Nr. 70/2011
Journalistische Unabhängigkeit

(X. c. «Neue Zürcher Zeitung») Stellungnahme des Presserates vom 21. Dezember 20

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Zusammenfassung

Das Signaturkürzel kann für einen Journalisten zum Markenzeichen werden. Verwendet er es aber als Kolumnist weiter, nachdem er den Beruf gewechselt hat, dann kann aus einem Markenzeichen ein Etikettenschwindel werden. Dies befand der Schweizerische Presserat im Fall eines prominenten NZZ-Kolumnisten.

Von 1981 bis Ende Oktober 2010 war Gerhard Schwarz Wirtschaftsredaktor der «Neuen Zürcher Zeitung», und sein Kürzel G. S. war vielen Lesern ein Begriff. Im November 2010 trat Schwarz sein neues Amt als Direktor von Avenir Suisse an. Fünf Monate später startete die NZZ in ihrem Wirtschaftsbund die neue, exklusiv von Gerhard Schwarz geschriebene, monatliche Kolumne «Die wirtschaftspolitische Grafik». In der ersten Ausgabe der Kolumne wies die Redaktion darauf hin, dass Gerhard Schwarz NZZ-Redaktor mit dem «Markenzeichen» G. S. gewesen und nun Direktor von Avenir Suisse sei. Doch in allen folgenden Monatskolumnen fehlte jeder Hinweis auf das aktuelle Amt des Kolumnisten, der weiterhin mit seinem alten Kürzel G. S. zeichnete.

Daran nahm ein NZZ-Leser Anstoss: Avenir Suisse sei als Think Tank der schweizerischen Wirtschaft in gesellschaftspolitischen Fragen eindeutig Partei – mithin fehle dem  Kolumnisten G. S. die erforderliche journalistische Unabhängigkeit. Darum müsse sein politisches Amt bei Avenir Suisse der NZZ-Leserschaft offengelegt werden. Die Chefredaktion der NZZ räumte zwar ein, dass das Kürzel G. S. in den letzten 30 Jahren zum Markenzeichen und quasi zum zweiten Namen von Gerhard Schwarz geworden sei. Doch gerade weil der Kolumnist so bekannt sei, meinte die NZZ, wirke es geradezu lächerlich, wenn seine heutige Funktion bei jeder Kolumne wiederholt werden müsse.

Der Presserat war anderer Ansicht und hiess die Beschwerde gut: Wenn die NZZ-Redaktion ihren ehemaligen Kollegen derart organisch in den Wirtschaftsbund einbette, dann sei es realitätsfremd, zu glauben, jedermann wisse sofort, dass hier nicht mehr der alte NZZ-Journalist schreibe, sondern der neue Avenir-Suisse-Direktor. In den Medien sei darum die Deklaration auch von prominenten Kolumnisten nötig und allgemein üblich – wie es zum Beispiel die «NZZ am Sonntag» vorbildlich mache.

 

Résumé

Les initiales en guise de signature peuvent représenter un label pour un journaliste. S’il continue à s’en prévaloir en tant que personne extérieure invitée à une collaboration régulière, alors qu’il a quitté la profession, ce label devient une duperie. Le Conseil de la presse estime que cela vaut aussi pour l’auteur renommé d’un rubrique dans la NZZ.

De 1981 à fin octobre 2010, Gerhard Schwarz est rédacteur économique de la «Neue Zürcher Zeitung» et sa signature abrégée G.S. est une référence bien connue de nombre de lecteurs. En novembre 2010, Schwarz devient directeur d’Avenir Suisse. Cinq mois plus tard, la NZZ inclut dans son cahier économique une nouvelle rubrique mensuelle tenue exclusivement par Gerhard Schwarz, intitulée «Le graphique économico-politique». Lors de la première parution de la contribution, la rédaction signale que Gerhard Schwarz a été rédacteur de la NZZ (G.S.) et qu’il est dorénavant directeur d’Avenir Suisse. Toutes les chroniques suivantes sont signés G.S., sans mention des nouvelles fonctions de l’auteur.

Un lecteur de la NZZ s’en offusque: Avenir Suisse, en tant que «think tank» de l’économie suisse est indubitablement partie dans les questions socio-politiques. Le chroniqueur G.S. ne garantit dès lors pas l’indispensable indépendance journalistique. Il importe donc que sa fonction politique auprès d’Avenir Suisse soit clairement signalée aux lecteurs de la NZZ. La rédaction de la NZZ fit valoir qu’au cours des 30 dernières années, les initiales G.S. étaient devenues un label, quasiment le deuxième nom de Gerhard Schwarz. Du moment que l’auteur d’une rubrique est si connu, estime la NZZ, il paraît ridicule que sa fonction présente soit rappelée sous chacun de ses articles.

Le Conseil de la presse est d’un autre avis et admet la plainte: la rédaction de la NZZ place son ancien collègue dans un tel cocon au sein du cahier économique, que chaque lecteur ne peut immédiatement se rendre compte que ce n’est pas l’ancien journaliste de  la NZZ qui s’exprime, mais le nouveau directeur d’Avenir Suisse. Il est dès lors nécessaire et d’usage courant que G.S. soit identifié comme les auteurs invités de renom, ainsi que le fait la «NZZ am Sonntag» de façon exemplaire.

Riassunto

Dietro una determinata sigla il pubblico può avere l’abitudine di identificare un giornalista. Se però tale sigla viene usata anche dopo che il giornalista ha cambiato professione, anche l’etichetta deve essere modificata. Lo constata il Consiglio della stampa nel caso di un notissimo collaboratore della «Neue Zürcher Zeitung».

Gerhard Schwarz è stato redattore economico della NZZ dal 1981 al 2010: per i lettori la sigla «G.S.» era dunque specie di marchio di fabbrica. Nel novembre 2010 egli è passato alla direzione di «Avenir Suisse». Cinque mesi dopo, annunciando che Schwarz avrebbe tenuto una rubrica mensile nel dorso economico del giornale, dal titolo «Die wirtschaftspolitische Grafik», il giornale si dava cura di precisare il cambiamento di funzione di «G.S.». In seguito, però, tale precisazione risultava omessa: l’articolo è firmato con la sigla «G.S.» e basta.

Il fatto ha indotto un lettore a sostenere, davanti al Consiglio della stampa, che il cambiamento di funzione non è «innocuo»: «Avenir Suisse» è un «think tank» che prende posizione su questioni di economia e di politica, la sigla «G.S.» non è dunque più sinonimo di giornalismo indipendente e la nuova qualifica dovrebbe essere segnalata ogni volta al pubblico. Confrontata con questa richiesta, la redazione della NZZ osserva che la sigla «G.S.» è quasi un secondo nome di Gerhard Schwarz: sarebbe ridicolo che tale sua nuova qualifica fosse segnalata ogni volta.

Il Consiglio della stampa è stato d’altro parere. Se il giornale affida al suo ex giornalista una rubrica regolare nel dorso economico, e pertanto lo ritiene ancora e sempre «uno dei nostri», è irrealistico pretendere che ogni lettore della NZZ sappia che «G.S.» non è un redattore del giornale ma il responsabile di un’azienda esterna. L’indicazione della nuova qualifica di Gerhard Schwarz è dunque ritenuta dal Consiglio della stampa una necessità, come del resto dimostra la pratica seguita dal domenicale «NZZ am Sonntag».

 

I. Sachverhalt

A. Von 1981 bis Ende Oktober 2010 war Gerhard Schwarz Mitglied der Wirtschaftsredaktion der «Neuen Zürcher Zeitung»; sein Kürzel G. S. wurde für viele Leser zum Synonym für unbeirrbare Bekenntnisse zur liberalen Marktwirtschaft. Anfang November 2010 trat Gerhard Schwarz sein neues Amt als Direktor Avenir Suisse an, die sich im Logo als «think tank for economic and social issues» deklariert. Avenir Suisse wurde 1999 von 14 internationalen Schweizer Firmen gegründet; heute sind es über 100 Förderer, von ABB bis Zurich Financial Services und 18 Privatpersonen, die zumeist führende Positionen in der Wirtschaft einnehmen.

B. Am 26. März 2011 startete der Wirtschaftsbund der NZZ eine neue Kolumne: «Die wirtschaftspolitische Grafik», die jeweils am letzten Samstag im Monat erscheinen sollte. Autor wurde Gerhard Schwarz, «dessen Kürzel G. S. in der NZZ drei Jahrzehnte lang für pointiert liberale wirtschaftspolitische Publizistik garantiert hat», wie die Zeitung in einem Kästchen zur ersten Kolumne schrieb.

C. Mit Schreiben vom 29. September 2011 reichte X. Beschwerde gegen die NZZ und Gerhard Schwarz ein. Gerhard Schwarz habe in seiner Kolumne vom 30. Juli und vom 24. September 2011 «gesellschaftspolitische Themen mit Schlussfolgerungen diskutiert, ohne dabei darauf hinzuweisen, dass er in der gesellschaftspolitischen Diskussion eindeutig Partei ist». In beiden Kolumnen, die Schwarz mit seinem alten Kürzel G. S. zeichnete, blieb seine aktuelle Funktion bei Avenir Suisse unerwähnt. Auch wenn G. S. im Impressum der NZZ als Autor aufgeführt werde, so könne er nach Meinung des Beschwerdeführers als Journalist gelten, der sich an die berufsethischen Grundsätze der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (nachstehend kurz «Erklärung» genannt) zu halten habe. Der Beschwerdeführer sah durch die Nichtdeklaration von Schwarz’ Rolle bei Avenir Suisse zwei Punkte der «Erklärung» verletzt: Ziffer 2 («Sie verteidigen … die Unabhängigkeit und das Ansehen ihres Berufes.») und Richtlinie 2.4 («Zudem muss die politische Funktion dem Publikum zur Kenntnis gebracht werden.»). Abschliessend wies der Beschwerdeführer darauf hin, dass die NZZ auf ihrer Seite «Meinung und Debatte» im Politik-Bund Ämter und Interessenbindungen von aussenstehenden Autoren angebe. Deshalb verstehe er nicht, weshalb in der Kolumne von G. S. «verdeckt» Meinungen und indi-rekte Wahlempfehlungen abgegeben werden sollten.

D. In ihrer Beschwerdeantwort vom 18. November 2011 beantragten der Chefredaktor und die Rechtskonsulentin der NZZ, soweit sich die Beschwerde gegen Gerhard Schwarz richte, sei nicht darauf einzutreten, da Schwarz kein Journalist sei. Und wo sich die Beschwerde gegen die NZZ richte, sei sie abzuweisen. In ihrer Begründung wiesen die Beschwerde-gegner darauf hin, dass die NZZ Gerhard Schwarz’ Wechsel zu Avenir Suisse mehrmals kommuniziert habe. Erstmals bei seiner Ernennung (NZZ vom 18. Februar 2010), dann bei der Verabschiedung im Blatt (NZZ vom 30. Oktober 2010) und schliesslich im Kasten, der die erste Kolumne von Schwarz begleitete (NZZ vom 26. März 2011). Damit habe die NZZ «unmissverständlich deklariert, wer G. S. ist und welche Funktion Gerhard Schwarz heute wahrnimmt». Bereits als Chef der NZZ-Wirtschaftsredaktion als auch jetzt als Direk-tor von Avenir Suisse sei er besonders in Wirtschaftskreisen eine bekannte Persönlichkeit: «Sein Kürzel G. S. wurde in den 30 Jahren bei der NZZ zu seinem Markenzeichen und quasi zu seinem zweiten Namen.» Die Kolumne stelle eine «Brücke zur früheren Leserschaft» dar, der «das neue Tätigkeitsfeld von G. S. durchaus bekannt» sei. Entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers werde Schwarz «heute auch nicht mehr als Journalist wahrgenommen». Und: «Bei einem Wirtschaftsfachmann, der mit seinem Namen sowie mit seinem Kürzel so bekannt ist wie Gerhard Schwarz, muss es deshalb genügen, dass mit der Publikation seiner ersten Kolumne auf seine Person und seine Funktionen von früher und heute verwiesen wurde.» Nach Meinung der Beschwerdegegner würde es «geradezu lächerlich wirken», wenn bei jeder Kolumne wieder neu auf die Funktion von Gerhard Schwarz verwiesen werden müsste.

E. Unmittelbar nachdem das Sekretariat des Presserates die Beschwerde an die Chefredaktion der NZZ gesandt und ihr eine Frist zur Beschwerdeantwort gesetzt hatte, traf beim Presserat eine zweite Beschwerde in gleicher Sache und mit der gleichen Begründung ein (Beschwerde Y. vom 12. Oktober 2011). Da beide Beschwerden inhaltlich identisch sind, verzichtet der Presserat darauf, diese zweite Beschwerde ebenfalls der NZZ zur Stellungnahme zu unterbreiten (Schreiben des Sekretariats der Presserats vom 18. Oktober 2011 an Beschwerdeführer Y.). Die nachstehende Stellungnahme des Presserates behandelt somit nur die erstgenannte Beschwerde.

F. Das Präsidium des Presserats wies den Fall seiner 3. Kammer zu; ihr gehören Esther Diener-Morscher als Präsidentin an sowie Jan Grüebler, Claudia Landolt Starck, Peter Lia-towitsch, Markus Locher, Daniel Suter und Max Trossmann.

G. Die 3. Kammer behandelte die Beschwerde an ihrer Sitzung vom 21. Dezember 2011 sowie auf dem Korrespondenzweg.

II. Erwägungen

1. Die Beschwerdegegnerin beantragt im Hauptbegehren, der Presserat möge nicht auf die Beschwerde eintreten, da Gerhard Schwarz heute kein Journalist mehr sei. Damit verkennt die Beschwerdegegnerin, dass der Presserat nicht selten auf Beschwerden eintritt, die sich gegen Beiträge von Nichtjournalisten richten. So ist es konstante Praxis des Presserates, dass die Medien auch für Inhalte, die sie von Aussenstehenden annehmen und als Leser-briefe oder Kolumnen publizieren, die berufsethische Verantwortung tragen. Deshalb tritt der Presserat auch auf diese Beschwerde ein.

2.
Die Beschwerde richtet sich in erster Linie gegen die Art und Erscheinungsweise der Kolumne «Die wirtschaftspolitische Grafik» von Gerhard Schwarz in der NZZ. Die Aufmachung einer Kolumne liegt in der Verantwortung der jeweiligen Redaktion und nicht der Autoren. Darum ist diese Beschwerde als gegen die NZZ gerichtet zu behandeln. Es ist unbestritten, dass die NZZ den Wechsel von Gerhard Schwarz zu Avenir Suisse ausführ-lich und mit verständlichem Stolz gemeldet hat. Doch fragt es sich, ob diese Mitteilungen so nachhaltig waren, dass nach der ersten Kolumne vom 26. März 2011 darauf verzichtet werden konnte, die aktuelle Funktion von Schwarz zu erwähnen. In diesem Zusammenhang ist auch die «Wiederbelebung» des alten Journalisten-Kürzels G. S. als Signatur des neuen Kolumnisten zu beurteilen.

3. Sowohl im erklärenden Kästchen zur ersten Schwarz-Kolumne als auch in der Be-schwerdeantwort streicht die NZZ die historische Bedeutung des Kürzels von Gerhard Schwarz heraus: «Sein Kürzel G. S. wurde in den 30 Jahren bei der NZZ zu seinem Mar-kenzeichen und quasi zu seinem zweiten Namen.» Auch das anerkennt der Presserat. Doch scheint die NZZ zu übersehen, dass sie den Leserinnen und Lesern ihrer neuen Kolumne zwar den alten Markennamen, aber einen neuen Markeninhalt verkauft: Nicht mehr der unabhängige NZZ-Journalist schreibt hier, sondern der Chefdenker eines Interessenverbandes, der von den mächtigsten Wirtschaftsunternehmen der Schweiz getragen wird. Aus dieser Perspektive erscheint die Verwendung des alten Kürzels als eine Art Etikettenschwindel. Auch die Argumentation der Beschwerdeantwort, die Kolumne stelle «eine Brücke zur früheren Leserschaft von Gerhard Schwarz her», trägt nicht dazu bei, diesen Eindruck zu entkräften. Sie steht im Widerspruch zur Behauptung der Beschwerdegegnerin, Gerhard Schwarz werde «heute auch nicht mehr als Journalist wahrgenommen». Wenn die NZZ den ehemaligen Leiter ihres Wirtschaftsressorts derart organisch in die Zeitung einbettet, ist es realitätsfern zu glauben, dass sämtliche Leserinnen und Leser der Kolumne sofort wüssten, dass G. S. kein NZZ-Redaktor ist, sondern der Direktor von Avenir Suisse. Der Rückgriff auf das alte Kürzel G. S. trägt eher zur Verwirrung als zur Klärung der Ver-hältnisse bei.

4. Die Beschwerdegegnerin meint, «es würde geradezu lächerlich wirken», bei jeder Kolumne die heutige Funktion von Gerhard Schwarz zu erwähnen. Doch da irrt sie sich – es ist eine in der Qualitätspresse anerkannte Regel. Auch das jüngere Schwesterblatt der Beschwerdegegnerin, die «NZZ am Sonntag», identifiziert ihre regelmässigen Kolumnisten stets von neuem. Ebenso hält es die lokale Konkurrenz, der «Tages-Anzeiger», mit dem Vorgänger von Schwarz, Thomas Held, und seiner wöchentlichen Kolumne im «Magazin» oder mit dem prominenten ehemaligen Preisüberwacher Rudolf Strahm im Hauptblatt. Auch wenn die NZZ mit Gerhard Schwarz «eine Brücke zur früheren Leserschaft» schlagen möchte, sollte sie die heutige Rolle ihres Kolumnisten nicht verschleiern. Überdies ist der Zeitung zu wünschen, dass auch eine neuere Leserschaft die Kolumne des Direktors von Avenir Suisse liest, eine Generation, die von Gerhard Schwarz’ Vergangenheit nicht so geprägt ist. Aus diesen Gründen verstösst es gegen berufsethische Pflichten, wenn die Beschwerdegegnerin es unterlässt, unter jeder Kolumne die aktuelle Funktion von Gerhard Schwarz zu erwähnen. Es bleibt der NZZ unbenommen, in der gleichen Fussnote auch Schwarz’ frühere Tätigkeit im Dienste der Zeitung zu würdigen und auch das Markenzei-chen G. S. weiterhin zu verwenden.

5. Die Nichtnennung von Gerhard Schwarz’ Funktion in der NZZ verletzt nach Ansicht des Beschwerdeführers Ziffer 2 der «Erklärung», wonach Journalisten «die Unabhängigkeit ihres und das Ansehen ihres Berufes» zu verteidigen hätten. Ausserdem sei die zur gleichen Ziffer gehörige Richtlinie 2.4 verletzt, die öffentliche Funktionen grundsätzlich als mit dem Journalistenberuf unvereinbar ansieht. Falls ein Journalist ausnahmsweise doch eine politische Tätigkeit aufnehme, «muss die politische Tätigkeit dem Publikum zur Kenntnis gebracht werden», heisst es in Richtlinie 2.4 weiter.

Zwar trifft der Wortlaut der vom Beschwerdeführer angeführten Bestimmungen den Sach-verhalt nicht genau. Denn Gerhard Schwarz als Direktor von Avenir Suisse hat nicht die Unabhängigkeit des Journalistenberufes zu verteidigen – dies ist Sache der NZZ-Redaktion. Ebenso wie Journalistinnen und Journalisten verpflichtet sind, Nebentätigkeiten gegenüber dem Publikum offenzulegen, die sich mit der Informationstätigkeit überschneiden und bei grosser Nähe zu einem Thema in den Ausstand zu treten, sollten die Redaktio-nen in analoger Anwendung der Richtlinie 2.4 auch bei Kolumnisten Transparenz über relevante Funktionen herstellen.

Indem die NZZ in allen monatlichen Kolumnen nach dem 26. März 2011 die heutige Tä-tigkeit ihres Autors (den sie erst noch mit seinem alten Journalistenkürzel einführte) ver-schwieg, verstiess sie deshalb gegen Ziffer 2 der «Erklärung». Die Tatsache, dass Gerhard Schwarz heute Direktor von Avenir Suisse ist, ist unbestreitbar eine für die Leserschaft der NZZ wichtige Information. Und es ist in den bisherigen Erwägungen ausreichend dargetan, weshalb diese Information jeder Kolumne von neuem beigefügt werden müsste.

III. Feststellungen

1. Die Beschwerde wird gutgeheissen.

2. Indem die NZZ es unterliess, nach dem 26. März 2011 darauf hinzuweisen, dass Ger-hard Schwarz, der Autor der monatlichen Kolumnen «Die wirtschaftspolitische Grafik», heute Direktor von Avenir Suisse ist, hat sie die Ziffer 2 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (Unabhängigkeit) verletzt.