Nr. 63/2009
Lauterkeit der Recherche / Unterschlagung wichtiger Informationen / Sachlich nicht gerechtfertigte Anschuldigungen / Berichtigungspflicht

(Odermatt-Walter-Universität c. «Zentralschweiz am Sonntag») Stellungnahme vom 26. November

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Zusammenfassung

Journalisten sind nicht verpflichtet, ihren Beruf zu nennen, wenn sie allgemein zugängliche Informationen einholen. Der Presserat hat eine Beschwerde der Odermatt-Walter-Universität gegen die «Zentralschweiz am Sonntag» abgewiesen. Diese beschwerte sich über einen Bericht von «Zentralschweiz am Sonntag». Der Autor des Berichts habe sich beim ersten Kontakt mit der Universität nicht als Journalist zu erkennen gegeben und zudem nicht offen gelegt, dass er die Odermatt-Walter-Universität in seinem Artikel als «Schein-Universität» bezeichnen werde.

Der Presserat kommt in seiner Stellungnahme zum Schluss, der Journalist habe beim ersten telefonischen Kontakt, bei dem es um allgemeine Informationen über das Studium ging, seinen Beruf nicht zwingend nennen müssen. Spätestens beim darauffolgenden Recherchegespräch mit einem Vertreter der Universität seien die Rollen für beide Seiten transparent gewesen. Der Autor des beanstandeten Berichts habe zudem ausdrücklich darauf hingewiesen, er plane einen Artikel zu zwei im Luzerner Kantonsrat hängigen politischen Vorstössen, welche die Verwendung der Bezeichnung Universität und die Vergabe von Doktor- und anderen akademischen Titeln einschränken wollen. Die Universität habe deshalb damit rechnen müssen, dass sich der Bericht kritisch mit ihr auseinander setzen würde. Hingegen sei der Journalist nicht verpflichtet gewesen, die genaue Stossrichtung oder gar den Wortlauf seiner Kritik bereits im Voraus bekannt zu geben.

Résumé

Riassunto

I. Sachverhalt
A. Am 28. Dezember 2008 veröffentlichte die «Zentralschweiz am Sonntag» auf ihrer Frontseite einen Artikel von Ernst Meier mit dem Titel «Kantonsräte kämpfen gegen Schein-Unis». Der zugehörige Lead lautet: «Namen wie Universität oder Fachhochschule sind in den Zentralschweizer Kantonen nicht geschützt. Deshalb gibt es verschiedene Schein-Unis. Diese sollen verboten werden.» Der Bericht knüpft an eine Motion und ein Postulat im Luzerner Kantonsrat an, die den Missbrauch der in den Zentralschweizer Kantonen rechtlich bisher nicht geschützten Begriffen wie Universität, Fachhochschule, Bachelor, Doktor- und Professortitel unter Strafandrohung stellen wollen. Das Thema wird auf Seite 23 der gleichen Ausgabe mit dem Artikel «Politiker sagen Schein-Universitäten den Kampf an» und einem Kasten («Freie Universitäten – Doktortitel für 30’000 Franken») vertieft. Als Beispiele von «dubiosen Bildungsinstituten», die «für etwas Aufwand und viel Geld Studienabschlüsse, Doktor- und Professorentitel» anbieten, nennt der Autor die Luzerner Odermatt-Walter-Universität (OWU) sowie die Freien Universitäten in Cham und Zug.

Von der OWU ist zu lesen, sie biete ein Studium in Tiefenpsychologie, Philosophie oder in Naturwissenschaften an. «Laut eigenen Angaben ist die OWU mit Sitz in St. Niklausen ein privates Lehrinstitut auf Hochschulstufe. Auch Doktortitel werden vergeben.» In einer Stellungnahme erklärt Walter Odermatt, Leiter des Forschungsinstituts der nach ihm benannten Ausbildungsstätte: «Wir unterrichten nach eigener Wissenschaftstheorie, die publiziert ist und sich in den letzten 20 Jahren mehrfach bewährt hat. Deshalb sehen wir nicht ein, wieso wir den Namen Universität nicht verwenden dürfen.»

Der Luzerner Bildungsdirektor warte vorerst die auf Bundesebene vorgesehene Hochschulgesetzgebung ab. Darin stehe auch eine Regelung der privaten Universitäten zur Diskussion. Der Gesetzesentwurf sehe vor, nur noch akkreditierten Instiutionen zu erlauben, die Bezeichnung «Universität» oder «Fachhochschule» zu tragen. «Private Bildungsanstalten wie die Luzerner Odermatt-Walter-Universität müssten dann Qualitätsanforderungen erfüllen. Ansonsten müssten sie die Bezeichnung ‹Universität› aufgeben und auf ungeschützte Namen, wie zum Beispiel Akademie, ausweichen.

B. Am 27. März 2009 gelangte die OWU mit einer Beschwerde gegen die obengenannte Berichterstattung der «Zentralschweiz am Sonntag» an den Schweizer Pressrat. Der Autor des Berichts habe vor Erscheinen des Artikels bei der OWU angerufen und sich als Interessent des Studiums ausgegeben. Einen Tag später habe sich Ernst Meier nochmals gemeldet und für ein Interview mit Professor Walter Odermatt angefragt. Erst bei diesem zweiten Anruf habe er sich als Journalist zu erkennen gegeben. Gleichentags habe ihn Professor Odermatt für ein dreissigminütiges Gespräch empfangen. Hingegen habe es der Journalist trotz entsprechendem Angebot abgelehnt, sich ein Bild von den Schulungsräumen zu machen. Ebenso wenig seien Fragen betreffend Studiengang und Lerninhalte für ihn von Interesse gewesen. Der Journalist habe bloss gesagt, er schreibe einen Artikel zu einem politischen Vorstoss zweier Kantonsräte betreffend dem Schutz der Bezeichnung «Universität». Hingegen habe er nicht offen gelegt, dass er die OWU als «Schein-Universität» bezeichnen werde. Mit seinem Verhalten habe Ernst Meier das Gebot der Lauterkeit der Recherche (Ziffer 4 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verletzt. Ebenso habe er im Sinne von Ziffer 3 der «Erklärung» wichtige Elemente von Informationen unterschlagen.

Zudem erhebe der Artikel mit Vorwürfen wie «Freie Universitäten bieten für viel Geld ein Studium an – auch in Luzern. Verboten ist der Titelschwindel nicht.» sachlich ungerechtfertigte Anschuldigungen im Sinne von Ziffer 7 der «Erklärung». Schliesslich habe es die «Zentralschweiz am Sonntag» pflichtwidrig unterlassen, ihre «massiv falschen Anschuldigungen über die Odermatt-Walter-Universität» im Sinne von Ziffer 5 der «Erklärung» zu berichtigen.

C. Am 28. Mai 2008 beantragte die anwaltlich vertretene «Zentralschweiz am Sonntag» vorsorglich, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten. Aus der Beschwerde gehe nicht hervor, ob die Unterzeichner im Namen der OWU oder in eigenem Namen Beschwerde führten. Falls sie im Namen der OWU Beschwerde führten, sei darauf hinzuweisen, dass keine juristische Person mit Namen «Odermatt-Walter Universität» im Handelsregister auffindbar sei. Im Übrigen sei die Beschwerde ohnehin abzuweisen.

Das Vorgehen des Journalisten bei der Kontaktaufnahme mit der OWU sei nicht zu beanstanden. Beim ersten Telefongespräch sei es nur darum gegangen, einen Termin für das journalistische Gespräch mit dem OWU-Vertreter zu finden. Beim Gespräch seien Rolle und Aufgabe des Autors sowie das Ziel der Recherche korrekt und transparent dargelegt worden. Im Weiteren lege die Beschwerde nicht klar dar, inwiefern der beanstandete Bericht wichtige Informationen unterschlagen und sachlicht nicht gerechtfertigte Anschuldigungen erhoben habe. Entsprechend seien beide Vorwürfe unhaltbar. Zusätzlich machen die Beschwerdegegner geltend, Ernst Meier habe seinem Gesprächspartner Walter Odermatt sämtliche Interviewaussagen zum Gegenlesen unterbreitet. Weder hierbei noch anlässlich eines persönlichen Kontakts, der sich nach Erscheinen des Artikels ergab, habe Walter Odermatt irgendwelche Einwände gegen die Publikation artikuliert. Entsprechend sei die «Zentralschweiz am Sonntag» nicht verpflichtet gewesen, eine Berichtigung zu veröffentlichen.

D. Der Presserat wies die Beschwerde der 1. Kammer zu, der Edy Salmina (Kammerpräsident), Luisa Ghiringhelli Mazza, Pia Horlacher, Klaus Lange, Philip Kübler, Sonja Schmidmeister und Francesca Snider (Mitglieder) angehören.

E. Die 1. Kammer behandelte die Beschwerde an ihrer Sitzung vom 26. November 2009 sowie auf dem Korrespondenzweg.

II. Erwägungen

1. Gemäss Art. 6 des Geschäftsreglements des Schweizer Presserates ist jedermann zur Einreichung einer Beschwerde an den Presserat berechtigt. Mit anderen Worten bedarf es keiner besonderen Beschwerdelegitimation. Entsprechend ist es für den Presserat nicht entscheidend, ob die vorliegende Beschwerde im Namen der Institution «Odermatt-Walter-Universität» oder in eigenem Namen der Beschwerdeunterzeichner geführt wird. Sollte der OWU tatsächlich keine eigene Rechtspersönlichkeit zukommen, wäre die Beschwerde als solche der Unterzeichner zu behandeln. Für den Presserat ist massgebend, dass die beiden Unterzeichner der Beschwerde – sei es als Vertreter oder in eigenem Namen – ihren Willen ausdrücken, gegen den beanstandeten Bericht der «Zentralschweiz am Sonntag» Beschwerde zu führen.

2. Soweit die Beschwerde sich im Zusammenhang mit der beanstandeten Recherche auf Ziffer 3 der «Erklärung» (Unterschlagung wichtiger Informationen) beruft, beruht sie auf einem Missverständnis. Ziffer 3 der «Erklärung» bezieht sich auf den publizierten Medienbericht und nicht auf die Recherche. Mit dem Recherchegespräch befasst sich die Richtlinie 4.6 zur «Erklärung»: «Journalistinnen und Journalisten sollen ihre Gesprächspartner über das Ziel des Recherchegesprächs informieren.» Der Presserat hat dazu in der Stellungnahme 2/1999 ausgeführt: «Journalistinnen und Journalisten sollten ihre Gesprächspartner vor einer Befragung zumindest darüber informieren, worum es sachlich konkret geht. Sie sind jedoch nicht verpflichtet sämtliche Einzelheiten bekannt zu geben. Insbesondere brauchen sie nicht mitzuteilen, in welcher journalistischen Form das Befragungsergebnis veröffentlicht werden soll.»

Wie die Beschwerdeführerin s
elber ausführt, hat der Autor des beanstandeten Berichts den Vertreter der OWU ausdrücklich darauf hingewiesen, er plane einen Bericht zu den beiden im Luzerner Kantonsrat hängigen politischen Vorstössen, welche die Verwendung der Bezeichnung Universität und die Vergabe von Doktor- und anderen akademischen Titeln einschränken wollen. Aufgrund dieser Vorinformation konnte die OWU damit rechnen, dass sich der Bericht kritisch mit ihr auseinander setzen würde. Darüber hinaus war der Journalist nicht verpflichtet, die genaue Stossrichtung oder gar den Wortlauf seiner Kritik bereits im Voraus bekannt zu geben.

3. Implizit einen Verstoss gegen die Ziffer 3 der «Erklärung» (Unterschlagung wichtiger Informationen) rügt die Beschwerdeführerin hingegen, wenn sie beanstandet Ernst Meier habe es trotz entsprechendem Angebot abgelehnt, sich von den Schulungsräumen der OWU ein eigenes Bild zu machen und sich generell weder für das Studium noch die Lerninhalte interessiert habe. Dazu stellt der Presserat allerdings fest, dass weder die Lehninhalte noch die Qualität des Studiums an der OWU Gegenstand des beanstandeten Artikels sind. Entsprechend war der Journalist auch nicht verpflichtet, zu diese Punkte zu recherchieren. Und immerhin enthält die im Hauptartikel abgedruckte Stellungnahme von Walter Odermatt eine generelle Beschreibung des Studiums an der OWU.

4. Soweit die Beschwerdeführerin im Weiteren beanstandet, der Bericht der «Zentralschweiz am Sonntag» erhebe ihr gegenüber sachlich nicht gerechtfertigte Anschuldigungen im Sinne von Ziffer 7 der «Erklärung» ist dieser Vorwurf für den Presserat nicht überprüfbar. Die Beschwerdeschrift enthält über die pauschale Behauptung hinaus keinerlei Ausführungen dazu, inwiefern die Ausführungen der «Zentralschweiz am Sonntag» sachlich unzutreffend sein sollen. Im Rahmen der Kommentarfreiheit war es dem Autor des Berichts zudem unbenommen, das Studium an der OWU und an anderen vergleichbaren Institutionen als teuer zu bewerten. Auch ist für die Leserschaft klar, was mit «Titelschwindel» gemeint ist: Die fehlende staatliche Anerkennung der an derartigen Institutionen verliehener akademischer Titel.

5. Ebenso wenig wie in Bezug auf die sachlich ungerechtfertigten Anschuldigungen erklärt die Beschwerdeführerin in der Beschwerde näher, welche «massiv falschen Behauptungen» über die OWU die «Zentralschweiz am Sonntag» veröffentlicht haben soll. Unter diesen Umständen entfällt auch die Pflicht zur Veröffentlichung einer Berichtigung (Ziffer 5 der «Erklärung»)

6. a) Damit hat der Presserat einzig näher zu prüfen, ob sich Ernst Meier bei der Kontaktnahme mit der OWU sich unlauterer Methoden bedient hat. Gemäss Richtlinie 4.1 ist es unlauter, «bei der Beschaffung von Informationen, Tönen, Bildern und Dokumenten, die zur Veröffentlichung vorgesehen sind, den Beruf als Journalistin / Journalist zu verschleiern».

b) Zwischen den Parteien ist unbestritten, dass sich Ernst Meier bereits bei der Vereinbarung des Gesprächs mit Institutsleiter Walter Odermatt als Journalist zu erkennen gab und sich dieser damit im Bewusstsein der Tatsache äusserte, dass seine Äusserungen veröffentlicht würden. Insoweit war das Vorgehen des Journalisten berufsethisch offensichtlich korrekt.

c) Aus der Darstellung der Parteien wird hingegen nicht ganz klar, ob dem Telefongespräch, bei dem der Journalist den Termin mit dem Institutsleiter vereinbarte, ein anderes Telefonat voranging. Die OWU macht dazu geltend, der Journalist habe sich bei einem ersten Kontakt nicht zu erkennen gegeben, sondern sich anonym als Interessent des Studiums ausgegeben und sich nach der Anerkennung des Studiums erkundigt. Die Beschwerdeantwort bestreitet diese Ausführungen der OWU nicht explizit, sondern betont in erster Linie, beim Gespräch mit Walter Odermatt seien die Rollen für beide Seiten transparent gewesen.

Selbst wenn man von der Sachverhaltsdarstellung der OWU ausgeht, ist nach Auffassung des Presserats aber auch hier eine Verletzung von Ziffer 4 der «Erklärung» zu verneinen. Zum einen kam dieser Voranfrage für den gesamten Artikel eine bloss untergeordnete Bedeutung zu. Zum anderen wäre es unverhältnismässig, die Einholung einer grundsätzlich für jedermann zugänglichen Information – hier: allgemeine Angaben über das Studium an der OWU – den Regeln über die verdeckte Recherche zu unterstellen. Die Pflicht der Journalistinnen und Journalisten, bei Recherchen ihren Beruf bekannt zu geben, dient primär dem Schutz des Vertrauens von Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartnern von Medienschaffenden. Interviewte sollen davor geschützt werden, dass Medien ihre persönlichen Äusserungen ohne Wissen und Willen der Betroffenen veröffentlichen (Stellungnahme 15/2007).

III. Feststellungen

1. Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. Die «Zentralschweiz am Sonntag» hat mit der Veröffentlichung der beiden Artikel «Kantonsräte kämpfen gegen Schein-Unis» und «Politiker sagen Schein-Universitäten den Kampf an» in der Ausgabe vom 28. Dezember 2008 die Ziffern 3 (Unterschlagung wichtiger Informationen), 4 (Lauterkeit der Recherche), 5 (Berichtigung) und 7 (sachlich nicht gerechtfertigte Anschuldigungen) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» nicht verletzt.

Zusammenfassung

Resumé

Riassunto