I. Sachverhalt
A. Am 15. Juni 2012 berichtete Leo Ferraro im «Wohler Anzeiger» (Titel: «Fertig mit ‹Versteckis›»; «Von wegen anonymes Internet») sowie auf www.wohleranzeiger.ch («Strafanzeige gegen Wohler SVP-Präsi»), hinter der «anonymen» Plattform wohlen-online.ch stecke hauptsächlich die örtliche SVP-Spitze. Strafrechtlich relevante Forumsbeiträge seien «mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit» dem früheren SVP-Präsidenten Jean-Pierre Galati und dessen Nachfolger Roland Vogt zuzuordnen. Auch gegen Vogt sei jetzt Strafanzeige wegen übler Nachrede und Ehrverletzung eingereicht worden.
B. Am 14. August 2012 beschwerte sich der anwaltlich vertretene Roland Vogt, Wohlen beim Presserat, die obengenannte Berichterstattung verletze die Ziffern 1 (Wahrheit), 3 (Entstellung von Informationen) 7 (Privatsphäre) und 8 (Menschenwürde) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten». Der Beschwerdeführer habe einen Eintrag auf dem Forum wohlen-online.ch weder verfasst noch veröffentlicht. Ebenso wenig sei bisher ein Strafverfahren gegen ihn eingeleitet worden.
C. Auf Nachfrage des Presseratssekretariats reichte der Anwalt des Beschwerdeführers am 30. August 2012 Kopien des Schlichtungsgesuchs an das Friedensrichteramt Wohlen betreffend Persönlichkeitsverletzung gemäss Artikel 28 Zivilgesetzbuch sowie des Strafantrags gegen den Verfasser des Artikels und weitere Personen wegen übler Nachrede nach.
D. Gemäss Artikel 12 Absatz 1 des Geschäftsreglements behandelt das Presseratspräsidium Beschwerden, auf die der Presserat nicht eintritt.
E. Das Presseratspräsidium, bestehend aus Präsident Dominique von Burg, Vizepräsidentin Francesca Snider und Vizepräsident Max Trossmann, hat die vorliegende Stellungnahme per 7. September 2012 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.
II. Erwägungen
1. Sofern sich berufsethische Grundsatzfragen stellen, kann der Schweizer Presserat gemäss Artikel 10 Absatz 2 seines Geschäftsreglements auch dann auf Beschwerden eintreten, wenn zum Zusammenhang mit dem Beschwerdegegenstand bereits ein Gerichtsverfahren eingeleitet worden ist oder ein solches vom Beschwerdeführer während der Dauer des Presseratsverfahrens anhängig gemacht wird
2. Bei der Prüfung der Frage, ob eine Beschwerde grundlegende berufsethische Fragen aufwirft, berücksichtigt der Presserat nicht allein die als verletzt gerügten abstrakten berufsethischen Bestimmungen, sondern den konkret zur Diskussion stehenden Sachverhalt in Verbindung mit diesen Bestimmungen. Ebenso fällt bei der durch den Presserat vorzunehmenden Interessenabwägung ins Gewicht, inwiefern es von der Bedeutung der Sache her gerechtfertigt erscheint, zu einem identischen oder zumindest ähnlichen Sachverhalt zwei parallele Verfahren durchzuführen. Beanstandet der Beschwerdeführer im parallel hängigen Gerichtsverfahren zu weiten Teilen die gleichen Punkte wie in der Presseratsbeschwerde, ist diese Doppelspurigkeit aus Sicht des Presserates in aller Regel nicht gerechtfertigt (Stellungnahmen 46/2007, 9/2010).
3. Gestützt auf einen Vergleich der drei Eingaben des Beschwerdeführers (zivilrechtliches Schlichtungsgesuch, Strafantrag und Presseratsbeschwerde) stellt der Presserat fest, dass es inhaltlich in allen Verfahren um die im Wesentlichen gleichen Vorwürfe geht: Die Berichterstattung des «Wohler Anzeiger» sei unwahr und persönlichkeitsverletzend respektive ehrenrührig. Darüber hinaus wirft die Beschwerde vom 14. August 2012 an den Presserat keine grundsätzlichen oder vom Presserat bisher noch nie behandelten neuen berufsethischen Fragen auf. Unter diesen Umständen erscheint die Durchführung des Presseratsverfahrens zusätzlich zu einem Zivil- und zu einem Strafverfahren nicht sinnvoll.
III. Feststellung
Der Presserat tritt nicht auf die Beschwerde ein.