Nr. 36/2001
Privatsphäre öffentlicher Personen und ihrer Angehörigen

(Meier-Schatz / «Blick»/ «SonntagsBlick») Stellungnahme des Presserates vom 15. August 200

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I. Sachverhalt

A. Am 1. April 2001 berichtete «SonntagsBlick» unter dem Titel: «Nur Ärger mit ihrem Schatz» über angebliche Ausflüge des Ehemannes der CVP-Politikerin Lucrezia Meier-Schatz ins Zürcher Rotlichtmilieu. Lucrezia Meier-Schatz war in jenen Tagen für das Präsidium ihrer Partei im Gespräch.

Der Lead lautete: «Er kann es einfach nicht lassen. Rechtsprofessor Christian Meier-Schatz (52) zieht wieder durch einschlägige Zürcher Bars. Und gefährdet damit die Politkarriere seiner Frau Lucrezia (49) – Kronfavoritin für das CVP-Präsidium.» Im Lauftext wurde darauf hingewiesen, dass der Rechtsprofessor vor vier Jahren von einer Prostituierten in eine Wohnung eingesperrt worden war, weil sie von ihm Geld erpressen wollte. Meier-Schatz habe damals via Handy die Polizei informiert, worauf es zum Prozess gegen die Prostituierte gekommen und die Sache deshalb öffentlich geworden sei. Der Professor habe damals dem «SonntagsBlick» «zu Protokoll» gegeben: «Ich werde alles daran setzen, dass sich bei mir solche menschliche Fehler nicht mehr wiederholen». Jetzt aber habe «eine leicht bekleidete Dame aus Afrika» dem «SonntagsBlick» bestätigt: «Klar kenne ich le professeur.» Im Milieu töne es ansonsten noch deutlicher: «Er hat hier Frauen angesprochen und sich mit ihnen verabredet». Meier-Schatz wird durch «SonntagsBlick» demgegenüber wie folgt zitiert: «Ich bin nur etwas trinken gegangen. Da war nichts mit Sex». Lucrezia Meier-Schatz sagte laut «SonntagsBlick» zu diesen neuen Vorfällen: «Ich habe keine Freude und wenig Verständnis für diese Vorkommnisse» und «Das lässt mich nicht unberührt.»

B. Tags darauf zog «Blick» nach: «Ich habe eine innere Wut», zitierte er Nationalrätin Meier-Schatz im Titel. Und folgerte: «(…) Das ist der Todesstoss» für die «als ehrgeizig verschriene» Politikerin. Am 4. April 2001 vermeldete wiederum «Blick» die schriftliche Erklärung der Politikerin, sie stehe für das Parteiamt nicht zur Verfügung. Grund für den Rückzug waren laut «Blick» «die peinlichen Touren von Ehemann Christian durch das Zürcher Sex-Milieu». Christian Schatz habe sich reuig gezeigt: «Ich will nicht, dass die Leistungen meiner Frau durch mein Fehlverhalten beeinträchtigt werden.» Zitiert wird weiter eine Angestellte der «Lugano»-Bar, die eine Liebeserklärung des Professors gegenüber seiner Frau «lachend» kommentierte: «Der kommt bald wieder hierher».

C. Am 8. April 2001 griff «SonntagsBlick» mit der Oberzeile «Nach Sexaffäre des Ehemanns» das Thema nochmals auf und titelte über zwei Seiten: «Meier-Schatz will nun doch an die Macht». Die Zeitung bezog sich wieder auf «erneute Milieu-Besuche ihres Mannes» und sprach von einer überraschenden Wende im Rennen um das CVP-Präsidium. Aus einem gemäss «SonntagsBlick» starken Fernsehauftritt sowie aus einem in der Tageszeitung «Le Temps» veröffentlichten Zitat («Ich habe einen Schritt zur Seite gemacht, um besser zurückzukommen…») wurde abgeleitet: «Keine Frage, Meier-Schatz ist zurück im Rennen».

D. «L’Hebdo» veröffentlichte in seiner Ausgabe vom 12. April 2001 ein Interview mit den beiden Chefredaktoren Bernhard Weissberg («SonntagsBlick») und Jürg Lehmann («Blick»). Darin führten die beiden Chefredaktoren unter anderem aus, sie hätten bloss ein bestehendes Problem öffentlich gemacht. Erst mit der Schaffung von Öffentlichkeit habe Lucrezia Meier-Schatz die Möglichkeit erhalten, sich gegen die zuvor nur hinter vorgehaltener Hand erhobenen Vorwürfe zur Wehr zu setzen. Weder die Nationalrätin noch ihre Partei hätten aber diese Chance ergriffen. Ausgangspunkt der Geschichte sei die Feststellung gewesen, dass sich Professor Schatz trotz eines vor vier Jahren öffentlich abgegebenen Versprechens nicht geändert habe. Auf die Frage von «L’Hebdo», ob es zutreffe, dass nichts veröffentlicht worden wäre, wenn sich die beiden Ehegatten nicht auf das Gespräch eingelassen hätten, antworteten die beiden Chefredaktoren, gemäss ihrem Verlagsjuristen wären sie ein Risiko eingegangen, wenn sie bei einer Gesprächsverweigerung trotzdem publiziert hätten. Diesfalls hätten sie aber immer noch die Möglichkeit gehabt, den Druck auf das Ehepaar zu erhöhen, indem dieses mit präzis recherchierten Elementen konfrontiert worden wäre. Lucrezia Meier-Schatz vertrete eine Partei mit christlichen Werten und amte als Sekretärin von «Pro Familia». Was sie mit ihrem Mann lebe, widerspreche diesen Werten. Auf den Einwand von «L’Hebdo», sie sei für das Verhalten ihres Ehemannes nicht verantwortlich, wurde geltend gemacht, dies ändere nichts daran, dass die Familie im Zentrum ihres politischen Engagements stehe. Das Privatleben habe einen Einfluss auf die politischen Positionen. Auf die Frage nach dem öffentlichen Interesse antworteten die beiden Journalisten, solange ein solches Geheimnis gehütet werde, bestehe ein Risiko, dass die Politikerin Druckversuchen ausgesetzt sei. Und schliesslich sei Lucrezia Meier-Schatz eine Volksvertreterin. Die Wählerinnen und Wähler hätten Anspruch auf eine möglichst umfassende Information. Im übrigen könnten sie nicht recht begreifen, weshalb die Westschweizer Presse über ihre Enthüllungen schockiert sei. Die Diskretion der lateinischen Presse über private Sachverhalte, die in keinem Zusammenhang mit der politischen Funktion stehen, könne beim Publikum den Eindruck erwecken, dass sich Medienschaffende und Politiker gegenseitig arrangierten. Dies diene letztlich einzig der Kritik von Christoph Blocher an der «classe politique».

E. Nachdem die Berichterstattung von «SonntagsBlick» und «Blick» Anlass zu zahlreichen weiteren Medienberichten gab, bei denen auch das Vorgehen der beiden Zeitungen thematisiert wurde, und da sich aus Sicht des Presseratspräsidiums im Zusammenhang mit der Berichterstattung grundsätzliche berufsethische Fragen stellten, beschloss dieses an seiner Sitzung vom 4. Mai 2001, den Fall wegen seiner grundsätzlichen Bedeutung im Sinne von Art. 6 Abs. 2 des Geschäftsreglements des Schweizer Presserates vorbehältlich der definitiven Genehmigung dieses Vorgehens durch das Presseratsplenum von sich aus aufzugreifen. Die 1. Kammer mit Peter Studer als Präsident und den Mitgliedern Marie-Louise Barben, Luisa Ghiringelli Mazza, Silvana Iannetta, Kathrin Lüthi, Philip Kübler sowie Edy Salmina wurde mit der Ausarbeitung einer Stellungnahme beauftragt.

F. Mit Schreiben vom 15. Mai 2001 teilte das Presseratssekretariat den beiden Zeitungen die Zusammensetzung der 1. Kammer mit und forderte von den beiden Chefredaktoren sowie fünf Redaktionsmitgliedern, die sich mit dem Thema befasst hatten, eine materielle Stellungnahme zur Angelegenheit ein. Dabei sollten insbesondere folgende Fragen beantwortet werden:

* «Muss es sich eine Politikerin wie Frau Meier-Schatz gefallen lassen, dass Medienschaffende vermutete Eskapaden ihres Ehemannes recherchieren und ihr zurechnen?

* Sehen Sie einen Zusammenhang zwischen der politischen Tätigkeit von Frau Meier-Schatz und dem ihrem Ehemann vorgeworfenen Verhalten?

* Wie begründen Sie ein öffentliches Interesse an einer solchen Berichterstattung über Prominente?

* Wo ziehen Sie die Grenzen bei der Berichterstattung über die Privatsphäre Prominenter?»

G. Mit Schreiben vom 22. Mai 2001 teilte RA Dr. Matthias Schwaibold namens der Beschwerdegegner mit, diese lehnten eine Beurteilung durch die 1. Kammer ab. Wenn schon das Präsidium von sich aus beschliesse, eine Berichterstattung aufzugreifen, dann könne nicht die vom Presseratspräsidenten selbst präsidierte Kammer urteilen. Die Auffassung des Presserats, wonach die Berichterstattung unzulässig sei, sei aus dem Schreiben vom 15. Mai 2001 mit Händen zu greifen, so dass eine unbefangene Beurteilung – wenn überhaupt – nur durch eine Kammer möglich sei, in der kein Präsidiumsmitglied sitze. Die Vorbefangenenheit
des Presserates gehe weiter aus der suggestiven Fragestellung hervor. Angesichts dieser Ausgangslage würden die Beschwerdegegner bewusst darauf verzichten, auf die Fragen einzugehen und diese zu beantworten.

H. Mit Schreiben vom 30. Mai 2001 teilte das Presseratssekretariat den Beschwerdegegnern mit, das Schreiben vom 22. Mai 2001 werde als Ablehnungsbegehren gegen den Kammerpräsidenten Peter Studer interpretiert, über das die beiden Vizepräsidenten entscheiden würden. Weiter wurde der Vorwurf einer «suggestiven Fragestellung» als unbegründet zurückgewiesen. Aus Sicht des Presserates seien diejenigen Fragen gestellt worden, die sich im vorliegenden Zusammenhang aufdrängten.

I. An ihrer Sitzung vom 7. Juni 2001 beschloss die 1. Kammer, bei den Ehegatten Meier-Schatz nachzufragen, ob ihre Statements in den verschiedenen Zeitungsberichten sinngemäss richtig wiedergegeben wurden, und ob Inhalt und Form von Recherche und Fragestellung korrekt war. Lucrezia Meier-Schatz wurde darüber hinaus befragt, wie das im «Blick» vom 2. April 2001 wiedergegebene Zitat («Ich habe Verständnis für alle, die Mühe haben nachzuvollziehen, was da abgelaufen ist. Wenn man es für nötig hält, soll man das auch ansprechen.») zu verstehen sei.

K. Mit Schreiben vom 8. Juni 2001 teilte das Presseratssekretariat den Beschwerdegegnern mit, die beiden Vizepräsidenten des Presserates hätten das gegen Presseratspräsident Peter Studer gerichtete Ablehnungsbegehren abgewiesen, da keine besondere Nähe zum Ehepaar Meier-Schatz bestehe. Zudem habe es Peter Studer in seinen bisherigen öffentlichen Äusserungen zum «Fall Meier-Schatz» immer vermieden, materiell Stellung zu nehmen. Schliesslich lasse sich allein aus dem Umstand, dass der Presseratspräsident in Übereinstimmung mit den übrigen Mitgliedern des Präsidiums beschlossen habe, diesen Fall von sich aus aufzugreifen, noch keine Vorbefangenheit ableiten.

L. Mit Schreiben vom 12. Juni 2001 hielten die Beschwerdegegner fest, ihr Ablehnungsgesuch richte sich nicht nur gegen den Presseratspräsidenten, sondern auch gegen die beiden ebenfalls befangenen Vizepräsidenten. Die entsprechende Presseratskammer möge ohne oder mit einem Präsidenten ad interim aus der Reihe der übrigen Presseratsmitglieder tagen.

M. Mit Schreiben vom 17. Juni 2001 teilte Lucrezia Meier-Schatz mit, als sie am Samstagmorgen vor der Publikation des «SonntagsBlick» vom 1. April 2001 von den «SonntagsBlick»-Journalisten mit den Aussagen ihres Ehepartners konfrontiert worden sei, habe sie während mindestens einer halben Stunde an einem «no comment» festgehalten. Die Hartnäckigkeit des Medienschaffenden habe aber schliesslich dazu geführt, dass sie im Laufe des Gesprächs Aussagen gemacht habe, die dann zitiert worden seien. Dabei habe sie mehrmals auf die Folgen einer Berichterstattung für ihre Familie und für sie als öffentliche Person hingewiesen. Redaktor Beat Kraushaar habe anlässlich dieses Gesprächs eine Berichterstattung durch den «SonntagsBlick» noch ausdrücklich mit der Begründung offengelassen, die Redaktion werde dies erst am Nachmittag festlegen. Die zitierten Worte im «SonntagsBlick» entsprächen ihren Aussagen. Das einstündige Gespräch und die stetige Wiederholung, sie könne als öffentliche Person eine Stellungnahme nicht verweigern, habe zu diesen korrekt zitierten Passagen geführt. Ebenso seien die Zitate im «Blick» vom 2. April 2001 korrekt wiedergegeben. Das im «SonntagsBlick» vom 8. April 2001 wiedergegebene Zitat aus einer Westschweizer Zeitung entspreche demgegenüber so nicht ihren Aussagen. Sie sei ab dem 3. April 2001 für eine Woche keinem Journalisten für die Beantwortung von Fragen zur Verfügung gestanden. Bezüglich der Recherche sei ihr von Medienschaffenden zugetragen worden, dass die «SonntagsBlick»-Journalisten Beat Kraushaar und Sandro Brotz mit einem Bild von Christian Meier-Schatz im Milieu unterwegs gewesen seien, um zu erfahren, ob er dort gesehen worden sei. Mit dem im «Blick» vom 2. April 2001 wiedergegebenen Zitat seien nicht die Medien gemeint gewesen, sondern die vom «SonntagsBlick» anonym zitierten Privatpersonen, denn den Medien gegenüber schulde sie keine Erklärungen über das Privatleben ihres Partners.

N. In einem am 22. Juni 2001 beim Presseratssekretariat eingegangenen Schreiben teilte Christian Meier-Schatz mit, seine Statements seien alles in allem korrekt wiedergegeben worden. Inhalt und Form der Recherche und die Fragestellung seien seines Erachtens nicht korrekt. Gleiches gelte für die Veröffentlichung der Ergebnisse. Seiner Auffassung nach liege eine Persönlichkeitsrechtsverletzung vor. Ein Rechtfertigungsgrund liege nicht vor. Zudem habe er nie sein Einverständnis für eine Publikation gegeben. Im Gegenteil habe er die betroffenen Redaktoren eindringlich ersucht, die einschlägigen Artikel nicht zu veröffentlichen.

O. Mit Schreiben vom 5. Juli 2001 teilte das Presseratssekretariat den Beschwerdegegnern mit, das Plenum habe auf dem Korrespondenzweg einstimmig entschieden, die gegen die Vizepräsidenten gerichteten Ablehnungsbegehren abzuweisen. Ebenso sei das gegen den Presseratspräsidenten gerichtete Ablehnungsbegehren mit grossem Mehr bei zwei Gegenstimmen und zwei Enthaltungen abgewiesen worden. Dessenungeachtet habe sich Peter Studer aber entschlossen, von sich aus in den Ausstand zu treten, um damit zu einer Entspannung der Diskussion beizutragen. Die erste Kammer werde deshalb unter dem ausserordentlichen Präsidium von Edy Salmina tagen. Weiter habe das Plenum einstimmig den Vorentscheid des Präsidiums bestätigt, den «Fall Meier-Schatz» von sich aus aufzugreifen. Schliesslich wurden die Beschwerdegegner aufgefordert, sich doch noch materiell zur Sache, insbesondere auch zu den Schreiben der Ehegatten Meier-Schatz zu äussern.

P. Mit Schreiben vom 5. August 2001 machten die Beschwerdegegner geltend, Lucrezia Meier-Schatz sei eine vom Volk gewählte Politikerin von nationaler Bedeutung und Ausstrahlung. Sie habe sich dem Wahlvolk als Politikerin mit ganz bestimmten christlichen, ethischen Grundwerten präsentiert. Diese nehme auch ihre Partei in Anspruch, deren Präsidentin sie just in der fraglichen Zeit habe werden wollen. Überdies sei sie Geschäftsführerin der nationalen Institution «Pro Familia», einer Organisation, die allein schon vom Namen her vorgebe, für intakte Familien einzustehen. Zu einer intakten Familie gehöre auch ein intaktes Ehepaar. Von einem solchen sei nach allgemeinen gesellschaftlichen Vorstellungen nicht anzunehmen, dass der eine Ehepartner den anderen betrüge und sich wiederholt im Milieu aufhalte, obwohl dies schon einmal zu einem publizistischen Thema geworden war. Es gehöre zur anerkannten Kritik- und Kontrollfunktion der Medien, der Leserschaft und dem Wahlvolk aufzuzeigen, ob die gewählten Volksvertreter nicht nur ihre gemachten Versprechungen einhalten, sondern auch von ihrem persönlichen Umfeld her glaubwürdig vertreten würden. Schliesslich sei auch Christian Meier-Schatz als Hochschulprofessor, Institutsdirektor und ehemaliges Mitglied der Bankenkommission bis zu einem gewissen Grade von öffentlichem Interesse. Er habe Vorbildcharakter und habe überdies vor Jahren zu Protokoll gegeben, dass er seine Eskapaden im Milieu aufgebe.

Lucrezia Meier-Schatz halte gleich doppelt fest, dass die zitierten Worte im «SonntagsBlick» ihren Aussagen entsprechen würden. Wer sich aber als aktiver Politiker einer Zeitung gegenüber – möge dies auch widerstrebend sein – äussere und festhalte, seine Äusserungen seien korrekt publiziert worden, der könne nicht als Opfer eines presseethisch unzulässigen Verhaltens erscheinen.

Auch Christian Meier-Schatz halte einleitend fest, seine Äusserungen seien alles in allem richtig wiedergegeben worden. Seine Behauptung, er habe nie das Einverständnis für eine Publikation gegeben, werde nachdrücklich bestritten, weil es selbstverständlich nicht angehe, sich einer Zeitung gegenüber zu äussern und zugleich zu sagen, man sei mit einer Publikation nicht einverstanden. Chri
stian Meier-Schatz habe ursprünglich zwar gesagt, er hätte am liebsten, man würde nichts publizieren. Er habe aber weder das halbstündige Telefongespräch abgebrochen, noch mit rechtlichen Schritten gedroht. Der Journalist habe seinem Gesprächspartner klarzumachen versucht, dass es so oder so eine Publikation gebe. Schliesslich habe man sich darauf geeinigt, dass der Journalist aufgrund des Telefongesprächs einige Zitate per e-mail zur Stellungnahme liefere, zu welchem Zweck dann Christian Meier-Schatz dem Journalisten seien e-mail-Adresse angegeben habe. Der Journalist habe das abgesprochene e-mail geschickt, jedoch keine Reaktion erhalten. Daraufhin habe er mit Christian Meier-Schatz telefonisch über sieben Zitate diskutiert, wovon drei von ihm akzeptiert und deshalb auch publiziert worden seien. Zwar habe Professor Meier-Schatz bis zuletzt erklärt, es wäre ihm am liebsten, es würde überhaupt nichts publiziert. Das habe aber nicht verhindert, dass eigentlich Konsens darüber bestanden habe, dass die besprochenen Zitate genehmigt worden seien.

Q. Die 1. Kammer verbschiedete die Stellungnahme an ihrer Sitzung vom 15. August 2001 und bereinigte sie auf dem Korrespondenzweg.

II. Erwägungen

1. a) Gemäss Ziffer 7 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» «respektieren (die Journalistinnen und Journalisten) die Privatsphäre der einzelnen Person, sofern das öffentliche Interesse nicht das Gegenteil verlangt. Sie unterlassen (…) sachlich nicht gerechtfertigte Anschuldigungen.» In der «Richtlinie 7.3» zur «Erklärung» wird betont, dass Personen des öffentlichen Lebens ein Recht auf die Wahrung ihrer Privatsphäre haben.

b) Der Presserat hat sich in seiner bisherigen Praxis mehrfach mit dem Schutz der Privatsphäre von Prominenten befasst.

aa) In der Stellungnahme i.S. Schlammschlacht gegen Elisabeth Kopp vom 27. November 1984 (Sammlung 1983-1989, S. 23ff.) führte der Presserat im Zusammenhang mit der Medienberichterstattung im Vorfeld der Wahl der ehemaligen Bundesrätin Elisabeth Kopp aus: «Wer für den Bundesrat kandidiert, weiss, dass er damit zur Person des öffentlichen Lebens wird, und wer dies akzeptiert, muss auch bereit sein, Eingriffe in seine persönliche Sphäre zu dulden, die in einer nicht im Rampenlicht stehenden Person nicht zugemutet werden dürften.» Es lasse sich aber nicht allgemein gültig sagen, «die Familienangehörigen eines Kandidaten seien generell oder seien im Gegenteil generell nicht von den Medien zu behandeln. Der Journalist wird hier immer alle Umstände des Einzelfalles abwägen müssen, (…)». Bei der Wahl von Elisabeth Kopp sei nicht selten gesagt worden, es sei typisch, dass die Bunderatskandidatin an behaupteten oder tatsächlichen Fehlern ihres Gatten aufgehängt werden sollte. Bei männlichen Kandidaturen habe es demgegenüber solches nie gegeben. «Im Gegensatz zu früheren Bundesratswahlen war der Ehegatte der Kandidatin eine Person, die Öffentlichkeit suchte und selbst im Rampenlicht stand. Durch zahlreiche Fernsehauftritte (…) war er vielen Zuschauern bekannt, als Präsident einer bundesrätlichen Expertenkommission hatte er engen Kontakt zur eidgenössischen Regierung, als Wirtschaftsanwalt sorgte er nicht für weniger Schlagzeilen als in seiner Eigenschaft als Medienjurist.» Die vielseitigen, zum Teil auch umstrittenen Tätigkeiten des Ehegatten der Kandidatin hätten denn auch früh die Frage der Kompatibilität mit der Ausübung des Bundesratsamts durch Frau Kopp aufgeworfen. «Wo aber Interessenkonflikte zwischen der Tätigkeiten eines Kandidatinnengatten und der Ausübung des der Kandidatin zugedachten Amtes auftreten können, da gehört der Ehemann mit Bestimmtheit zu jenem Umfeld der Kandidatin, das im Vorfeld der Wahl beleuchtet werden darf.» Demgegenüber könne es der Informationsauftrag der Medienschaffenden aber nicht rechtfertigen, über Begebenheiten aus dem Privatleben des Ehegatten einer Kandidatin zu berichten, die bereits mehrere Jahr zurückliegen. Im Fall Kopp sei eine angebliche von Elisabeth Kopp dementierte Angelegenheit aus dem Privatleben erst dann zu Recht von den Medien zu einer Angelegenheit des öffentlichen Interesses gemacht werden, als sich im Zusammenhang mit dem Dementi die Frage gestellt habe, ob Elisabeth Kopp bewusst oder unbewusst die Unwahrheit sagte. Ab diesem Zeitpunkt sei es nicht mehr um die private Angelegenheit des Ehegatten, sondern um die Glaubwürdigkeit der Bundesratskandidatin gegangen.

bb) In der Stellungnahme i.S. Z. c. «24 heures» vom 6. September 1993 (2/93, Sammlung 1993, S. 32ff.) hatte sich der Presserat mit der Frage auseinanderzusetzen, ob es durch ein überwiegendes öffentliches Interesse gerechtfertigt war, dass «24 heures» die privaten Gründe der Demission einer Lokalpolitikerin publik machte. Die Politikerin gab an, sie trete aus dem Stadtparlament und aus ihrer Partei aus, weil der Parteipräsident abstreite, der Vater ihres gemeinsamen Kindes zu sein. Der betroffene Politiker beschwerte sich, mit dem Artikel sei in unzulässiger Weise in seine Privatsphäre eingegriffen worden. Der Presserat kam damals zum Schluss, die Öffentlichkeit habe ein Interesse daran, zu erfahren, aus welchen Gründen eine Politikerin zurückgetreten ist. Ein überwiegendes Interesse an einer Publikation sei deshalb ausnahmsweise sogar dann zu bejahen, wenn nicht nur die Privat- sondern sogar die Intimsphäre betroffen ist, sofern es nicht anders möglich sei, die Umstände des Rücktrittes genügend zu erhellen.

cc) In der Stellungnahme i.S. «Le Matin» / Diana vom 6. September 1993 (4/93, Sammlung 1993, S. 58ff.) bei der es um die Veröffentlichung des Inhalts von illegal abgehörten privaten Telefongesprächen von Mitgliedern des britischen Königshauses ging, wies der Presserat darauf hin, dass dieser Personenkreis zwar nur einen etwas eingeschränkten Schutz der Privatsphäre beanspruche könne, da sie zu den Personen des öffentlichen Lebens gehörten. «Dies rechtfertigt es jedoch nicht, dass Telefone illegal abgehört, dass eine Tonbandaufnahme und ihre Abschrift kommerziell verwertet und dass eine Art Massen-Voyeurismus mit privaten Unterhaltungen betrieben wird.»

dd) In der Stellungnahme i.S. Tornare / Télévision suisse romande vom 24. Januar 1994 (1/94, Sammlung 1994, S. 14ff.) die eine Berichterstattung über ein gegen den früheren Notar und ehemaligen Präsidenten des FC Servette laufendes Strafverfahren zum Gegenstand hatte, ging der Presserat von folgenden Grundsätzen aus: «Medienberichte, welche in die Privatsphäre des Betroffenen eingreifen, sind berufsethisch nur dann gerechtfertigt, wenn ein überwiegendes öffentliches Interesse an einer entsprechenden Berichterstattung besteht. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn es sich beim Betroffenen um eine Person des öffentlichen Lebens handelt und die zu veröffentlichenden Informationen für deren Stellung in der Öffentlichkeit von Bedeutung sind.»

ee) Von den gleichen Grundsätzen ging der Presserat in der Stellungnahme i.S. M. c. «L’Hebdo» vom 13. April 1995 (1/95, Sammlung 1995, S. 12ff.) aus, bei der es um die Zugehörigkeit dreier geschäftlich erfolgreicher Brüder zu einer Sekte ging, wobei dies aber in keinem direktem Zusammenhang mit der Geschäftstätigkeit stand. «Eine namentliche Berichterstattung über eine in der Öffentlichkeit allgemein bekannte Persönlichkeit überschreitet das berufsethisch Zulässige, wenn der Gegenstand der Berichterstattung in keinem Zusammenhang mit dem Grund für die Bekanntheit des Betroffenen steht (ähnlich wenn auch mit umgekehrten Ergebnis auch die Stellungnahme 2/99 i.S. C. c. «FACTS» vom 31. Januar 1999, Sammlung 1999, S. 26ff.; ebenso die Stellungnahme 20/99 i.S. K. c. «Beobachter» vom 14. Oktober 1999, Sammlung 1999, S. 161ff.).

ff) Schliesslich hat der Presserat zuletzt in der Angelegenheit S. c. «Blick» / «SonntagsBlick» in einer Stellungnahme vom 2. November 2000 (42/00, Sammlung 2000, S. 310ff.) festgehalten: «Eine aussereheliche Vaterschaft gehört
als Teil des Intimlebens zur grundsätzlich geschützten Privatsphäre eines Menschen. Medienberichte über eine solche Tatsache verletzen an sich die Privatsphäre der betroffenen Menschen» Das öffentliche Interesse verlange nicht zwingend, dass eine solche Vaterschaft bekannt gemacht werde. Ein öffentliches Interesse an der Berichterstattung über eine die Intimsphäre betreffende Tatsache sei bei Personen des öffentlichen Lebens insbesondere dann zu verneinen, wenn diese Tatsache nichts mit der Rolle des Betroffenen in der Öffentlichkeit zu tun hat.

c) Gemäss Ziffer 8 des deutschen Pressekodexes achtet die Presse das Privatleben und die Intimsphäre des Menschen. «Berührt jedoch das private Verhalten öffentliche Interessen, so kann es im Einzelfall in der Presse erörtert werden.» Richtlinie 8.6 des Deutschen Presserates hält weiter fest: «Bei Amts- und Mandatsträgern können Namensnennung und Abbildung zulässig sein, wenn ein Zusammenhang zwischen Amt und Mandat und einer Straftat gegeben ist. Gleiches trifft auf Personen der Zeitgeschichte zu, wenn die ihnen zur Last gelegte Tat im Widerspruch steht zu dem Bild, dass die Öffentlichkeit von Ihnen hat.»

aa) In einem Entscheid aus dem Jahr 2000 («Persönlichkeitsrechte», B 178/00, Jahrbuch des Deutschen Presserates 2001, S. 281f.) kam der Deutsche Presserat zum Schluss, dass es gegen Ziffer 8 des Pressekodexes verstösst, wenn eine Zeitung darüber berichtet, dass der Ehemann einer Kandidatin für den Landrat vor kurzem wegen Betrugs zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten rechtskräftig verurteilt worden sei. Aus der strafrechtlichen Verurteilung des Ehemannes werde so ein Makel der Kandidatin gemacht.

bb) In einem weiteren Entscheid aus dem Jahr 1999 («Privatleben eines Bürgermeisters», B 37/99, Jahrbuch des Deutschen Presserates 2000, S. 176f.) stellte der Deutsche Presserat ebenfalls eine Verletzung von Ziff. 8 des Pressekodexes fest, als eine Zeitung im Zusammenhang mit einem Wirtschaftsskandal, in den der Bürgermeister verwickelt war, gleichzeitig berichtete, dieser habe es vorgezogen, auch gleich die Trennung von seiner Familie vorzunehmen. «Zum Verständnis der Zusammenhänge wäre es nicht notwendig gewesen, ein derartiges Detail aus dem Privatleben zu veröffentlichen, das überdies mit den übrigen Vorwürfen nichts zu tun hatte.»

3. a) Für die Beurteilung des konkreten Falles ist damit zusammengefasst von folgenden Grundsätzen auszugehen: Auch Personen des öffentlichen Lebens haben grundsätzlich einen Anspruch auf Respektierung ihrer Privat- und Intimsphäre. Im Gegensatz zu «gewöhnlichen Personen» müssen sie sich aber dann gewisse Eingriffe gefallen lassen, wenn ein direkter Zusammenhang zwischen dem an sich geschützten Bereich und ihrer Funktion in der Öffentlichkeit besteht, wenn es ohne diesen Eingriff in die Privatsphäre nicht möglich ist, einen Sachverhalt von öffentlichem Interesse dem Publikum zur Kenntnis zu bringen und angemessen zu erklären und wenn bei einer Interessenabwägung dieses öffentliche Interesse gegenüber dem privaten Interesse auf Respektierung der Privatsphäre überwiegt. Ein solches überwiegendes Interesse ist in aller Regel zu verneinen, wenn nicht nur die Privatsphäre, sondern gar die Intimsphäre betroffen ist. Bei der Berichterstattung über das private Umfeld von Politikerinnen und Politikern, die für wichtige politische Funktionen kandidieren ist von den gleichen Grundsätzen auszugehen. Familienangehörige von Kandidatinnen und Kandidaten dürfen umso eher zum Gegenstand der Medienberichterstattung werden, je wichtiger die Funktion ist, um das es geht und je prominenter der betroffene Angehörige ist. Vorauszusetzen ist aber auch hier immer ein funktioneller Zusammenhang, z.B. ein möglicher Interessenkonflikt mit der Ausübung der Funktion, um die es geht. Berufsethisch nicht zu rechtfertigen ist demgegenüber die Berichterstattung über private Belange sowohl des Kandidaten wie auch dessen Angehörigen, wenn diese in keinerlei Zusammenhang zur politischen Funktion stehen.

b) Der von «Blick» und «SonntagsBlick» veröffentlichte Sachverhalt – die angeblichen erneuten ausserehelichen Ausflüge von Christian Meier-Schatz ins Zürcher Milieu – ist eindeutig der Intimsphäre zuzuordnen, über die gemäss der Praxis des Presserates, vorbehältlich der Einwilligung der Betroffenen, grundsätzlich nicht berichtet werden darf, weil hier das private Interesse am Schutz der Privatsphäre das öffentliche Interesse an der Publikation entsprechender Informationen in aller Regel überwiegt.

c) Ein besonderes öffentliches Interesse am von «SonntagsBlick» und «Blick» publik gemachten Verhalten von Christian Meier-Schatz ist nach Auffassung des Presserates zu verneinen. Daran vermögen auch die von den Beschwerdegegnern angeführten Argumente nichts zu ändern, wonach er als Hochschulprofessor und Institutsdirektor eine Vorbildfunktion habe und auch als ehemaliges Mitglied der Bankenkommission bis zu einem gewissen Grad von öffentlichem Interesse sei. Zudem habe er vor einigen Jahren öffentlich gesagt, dass er seine Eskapaden im Milieu aufgeben werde. Die Beschwerdegegner legen dabei aber nicht näher dar, weshalb dieser Sachverhalt ein öffentliches Interesse im Zusammenhang mit dem Beruf von Herrn Meier-Schatz begründen soll. Nach heutiger herrschender gesellschaftlicher Auffassung sind die sexuellen Neigungen, Vorlieben und Verhaltensweisen eines Hochschulprofessors – falls sich diese nicht im Rahmen des rechtlich Verbotenen bewegen – für die Besetzung und Ausübung dieser Funktion nicht relevant. Im Falle der seinerzeitigen Berichterstattung von «FACTS» über angebliche Bordellbesuche von Bundesrat Kaspar Villiger (die Vorwürfe wurden später wieder zurückgezogen) herrschte soweit ersichtlich in der Medienbranche weitgehende Einigkeit darüber, dass diese vom Bundesratsamt völlig losgelösten Vorwürfe nie hätten veröffentlicht werden dürfen.

d) Zu prüfen bleibt, ob ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Berichterstattung über das umstrittene private Verhaltens des Ehegatten von Lucrezia Meier-Schatz aufgrund ihrer öffentlichen Funktion als Nationalrätin und Geschäftsführerin von „Pro Familia » bzw. im Zusammenhang mit ihrer Kandidatur als CVP-Präsidentin begründet werden kann. Die Beschwerdegegner machen in diesem Zusammenhang geltend, bei Lucrezia Meier-Schatz stehe das Engagement für intakte Familien im Zentrum ihrer politischen Tätigkeit. Zu einer intakten Familie gehöre auch ein intaktes Ehepaar, von dem man wohl nach allgemeinen gesellschaftlichen Vorstellungen nicht annehme, dass der eine Ehegatte den anderen betrüge bzw. sich im Milieu aufhalte, obwohl und nachdem dies schon einmal zu einem publizistischen Thema geworden war. Im Zusammenhang mit dem Verhalten von Christian Meier-Schatz stelle sich zudem die Frage, wie sehr seine eigene Glaubwürdigkeit zumindest mittelbar Rückwirkungen auf die seiner Frau haben könnte. Schliesslich machten die Beschwerdegegner zumindest anlässlich des Interviews mit «L’Hebdo» geltend, die Offenlegung des Sachverhalts sei im Interesse der Öffentlichkeit notwendig gewesen, um die Politikerin vor allfälligen Druckversuchen zu schützen.

Wenn das erste Argument der Beschwerdegegner konsequent weiter gedacht wird, würde dies beispielsweise bedeuten, dass geschiedene Politikerinnen und Politiker (zumindest solche der CVP), die nicht in einer «intakten» herkömmlichen Familie leben, keine glaubwürdige Familienpolitik machen könnten. Angesichts der heutigen gesellschaftlichen Realitäten ist eine solche Argumentation offensichtlich unhaltbar. Ausgehend von den insbesondere in der Stellungnahme i.S. Schlammschlacht gegen Elisabeth Kopp entwickelten Grundsätzen ist weiter festzustellen, dass es hier nicht um einen möglichen Interessenkonflikt zwischen öffentlichen oder geschäftlichen Tätigkeiten des Ehegatten und dem von der Kandidatin angestrebten Amt geht. Ebenso ist ein direkter Zusammenhang zwischen dem durch die Beschwerdegegner öffentl
ich gemachten angeblichen privaten Fehlverhalten des Ehegatten und der öffentlichen Stellung der Politikerin zu verneinen. Währenddem es im Fall von Elisabeth Kopp nach dem angezweifelten Dementi um ihre eigene Glaubwürdigkeit ging, steht hier wenn überhaupt einzig die Glaubwürdigkeit des Ehemannes zur Diskussion. Denn es kann nicht angehen, eine Politikerin in einer Art Sippenhaftung für angebliche Fehltritte und nicht eingehaltene angebliche Versprechungen ihres Ehegatten verantwortlich zu machen.

Der von den Beschwerdegegnern behauptete Zusammenhang zwischen den geltend gemachten privaten Verfehlungen des Ehemannes und der öffentlichen Stellung der Politikerin ist damit in keiner Art und Weise erstellt und ein überwiegendes öffentliches Interesse an einer Publikation des privaten Sachverhaltes deshalb auch unter diesem Aspekt zu verneinen. Ein überwiegendes öffentliches Interesse kann zudem auch nicht aus einer behaupteten Verletzlichkeit gegenüber Druckversuchen hergeleitet werden. Zum einen dürfte das Amt einer Parteipräsidentin im Vergleich zu demjenigen einer hohen Magistratin solchen Druckversuchen wenig ausgesetzt sein. Zum anderen erscheint dies vorliegend auch deshalb kaum plausibel, weil die Vorgeschichte ohnehin bereits publik war, womit die Ankündigung einer weiteren Enthüllung für die betroffene Politikerin zwar weiterhin unangenehm, jedoch kaum geeignet gewesen wäre, sie politisch erpressbar zu machen.

e) Schliesslich machen die Beschwerdegegner aber vor allem geltend, von einem unethischen Verhalten ihrerseits könne schon deshalb nicht die Rede sein, weil die Ehegatten Meier-Schatz nach anfänglichem Widerstand schliesslich in eine Publikation eingewilligt hätten, womit diese ohne weiteres gerechtfertigt sei. Auch dieses Argument hält einer näheren Betrachtung nicht stand. Der entsprechende Sachverhalt ist zwischen den Betroffenen in weiten Teilen unbestritten. Unbestritten ist insbesondere, dass die Ehegatten korrekt zitiert worden sind. Für beide je separat zu prüfen verbleibt noch, ob Ihr Verhalten tatsächlich als Einwilligung zu einem Eingriff in die Intimsphäre interpretiert werden kann.

aa) Bei Christian Meier-Schatz wird auch von den Beschwerdegegnern nicht bestritten, dass er von Anfang bis zuletzt sagte, er hätte es am liebsten, wenn nichts publiziert würde. Sie machen jedoch geltend, durch die Einlassung auf ein Gespräch und auf die Diskussion über die auszuwählenden Zitate habe er durch sein konkludentes Verhalten in eine Veröffentlichung eingewilligt. Diese Wertung wäre nach Auffassung des Presserates dann ohne weiteres haltbar, wenn nicht der Journalist – obwohl man sich seitens von «Blick» und «SonntagsBlick» offenbar der Problematik einer Publikation ohne Einwilligung der Betroffenen durchaus bewusst war- erst mit der Ankündigung, man werde so oder so publizieren, den Betroffenen zur Einlassung auf das Gespräch bewegt hätte. Personen, die sich im Rahmen von Rechercheinterviews auf ein Gespräch mit Medienschaffenden einlassen, müssen sich zwar bewusst sein, dass ihre Äusserungen (vorbehältlich eines ausdrücklichen Vorbehalts im Sinne eines «off the record» oder einer anderweitigen Vereinbarung) grundsätzlich zur Publikation bestimmt sind (Stellungnahme 7/2001 vom 19. Januar 2001 i.S. Lauterkeit der Recherche / Rechercheinterviews; S./M. c. SF DRS). Es entspricht zudem gängiger journalistischer Praxis, dass Medienschaffende Gesprächspartner bei der Einholung einer Stellungnahme darauf hinweisen, dass sie auch bei einem „no comment » publizieren werden. Greift jedoch der Gegenstand der Recherche in die geschützte Privatsphäre oder gar in die Intimsphäre der Betroffenen ein, ist eine Publikation – ungeachtet davon, ob sich diese auf ein Gespräch eingelassen haben – vorbehältlich eines überwiegenden öffentliches Interesses von der ausdrücklichen Erteilung einer Einwilligung abhängig. Von einem solchen Einverständnis kann nicht ausgegangen werden, wenn sich der Betroffene offensichtlich nur deshalb auf ein Gespräch einlässt, um in Falle einer unerwünschten Berichterstattung weiteren Schaden zu verhindern.

bb) Ähnliches ist bei Lucrezia Meier-Schatz festzuhalten. Hier machen die Beschwerdegegner geltend, dass sie nur anfänglich auf einem «no comment» bestanden habe und leiten eine angebliche Einwilligung der Betroffenen wiederum aus dem Umstand ab, dass sie sich aufgrund der an sich nicht zu beanstandenden Hartnäckigkeit des Journalisten schliesslich doch auf ein Gespräch einliess. Auch hier kann aber deshalb nicht von einer echten Zustimmung zur Publikation gesprochen werden, weil die Betroffene sich offensichtlich lediglich für den Eventualfall äusserte, dass die Geschichte entgegen ihren ausdrücklichen Willen publiziert würde.

f) Im Ergebnis war die Publikation der Artikel der Beschwerdegegner also weder durch ein überwiegendes öffentliches Interesse noch durch eine gültige Einwilligung der Betroffenen gerechtfertigt, weshalb «SonntagsBlick» und «Blick» mit der Publikation der Artikel vom 1., 2., 4. und 8. April 2001 Ziff. 7 der «Erklärung» verletzt haben.

III. Feststellungen

1. Auch Personen des öffentlichen Lebens haben Anspruch auf Respektierung ihrer Privat- und Intimsphäre. Gewisse Eingriffe müssen sie sich dann gefallen lassen, wenn ein direkter Zusammenhang zu ihrer Funktion in der Öffentlichkeit besteht, sofern es anderweitig nicht möglich ist, einen Sachverhalt von öffentlichem Interesse dem Publikum zur Kenntnis zu bringen und angemessen zu erklären. Vorauszusetzen ist dabei, dass bei einer Interessenabwägung das öffentliche Interesse an einer Publikation gegenüber dem privaten Interesse auf Respektierung der Privatsphäre überwiegt. Ein solches überwiegendes Interesse ist in aller Regel zu verneinen, wenn nicht nur die Privatsphäre, sondern gar die Intimsphäre betroffen ist.

2. Die Berichterstattung über das private Umfeld von Politikerinnen und Politikern die für öffentliche oder private Funktionen kandidieren oder diese innehaben, ist umso eher zulässig, je wichtiger die Funktion ist, um die es geht und je prominenter der betroffene Angehörige ist. Die Berichterstattung über private Belange von Politikerinnen und Politikern und ihren Angehörigen ist ohne deren Einwilligung berufsethisch aber nicht zu rechtfertigen, wenn diese in keinerlei Zusammenhang zur politischen Funktion stehen.

3. Lassen sich die Gesprächspartner von Journalistinnen und Journalisten bei der Recherche über einen der Intimsphäre zuzurechnenden Sachverhalt nur für den Eventualfall einen gegen ihren Willen erfolgende Veröffentlichung zur Abgabe eines Statements bewegen, darf nicht von einer gültigen Einwilligung in die Publikation ausgegangen werden.

4. «SonntagsBlick» und «Blick» haben mit ihrer Berichterstattung über angebliche Ausflüge von Christian Meier-Schatz im Rotlichtmilieu die Ziff. 7 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verletzt, weil die Berichterstattung in die Intimsphäre der Betroffenen eingriff, ohne dass dies durch ein überwiegendes öffentliches Interesse oder eine gültige Einwilligung gerechtfertigt gewesen wäre.