Nr. 16/2009
Unwahre Feststellungen / Identifizierende Berichterstattung

(X. c. «NZZ am Sonntag») Stellungnahme des Presserates vom 12. März 2009

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Zusammenfassung

Resumé

Riassunto

I. Sachverhalt

A. Am 18. Mai 2008 brachte die «NZZ am Sonntag» einen Artikel von Daniel Hug über die Zürcher Vermögensverwalterin Y. mit dem Titel «Verdacht auf Veruntreuung: Geldverwalter inhaftiert». Darin schreibt die Sonntagszeitung, die Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn führe gegen X. und seinen deutschen Mitarbeiter ein Verfahren wegen qualifizierter Veruntreuung von mehreren Millionen Kundengeld, die beiden sässen in Untersuchungshaft. Y. habe offenbar auch Geschäfte getätigt, für die sie keine Bewilligung der Eidgenössischen Bankenkommission hatte. Am 28. März 2008 habe die Bankenkommission mit superprovisorischer Verfügung zwei Untersuchungsbeauftragte eingesetzt, welche nun die Geschäfte führten. Dies gelte auch für die ebenfalls in Zürich niedergelassene Mutterfirma der Y., die Z. & Cie. X., der beide Firmen führte, habe seinen Firmen eine verschachtelte Struktur gegeben. Denn die Z. Zürich sei zu 90 Prozent im Besitz der britischen Z. & Cie. Ltd. in London. X. führe zudem eine Beratungsfirma in A. und präsidiere seit 15 Jahren den Verwaltungsrat des Restaurant-Hotels B. in A.

B. Der anwaltlich vertretene X. erhob am 23. September 2008 Beschwerde beim Schweizer Presserat gegen die «NZZ am Sonntag» und Daniel Hug. Dessen Artikel enthalte mehrere unwahre Feststellungen und verletze damit Ziffer 1 (Wahrheitsgebot) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (nachfolgend «Erklärung» genannt). Ebenso verletzt sei die Privatsphäre von X. (Ziffer 7); X. werde namentlich genannt, mit seinem Jahrgang, seiner Beratungsfirma und seinem Wohnsitz.

Unwahr sei, dass X. die Y. AG gegründet habe; die Firma habe schon lang existiert, bevor X. mit ihr in Kontakt gekommen sei. Unwahr sei sodann, wenn Hug in Bezug auf X. von «seinen Firmen» schreibe; X. sei weder an der Y. noch an der Z. & Cie AG in Zürich beteiligt. Der Beschwerdeführer sei lediglich einziger Verwaltungsrat der beiden Firmen, treuhänderisch für deren ausländische Aktionäre; dies seit 1999 bei Y., seit 2007 bei der Z. Zürich. Unrichtig sei schliesslich, dass X. seit 15 Jahren Verwaltungsratspräsident des Restaurant-Hotels B. sei. Richtig sei X. seit 2002 Mitglied und seit 2005 Präsident des Verwaltungsrats. Als Beleg sind der Beschwerde einschlägige Handelsregisterauszüge beigegeben.

Die unwahren Feststellungen vermittelten dem Leser den Eindruck, Y. habe mit seinen Firmen Kundengeld veruntreut. «Effektiv wurden die Kundengelder von den Aktionären der beiden Firmen entgegengenommen und veruntreut.» Inwieweit Y. straf- und zivilrechtlich belangt werden könne, werde die Untersuchung ergeben.

In Bezug auf die gravierende Verletzung seiner Privatsphäre verweist der Beschwerdeführer auf die Grundsätze und Richtlinien der «Erklärung» sowie die Praxis des Presserats. Dieser fordere grösste Zurückhaltung bei einer identifizierenden Berichterstattung, auch bei Artikeln über eine Strafuntersuchung oder ein Gerichtsverfahren mit Einschluss des Urteils. Beim Beschwerdeführer sei keine der vom Presserat genannten Ausnahmen gegeben: Weder habe X. ein politisches Amt noch eine staatliche Funktion; er sei weder allgemein bekannt, habe nicht in die Veröffentlichung eingewilligt noch seinen Namen in diesem Zusammenhang selbst öffentlich gemacht. Auch die Gefahr einer Verwechslung mit einem Dritten habe nicht bestanden.

C. Die Chefredaktion der «NZZ am Sonntag» nahm am 12. November 2008 Stellung. Sie wies die Vorwürfe der Beschwerde zurück und beantragte damit implizit, diese sei abzuweisen. Die Redaktion betont, X. versuche vom Hauptpunkt der Veruntreuung abzulenken und den Schwerpunkt auf Nebenaspekte zu legen, «die für die zentrale Aussage des Artikels völlig unwichtig sind». Die Redaktion führt aus, die Eidgenössische Bankenkommission habe die beiden miteinander verbundenen Vermögensverwaltungsfirmen unverzüglich der Zwangsverwaltung unterstellt; die Kommission tue das, wenn eine Firma Kundengelder oder Publikumseinlagen entgegennehme, ohne die nötige Banken- oder Effektenhändlerlizenz zu haben. Über die beiden Firmen Y. und Z. Zürich sei am 27. Juni 2008 der Konkurs eröffnet worden. Inzwischen seien die Ermittlungen der Solothurner Staatsanwaltschaft auf acht Personen ausgedehnt. Die Deliktsumme belaufe sich auf rund 23 Millionen Franken bei über 80 Geschädigten.

Zu den ihr vorgeworfenen unwahren Feststellungen schreibt die Beschwerdegegnerin:

– Zum Vorwurf, X. habe Y. nicht gegründet, sei nur ihr einziger Verwaltungsrat gewesen: Der Artikel beginne mit dem Satz: «Seit Dezember 1999 hat X. aus A. die Y. & Associates in Zürich geführt.» Die Beschwerde bestätige das selbst, denn die unübertragbare und unentziehbare Aufgabe von X. als Y.-Verwaltungsrat sei die Oberleitung der Gesellschaft gewesen. Als Postadresse gebe Y. interessanterweise eine Adresse an, die mit dem Domizil von X.s Beratungsfirma in A. identisch sei. Der zweite Satz des Berichts zitiere sodann aus der Webseite der Y.: «Er habe die Firma gegründet, ‹um exponierten Privatpersonen und Familien mit komplexen Besitz- und Vermögensverhältnissen eine ganzheitliche Beratung anzubieten›, heisst es auf der Website seiner Firma.» Dass die Y. bereits vor 1999 unter dem Namen V. AG mit anderem Zweck existierte, sei für den Bericht in der «NZZ am Sonntag» völlig unerheblich; wesentlich sei, dass X. von Dezember 1999 bis April 2008 nachweislich ihr alleiniger Verwaltungsrat war.

– Zum Vorwurf «verschachtelte Struktur», X. sei nicht an den Firmen beteiligt: Im Artikel werde nirgends behauptet, X. sei Inhaber der Firmen oder an ihnen kapitalmässig beteiligt. Der Ausdruck «seinen Firmen» beziehe sich auf X. alleinige Führung und Oberverantwortung sowohl bei Y. wie ihrer Mutterfirma Z. Cie AG in Zürich. Im Januar 2005 habe die Nachrichtenagentur AWP gemeldet, die Z. habe per 1. Februar 2005 die Y. erworben. Inhaber der Z. Zürich sei wiederum laut der Wirtschaftsdatenbank Teledata die Firma Z. & Cie. LTD in London. Wem die Z. London gehöre, sei nicht zu eruieren gewesen. Genau diese Struktur habe der Artikel als verschachtelt bezeichnet.

– Zum Vorwurf, X. sei nicht seit 1993 VR-Präsident der B. AG, sondern erst seit 2005: Die Redaktion verweist auf Teledata. Die führe X. als VR-Präsident auf und direkt unter seinem Amt als Eintritt das Jahr 1993. Offenbar sei damit aber der erstmalige Eintrag von X. ins Handelsregister für die B.-AG gemeint gewesen, und zwar damals als Revisor. Dieser Aspekt sei aber für den Artikel ganz unerheblich.

Zur Verletzung der Privatsphäre von X. hält die «NZZ am Sonntag» fest, Vermögensverwaltung sei in ausgeprägter Weise ein an Personen gebundenes Geschäft. Sowohl die Y. wie die Z. Zürich seien mit einem aufwendig gestalteten Internet-Auftritt an die Öffentlichkeit getreten. Wer öffentlich seine Dienste als Vermögensverwalter anpreise, die Anleger umwerbe und Kundengelder in Millionenhöhe verwalte, sei aus Sicht der Anleger von öffentlichem Interesse. Zudem habe X. mit dem Eintrag seines Namens ins frei zugängliche Handelsregister seine Funktion und Verantwortung als alleiniger Verwaltungsrat von Y. und Z. selbst öffentlich gemacht.

Der Artikel vorverurteile X. in keiner Weise. Schon die Überschrift «Verdacht auf Veruntreuung: Geldverwalter inhaftiert» mache explizit auf das Verdachtsmoment aufmerksam. Auch im Vorspann werde explizit der Ausdruck «beschuldigt» verwendet. Zudem schliesse ein Abschnitt mit dem Satz «Bis zum Vorliegen eines Urteils gilt die Unschuldsvermutung».

D. Das Präsidium des Presserats wies den Fall seiner 3. Kammer zu; ihr gehören Esther Diener-Morscher als Präsidentin an sowie Thomas Bein, Andrea Fiedler, Claudia Landolt Starck, Peter Liatowitsch, Da
niel Suter und Max Trossmann.

E. Die 3. Kammer behandelte die Beschwerde an ihrer Sitzung vom 12. März 2009 sowie auf dem Korrespondenzweg.

II. Erwägungen

1. Die Beschwerde moniert im Artikel der Sonntagsausgabe der «Neuen Zürcher Zeitung» diverse unwahre Feststellungen und sieht Ziffer 1 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verletzt. Ziffer 1 lautet: «Sie halten sich an die Wahrheit ohne Rücksicht auf die sich daraus für sie ergebenden Folgen und lassen sich vom Recht der Öffentlichkeit leiten, die Wahrheit zu erfahren.» Der Schweizer Presserat hat also zu prüfen, ob die vom Beschwerdeführer gerügten Details über die im Artikel genannten Firmen die Unwahrheit sagen.

a) Der erste Vorwurf geht dahin, X. habe die X. AG nicht gegründet. Das scheint streng formell so zu sein. Geht man die von den Parteien beigelegten Unterlagen durch, so tritt eine Aktiengesellschaft Y. & Associates tatsächlich bereits seit dem 6. Juli 1998 auf, vor dem Eintritt von X. als Allein-Verwaltungsrat im Dezember 1999. Zuvor hiess die Firma gemäss Handelsregister V. AG mit wechselnden Personen, Domizilen und Zwecken. Allerdings gab die nachmalige Y. unter X. auf ihrer eigenen Homepage an, das Unternehmen sei am 9. Januar 1997 in Zürich gegründet worden. Die Gründung der AG bleibt also einigermassen im Dunkeln. Klar scheint, dass die jeweiligen Inhaber einen leeren Aktienmantel kauften und ihn mit neuem Inhalt füllten. Und klar und unbestritten ist, dass der im Artikel der «NZZ am Sonntag» thematisierte Vermögensverwalter Y. vom Dezember 1999 an bis zum Eingriff der Bankenkommission im März 2008 unter alleiniger Führung von X. stand. Dass der NZZ-Journalist unter diesen Umständen schrieb, der der Veruntreuung beschuldigte X. habe die Firma gegründet, erscheint daher zulässig.

b) Ein zweiter Vorwurf lautet, der Artikel spreche in Bezug auf X. von «seinen Firmen» Y. und Z. Zürich und deren verschachtelter Struktur. Auch das erscheint dem Presserat zulässig. Zwar unterstreicht die Beschwerdeschrift, das Possessivpronomen «sein» unterstelle, X.besitze die beiden Firmen, der sei aber weder an der Y. noch an der Z. Zürich beteiligt, effektiv hätten die Aktionäre der beiden Firmen die Kundengelder entgegengenommen und veruntreut. Für den Presserat bleibt das blosse Behauptung. Solange unklar ist, wer kapitalmässig hinter der Londoner Z. & Cie. LTD steht, welche zu 90 Prozent die Zürcher Z. besitzt, die wiederum die Y. hält, muss die Frage offen bleiben, wer Besitzer und wer Täter ist. Ohnehin legt die «NZZ am Sonntag» Wert darauf, der Ausdruck «seinen Firmen» beziehe sich auf X. unstreitige alleinige Führung und Oberverantwortung für die Y. wie die Zürcher Z.. Eine solche Zuschreibung scheint bei diesen Kleinstfinanzboutiquen mit ganz wenigen Mitarbeitern plausibel, zumal bei Y. nicht nur die Postadresse mit derjenigen der Beratungsfirma von X. in A. übereinstimmte, sondern auch Telefon, Fax und Mail über A. liefen. Und wenn die Z. London, die Z. Zürich und die Y. wie drei Matrjoschkas ineinanderpassen, kann man mit Fug und Recht von «verschachtelt» reden.

c) Der dritte Vorwurf betrifft das Verwaltungsratspräsidium der B. AG in A.. Hier hat die «NZZ am Sonntag» im letzten Satz des Artikels in einem Nebenaspekt zu X. falsch informiert: X. war nicht seit 1993 Präsident des Verwaltungsrats, sondern seit 2002 dessen Mitglied und seit 2005 Präsident. Der Artikelverfasser hat, wie die Beschwerdeantwort einräumt, den Eintrag in einer Wirtschaftsdatenbank falsch gelesen und der Eintritt von X. als Revisor 1993 als Beginn seiner Präsidentschaft genommen. Dieser Fehler wäre dem Autor nicht passiert, hätte er sich auf das offizielle Handelsregister des Kantons Solothurn gestützt. Trotzdem ist der Presserat der Ansicht, dass diese Falschinformation in Bezug auf eine Firma, die mit dem eigentlichen Thema des Berichts, der vermuteten Veruntreuung von Kundengeld durch X., nichts zu tun hat, nicht ausreicht, um eine Verletzung der Ziffer 1, des Wahrheitsgebots der «Erklärung», zu begründen.

d) Die Wahrheit ist ein hohes Gut. Die «Erklärung der Pflichten» stellt daher bei der Suche nach der Wahrheit hohe Ansprüche an die Journalisten. Soll der Presserat eine Verletzung der Wahrheitspflicht feststellen, sind im Gegenzug aber auch an die Unwahrheit Mindestanforderungen zu stellen. Nicht jede Unschärfe oder Unpräzision, nicht jede interpretierungsfähige Formulierung begründet eine Verletzung; entscheidend ist, ob die Unschärfe das Verständnis der Leserschaft erschwert oder verhindert (vergleiche dazu die Stellungnahmen 49/2005 und 3/2008). Die Unwahrheit muss eine gewisse Relevanz haben. Das ist bei allen drei Vorwürfen des Beschwerdeführers nicht der Fall. Der Schweizer Presserat erkennt daher keine Verletzung der Ziffer 1.

2. Anders urteilt der Presserat beim zweiten Punkt, in dem die Beschwerde eine Verletzung sieht: der Privatsphäre von X. Hier bekräftigt der Presserat seine zurückhaltende Praxis (vergleiche zuletzt Stellungnahme 1/2009) und erkennt auf eine Verletzung von Ziffer 7 respektive der zugehörigen Richtlinie 7.6 zur Namensnennung. Er begründet dies wie folgt:

a) Die Ziffer 7 der «Erklärung der Pflichten» verlangt von den Journalisten: «Sie respektieren die Privatsphäre der einzelnen Person, sofern das öffentliche Interesse nicht das Gegenteil verlangt. Sie unterlassen anonyme und sachlich nicht gerechtfertigte Anschuldigungen.» Und die Richtlinie 7.6 hält sie dazu an, grundsätzlich weder Namen zu nennen noch andere Angaben, die eine Identifikation einer von einem Gerichtsverfahren betroffenen Person durch Dritte ermöglichen, die nicht zu Familie, sozialem oder beruflichem Umfeld gehören, also ausschliesslich durch die Medien informiert werden.

Ausnahmen von dieser Grundregel sind nur zulässig

– wenn dies durch ein überwiegendes öffentliches Interesse gerechtfertigt ist;

– wenn die Person mit einem politischen Amt oder einer staatlichen Funktion betraut ist und wenn sie beschuldigt wird, damit unvereinbare Handlungen begangen zu haben;

– wenn eine Person in der Öffentlichkeit allgemein bekannt ist; diese Ausnahme ist mit Zurückhaltung anzuwenden; zudem müssen die vorgeworfenen Handlungen im Zusammenhang mit der Bekanntheit stehen.

– wenn die betroffene Person ihren Namen im Zusammenhang mit dem Verfahren selber öffentlich macht oder ausdrücklich in die Veröffentlichung einwilligt;

– wenn die Nennung nötig ist, um eine für Dritte nachteilige Verwechslung zu vermeiden.

b) Mit Recht rekurriert die Beschwerdeschrift ausführlich auf diese Grundsätze des berufsethischen Kodex und die entsprechende Praxis des Presserats. Sie pocht darauf, dass sich das Sonntagsblatt auf keine der eben aufgeführten Ausnahmen berufen könne, um ihr identifizierendes Berichterstatten zu rechtfertigen.

Die «NZZ am Sonntag» bezieht sich in ihrer Beschwerdeantwort auf zwei dieser Ausnahmeregeln: auf die Generalklausel des öffentlichen Interesses und darauf, dass X. seinen Namen mit dem Eintrag ins Handelsregister selbst öffentlich gemacht habe. Doch beides ist nicht stichhaltig.

Ein öffentliches Interesse daran, den vollen Namen und weitere detaillierte Angaben eines der Veruntreuung Beschuldigten zu nennen, begründet sich nicht schon deshalb, weil die von ihm geführten Firmen in der Öffentlichkeit um Anleger warben. Und auch nicht, weil potentiell viele Anleger zu Schaden gekommen sein können. Für die Information und Warnung der Kunden, weiterer Anleger und der Leserschaft hätte es genügt, die Namen der inkriminierten Firmen zu nennen. Und zu vermelden, dass zwei der Geldverwalter der Veruntreuung beschuldigt werden und in U-Haft sitzen.

Dass X. seinen Namen als Verwaltungsrat der Firmen Y. und Z. Zürich ins öffentlich-rechtliche Handelsregister eintragen liess, kann die Redaktion nicht im Ernst als freiwilligen Schritt in die Öffentlichkeit ausgeben, schliesslich handelt es sich
um einen handelsrechtlichen Pflichteintrag.

c) Die «NZZ am Sonntag» kann also keinen triftigen Grund geltend machen, der es ihr erlaubt hätte, den Beschuldigten mit vollem Vor- und Zuname, seinem Jahrgang, seinem Wohnsitz und weiteren lokalisierenden Angaben zu nennen. Sie hat damit die Privatsphäre von X. verletzt.

d) Die Redaktion verweist darauf, dass der Bericht den Beschuldigten in keiner Weise vorverurteilt habe. Der Presserat teilt diese Einschätzung. Tatsächlich hat der Autor sorgfältig jede Vorverurteilung vermieden. Aber die Beachtung des berufsethischen Gebots der Unschuldsvermutung rechtfertigt nicht die identifizierende Berichterstattung.

III. Feststellungen

1. Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen.

2. Die «NZZ am Sonntag» hat mit dem Artikel «Verdacht auf Veruntreuung: Geldverwalter inhaftiert» vom 18. Mai 2008 die Ziffer 7 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (Schutz der Privatsphäre) verletzt. Sie hätte es unterlassen müssen, im Bericht den Hauptbeschuldigten mit vollem Namen, Jahrgang, Wohnort und weiteren Angaben zu identifizieren.

3. Nicht verletzt hat die Zeitung dagegen das Wahrheitsgebot (Ziffer 1 der «Erklärung»).

Zusammenfassung

Resumé

Riassunto