Nr. 30/2002
Recherchegespräche

(Spielmann c. FACTS) Stellungnahme des Presserates vom 2. Mai 2002

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I. Sachverhalt

A. Am 10. Januar 2001 führte «FACTS»-Redaktor Michael Marti ein Recherchegespräch mit Thomas Spielmann. Gesprächsthema war dessen damalige Tätigkeit als Psychologe der TV-Sendung «Big Brother».

B. Am 21. Januar 2001 abends sandte Marti Spielmann per E-Mail einige Passagen des zur Publikation vorgesehenen Textes. «Aber wie abgemacht mail ich ihnen diejenigen Passagen des Textes, in denen ich Sie direkt oder indirekt zitiere.»

C. Am darauffolgenden morgen mailte Spielmann Marti seine Korrekturen zurück und diskutierte anschliessend darüber telephonisch mit Marti. Der überarbeitete Text erschien am 25. Januar 2002 in «FACTS» 4/2001.

D. Am 27. Januar 2001 beschwerte sich Thomas Spielmann brieflich bei «FACTS»-Chefredaktor Hannes Britschgi über das Verhalten von Michael Marti, der sich mehrfach nicht an die Interviewvereinbarung gehalten und insbesondere nicht sämtliche vereinbarten Korrekturen berücksichtigt habe. Daraufhin trafen sich Britschgi und Spielmann am 6. März 2001 zu einer Aussprache.

E. Mit Schreiben vom 12. März 2001 bedankte sich Spielmann bei Britschgi «für das konstruktive Gespräch». «Wie abgemacht stelle ich Ihnen (…) meinen Vorschlag zu: Journalist Marti bestätigt schriftlich gegenüber Jürg Wildberger, dass ich folgende beiden Aussagen nie gemacht habe: ÐJürg Wildberger (…) Der sei so ein Alt 68er (…)? Und: ÐSo hat er seine Zähne, die schief gewachsen sind, entgegen dem Anraten einiger TV3-Verantwortlicher nicht begradigen lassen.? Marti zeigt Ihnen den Brief (ich brauche ihn nicht zu sehen). Damit ist die Sache was ÐFACTS? angeht, für mich vom Tisch, intern und ohne Öffentlichkeit geregelt.»

F. Mit Schreiben vom 20. März 2001 stellte Marti Wildberger die von Thomas Spielmann verlangte Richtigstellung zu.

G. Am 10. September 2001 gelangte Thomas Spielmann mit einer Beschwerde an den Presserat. Er machte geltend, Marti habe gegen das Fairnessprinzip und gegen Ziffer 4 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (Lauterkeit der Recherche) verstossen. Der Journalist habe «wichtige Elementen von Informationen unterschlagen und sowohl Tatsachen wie» von ihm «geäusserte Meinungen und Angaben entstellt» (Ziffer 3 der «Erklärung»). Weiter seien nicht sämtliche von ihm verlangten Korrekturen berücksichtigt worden und zudem seien ihm auch nicht alle ihn direkt betreffenden Passagen des Textes vor dem Druck zugestellt worden. Die oben unter den Abschnitten E. und F. wiedergegebene Korrespondenz zwischen Spielmann und «FACTS» wurde vom Beschwerdeführer nicht erwähnt.

H. In einer Stellungnahme vom 21. November 2001 machte «FACTS»-Chefredaktor Britschgi geltend, die Beschwerde überrasche ihn sehr. Mit der Vereinbarung vom 6. März 2002 und deren anschliessendem Vollzug sei die Angelegenheit zwischen den Parteien abschliessend geregelt worden. Entsprechend beantragte er, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten.

I. Mit Replik vom 7. Dezember 2001 erwiderte der Beschwerdeführer, er habe nach dem Gespräch mit Britschgi effektiv auf das Einreichen einer straf- und zivilrechtlichen Klage gegen «FACTS» verzichtet. Was den Journalisten Marti betreffe, sei die Sache aber nicht vom Tisch und sei es auch nie gewesen. Darauf habe er im gemeinsamen Gespräch mit Britschgi immer wieder hingewiesen.

K. Das Presseratspräsidium übertrug die Beschwerde zur Behandlung an die 1. Kammer, die sich wie folgt zusammensetzt: Dr. Peter Studer (Kammerpräsident), Marie-Louise Barben, Luisa Ghiringhelli Mazza, Silvana Iannetta, Philip Kübler, Katharina Lüthi und Edy Salmina.

L. An ihrer Sitzung vom 17. Januar 2002 beschloss die 1. Kammer, ungeachtet der von «FACTS» geltend gemachten Einwendungen auf die Beschwerde einzutreten. Der Presserat erachte sich zwar grundsätzlich an eine Verzichtserklärung eines Beschwerdeführers bzw. an eine entsprechende Parteivereinbarung ebenso wie an einen Beschwerderückug gebunden. Bei Parteivereinbarungen müsse ein Verzicht aber explizit in Bezug auf das Presseratsverfahren erfolgen oder sonstwie aus dem Kontext offensichtlich hervorgehen. Zwar sei einzuräumen, dass die vom Beschwerdeführer in seinem Schreiben vom 12. März 2001 verwendete Formulierung «Damit ist die Sache was ÐFACTS? angeht, für mich vom Tisch, intern und ohne Öffentlichkeit geregelt», zumindest auf einen generellen Verzicht hindeute, im Zusammenhang mit dem beanstandeten Artikel rechtliche oder vergleichbare Schritte zu ergreifen. Ebenso enthalte die weitere von «FACTS» eingereichte Korrespondenz weitere Indizien, die auf einen solchen Abstand hindeuteten. Aus den dem Presserat bis heute vorliegenden Unterlagen gehe jedoch nicht hervor, dass im Zusammenhang mit den Verhandlungen der Parteien ausdrücklich von einer Beschwerde an den Presserat bzw. vom Verzicht auf eine solche die Rede gewesen wäre. Davon ausgehend, dass ein zwischen den Parteien geschlossene Vereinbarung sich nur auf den Gegenstand der Verhandlungen beziehen könnte, sei die 1. Kammer zum Schluss gelangt, dass der Beschwerdeführer weder explizit auf eine Beschwerde an den Presserat verzichtet habe, noch dass aufgrund des Kontexts offensichtlich auf einen Verzicht geschlossen werden könne. Dieser Entscheid wurde den Parteien vom Presseratssekretariat am 18. Januar 2002 mitgeteilt.

M. In einer Duplik vom 1. Februar 2002 bestritt der Rechtsdienst der Tamedia AG namens von «FACTS» eine Verletzung der Richtlinie 4.5 zur «Erklärung» (Interview). Marti habe mit Spielmann kein Interview, sondern ein Gespräch geführt, welches die Grundlage für das Porträt gebildet habe, das im «FACTS» vom 25. Januar 2001 erschien. Dessen sei sich Spielmann bewusst gewesen. Die Interviewregeln gemäss der Richtlinie 4.5 seien deshalb höchstens soweit anwendbar, als die geführten Gespräche zur Wiedergabe von Äusserungen des Beschwerdeführers im fraglichen Artikel gedient hätten. Marti und Spielmann hätten zweimal miteinander gesprochen. Vor dem ersten Gespräch sei vereinbart worden, dass Spielmann die direkten und indirekten Zitate gegenlesen könne. Nicht abgemacht worden sei hingegen, dass «FACTS» jegliche Korrekturen Spielmanns zu akzeptieren habe. Ein eigentliches Korrekturrecht sei lediglich zu den direkten Zitaten zuerkannt worden. Marti habe sich an diese Abmachung gehalten. Beim Abdruck des Artikels hätten sich aufgrund des Produktionsstresses und eines Missverständnisses allerdings drei Fehler eingeschlichen, die aber mit der Vereinbarung vom 6. März 2002 geklärt worden seien.

N. Die 1. Kammer verabschiedete die vorliegende Stellungnahme an ihrer Sitzung vom 2. Mai 2002 sowie auf dem Korrespondenzweg.

II. Erwägungen

1. Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung des Fairnessprinzips und unlautere Methoden im Zusammenhang mit dem Recherchegespräch rügt, betreffen seine Beanstandungen denselben Sachverhalt und sind dementsprechend gemeinsam zu behandeln. Soweit der Beschwerdeführer darüber hinaus eine Versetzung von Ziffer 3 der «Erklärung» (Unterschlagung wichtiger Informationselemente, Entstellung von Meinungen und Informationen) geltend macht, ist darauf nachfolgend separat einzugehen.

2. Richtlinie 4.5 zur «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» hält einleitend fest, dass das journalistische Interview auf einer Vereinbarung zwischen zwei Partnern beruhe, welche die dafür geltenden Regeln festlegen. «Die Einhaltung dieser Regeln ist eine Frage der Fairness. Aus der Interview-Situation muss klar erkenntlich sein, dass die Publikation des Gesprächs beabsichtigt ist. Im Normalfall müssen Interviews autorisiert werden. Die interviewte Person darf jedoch keine grundsätzlichen Änderungen vornehmen, welche dem Gespräch eine andere Orientierung geben (Veränderungen des Sinnes, Streichung oder Hinzufügung von Fragen). In solche
n Fällen haben Medienschaffende das Recht, auf eine Publikation zu verzichten oder den Vorgang transparent zu machen. (…).»

In der Stellungnahme 2/99 i.S. C. c. «FACTS» hat der Presserat festgehalten dass die Spielregeln des gestalteten Interviews sinngemäss auf sämtliche Formen der journalistischen Befragung übertragen werden könnten. Gemäss der Stellungnahme 7/2001 i.S. S. /M c. SF DRS ist eine berufsethische Pflicht zur Autorisierung eines darin abgegebenen Statements und eine solche zur Respektierung eines zeitlich unlimitierten Rückzugsrechts nur dann zu bejahen, wenn dies zwischen den Parteien ausdrücklich vereinbart worden ist. In der Stellungnahme 43/2001 i.S. Borer-Fielding c. «Schweizer Illustrierte» wurde ausgeführt: «Die Berufspflicht gebietet es aber Medien ebenso, die verwendeten Zitate den Gesprächspartnern vorzulegen, sofern nicht aus den Umständen des Gesprächs abzuleiten ist – was bei einfachen Rechercheinterviews zu vermuten ist – dass auf eine Autorisierung zu verzichten ist.

3. Vorliegend ging das dem «FACTS»-Artikel zugrundeliegende Gespräch unbestrittenermassen über ein kurzes Rechercheinterview hinaus. Dementsprechend war «FACTS» verpflichtet, im Portrait wiedergegebene Aussagen Spielmanns aus dem Recherchegespräch ungeachtet ihrer konkreten Form (direktes oder indirektes Zitat, Beschreibung, Feststellung) dem Gesprächspartner vor der Veröffentlichung zur Autorisierung zu unterbreiten. Die Parteien haben denn auch eine entsprechende Vereinbarung abgeschlossen. Umstritten ist damit allein die Frage, ob diese Vereinbarung von «FACTS» eingehalten oder gebrochen worden ist. Von der Beschwerdegegnerin bestritten ist zudem, dass dem Beschwerdeführer, wie dies von ihm geltend gemacht wird, ein umfassendes Korrekturrecht eingeräumt worden wäre. Ausgehend von der Richtlinie 4.5 zur «Erklärung» ist ein derart umfassendes Korrekturrecht vorbehältlich des Nachweises einer anderslautenden Vereinbarung nicht zu vermuten. Hingegen ist aus dem Fairnessprinzip abzuleiten, dass Journalistinnen und Journalisten verpflichtet sind, ihre Interviewpartner darauf hinzuweisen, wenn sie von diesen verlangte Korrekturen nicht übernehmen können oder wollen.

4. Spielmann nennt in seiner Beschwerde drei Passagen in denen Marti von ihm verlangte Korrekturen nicht berücksichtigt habe:

a) So habe er in der Passage «(…) Jürg Wildberger findet er auch sympathisch. Der sei auch so ein Alt-68er.» den zweiten Satz gestrichen haben wollen, da er diesen nie so gesagt habe. «FACTS» habe den Satz dann aber trotzdem publiziert.

«FACTS» räumt dazu ein, das dem Autor des Artikels hier ein Fehler passiert sei. Die Spielmann zugesicherte Änderung sei leider im «Produktionsstress» untergegangen.

Selbst wenn der Beschwerdegegnerin zugestehen ist, dass sich solche Fehler im Redaktionsalltag nie vermeiden lassen, ändert dies nichts daran, dass in diesem Punkt die Vereinbarung zwischen den Parteien eingestandenermassen gebrochen wurde, womit eine Verletzung der Richtlinie 4.5 festzustellen ist.

b) Weiter habe Spielmann folgende Passage korrigiert: «Und in den letzten Jahren wirke er immer öfter als Medientrainer: Auf der einen Seite lehrt Spielmann Journalisten, wie sie am geschicktesten ihre Gesprächspartner aushorchen; auf der anderen Seite unterweist er Wirtschaftsleute, wie sie sich in Interviews am besten darstellen. Da ist er sehr flexibel – er streitet es gar nicht ab: (…)». Er habe Marti vielmehr gesagt, er lehre Journalisten und Wirtschaftsleute, sich in die Welt des Interviewpartners hineinzuversetzen. Diese ganze Passage sei eine Erfindung von Marti, was für das Publikum in keiner Weise ersichtlich sei. Trotz seiner Korrektur habe Marti den ganzen Passus beibehalten.

«FACTS» macht dazu geltend, bei dieser Passage handle es sich nicht um ein Zitat, für das Publikum werde ohne weiteres klar, dass der Autor hier eine pointierte Wertung der Haltung des Beschwerdeführers vornehme. Deshalb sei er hier nicht zu einer Korrektur verpflichtet gewesen.

Da es sich vorliegend jedenfalls nicht um ein direktes, wörtliches Zitat handelt und insbesondere der Satz «Auf der einen Seite lehrt Spielmann Journalisten, wie sie am geschicktesten ihre Gesprächspartner aushorchen; auf der anderen Seite unterweist er Wirtschaftsleute, wie sie sich in Interviews am besten darstellen.» für die Leserschaft als wertende Beschreibung erkennen konnte, war «FACTS» nicht verpflichtet, die verlangte Korrektur vorzunehmen. Hingegen wäre es fair gewesen, wenn Marti Spielmann vor der Veröffentlichung mitgeteilt hätte, dass er in diesem Punkt an seinem Text festhalte.

c) Weiter bemängelt Spielmann die Passage «Jeder hat seine Strategien, mit Kritik umzugehen: ÐThomas Spielmann, der Umstrittene, hat sich offenbar eine sehr effiziente zugelegt: ÐIch schaue alles, was mir zustösst, so an, dass ich mich dabei gutfühle? Er habe vielmehr gesagt: «Ich schaue immer alles so an, dass ich mich dabei gut oder zumindest besser fühle.» Marti habe am Telefon zugesichert, diese Korrektur zu übernehmen.

«FACTS» macht dazu geltend, der Autor habe in diesem Punkt die Korrektur des Beschwerdeführers akzeptiert und inhaltlich dessen Wünsche umgesetzt. Marti wisse nicht mehr, weshalb die drei Wörter «oder zumindest besser» untergegangen seien. Möglicherweise sei dies in der Produktion aus typographischen Gründen geschehen.

Auch wenn aus der Sicht des Publikums fraglich erscheint, ob die Weglassung der drei umstrittenen Worte für das Verständnis derart wichtig waren, wie dies von Spielmann nun geltend gemacht wird, ändert dies nichts daran, dass «FACTS» seine Zusicherung nicht eingehalten hat, weshalb in diesem Punkt eine Verletzung von Richtlinie 4.5 festzustellen ist.

5. Spielmann bringt weiter drei Passagen des Artikels vor, die ihm entgegen der getroffenen Vereinbarung nicht unterbreitet worden seien:

a) «Ja er weiss es. Er hat es auch schon gehört. Dass es Leute gibt, die sagen: Das Allerschlimmste an ÐBig Brother? das ist dieser Psychologe». Spielmann bestreitet, davon vor der Lektüre des umstrittenen Artikels gehört zu haben. Im Gegenteil habe er Marti ausdrücklich gesagt, in Bezug aus eine Arbeit bei «Big Brother» noch nie etwas Negatives gehört zu haben.

Marti hält demgegenüber daran fest, Spielmann im Gespräch mit dieser Kritik konfrontiert und gefragt zu haben, ob ihn das kränke. Dieser habe dazu nach langem Nachdenken geantwortet: « Wer sich exponiert, wird kritisiert». Diese Frage sei im Text weiter unten wiedergegeben worden. Da die von Spielmann beanstandete Passage weder ein direktes noch ein indirektes Zitat, sondern eine Feststellung sei, habe es keinen Grund geben, sie Spielmann zum Gegenlesen vorzulegen.

Der Presserat vermag die sich widersprechenden Sachverhaltsdarstellungen nicht zu klären. Da die umstrittene Formulierung wonach er von der Kritik gehört habe und davon wisse, ihm indirekt eine Aussage zuordnet, wäre Marti verpflichtet gewesen, ihm die gesamte Passage und die im Entwurf in einem ganz anderen Kontext wiedergegebene angebliche Antwort vor der Veröffentlichung zu unterbreiten. Dementsprechend ist die Richtlinie 4.5 der «Erklärung» auch in diesem Punkt verletzt.

b) Weiter beschwert sich Spielmann darüber, dass ihm folgende Passage nicht zur Autorisierung unterbreitet worden sei: «(…) Im Wohnzimmer von Spielmanns steht ein zweiter Kasten: eine Vitrine voller Berge mit Muscheln. Es sind Souvenirs von seinen Reisen in die Südsee und von Einsätzen als Psychologe bei der TV3-Survival-Soap ÐExpedition Robinson?». Für die Leserschaft sei nicht ersichtlich, dass es sich dabei um eine persönliche Interpretation von Marti handle. Marti bezichtige ihn damit, gegen strafrechtliche Bestimmungen des Staates Malaysia verstossen zu haben, obwohl er darauf hingewiesen habe, dass er bei keinem seiner Einsätze Muscheln mitgenommen habe.

«FACTS» macht demgegenüber geltend, Spielmann habe Marti unaufgefordert erzählt, die Muscheln seien
Souvenirs, die teilweise auch von der TV3-Survival-Soap stammten. Da es sich bei dieser Passage um die Schilderung einer Umgebung und nicht um ein Zitat handle, habe sie vor der Veröffentlichung nicht unterbreitet werden müssen.

Auch hier kann der Presserat den Widerspruch zwischen den Versionen der Parteien nicht auflösen. Dementsprechend muss offen bleiben, ob die Beschreibung Martis der Wahrheit entspricht. Eine Verletzung der berufsethischen Pflicht zur Wahrheitssuche ist deshalb im konkreten Beispiel nicht belegt. In genereller Hinsicht ist berufsethisch aber zu verlangen, dass sich Medienschaffende auch bei beiläufigen, athmosphärischen Beschreibungen an die Wahrheit halten. Da die Leserschaft zudem davon ausgehen wird – wie dies «FACTS» auch geltend macht – die Information über die angebliche Herkunft der Muscheln stamme aus dem Gespräch mit Spielmann, hätte Marti fairerweise auch diese Passage vor der Veröffentlichung vorlegen müssen.

c) Der Beschwerdeführer beanstandet schliesslich die Passage «Immerhin: Alles macht er nicht fürs Fernsehen. So hat er seine Zähne, die schief gewachsen sind, entgegen dem Anraten einiger TV3-Verantwortlicher nicht begradigen lassen. Auch weil ihn das Geld reute». Für die Leserschaft werde nicht ersichtlich, dass es sich hierbei um eine persönliche Interpretation Martis handle.

«FACTS» wendet ein, es gehe erneut weder um ein direktes noch ein indirektes Zitat. Der Autor gebe lediglich ein Faktum wieder, das kurz thematisiert worden sei und das Spielmann nicht einmal in ein schlechtes Licht rücke. Allerdings anerkenne der Autor einen inhaltlichen Fehler. Irrtümlicherweise habe er angenommen, die entsprechende Empfehlung sei von Fernsehleuten von TV 3 gemacht worden.

Auch hier ist entgegen der Auffassung von «FACTS» festzuhalten, dass diesse Spielmann zugeordneten Aussagen vor der Publikation hätten unterbreitet werden müssen. Die Interviewvereinbarung und damit Ziffer 4.5 der Richtlinien wurden deshalb auch in diesem Punkt verletzt.

III. Feststellungen

1. Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen.

2. Bei einem längeren Recherchegespräch sind Journalistinnen und Journalisten vorbehältlich einer abweichenden Vereinbarung verpflichtet, zur Publikation vorgesehene Aussagen ihrer Gesprächspartner ungeachtet der Form (direktes oder indirektes Zitat, Beschreibung, Feststellung) vor der Veröffentlichung zur Autorisierung zu unterbreiten. Hingegen ist ein umfassendes Korrekturrecht nicht zu vermuten. Aus dem Fairnessprinzip ist aber abzuleiten, dass Journalistinnen und Journalisten verpflichtet sind, ihre Interviewpartner darauf hinzuweisen, wenn sie von diesen verlangte Korrekturen nicht übernehmen.

3. «FACTS» hat die Ziffer 4.5 der Richtlinien zur «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» mehrfach dadurch verletzt, als zugesicherte Korrekturen unterblieben sind und verschiedene dem Beschwerdeführer zugeordneten Aussagen entgegen der getroffenen Vereinbarung vor der Publikation nicht zur Autorisierung unterbreitet wurden.