Nr. 20/2006
Reportage über Suizide

(Gesundheitsdirektion des Kantons Zug c. «Sonntagsblick»-Magazin «Sie+Er») Stellungnahme des Schweizer Presserates

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I. Sachverhalt

A. «Sie+Er», das Magazin des «Sonntagsblick», veröffentlichte am 2. Oktober 2005 die Reportage «Und niemand hält sie auf» über Suizide an den Lorzentobelbrücken im Kanton Zug. Die Titelgeschichte berichtet unter der Überschrift «Nur der Mond schaut zu» über das Schicksal eines depressiven jungen Mannes, der sich über eine der beiden Brücken in den Tod stürzt; die Geschichte thematisiert auch, was Familie, Anwohner der Brücken, Helfer, Bestatter, Pfarrer und Fachleute zu den häufigen Suiziden an diesem Ort und ganz allgemein sagen. Im Editorial fordert das Magazin die kantonalen Behörden auf, die seit langem bekannte Problematik anzugehen und Sicherheitsnetze an den Brücken anzubringen.

B. Am 2. Dezember 2005 erhebt Regierungsrat Joachim Eder namens der Gesundheitsdirektion des Kantons Zug wegen des obgenannten Artikels Beschwerde beim Schweizer Presserat gegen die «Sonntagsblick»-Journalisten Gabrielle Kleinert, Claudia Langenegger, Achim Rust (Text) und Wilfried Bauer (Fotos). Verletzt hätten sie die Richtlinie 7.9 zur «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» über die Berichterstattung bei Suiziden sowie die Präambel der «Erklärung» in Bezug auf die Verantwortlichkeit der Journalisten gegenüber der Öffentlichkeit.

Die Beschwerde führt an, was die Gesundheitsdirektion alles zur Suizidverhütung unternehme. Ferner beschreibt sie, wie gefährlich Medienberichte sein könnten, indem sie Lebensmüde zur Nachahmung von beschriebenen Suiziden verleiteten. Sie referiert einschlägige Studien und schildert aus ihrer Sicht, wie die Direktion die Journalisten eindringlich auf die Nachahmungsgefahr hingewiesen und sie darüber dokumentiert habe. Gefährlich sei es, die Suizid-Methode detailliert zu beschreiben, einen leicht zugänglichen Suizid-Ort zu nennen, das soziale Umfeld und die Motive ergreifend zu schildern, den Suizid zu glorifizieren oder als einzigen Ausweg zu bezeichnen.

Die «Sie+Er»-Reportage habe grob gegen die Empfehlungen diverser Leitfäden verstossen. Sie steigere die Nachahmungsgefahr beträchtlich. Die Reportage halte sich nicht an die Vorgaben, die der Schweizer Presserat in der Stellungnahme 8/1992 zur Suizidberichterstattung formuliert habe und lasse die vorgeschriebene Zurückhaltung vermissen. Die Richtlinie 7.9 sei klar verletzt.

In Bezug auf die Verletzung der Präambel zum Journalistenkodex stellt die Beschwerde stark auf die publizierten Bilder der Brücken ab. Wegen der hohen Auflage des «Sonntagsblick» und seiner nationalen Verbreitung sei die Nachahmungswirkung erheblich grösser als in einer Regionalzeitung, weil das einheimische Publikum den Suizid-Ort schon kenne. Gemäss Präambel aber wiege die Verantwortung gegenüber der Gesellschaft schwerer als das Recht auf Information.

C. Am 13. Februar 2006 beantragte die anwaltlich vertretene Redaktion des «Sonntagsblick», die Beschwerde sei als unbegründet abzuweisen. Berichterstattung über Selbstmord sei medienethisch nicht einfach unzulässig, wenn sie auch Einschränkungen unterliege. Diese Einschränkungen könnten aber nicht gleich noch inhaltlich vorgeben, wie man Selbstmord darzustellen habe, nämlich als verwerflich und krankhaft bedingt. Laut Auskunft der Zuger Polizei habe sich seit dem Suizid vom 8. September 2005 niemand mehr von den Lorzentobelbrücken gestürzt. Damit sei das Hauptargument der Beschwerdeführerin widerlegt, die «Sonntagsblick»-Reportage vom 2. Oktober 2005 könne einen gefährlichen Nachahmereffekt auslösen.

Die Beschwerdegegner mutmassen, die Beschwerde sei hauptsächlich deshalb eingereicht worden, um vom eigenen Versagen der Zuger Behörden abzulenken. Die hätten es schliesslich seit Jahren und Jahrzehnten versäumt, auch technische Sicherungen an den Brücken anzubringen, namentlich Auffangnetze. Erst die Berichte über die Suizide des Jahres 2005 in den lokalen und nationalen Medien hätten die Behörden im Sommer 2005 dazu gebracht, bauliche Massnahmen ins Auge zu fassen. Der Presserat gehe in der Richtlinie 7.9 wie in den einschlägigen Stellungnahmen 8/1992 und 4/2004 vom Individualschutz des Selbstmörders und seiner Angehörigen aus. Er benenne Kriterien für die Güterabwägung, ob und wann und wie zu berichten sei, spreche aber kein Verbot mit Ausnahmen aus.

Flankierend verweisen die Beschwerdegegner sodann auf Berichte in der «Neuen Luzerner Zeitung» vom 2. und 11. Juni 2005, in der «Sonntagszeitung» vom 5. Juni 2005 und in der «Zuger Woche» vom 14. September 2005. Sie waren alle kurz nach Suiziden von den Lorzentobelbrücken erschienen, zeigten die Brücken im Bild und kritisierten zum Teil die lange Untätigkeit der Zuger Behörden. Für sämtliche Texte habe die Verantwortlichkeit gegenüber der Öffentlichkeit darin bestanden, auf das Sicherungsmanko hinzuweisen und öffentlich Druck zu machen, damit endlich etwas geschehe.

D. Am 21. März 2006 reichte die Gesundheitsdirektion Zug noch eine Aufstellung der Zuger Kantonspolizei über Rettungseinsätze bei den Lorzentobelbrücken seit dem 2. Oktober 2005 (Erscheinen der Reportage) ein. Mit Datum vom 17. März 2006 zeigt die Aufstellung, dass bis dahin sich niemand von den Brücken gestürzt hat. Von Passanten oder der Polizei im Bereich der Brücken angehalten worden seien im Zeitraum 2. 10. 2005 bis 17. 3. 2006 sieben suizidgefährdete Personen. Die Gesundheitsdirektion wertet das als Zeichen, dass von der «Sonntagsblick»-Reportage ein Gefahrenpotenzial ausgegangen sei.

E. Das Präsidium des Presserats wies den Fall seiner 3. Kammer zu; ihr gehören Esther Diener Morscher als Präsidentin an sowie Thomas Bein, Judith Fasel, Claudia Landolt Starck, Peter Liatowitsch, Daniel Suter und Max Trossmann. Die 3. Kammer behandelte die Beschwerde an ihrer Sitzung vom 23. März 2006 sowie auf dem Korrespondenzweg. Dabei trat Claudia Landolt Starck von sich aus in den Ausstand. Die Beschwerdeführerin hatte am 2. März 2006 mit Hinweis auf die Tätigkeit von Landolt Starck beim «Sonntagsblick» in den Jahren 2003 und 2004 ein Ablehnungsbegehren gestellt.

F. Am 3. April 2006 wiesen die Beschwerdegegner die Eingabe der Gesundheitsdirektion Zug vom 17. März als irrelevant zurück.

II. Erwägungen

1. Die Berichterstattung über Suizid ist für Journalisten ein heikles Feld. Sie erfordert Zurückhaltung und Fingerspitzengefühl bei der Beurteilung des jeweiligen Einzelfalls. Aber sie ist kein Tabu. Das hält der Presserat in seiner bis heute wegleitenden, differenzierten Stellungnahme 8/1992 fest. Dort heisst es eingangs in den Feststellungen: «Suizide und Suizidversuche sind eine soziale Realität. Sie können für Massenmedien grundsätzlich kein Tabu sein.»

2. Die Richtlinie 7.9 des Schweizer Presserats über die Suizidberichterstattung ist nicht zufällig unter Ziffer 7 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» eingereiht. Die Bestimmung lautet: «Sie respektieren die Privatsphäre der einzelnen Personen, sofern das öffentliche Interesse nicht das Gegenteil verlangt. Sie unterlassen anonyme und sachlich nicht gerechtfertigte Anschuldigungen.»

Und die Richtlinie 7.9 zum Suizid führt aus: «Bei der Berichterstattung über den Tod eines Menschen wird die Grenze zum Intimbereich überschritten. Darum müssen die Massenmedien bei Suizidfällen grösste Zurückhaltung üben. Ausnahmsweise darf über Suizide in folgenden Fällen berichtet werden:

– wenn sie grosses öffentliches Aufsehen erregen;

– wenn sich Personen des öffentlichen Lebens das Leben nehmen und ihr Handeln zumindest in einem vermuteten öffentlichen Zusammenhang steht;

– wenn sie im Zusammenhang mit einem von der Polizei gemeldeten Verbrechen stehen;

– wenn sie Demonstrationscharakter haben und auf ein ungelöstes Problem aufmerksam machen wollen;

– wenn dadurch eine öffentlic
he Diskussion ausgelöst wird;

– wenn Gerüchte und Anschuldigungen im Umlauf sind.»

3. Die Beschwerde der Zuger Gesundheitsdirektion sieht die Richtlinie 7.9 verletzt. Sie wertet, der «Sonntagsblick» habe «eine Titelgeschichte mit stimmungsgeladenen, grossformatigen Bildern der Lorzentobelbrücken und der detaillierten, stark emotionsgeladenen, ja verkitschten Schilderung des Suizids eines jungen Mannes publiziert. Mit der Angabe des Alters von Samuel, der Beschreibung seines Aussehens, seines sozialen Umfelds, seiner psychischen Verfassung, seines Charakters und seines Ausbildungswegs wird der Identifikationsmöglichkeit Tür und Tor geöffnet. (…) Es finden sich im Bericht höchst gefährliche Sätze wie ‹Der Sprung bedeutet den sicheren Tod›. Damit wird der Mystifizierung der Brücken Vorschub geleistet. Als besonders heikel einzustufen sind auch die Bilder, insbesondere das theatralische Bild mit den Särgen sowie die letzte Abbildung, auf welcher vor dem Hintergrund der beiden Brücken Nebelschwaden mit einem schemenhaften Gesicht eines jungen Mannes aufsteigen. Der Gesichtsausdruck ist lachend und zufrieden. (…) Die Kombination von Bild und Text erzeugt den Eindruck einer aufsteigenden, erlösten Seele. Nicht nur damit (…) wird der Suizid verherrlicht.» Die Beschwerde führt weitere Punkte an, die allesamt darauf hinauslaufen, dass die Reportage Suizidgefährdete zur Nachahmung animiere.

4. Der Eindruck, den die publizierte Reportage auf die Beschwerdeführerin gemacht hat, kontrastiert stark mit den Erwartungen, welche die Gesundheitsdirektion während der Recherche der «Sonntagsblick»-Journalisten hegte. Die Zuger Gesundheitsbehörden und ihr Chef gingen, berechtigt oder unberechtigt, davon aus oder erhofften zumindest, es erscheine ein Artikel über ihre Bemühungen zur Suizidprävention; sie warnten davor, den so genannten Hot Spot der Lorzentobelbrücken zu thematisieren oder im Bild zu zeigen. Sie versuchten die Rechercheure auch in diese Richtung zu lenken. Die Redaktion macht demgegenüber geltend, die Zuger Behörden nicht darüber im Unklaren gelassen zu haben, dass sie die fehlenden baulichen Sicherungen bei den Brücken zur Sprache bringen werde. Unabhängig davon, wer Recht hat, bleibt festzuhalten, dass eine Redaktion die Ergebnisse ihrer Recherche frei würdigt und die Schwerpunkte ihrer Berichterstattung nach eigenem Ermessen wählt. Was unlauter wäre, ist, Informanten bewusst über den Zweck der Recherche zu täuschen. Dass die «Sonntagsblick»-Journalisten das getan hätten, dafür liegen dem Presserat keine Anzeichen vor.

5. Der Presserat hat zunächst einmal zu klären, ob es ausreichende Gründe dafür gab, dass die grundsätzlich gebotene Zurückhaltung bei Suiziden aufgegeben wurde und die «Sonntagsblick»-Reportage überhaupt publiziert wurde. Dafür kann die Redaktion drei gute Gründe in Anspruch nehmen. Erstens hatten in den Monaten vor der Publikation zwei der Suizide von den Lorzentobelbrücken Aufsehen erregt: zuerst der Selbstmord des so genannten «Hammermörders», der zuvor seine Familie erschlagen hatte; dann der Todessturz einer verurteilten Kindsmörderin kurz nach dem Urteil, sie hatte ihre beiden Kinder von einer anderen Brücke geworfen. Zweitens standen beide Fälle im Zusammenhang mit von der Polizei gemeldeten Verbrechen. Und drittens hatten diese neuerlichen, öffentlich bekannten Suizide zumindest regional eine heftige Diskussion ausgelöst, ob es nicht doch endlich an der Zeit sei, auch baulich etwas gegen die Anziehungskraft der Lorzentobelbrücke zu tun. Die Redaktion kann sich also auf mehrere der in Richtlinie 7.9 genannten Voraussetzungen berufen, unter denen berichtet werden darf.

6. Kann die Beschwerde glaubhaft machen, dass die Reportage reisserisch, unsorgfältig, ja gewissenlos und verantwortungslos zum Nachahmen des Selbstmords durch Sturz von einer der Lorzentobelbrücken einlädt? Dazu ist nicht einfach auf die Rezeption des Artikels durch die Beschwerdeführerin abzustellen und auf ihre Eindrücke, die sie in der Beschwerde schildert. Vielmehr prüft der Presserat auf Grund seiner Kriterien in der Richtlinie 7.9 und der Feststellungen in der wegleitenden Stellungnahme 8/1992, ob die Reportage zulässig ist oder nicht.

7. Generell unterscheidet sich die Reportage im Magazin des «Sonntagsblick» gar nicht so sehr von anderen Berichten über die Suizide von den Lorzentobelbrücken, wie sie die Beschwerdeführerin als zwar behördenkritisch, aber nüchtern und angemessen lobt («Zuger Woche» vom 14. 9. 2005: «Tobelbrücke: Jetzt reichts!» mit Kommentar «Endlich wird reagiert»; «Neue Zuger Zeitung» vom 22. 9. 2005: «Bald wird an den Tobelbrücken gebaut»). Ausser in einem: Das «Sonntagsblick»-Magazin schildert, gattungstypisch für das Magazin eines Boulevardtitels, neben viel Allgemeinem rund um Suizide auch leitmotivisch Schicksal und Tod eines Einzelnen, des anonymisierten Samuel Lehner und seiner Familie. Das aber geschieht nach Einschätzung des Presserats nicht marktschreierisch oder indezent, sondern zwar anschaulich, aber durchaus sorgfältig und angemessen. Das Ziel der Reportage wird im Editorial klar genannt und im Bericht selber immer wieder angezogen: Dass die Zuger Behörden an den Brücken die bis anhin als unnütz erachteten Auffangnetze anbringen, um Leben zu retten. Die Erzählung von Samuels Leben und Sterben wird immer wieder gebrochen und objektiviert durch längere Einschübe: etwa die Zahl der Suizide in der Schweiz und ihre Gründe, die Erfahrungen und Empfehlungen von Experten und eines Pfarrers, die Erlebnisse von Nachbarn der Brücken oder von zwei Bestattungsunternehmerinnen, die die Leichen bergen müssen.

8. In seiner Stellungnahme 8/1992 nennt der Presserat eine Reihe von Kriterien und Gesichtspunkten, die bei Berichten über Suizide zu beachten sind. Es sind dies: Ausser in Ausnahmefällen kein Name, kein Bild des Suizidenten oder seiner Angehörigen; kein Bild des Tatorts; keine Adressen, keine näheren Angaben aus der Privatsphäre oder der Krankengeschichte; keine Details zur Methode des Suizids. Überprüft man die «Sonntagsblick»-Artikel (Cover, Editorial, Reportage) darauf hin, so hält sich die Redaktion lediglich in zwei Punkten nicht an diese Empfehlungen: Sie bebildert die Artikel mit grossen Fotos der Lorzentobelbrücken. Und sie bringt bei der Schilderung des Falls Samuel und seiner Familie Einzelheiten zu dessen Werdegang und zu den Tagen vor seinem Selbstmord. Aber entgegen der Meinung der Beschwerdeführer verzichtet die Reportage auf eigentliche Details zum Suizid selbst.

9. Selbst wenn man die weitergehenden Empfehlungen der mit der Beschwerde eingereichten Leitfäden zur Medienberichterstattung bei Suiziden als Massstab anlegt, schneidet die Reportage nicht schlecht ab: Sie beschreibt zwar wohl den Tatort, gibt Samuel eine Identität, aber sein Suizid bleibt letztlich unverständlich. Die Reportage setzt die Titel übrigens sehr zurückhaltend. Die Worte Selbstmord, Suizid oder Freitod kommen weder auf dem Cover noch im Editorial oder in Titel und Lead der Reportage vor. Samuels Suizid wird weder positiv bewertet noch gar glorifiziert oder romantisiert; die Reportage stellt ihn auch nicht als den einzigen Ausweg dar. Und nicht zuletzt: Die Reportage nennt mehrmals klar den Grund für seinen Tod: seine Krankheit, die Depression. Und sie lässt Experten und Helfer zu Wort kommen. All dies werten die Leitfäden positiv.

10. Im Ergebnis kommt der Presserat zum Schluss, dass die Reportage «Und niemand hält sie auf» im «Sonntagsblick»-Magazin «Sie+Er» die Richtlinie 7.9 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» nicht verletzt hat.

11. Speziell einzugehen ist auf die Problematik der Bilder vom Tatort. Besonders durch sie sieht die Beschwerdeführerin die Präambel zur «Erklärung» für verletzt an, weil damit die Magazinredaktion des «Sonntagsblick» ihre Verantwortung gegenüber der Öffentlichkeit vermissen lasse. Besonders die Bilder schüfen die Gefahr von Nachahmungs-Suiziden
.

12. Mit der Veröffentlichung der Bilder hält sich das Magazin in der Tat nicht, wie unter Punkt 8 erwähnt, an die Kriterien der Stellungnahme 8/1992. Diese Abweichung von der Grundregel lässt sich hier aber rechtfertigen. Denn genau um die Frage, ob und wie und wann diese Brücken zusätzlich gesichert werden sollen oder können, geht es bei der öffentlich ausgetragenen Kontroverse. Deshalb sind die Brückenfotos hier nicht nur Bilder des Orts von Suiziden, sondern eben auch notwendiges Dokument des Streitobjekts, um das sich die Debatte dreht. Bei der deklarierten Absicht der «Sie+Er»-Redaktion, mit ihrer Reportage dazu beizutragen, dass die Tobelbrücken gesichert werden, ist nachvollziehbar, auch aus der Sicht der Leserschaft, dass die Brücken gezeigt werden. Dass die Zeitschrift sie gleich vier Mal (dazu zwei Mal auf dem Cover und im Inhalt) abdruckt, ist zwar für die Information des Publikums nicht zwingend nötig. Der hohe Bildanteil ist jedoch für die Magazinform üblich und gibt dem zurückhaltend formulierten Bericht keinen sensationellen Charakter. Immerhin bildet eines der vier Fotos grossformatig die an und für sich kleine Hilfstafel der Dargebotenen Hand am Brückengeländer ab. Und der Fotograf hat die Brücken und Details zwar eindrücklich aufgenommen, aber nicht dramatisiert, dämonisiert oder romantisierend, was einem Profifotografen durchaus möglich wäre.

Im Übrigen haben ausnahmslos alle andern von den beiden Parteien beigelegten Zeitungsartikel die Brücken zumindest einmal abgebildet; ohne dass die Beschwerdeführerin das dort monierte. Dass gerade von diesen Brücken immer wieder Menschen in den Tod springen, ist weit herum bekannt. Dass nun die Abbildung im hochauflagigen, national verbreiteten «Sie+Er» besonders verwerflich sein soll und speziell zur Nachahmung verführen soll, kann der Presserat nicht nachvollziehen. Auch wenn er die makabre Evidenz, dass nach der Publikation im «Sie+Er»-Magazin vom 2. Oktober 2005 längere Zeit keine Menschen von dieser Brücke sprangen, nicht in Betracht zieht. Daran ändert auch die von der Gesundheitsdirektion nachgereichte Aufstellung der angehaltenen Suizidgefährdeten nichts. Der Presserat kann nicht und hat nicht zu beurteilen, ob vor der Publikation am 2. Oktober 2005 mehr oder weniger Gefährdete angehalten wurden. Er weiss nicht, ob die Polizeistreifen danach erst aufgenommen oder intensiviert wurden. Die Herkunft von sechs der sieben Angehaltenen aus dem Kanton Zug oder seinen Nachbarkantonen spricht im übrigen nicht dafür, dass die Reportage Gefährdete von überall her zu den Lorzentobelbrücken habe reisen lassen.

III. Feststellungen

1. Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. Die Redaktion des «Sonntagsblick»-Magazins «Sie+Er» hat weder die Richtlinie 7.9 zur Berichterstattung über Suizide verletzt noch gegen die Präambel zur «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verstossen.