Nr. 31/2014
Anhörung bei schweren Vorwürfen / Identifizierung

(Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel c. «Basler Zeitung» und «BaZonline») Stellungnahme des Schweizer Presserats vom 21. August 2014

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Zusammenfassung

Der Schweizer Presserat schützt in diesem Entscheid die Anonymität von Gutachtern. Ihm stellte sich folgende Frage: Dürfen Journalisten die Verfasser eines klinischen Gutachtens namentlich kritisieren, aber darauf verzichten, sie zu dieser Kritik anzuhören? Seine Antwort: Sie dürfen sie nicht nennen, müssen sie aber auch nicht anhören.

Am 5. März 2014 war in der «Basler Zeitung» (BaZ) und auf «BaZonline» der Beitrag «Harsche Kritik am Umgang mit Christoph Egger» erschienen. Es ging um einen vorbestraften Pädophilen, der aus den Universitären Psychiatrischen Kliniken (UPK) Basel geflohen war. Im Artikel heisst es, ein «Verfahrensbericht» dreier Psychologen und Ärzte der UPK habe den damals 46-Jährigen «in die Flucht getrieben»; die drei werden mit vollem Namen genannt. Rita Anton, CEO der Psychiatrischen Kliniken, sah dadurch die Presserats-Richtlinie 7.2 (unnötige Namensnennung) und Richtlinie 3.8 (Anhörung bei schweren Vorwürfen) verletzt.

Die BaZ machte geltend, an der Arbeit von Gutachtern bestehe wegen ihrer Bedeutung für die Betroffenen ein öffentliches Interesse – daher die Namensnennung. Zudem habe man den Klinikdirektor im Vorfeld über den Bericht orientiert. Dieser aber habe auf eine Stellungnahme verzichtet.

Der Presserat entschied, dass die Anhörung der Gutachter verzichtbar war, obwohl ihre Professionalität in Frage gestellt worden sei: Ihnen sei nicht der Vorwurf eines standesunwürdigen oder gar strafwürdigen Verhaltens gemacht worden. Andererseits bestehe kein berechtigtes Interesse der Öffentlichkeit, ihre Namen zu erfahren: Die UPK hätten mehr als 1000 Mitarbeitende, darunter etwa 40 Oberärzte. Letztlich trügen daher die Kliniken als Institution die Verantwortung, nicht die Gutachter als Individuen.

Deshalb folgte der Presserat in diesem Punkt der Beschwerde: Die «Basler Zeitung» hätte die Namen der UPK-Gutachter nicht nennen dürfen.

Résumé

Le Conseil suisse de la presse protège par cette décision l’anonymat d’experts. La question posée était la suivante: des journalistes peuvent-ils critiquer nommément l’auteur d’une expertise clinique tout en renonçant à l’entendre au sujet de cette critique? Sa réponse: ils n’ont pas le droit de les nommer, mais n’ont pas l’obligation de les entendre.

Le 5 mars 2014, un article paraissait dans la «Basler Zeitung» (BaZ) et sur «BaZonline» intitulé «Rude critique du comportement envers Christoph Egger». Il s’agissait d’un pédophile déjà condamné et qui s’était évadé des Cliniques psychiatriques universitaires bâloises (UPK en allemand). Il est dit dans l’article qu’un «rapport de procédure» de trois psychologues et médecins de l’UPK aurait mis en fuite l’individu alors âgé de 46 ans; les trois noms ont été mentionnés en entier. Rita Anton, CEO des  Cliniques psychiatriques y voit une atteinte aux directives 7.2 (identification) et 3.8 (audition lors de reproches graves) du Conseil de la presse.

La BaZ fit valoir qu’en raison de leur importance pour les personnes concernées il existait un intérêt public au travail des experts – d’où la mention des noms. En outre, le directeur de la clinique aurait été informé au préalable de ce compte-rendu. Il aurait cependant renoncé à prendre position.

Le Conseil de la presse décidait que l’on pouvait se passer d’entendre les experts bien que leur professionnalisme ait été mis en doute: ce n’est pas un  comportement indigne de leur rang voire de nature pénale qui leur a été reproché. D’autre part, il n’y a pas d’intérêt public justifié à connaître leurs noms. Les UPK auraient plus de mille collaborateurs, dont plus de 40 médecins-chefs. En fin de compte, ce sont les cliniques en tant qu’institution qui portent la responsabilité et non les experts à titre individuel.

C’est pourquoi le Conseil de la presse a donné suite sur ce point à la plainte: la «Basler Zeitung» n’aurait pas dû mentionner les noms des experts.

Riassunto

Ha fatto bene un giornale a designare per nome gli autori di tre perizie cliniche e a criticarli senza sentire il loro parere? Il Consiglio della stampa protegge l’anonimato di tre medici in causa, la risposta è stata: i nomi non andavano citati. Ma interpellarli prima di pubblicare l’articolo non era necessario.

Gli articoli erano stati pubblicati il 5 marzo 2014 dalla «Basler Zeitung» (BaZ) e dal sito «BaZonline». Il titolo suonava: «Il caso Christoph Egger giustifica una critica severa». Egger era un pedofilo pregiudicato di 46 anni, fuggito dalla clinica psichiatrica universitaria. Il giornale citava una perizia firmata da tre psichiatri e medici dell’UPK, che in sostanza l’avrebbe “indotto a fuggire”. Citato era il nome di tutti e tre i sanitari. Il CEO della Clinica, Rita Anton, si è rivolta al Consiglio della stampa, rimproverando al giornale di aver citato i nomi senza necessità (Direttiva 7.2) e di non averli consultati prima della pubblicazione (Direttiva 3.8: dovere di ascolto nel caso di addebiti gravi).

La «BaZ» fa valere che sussisteva un interesse pubblico a conoscere che cosa c’era scritto nelle perizie psichiatriche per casi come questo, come pure sapere chi le aveva emesse. Il direttore della clinica, interpellato, non aveva voluto pronunciarsi.

A giudizio del Consiglio della stampa, dato che l’articolo non metteva in causa la deontologia professionale dei tre periti, e neppure parlava di responsabilità penali, il giornale non aveva il dovere di consultare gli interessati prima di pubblicare. Ma che interesse poteva avere il pubblico di conoscere i nomi dei tre clinici? Alla Clinica universitaria lavorano più di mille persone, tra cui 40 primari o capi-clinica: semmai la responsabilità era dell’istituzione, non dei periti in quanto individui. Su questo punto perciò il Consiglio ha dato ragione al reclamante.


I. Sachverhalt


A.
Am 5. März 2014 erschien in der «Basler Zeitung» (nachfolgend «BaZ») und parallel auf «BaZonline» der Beitrag «Harsche Kritik am Umgang mit Christoph Egger». Darin geht es um den auch überregional publizierten Fall eines vorbestraften Pädophilen, der sich einer Behandlung in den Universitären Psychiatrischen Kliniken (UPK) Basel durch Flucht entzogen hatte,  mehrere Wochen lang für die Behörden unauffindbar blieb – und gleichzeitig dem Fernsehsender RTL ein Interview gab, das ihn unter freiem Himmel im Riehener Wenkenhof zeigte. Als Verfasser des Artikels zeichnet Daniel Wahl, stellvertretender Leiter des «BaZ»-Ressorts Basel-Stadt. In seinem Beitrag schreibt er, ein sogenannter «Verfahrensbericht» dreier Psychologen und Ärzte habe den damals 46-Jährigen «in die Flucht getrieben»; die drei Fachleute werden mit vollem Namen genannt.

Kronzeuge der «BaZ» ist der Zürcher Psychiatrie-Kritiker Mario Gmür, selber Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. Er attestiert seinen Berufskollegen unter anderem eine «Aneinanderreihung floskelhafter Formulierungen» sowie «einen Wortschatz von sektenhaften Zügen». Insbesondere hält es Gmür «für ethisch nicht vertretbar», wenn dem zu Begutachtenden von vornherein ungünstige Prognosen gestellt werden, wie dies in jener Expertise geschehen sei. Der Artikel benennt den zitierten Verfahrensbericht gleich mehrfach als ausschlaggebenden Faktor für Eggers Flucht. Der Pädophile habe das Gutachten am 11. Februar in der Post gehabt, tags darauf sei er vom Gelände der Anstalt verschwunden.
 
B. Am 6. März 2014 wandte sich Rita Anton, CEO der Psychiatrischen Kliniken Basel, mit einer Beschwerde an den Presser
at. Sie macht geltend, drei Mitarbeitende der UPK Basel seien durch die Berichterstattung der «Basler Zeitung» öffentlich diffamiert worden. Ihre Namensnennung sei nicht zulässig, sie nähmen weder eine staatliche noch gesellschaftlich leitende Funktion wahr, noch seien sie in der Öffentlichkeit allgemein bekannt. Die Namensnennung der drei betroffenen Personen habe den «BaZ»-Lesern keinerlei Mehrwert geboten und schade dem beruflichen Ansehen der Mitarbeitenden erheblich. Der Artikel stelle die Beurteilung des genannten Patienten durch die UPK Basel und deren Mitarbeitende massiv in Frage. Dennoch, so die Klinik-Geschäftsführerin, hätten zu diesen schweren Vorwürfen weder die Direktion der UPK Basel noch die drei Mitarbeitenden Stellung nehmen können. Anton sieht durch diese Verfahrensweise die Richtlinien 3.8 (Anhörung) sowie 7.2 (Identifizierung) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verletzt.
 
C. Am 22. April 2014 nimmt die anwaltlich vertretene «Basler Zeitung» Stellung und beantragt, die Beschwerde der UPK abzuweisen. Insbesondere der Vorwurf der Nicht-Anhörung sei gegenstandslos. «BaZ»-Autor Wahl habe den Direktor und Chefarzt der Psychiatrischen Kliniken, Marc Graf, mehrfach über den Inhalt der von ihm in dieser Sache jeweils geplanten Artikel informiert, zuletzt am 3. März 2014 auch zum Thema «allfällige Widersprüche bzw. Ungereimtheiten im Verlaufsbericht zum Fall Egger». Im Gegensatz zur Argumentation der UPK, die Direktion der Kliniken habe dazu nicht Stellung nehmen können, betont die Beschwerdegegnerin, der Direktor der UPK habe festgehalten, dass er zum Verlaufsbericht und zum Dossier aus grundsätzlichen Erwägungen keine Aussagen mache. Auch am Erscheinungstag des Berichts, dem 5. März 2014, gab es laut «BaZ» ein Telefonat zwischen Wahl und Graf. Dabei habe der Klinikdirektor behauptet, die «BaZ» fördere mit der Berichterstattung über Christoph Egger die Pädophilie. Der Autor habe Marc Graf erneut mit den Unstimmigkeiten im Verlaufsbericht konfrontiert und ihm nochmals Gelegenheit gegeben, sich zu äussern. Wie schon zuvor habe der Klinikdirektor darauf verzichtet.

Am folgenden Tag, dem 6. März 2014, erschien ein weiterer Artikel in der «Basler Zeitung» zum Fall Egger. Der Autor berichtete abermals über den umstrittenen Verlaufsbericht und verwies in diesem Zusammenhang auf die Aussagen von Direktor Graf bzw. seinen Verzicht, öffentlich Stellung zu den konkreten Vorwürfen zu nehmen.

Der Anwalt der «BaZ» schlussfolgert, vor diesem Hintergrund erscheine die Rüge der Beschwerdeführerin offensichtlich rechtsmissbräuchlich und tatsachenwidrig. Die Redaktion sei zu jeder Zeit an einer Stellungnahme der Verantwortlichen der UPK zur Kritik am Verlaufsbericht interessiert gewesen. Dass sich die UPK nicht in dieser Sache vernehmen liess, liege in der alleinigen Verantwortung der Beschwerdeführer. Die in der Berichterstattung beschriebene Kontroverse sei klar gewesen, die Positionen transparent und nachvollziehbar. Eine weitergehende Transparenz, wie sie die Beschwerdeführerin mit ihrer Rüge fordere, lasse sich aus Ziffer 3.8 der Richtlinie nicht ableiten.

Im Übrigen handle es sich bei der Kritik am Verlaufsbericht keineswegs um «schwere Vorwürfe» im Sinne der Presserats-Praxis. Die Namensnennung der Verfasser des UPK-Gutachtens hält die «Basler Zeitung» gleichwohl für gerechtfertigt, da die «Konsequenzen als Folge der Beurteilung durch den Verlaufsbericht (…) für die betroffene Person erheblich» gewesen seien. Dieser habe als «Grundlage für den Massnahmevollzug von Christoph Egger» gedient. Im Gegensatz zu den Ausführungen der Beschwerdeführerin handle es sich bei den Autoren des Verlaufsberichts um Personen in gesellschaftlich leitender Funktion. Ihnen komme in Bezug auf die beschriebenen Umstände erhebliche Kompetenz zu, sie entschieden über die Zukunft der von ihnen Beurteilten. Die Namensnennung sei auch deshalb gerechtfertigt, weil die anderen Mitarbeiter der UPK dadurch davor bewahrt würden, «einem diffusen Generalverdacht» ausgesetzt zu werden. Der Rechtsvertreter der «BaZ» schliesst mit dem Hinweis, dass der Schutzzweck der Presserats-Richtlinie 7.2 zur Identifizierung ja nicht «das öffentliche Selbstbildnis einer kritisierten Person» sei, sondern vielmehr die Vermeidung «eine(r) sachlich ungerechtfertigte(n) Identifizierung».

D. Das Präsidium des Presserats wies den Fall seiner 1. Kammer zu, der Francesca Snider (Kammerpräsidentin), Michael Herzka, Pia Horlacher, Klaus Lange, Francesca Luvini, Sonja Schmidmeister und David Spinnler (Mitglieder) angehören.

E. Die 1. Kammer behandelte die Beschwerde an ihrer Sitzung vom 21. August 2014 sowie auf dem Korrespondenzweg.

II. Erwägungen

1. Gestützt auf die Richtlinie 3.8 zur «Erklärung» sind Journalistinnen und Journalisten verpflichtet, Betroffene vor der Publikation schwerer Vorwürfe anzuhören. Gemäss der Praxis des Presserates gilt ein Vorwurf insbesondere als schwer, wenn er dem Betroffenen ein illegales oder damit vergleichbares Verhalten bzw. ein besonders unredliches Verhalten unterstellt (vgl. u.a. Stellungnahme 19/2013).

Die Beschwerdeführerin macht geltend, der Artikel stelle die Beurteilung des genannten Patienten durch die UPK Basel und deren Mitarbeitende massiv in Frage, was als schwerer Vorwurf zu werten sei. Die «BaZ» hingegen betont die geringe Bedeutung der durch den Autor vorgebrachten Kritikpunkte. Sie äussert sich nicht zur Frage, ob und wie sich Daniel Wahl bemüht hat, die von ihm namentlich Angegriffenen mit seinen Vorwürfen zu konfrontieren. Hingegen macht sie geltend, der Journalist habe den Direktor und Chefarzt der UPK, Marc Graf, mehrfach über den Inhalt der von ihm geplanten Artikel informiert, zuletzt am 3. März auch zum Thema «allfällige Widersprüche bzw. Ungereimtheiten im Verlaufsbericht zum Fall Egger», wozu dieser jedoch aus grundsätzlichen Überlegungen keine Aussagen machen wollte.

Aufgrund der dem Presserat vorliegenden Unterlagen ist davon auszugehen, dass der Klinikdirektor zum Verlaufsbericht angehört, jedoch nicht explizit mit der Einschätzung von Psychiater Gmür konfrontiert wurde. Zwar wäre es ein gangbarer Weg gewesen, es bei einer Anhörung des Vorgesetzten bewenden zu lassen. Auch damit wäre der Pflicht zum «audiatur et altera pars» Genüge getan worden. Jedoch nur dann, wenn der Klinikdirektor Gelegenheit gehabt hätte, sich im Einzelnen mit den Vorwürfen auseinanderzusetzen – oder eben darauf zu verzichten.

Zu untersuchen ist, ob es sich bei den in der «BaZ» erhobenen Vorwürfen um «schwere Vorwürfe» im Sinne der Spruchpraxis des Presserats handelt. Diese Frage hat der Presserat kontrovers diskutiert. Für ihn handelt es sich um einen Streit unter Fachleuten. Psychiater Gmür verfolgt einen grundsätzlich anderen Therapieansatz, der auch in Fachkreisen nicht unbestritten ist. Für den Leser ist die Kritik, die Psychiater Gmür formuliert, deshalb nicht einfach einzuordnen. Zudem wird die Professionalität der drei Gutachter in Frage gestellt, was schwer wiegt. Für den Presserat handelt es sich um einen Grenzfall. Letztlich schätzt er die erhobenen Vorwürfe als nicht so schwer ein, dass eine Anhörung zwingend gewesen wäre. Sie wäre jedoch auf jeden Fall zu empfehlen gewesen, und zwar im oben geschilderten Detaillierungsgrad.

2. Richtlinie 7.2 auferlegt Journalistinnen und Journalisten die Pflicht, die beteiligten Interessen (Recht der Öffentlichkeit auf Information, Schutz der Privatsphäre) sorgfältig abzuwägen. Namensnennung und/oder identifizierende Berichterstattung ist u.a. zulässig, sofern die betroffene Person ein politisches Amt beziehungsweise eine staatliche oder gesellschaftlich leitende Funktion wahrnimmt und der Medienbericht damit im Zusammenhang steht oder sofern die Namensnennung oder identifizierende Be
richterstattung anderweitig durch ein überwiegendes öffentliches Interesse gerechtfertigt ist. Überwiegt das Interesse am Schutz der Privatsphäre das Interesse der Öffentlichkeit an einer identifizierenden Berichterstattung, veröffentlichen Journalistinnen und Journalisten weder Namen noch andere Angaben, welche die Identifikation einer Person durch Dritte ermöglichen, die nicht zu Familie, sozialem oder beruflichem Umfeld des Betroffenen gehören, also ausschliesslich durch die Medien informiert werden.

Die Geschäftsführerin der UPK argumentiert, die Identifizierung der drei Gutachter mache für das Verständnis der Leser nicht den geringsten Unterschied. Die Mediziner seien weder vor noch nach dem Bericht öffentlich hervorgetreten und hätten keinerlei öffentliche Bedeutung. Die «BaZ» hingegen stellt das «gesellschaftliche Interesse» an diesem Fall in den Vordergrund. Sie begründet die «gesellschaftlich leitende Funktion» der Genannten ausschliesslich mit der subjektiven Betroffenheit der durch sie gutachterlich Beurteilten, nicht mit ihrer Stellung in der oder ihrer Relevanz für die Gesellschaft. Zudem werde durch die Namensnennung der drei Gutachter ein «diffuser Generalverdacht» gegen alle anderen Mitarbeiter der Psychiatrischen Kliniken ausgeräumt.

Die Frage der Namensnennung hat der Presserat ebenfalls kontrovers diskutiert. Zum einen ist die Funktion eines Gutachters öffentlichkeitsrelevant, da seine Arbeit mit grosser Verantwortung verbunden ist. In diesem Sinne hatte der Presserat in seiner Stellungnahme 6/2014 entschieden, wo er die Namensnennung eines IV-Gutachters als gerechtfertigt erachtete. Diesem kommt bei der Bestimmung des Invaliditätsgrades eine grundlegende Rolle zu, weshalb sein Name genannt werden durfte. In seiner Stellungnahme 61/2012 erachtete er die Namensnennung eines Anwalts als zulässig, da ein sachlicher Zusammenhang zwischen dem Gegenstand des Medienberichts und der beruflichen Tätigkeit bestand. Gleich entschied er in Stellungnahme 7/2005, wonach die Namensnennung eines Apothekers aufgrund seines zulassungspflichtigen Berufs gerechtfertigt erschien, auch wenn dieser keine amtliche Funktion innehatte.

Vorliegend handelt es sich um drei Gutachter, die bei den UPK angestellt sind. Sie verfassten das Gutachten über Christoph Egger im Rahmen ihrer Arbeit. Die UPK haben insgesamt über 1000 Mitarbeitende, davon ca. 40 Oberärzte. Letztlich tragen die UPK als Institution die Verantwortung für dieses Gutachten. Nicht zu folgen ist der «BaZ» insbesondere, wenn sie geltend macht, den berichtenden Journalisten treffe eine Pflicht zur Transparenz, wenn ein konkreter Einzelfall wie vorliegend zu einer öffentlichen Sache werde. Hier verwechselt sie öffentliches Interesse und gesellschaftliche Neugier. Der Presserat kommt vorliegend zum Schluss, dass die namentliche Erwähnung der psychiatrischen Gutachter im «BaZ»-Bericht nicht gerechtfertigt war.

III. Feststellungen

1. Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen.

2. Die «Basler Zeitung» und «BaZonline» haben mit dem Artikel «Harsche Kritik am Umgang mit Christoph Egger» vom 5. März 2014 Ziffer 7 (Privatsphäre) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verletzt, indem die drei Gutachter mit vollem Namen genannt wurden.

3. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen. Die «Basler Zeitung» und «BaZonline» haben Ziffer 3 (Anhörung bei schweren Vorwürfen) der «Erklärung» nicht verletzt.