Nr. 55/2004
Einseitige Berichterstattung / Anhörung bei schweren Vorwürfen / Quellenschutz / Menschenwürde

(X. / Y. c. «St. Galler Oberland Nachrichten») Stellungnahme des Schweizer Presserates vom 11. November 2004

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I. Sachverhalt

A. Am 30. Oktober 2003 veröffentlichten die «St. Galler Oberland Nachrichten» einen von Z. gezeichneten Bericht über einen Baustreit mit dem Titel «Maulkorbð für den Bauherrn». Die Zeitung berichtete darin über eine Gerichtsverhandlung zu einem Begehren um Erlass vorsorglicher Massnahmen. Zwei Liechtensteiner Architekten wollten einem Bauherrn verbieten, im Zusammenhang mit einem 1999/2000 erstellten Neubau weiterhin von «Baupfusch» zu sprechen, die beiden Architekten als Betrüger hinzustellen und die in Liechtenstein eingeleiteten Strafverfahren ohne Hinweis auf die Unschuldsvermutung zu erwähnen. Der Bericht gab Argumente beider Seiten wieder und schloss mit dem Hinweis, dass ein Gerichtsurteil nicht vor Anfang der darauffolgenden Woche zu erwarten sei.

B. Am 13. November 2003 veröffentlichten die «St. Galler Oberland Nachrichten» ein Interview mit einem der beiden Architekten, Z., unter dem Titel «Bauherr verhindert Behebung der Mängel». Darin wies der Architekt die Schuld am Baustreit vollumfänglich dem Bauherrn zu, der diesen durch sein unverständliches und unkooperatives Verhalten verursacht habe.

C. Am 20. November 2003 berichteten die «St. Galler Oberland Nachrichten» unter dem Titel «Unschuldsvermutung bleibt» und dem Obertitel «Kreisgericht W. weist Begehren von V. Architekten ab» über den Ausgang des Massnahmeverfahrens. Im Text bedauerten die beiden Liechtensteiner Architekten die Abweisung ihres Begehrens. Laut dem Gerichtsurteil stand noch keineswegs fest, dass die vom Bauherr erhobenen Mängelvorwürfe zutrafen. Vielmehr lasse die Aktenlage keine eindeutigen Schlüsse zu. Zudem gelte für das Verfahren in Liechtenstein ohnehin die Unschuldsvermutung, weshalb eine zusätzliche Verpflichtung darauf überflüssig sei. Insgesamt halte das Kreisgericht W. die Äusserungen des Bauherrn nicht für wettbewerbsschädlich, weshalb keine Veranlassung zum Erlass der beantragten vorsorglichen Massnahmen bestehe. Laut dem Zeitungsbericht konnte der Anwalt des Bauherrn bis Redaktionsschluss für eine Stellungnahme nicht erreicht werden.

D. Mit Schreiben vom 1. und 15. Dezember 2003 forderte RA Y. namens des Bauherrn, X., von den «St. Galler Oberländer Nachrichten» den Abdruck einer Gegendarstellung in der Länge von sechseinhalb A4-Seiten. Mit Schreiben vom 16. September 2004 lehnte Z. den Abdruck namens der Redaktion mit der Begründung ab, die eingereichte Gegendarstellung sei nicht in knapper Form gehalten. Hingegen machte sie folgendes Angebot: «Falls Sie oder Ihr Mandant in Bezug auf das Urteil des Kreisgerichts W. Stellung nehmen möchten, sind wir bereit, Ihre Stellungnahme auf Seite 3 (…) abzudrucken.» Nachdem sich die Parteien nach weiteren Korrespondenzen nicht über den Abdruck einer Gegendarstellung einigen konnten, gelangte RA Y., namens von X. am 3. Januar 2004 klageweise an das Kreisgericht St. Gallen. Dies mit dem Begehren, die «St. Galler Oberland Nachrichten» seien zu verpflichten, die umfangreiche Gegendarstellung in voller Länge abzudrucken.

E. Am 5. Januar 2004 gelangte RA Y. unter Beilage der Gegendarstellungsklage vom 3. Januar 2004 an den Presserat und machte geltend, die «St. Galler Oberland Nachrichten» hätten mit ihrem Verhalten das Fairnessprinzip und die Ziffern, 1, 5, 6, 7 und 8 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verletzt.

F. Am 6. Januar 2004 wies das Presseratssekretariat RA Y. darauf hin, dass der Presserat gemäss seiner ständigen Praxis nicht für die Interpretation von Rechtsnormen (einschliesslich des Gegendarstellungsrechts) Hand biete. Zudem forderte er RA Y. auf, für die gerügten Verletzungen der «Erklärung» eine Beschwerdebegründung nachzureichen sowie bekanntzugeben, ob er die Beschwerde namens von Herrn X. oder in eigenem Namen einreiche.

G. Am 12. März 2004 reichte RA Y. die einverlangte Beschwerdebegründung nach. Darin machte er zusammenfassend geltend, die «St. Galler Oberland Nachrichten» hätten durch dem Abdruck des einseitigen Interviews mit dem Architekten Z. wider besseres Wissen gegen die Wahrheitspflicht gemäss Ziffer 1 der «Erklärung» gehandelt, ihr bekannte wichtige Dokumente und Informationselemente unterschlagen (Ziffer 3) und damit auch gegen Ziffer 7 (sachlich ungerechtfertigte Anschuldigungen) und 8 (Respektierung der Menschenwürde) verstossen. Dem Bauherrn sei darüber hinaus nicht einmal die Möglichkeit gegeben worden, die Unwahrheiten zu widerlegen.

Auch im Artikel vom 20. November 2003 («Unschuldsvermutung bleibt») habe die Redaktion das Prinzip der Fairness verletzt und sich «offensichtlich als Sprachrohr der Z. und B. Architekten AG» instrumentalisieren lassen. Durch ihre einseitige Berichterstattung habe die Zeitung wiederum die Ziffern 1, 3 und 7 der «Erklärung» verletzt. Erneut sei der Bauherr nicht zu Wort gekommen, obwohl es der Autorin des Berichts trotz Abwesenheit von RA Y. möglich gewesen wäre, mit Herrn X. Kontakt aufzunehmen.

Mit ihrer Weigerung, eine Gegendarstellung des Bauherrn abzudrucken, hätten die «St. Galler Nachrichten» zudem gegen die Berichtigungspflicht (Ziffer 5 der «Erklärung») verstossen.

Schliesslich habe die Journalistin Z. die berufsethische Pflicht verletzt, das Redaktionsgeheimnis zu wahren und Quellen vertraulicher Informationen nicht preiszugeben. Am 27. Oktober 2003 habe X. vor der Gerichtsverhandlung über die beim Kreisgericht W. beantragte vorsorgliche Massnahme eine Pressekonferenz mit einer Besichtigung des schadhaften Hauses abgehalten. Dabei sei um 14.00 Uhr eine Medienmitteilung mit Sperrfrist bis um 17.00 Uhr des gleichen Tages abgegeben worden. Z. habe diese Medienmitteilung jedoch nachweislich bereits vorher im Warteraum des Gerichts an den Anwalt der Gegenpartei weitergegeben.

H. Am 18. März 2004 gab RA Y. bekannt, dass er gemeinsam mit X. Beschwerde führe.

I. In Ihrer Stellungnahme vom 13. April 2004 wies Z. die Beschwerde namens der Redaktion der «St. Galler Nachrichten» sinngemäss als unbegründet zurück. Sie habe sich in dieser umstrittenen Geschichte aktiv darum bemüht, beiden Seiten gerecht zu werden. Vor dem Artikel vom 20. November 2003 über den Gerichtsentscheid betreffend vorsorgliche Massnahmen habe sie Kontakt mit dem Architekten Z. aufgenommen und dasselbe auch bei Rechtsanwalt Y. versucht. Dieser sei jedoch ferienabwesend gewesen, und sein Stellvertreter habe sich zum Fall nicht äussern wollen. Von X. habe sie am Tag nach der Medienorientierung vom 27. Oktober 2003 ein Reklamationsschreiben und einen wütenden Telefonanruf erhalten, weil sie den Text der Presseeinladung an den Anwalt der Gegenpartei weitergegeben habe. Anlässlich dieses Telefongesprächs habe ihr Herr X. vorgeworfen, sie hätte ihre journalistischen Pflichten verletzt und er wünsche sich in dieser Sache nicht mehr weiter mit ihr zu unterhalten. Daraufhin habe sie Herrn Y. angerufen, ihm den Sachverhalt geschildert und mitgeteilt, dass sie sich in dieser Angelegenheit nur noch mit ihm unterhalten werde. Deshalb habe sie vor Erscheinen des Artikels vom 20. November 2003 keine Veranlassung gehabt, Herrn X. anzurufen.

Die «St. Galler» Nachrichten wären schliesslich durchaus bereit gewesen, eine Gegendarstellung der Beschwerdeführer abzudrucken, dies allerdings nur dann, wenn diese in knapper Form gehalten worden wäre und sich auf das Wesentlichste beschränkt hätte. Die Redaktion habe (im März 2004) eine aus ihrer Sicht akzeptable Gegendarstellung verfasst und versucht, eine aussergerichtliche Einigung zu erzielen. Dieser Vorschlag sei jedoch von der Gegenpartei abgelehnt worden.

K. Gemäss Art. 10 Abs. 7 des Geschäftsreglements des Schweizer Presserates kann das Präsidium zu Beschwerden, die in ihren Grundzügen mit vom Presserat bereits früher behandelten Fällen übereinstimmen oder sonstwie von untergeordneter Bedeutung erscheinen, abschliessend Stel
lung nehmen.

L. Am 14. April 2004 erklärte der Presserat den Schriftenwechsel als geschlossen und teilte den Parteien mit, die Beschwerde werde vom Presseratspräsidium, bestehend aus dem Präsidenten Peter Studer sowie den Vizepräsidentinnen Sylvie Arsever und Esther Diener-Morscher behandelt.

M. Das Presseratspräsidium hat die vorliegende Stellungnahme per 11. November 2004 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.

II. Erwägungen

1. Wie das Presseratssekretariat bereits mit Schreiben vom 6. Januar 2004 ausgeführt hat, gehört die Interpretation von Rechtsnormen nicht zu den Aufgaben des Presserates (vgl. die Stellungnahmen 35/2001; 10/1994). Soweit die Beschwerdeführer geltend machen, die «St. Galler Oberländer Nachrichten» hätten das Gegendarstellungsbegehren rechtlich nicht korrekt behandelt, tritt der Presserat deshalb nicht auf die Beschwerde ein.

2. Ebensowenig sieht sich der Presserat angesichts des komplexen Sachverhalts und der diversen soweit ersichtlich nach wie vor hängigen rechtlichen Verfahren in der Lage, zu dem der beanstandeten Berichterstattung zugrundeliegenden Baustreit Stellung zu nehmen (vgl. zuletzt die Stellungnahme 47/2004 mit weiteren Hinweisen). Der Presserat tritt deshalb auch insoweit nicht auf die Beschwerde ein, als darin gerügt wird, die «St. Galler Oberländer Nachrichten» hätten in ihren Berichten vom 13. und 20. November 2003 offensichtliche Unwahrheiten veröffentlicht und sachlich ungerechtfertigte Anschuldigungen erhoben, welche die Redaktion von sich aus hätte berichtigen müssen.

3. Dementsprechend beschränkt sich die Analyse des Presserats nachfolgend auf folgende Rügen der Beschwerdeführer: Unterschlagung von wichtigen Dokumenten und Informationen (Ziffer 3 der «Erklärung»), Anhörungspflicht bei schweren Vorwürfen (Richtlinie 3.8), Wahrung des Redaktionsgeheimnisses (Ziffer 6 der «Erklärung») sowie Verletzung der Menschenwürde (Ziffer 8 der «Erklärung»).

4. Die Beschwerdeführer beanstanden sowohl das am 13. November 2003 veröffentlichte Interview mit dem Architekten Z. als auch den Bericht vom 20. November 2003 über das Urteil des Kreisgerichts W. im Massnahmeverfahren. Die Argumente der Gegenpartei seien einseitig wiedergegeben worden. Damit habe die Zeitung das Recht der Öffentlichkeit auf Wahrheit missachtet, Tatsachen entstellt und der Leserschaft ein falsches Bild vermittelt.

Die Beschwerdeführer verkennen allerdings, dass aus der «Erklärung» keine Verpflichtung zu «objektiver» Berichterstattung abgeleitet werden kann. Vielmehr sind auch einseitige, parteiergreifende Medienberichte berufsethisch zulässig (50/2003), weshalb eine Unterschlagung oder Verzerrung von Informationen (Ziffer 3 der «Erklärung») unter diesem Aspekt von vornherein entfällt. Vorbehalten bleibt die nachfolgende Prüfung, ob die Redaktion die Anhörungspflicht bei schweren Vorwürfen genügend respektiert hat.

5. a) Hierzu machen die Beschwerdeführer geltend, Architekt Z. habe im Interview vom 13. November 2002 schwere Vorwürfe gegenüber dem Bauherr X. erhoben, ohne dass dieser dazu zu Wort gekommen sei. Ebensowenig habe X. Gelegenheit erhalten, zu den ihm gegenüber im Bericht vom 20. November erhobenen Vorwürfen Stellung zu nehmen. Die damalige Abwesenheit von RA Y. sei kein genügender Grund für diese Unterlassung, da es Z. ohne weiteres möglich gewesen wäre, direkt mit dem Bauherrn Kontakt aufzunehmen.

b) Z. wendet dazu ein, sie habe sich insgesamt um eine ausgewogene Berichterstattung in diesem komplexen Streit bemüht. Nachdem der erste Bericht vom 30. Oktober 2003 aufgrund einer Medieneinladung von X. für eine Hausbesichtigung und die nachfolgende Gerichtsverhandlung entstanden sei, habe sie auch der Gegenseite die Möglichkeit geben wollen, sich in einem Interview zu den teilweise erheblichen Vorwürfen zu äussern. Beim Bericht vom 20. November 2003 habe sie sich dann vergeblich um eine Stellungnahme beider Seiten bemüht (vgl. oben unter I. I.).

c) Gemäss der Richtlinie 3.8 zur «Erklärung» sind Betroffene vor der Publikation schwerer Vorwürfe anzuhören und deren Stellungnahme ist im gleichen Medienbericht kurz und fair wiederzugeben. Entsprechend ist der Artikel vom 30. Oktober 2003 für die Beurteilung der geltend gemachten Verletzung der Richtlinie 3.8 nicht massgebend. Vielmehr ist bei den beiden Berichten vom 13. und 20. November 2003 je separat zu prüfen, ob das Anhörungsprinzip bei schweren Vorwürfen verletzt worden ist.

d) Beim Abdruck des Interviews mit dem Architekten Z. am 13. November 2003 erachtete es Z. nicht für notwendig, eine Stellungnahme des Bauherrn einzuholen. Diese Auffassung ist mit der Richtlinie 3.8 nicht vereinbar, falls in diesem Interview schwere Vorwürfe gegen X. erhoben worden sind. Dies ist nach Auffassung des Presserates zu bejahen. Bereits der im Titel «Bauherr verhindert Behebung der Mängel» enthaltene Vorwurf wiegt im Gesamtkontext schwer, weil die Leserschaft daraus ableitet, dass die X. gegenüber den Architekten erhobenen massiven Vorwürfe des Baupfuschs und des Betrugs im Grunde völlig haltlos seien. In die gleiche Richtung gehen die Aussagen von Architekt Z., der Bauherr habe sich mit sämtlichen Handwerkern verstritten, mit seinem prozesssüchtigen Verhalten die Beweissicherung verhindert und zudem jegliches Gespräch verweigert. Bei derart schweren Vorwürfen wären die «St. Galler Oberland Nachrichten» verpflichtet gewesen, eine Stellungnahme des Bauherrn einzuholen und diese in der gleichen Ausgabe zusammen mit dem Interview kurz wiederzugeben.

e) Ebenso wäre beim Bericht vom 20. November 2003 über die Ablehnung der von den Architekten beantragten vorsorglichen Massnahmen durch das Kreisgericht W. eine Stellungnahme von Seiten der Bauherrschaft zumindest wünschbar gewesen. Die Argumentation der «St. Galler Oberland Nachrichten» überzeugt auch hier nicht ganz. Denn bei Abwesenheit von RA Y. wäre es der Redaktorin Z. trotz der früheren Verweigerung von X. zumutbar gewesen, diesen erneut direkt zu kontaktieren. Hätte er das Gespräch wiederum verweigert, wäre dies im Beitrag entsprechend zu vermerken gewesen. Allerdings ist eine Verletzung der Richtlinie 3.8 hier aus einem anderen Grund zu verneinen. Hätte sich die Berichterstattung auf die Wiedergabe und Kommentierung des Gerichtsurteils beschränkt, wäre die Richtlinie 3.8 angesichts der blossen Wiedergabe des Ergebnisses einer öffentlichten Verhandlung nicht tangiert gewesen (Stellungnahme 35/2004). Vorliegend lässt die Journalistin zwar darüber hinaus die beiden Architekten noch einmal zu Wort kommen. Deren Statements enthielten aber keine neuen schweren Vorwürfe, die im Artikel unbeantwortet geblieben wären. Insbesondere der in der Beschwerde hervorgehobene Vorwurf der mehrfachen Erwähnung angeblich wettbewerbsschädigender Äusserungen des Bauherrn wird im Artikel klar widerlegt: «Unter diesen Voraussetzungen kam der Gerichtspräsident zum Schluss, dass die Vorwürfe von X. nicht wettbewerbsschädlich seien.» Insgesamt kommt genügend deutlich zum Ausdruck, dass der Bauherr die Vorwürfe der beiden Architekten ebenso bestreitet wie diese umgekehrt seine happigen Vorhaltungen. Deshalb ist das Prinzip der Anhörung beider Seiten («audiatur et alter pars») trotz des fehlenden Statements von X. zum Urteil gewahrt.

6. a) Unbestrittenermassen hat Z. anlässlich der Gerichtsverhandlung zum Massnahmebegehren vom 27. Oktober 2004 ein Dokument weitergegeben, das sie von X. an oder im Zusammenhang mit der von diesem vorgängig einberufenen Medienorientierung mit Hausbesichtigung erhalten hatte. Gemäss Darstellung der Beschwerdeführer handelte es sich um eine vom Bauherrn verfasste Medienmitteilung, die am 27. Oktober 2004 um 14 Uhr an die Medienvertreter abgegeben und mit einer Sperrfrist bis um 17.00 Uhr belegt gewesen sei. Demgegenüber macht die Journalistin geltend, sie habe dem Anwalt der Architekten lediglich die vom 22. Oktober 2004 datierte Einladung zur Hausbesichtigung und anschliessenden Teilnahme an der nachfolge
nden öffentlichen Gerichtsverhandlung übergeben. Dies, weil sie vom Anwalt beim Warten vor dem Gerichtssaal gefragt worden sei, woher die Medienschaffenden Kenntnis vom Gerichtstermin hätten.

b) Der Presserat vermag nicht zu beurteilen, welche der beiden Versionen zutrifft. Ohnehin ist dies aber hier nicht von Belang. Denn selbst wenn die Journalistin die mit einer Sperrfrist belegte Medienmitteilung ausgehändigt hätte, vermöchte dies keine Verletzung der Verpflichtung zum Schutz der Quellen (Ziffer 6 der «Erklärung») zu begründen. Der Inhalt der fraglichen Medienmitteilung fasste vorab die Position der Bauherrschaft im Baustreit ausgehend von verschiedenen in anderen Medien bereits veröffentlichten Berichten zusammen. Ferner wies sie auf das anstehende Verfahren um Erlass einer vorsorglichen Massnahme und die entsprechende Gerichtsverhandlung vom 27. Oktober 2004 hin. Mithin enthielt die Medienmitteilung kaum Informationen, die der Gegenpartei zu diesem Zeitpunkt nicht bereits hinlänglich bekannt waren. Ebensowenig war die zur Publikation bestimmte Medienmitteilung der Journalistin unter Vertraulichkeitsvorbehalt abgegeben worden.

7. Als offensichtlich unbegründet zurück weist der Presserat schliesslich die Rüge der Beschwerdeführer, die Berichterstattung der «St. Galler Oberland Nachrichten» habe die Menschenwürde (Ziffer 8 der «Erklärung») von X. verletzt und das Leid der Betroffenen und die Gefühle der Angehörigen nicht respektiert. Nach Auffassung des Presserates kann nicht im Entferntesten davon die Rede sein, dass durch die beanstandete Berichterstattung eine der betroffenen Konfliktparteien in ihrem Menschsein herabgewürdigt worden wäre. Wer wie X. mit seiner schwerwiegenden Kritik an der anderen Konfliktpartei die Medienöffentlichkeit sucht, nehme damit in Kauf, dass die Gegenpartei pointiert antwortet.

III. Feststellungen

1. Die «St. Galler Oberland Nachrichten» wären bei der Veröffentlichung des Interviews mit dem Architekten Z. am 13. November 2003 verpflichtet gewesen, zu den darin enthaltenen schweren Vorwürfen eine Stellungnahme des Bauherrn einzuholen und diese in der gleichen Ausgabe kurz wiederzugeben. Die Redaktion hat damit die Richtlinie 3.8 zur «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verletzt, weshalb die Beschwerde insoweit gutgeheissen wird.

2. Darüber hinausgehend wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.