989-1990, im Anhang). 6. In seiner Stellungnahme Nr. 2/92 in Sachen abhängiger Wirtschaftsjournalismus („Bilanz »/ »Finanz und Wirtschaft ») vom 18. Juni 1992 stellte der Presserat unter anderem fest: „Ähnlich wie die Parlamentsmitglieder sollen Redaktionsmitglieder auch ihre Interessenbindungen (Mitgliedschaft bei Parteien, in Verbandsvorständen und Verwaltungsräten) bekanntgeben. Die Redaktionen sollen entsprechende Verzeichnisse in regelmässigen Abständen (beispielsweise alle vier Jahre) veröffentlichen. Medienschaffende, die wegen persönlicher Beziehungen oder wegen wirtschaftlicher Interessen bei einem Thema befangen sind, sollen in den Ausstand treten. Der Ausstand ist dann gegeben, wenn eine grosse Nähe besteht. Die Journalistinnen und Journalisten sind in erster Linie dem Publikum verpflichtet. Ihm gilt ihre Loyalität, und diese Loyalität lässt nicht offen
gelegte Abhängigkeit von Menschen und Institutionen, die Gegenstand journalistischer Berichterstattung sein können, nicht zu. Den Massenmedien kommt laut Bundesgericht eine Kritik- und Kontrollfunktion zu (BGE 37 I 388, 95 II 492). Sie setzt eine gewisse Distanz zu den politischen, wirtschaftlichen, kulturellen, gesellschaftlichen und sportlichen Akteuren voraus. »
7. a) „Glaubwürdigkeit ist das einzige Kapital von Journalisten » schrieb am 8. März 1992 Chefredaktor Kurt W. Zimmermann in der „SonntagsZeitung » zum Fall „Bilanz »/ »Finanz und Wirtschaft ». Die Glaubwürdigkeit wird ohne jeden Zweifel aufs Schwerste beeintrŠchtigt, wenn einer gleichzeitig Handelnder und Beobachter ist. Man kann nicht in einer Sache aktive „Partei » sein und gleichzeitig über dieselbe Sache berichten. Das birgt die Gefahr von Interessenkonflikten in sich, die Glaubwürdigkeit wird direkt getroffen. Es sind auch die Journalisten, wie Kivanç Camkir in seiner Facharbeit festhält, die dank ihres Bekanntheitsgrades auf die politische Entwicklung Einfluss nehmen können. Aktives politisches Engagement verfälscht diese Einflussnahme. Unabhängigkeit sichert am besten Glaubwürdigkeit. Sie ist wichtigste Voraussetzung dazu. Unabhängigkeit sichert auch Freiheit: frei, unvoreingenommen zu berichten und zu kommentieren.
Daraus ist zu folgern, dass ein politisches Amt unvereinbar mit journalistischer Tätigkeit ist. Die Ideallösung – jedenfalls für als parteiunabhängig deklarierte Medien – ist deshalb eine strikte Trennung. Die „Neue Luzerner Zeitung », der „Tages-Anzeiger », die „Tribune de Genève » und „24 Heures » sind diesbezüglich vorbildlich.
Auch die Mitgliedschaft in einer Partei kann die Unabhängigkeit der Journalistin und des Journalisten, vorab jene in den politischen Ressorts, beeinträchtigen und ist folglich höchst problematisch.
b) Der Ideallösung stehen jedoch schweizerische Realitäten gegenüber. Die Schweiz ist kleinräumig. Sie kennt das Milizsystem. Vielerorts, zum Beispiel in Talschaften, in Bezirken, sind die verschiedenen Positionen eines Einzelnen allgemein bekannt.
Daraus ist zu folgern, dass zu differenzieren ist – doch wie? Zwischen grossen und kleinen Medien? Zwischen festangestellten Redaktoren/Journalisten, regelmässigen festangestellten Mitarbeitern, freien Mitarbeitern? Zwischen hauptberuflicher und nebenberuflicher Tätigkeit? Zwischen den verschiedenen politischen Ämtern, also beispielsweise zwischen Gemeinderat und Nationalrat, aber etwa auch zwischen einem Fürsorgebeamten und einem Parteipräsidenten, zwischen Kommissionsmitgliedschaft und Ratsmitgliedschaft, zwischen Parteikommission und Parteivorstand? Zwischen verschiedenen politischen Ebenen, das heisst zwischen lokaler, regionaler und nationaler Ebene? Für jeden der obengenannten Unterscheidungsfälle gilt, dass die Unabhängigkeit und damit die Glaubwürdigkeit beeinträchtigt wird. Es mag dabei Unterschiede im Grad dieser Beeinträchtigung geben, wenn es sich um verschiedene politische Ämter und verschiedene politische Ebenen handelt. Je gewichtiger das Amt ist, desto grösser ist die Beeinträchtigung. Betreffend die gleichzeitig ausgeübte journalistische Tätigkeit gilt die Regel, dass ein Gemeinderat über Debatten im Nationalrat und umgekehrt berichten kann, der Gemeinderat jedoch nicht über die Debatten, Beschlüsse etc. des Gemeinderates, der Nationalrat nicht über Debatten, Entscheide etc. des Nationalrates, das Parteimitglied nicht über die Aktivität seiner Partei.
In jedem Fall aber ist die Unabhängigkeit im exakt gleichen Masse betroffen, wenn es um die einzelne Person geht, sei der Journalist nun festangestellter Redaktor, regelmässiger festangestellter Mitarbeiter oder freier Mitarbeiter. Hier gibt es keinen Unterschied. Und ebenso gibt es keinen Unterschied zwischen grossem und kleinem Medium. Bei den freien Mitarbeitern liegt die Verantwortung sowohl beim Mitarbeiter selber als auch beim Redaktor; denn der Redaktor entscheidet ja oft über den Einsatz des freien Mitarbeiters – einen parteigebundenen Mitarbeiter sollte er nicht zu politischen Anlässen schicken.
Anders verhält es sich – wie bereits ausgeführt – mit parteigebundenen Blättern – diese sind per se in einer bestimmten politischen Richtung orientiert, was in den meisten Fällen (z.B. „Arbeiterzeitung ») auch dem Leser direkt mitgeteilt wird; er weiss somit, was ihn erwartet.
c) Grundsätzlich kann einer Journalistin, einem Journalisten eigentlich nicht verboten werden, Mitglied einer Partei zu sein und/oder ein politisches Amt zu bekleiden. Insbesondere Ämter, die sich mit Problemen der Fürsorge, der Erziehung, der Kultur, des Sports befassen, oder die sich aus einer von einer Exekutive eingesetzten Kommission zur Behandlung spezieller Fragen nach dem Expertenprinzip ergeben, können aufgrund der schweizerischen Eigenheiten/Realitäten (Milizsystem, kleinräumig, überblickbar) nicht verwehrt werden. Dies zwingt jedoch zwecks Sicherung grösstmöglicher Unabhängigkeit und damit Glaubwürdigkeit zur Beachtung bestimmter grundsätzlicher Verhaltensweisen, analog jener, welche der Presserat bereits in seiner Stellungnahme zum Fall „Bilanz »/ »Finanz und Wirtschaft » aufgelistet hat:
– Bekleidet eine Journalistin, ein Journalist, gleich in welcher Position sie sind, irgendein politisches Amt und/oder sind sie Mitglied einer Partei, so ist dies sowohl der gesamten Redaktion als auch der Öffentlichkeit bekanntzugeben. Auch dies gehört zur im Journalismus erforderlichen Quellentransparenz.
– Besteht bei der Behandlung eines Themas durch diese Journalistin, diesen Journalisten eine „grosse Nähe », so haben sie in den Ausstand zu treten. Das heisst: Sie berichten und kommentieren nicht über dieses Thema, auch nicht unter Pseudonym. – Wollen sie sich dennoch äussern, so können sie dies unter der Bedingung tun, dass sie gleichzeitig ihr politisches Amt und/oder ihre parteipolitische Zugehörigkeit mitteilen. Als Ideallösung bieten sich dafür klar gekennzeichnete Formen wie Gastartikel, Tribüne, Kolumne an, gezeichnet mit dem vollen Namen und der Angabe des politischen Amtes/Parteizugehörigkeit.
– Alle diese drei Punkte gelten für alle Medien, gross oder klein.
7. Bezogen auf den konkreten Fall „Stadt-Anzeiger »/Valentin Perego bedeutet dies, dass Valentin Perego, da er FDP-Gemeinderat ist, bei Berichten über den Gemeinderat, Gemeinderatswahlen und politische Veranstaltungen in den Ausstand treten sollte oder, sollte er im Rahmen seiner politischen Funktion ausnahmsweise doch einmal einen Beitrag veröffentlichen, diesen ausdrücklich mit der Angabe seines politischen Amtes und seiner Parteizugehörigkeit zeichnen sollte.
III. Feststellungen
Aus diesen Gründen hält der Presserat fest:
1. Aus berufsethischer Sicht ist Unabhängigkeit für Journalistinnen und Journalisten eine wesentliche Voraussetzung für die Ausübung ihres Berufes. Sie müssen jederzeit darauf achten, glaubwürdig zu sein. Dazu braucht es Wahrung der Distanz und damit Vermeidung von Doppelfunktionen.
2. Ziel muss daher eine strikte Trennung zwischen politischem Amt und journalistischer Tätigkeit sein. Dies sollten sich Medien mit einer Monopolstellung in ihrer Region zur Verpflichtung machen. Jedes andere Medium sollte sich bemühen, dieses Ziel ebenfalls zu erreichen.
3. Auch die blosse Mitgliedschaft in einer Partei tangiert die journalistische Unabhängigkeit und führt zu Interessenkonflikten. Darum sollten Journalistinnen und Journalisten, die bei Medien mit regionaler Vormachtstellung arbeiten, mit Vorteil parteilos sein. 4. Bekleiden Journalistinnen und Journalisten aus Gründen der schweizerischen Eigenheiten/Realitäten dennoch ein politisches Amt, sollen sie bestimmte Regeln einhalten: Öffentlichmachung ihres Amtes, Ausstand bei „grosser Nähe », ausführliche Kennzeichnung ihrer Beiträge (politisches Amt, Parteizugehörigkeit).
5. Das Recht der Öffentlichkeit auf Kenntnis der Tatsachen und Meinungen und die Verantwortlichkeit der Jour
nalistinnen und Journalisten gegenüber der Öffentlichkeit, wie sie in der Präambel der „Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten » festgeschrieben sind, müssen das Verhalten der Journalistinnen und Journalisten bestimmen. Sie sind Grundregel, sie sind Verpflichtung. Die Journalistinnen und Journalisten schreiben nicht für sich selber, nicht für ihre Redaktion, nicht für irgendeine Instanz, sondern für das Publikum.