I. Sachverhalt
A. Unter dem Titel «Reinfall mit X.» (Name im Original genannt) veröffentlichte die Zeitschrift «K-Geld» in der Ausgabe 5/2008 vom 22 Oktober 2008 einen Artikel von Fredy Hämmerli. Der Lead lautete: «Jährlich 18 bis 22 Prozent Rendite stelle X. in Aussicht. Bezahlt hat er bisher bloss 0,3 Prozent.» X., Alleingesellschafter und Geschäftsführer der Develop Management GmbH habe einem Kunden einen sagenhaften Gewinn von jährlich 18 bis 22 Prozent in Aussicht gestellt, wenn er sein Geld in amerikanische «Second Hand»-Lebensversicherungspolicen investiere, die in einem Fonds gebündelt sind. Doch statt die Superrendite auszuzahlen habe die Firma den Kunden von Quartal zu Quartal vertröstet. Nach gut einem Jahr habe die Firma gerade Mal 0,3 Prozent Gewinn ausbezahlt. «Und X. kann oder will keine Fragen beantworten. Er reagiert weder auf E-Mails noch auf Einschreibebriefe. Er liege im Krankenbett und sei nicht zu sprechen, lässt seine Assistentin ausrichten.» «K-Geld» rate Kleininvestoren von derartigen Produkten ab.
B. In der Ausgabe 6/2008 vom 8. Dezember 2008 zog «K-Geld» die Geschichte mit dem wiederum von Fredy Hämmerli gezeichneten Bericht «X. in Haft» weiter. X. habe zu den in der Ausgabe 5/2008 veröffentlichten Vorwürfen nicht Stellung nehmen können, weil er seit dem 11. September 2008 in U-Haft sitze. «Er war im Anschluss an eine Berufungsverhandlung wegen Betrugs noch im Gerichtssaal des Landesgerichts Marburg verhaftet worden.» Die Staatsanwaltschaft Marburg werfe X. zudem Steuerhinterziehung vor und «beabsichtigt, in den nächsten Monaten Anklage gegen ihn zu erheben».
C. Mit Schreiben vom 7. Juni 2009 gelangte X. an den Presserat. Wie er soeben unterrichtet worden sei, streuten «K-Tipp», «Gesundheitstipp», «Haus und Garten» und «Saldo» vorsätzlich falsche Informationen über ihn. Richtig sei einzig, dass er wegen eines Steuerdelikts in Deutschland einige Tage in Untersuchungshaft gewesen sei. «Dieses Delikt wäre in der Schweiz nicht strafbar gewesen. Alle weiteren Verfahren gegen mich wurden eingestellt.» Weder er noch die von ihm vertretene Develop Management GmbH habe Renditen in der Höhe von 18 bis 22 Prozent in Aussicht gestellt. Bei keiner einzigen US-Lebensversicherung habe es, im Gegensatz zu den Banken, Ausfälle gegeben. Anlagekapital und prospektierte Rendite sämtlicher Kunden sei sichergestellt. Beides werde bei Fälligkeit der Policen ausbezahlt. Die Develop Management GmbH und ihre Vermittler seien zudem lediglich als Vermittler einer «namhaften Schweizer Anlagefirma» tätig gewesen. Weiter beanstandete X. die Nennung seines Namens durch «K-Geld» und forderte den Presserat auf, auf die genannten Publikationen einzuwirken und für eine Richtigstellung zu sorgen.
D. Gestützt auf einen Hinweis des Presseratssekretariats reichte X. am 1. Juni 2009 eine den reglementarischen Anforderungen entsprechende, begründete Beschwerde gegen die oben zusammengefassten Berichte von «K-Geld» nach.
Die im Zeichnungsschein genannte voraussichtliche Rendite habe lediglich ein Prozent/Monat betragen. Während der ersten acht Monate seien diese Renditen ausbezahlt worden. Das Kapital sei über den Erwerb von Lebensversicherungspolicen im Zweitmarkt abgesichert worden. Die Develop Management AG sei im Januar 2009 veräussert worden. Der Erwerber habe mit allen Kunden schriftliche Vereinbarungen abgeschlossen.
Wegen einem in der Schweiz nicht strafbaren Steuerdelikt sei er in Deutschland zu einer 13-monatigen Bewährungsstrafe verurteilt worden. Alle weiteren Verfahren seien eingestellt worden. Zum Zeitpunkt des Erscheinens des zweiten Artikels sei er aber bereits nicht mehr in Untersuchungshaft gewesen. Er habe Deutschland zwar nicht verlassen dürfen, sei aber postalisch jederzeit erreichbar gewesen. Durch die Namensnennung in den beiden Berichten und deren Weiterverbreitung im Internet sei seine wirtschaftliche Existenz ruiniert worden. So habe beispielsweise die Postfinance seine privaten Konten gekündigt und der Staatsanwaltschaft eine Verdachtsmeldung wegen Geldwäscherei zugestellt.
«K-Geld» habe mit der Veröffentlichung der beiden Berichte gegen die Richtlinien 3.8 (Anhörung bei schweren Vorwürfen), 5.1 (Berichtigung), 7.1 (Privatsphäre), 7.5 (Unschuldsvermutung), 7.6 (Namensnennung), 8.1 (Menschenwürde) und 8.2 (Diskriminierung) zur «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verstossen.
E. Am 9. Juli 2009 wies der publizistische Leiter der Konsumenteninfo AG, René Schumacher, die Beschwerde namens der Redaktion «K-Geld» als unbegründet zurück, soweit darauf einzutreten sei. Beim in «K-Geld» 5/2008 veröffentlichten Artikel «Reinfall mit X.» sei die Beschwerdefrist von sechs Monaten abgelaufen. Die Ausführungen der Beschwerde bezögen sich ausschliesslich auf diesen Bericht. Da «K-Geld» nichts Falsches veröffentlichte, habe kein Anlass für eine Berichtigung bestanden. Der Autor habe sich zudem darum bemüht, eine Stellungnahme des Beschwerdeführers einzuholen, wenn auch vergeblich. Da der Beschwerdeführer Alleininhaber und Geschäftsführer der Develop Management GmbH sei, liege es im öffentlichen Interesse, nicht nur den Namen des Unternehmens, sondern auch desjenigen zu nennen, der für die Geschäftsführung zuständig ist. Und in Bezug auf die gerügte Verletzung der Unschuldsvermutung weist «K-Geld» schliesslich darauf hin, dass der kurze Artikel vom Dezember 2008 lediglich erwähnte, dass der Beschwerdeführer in Untersuchungshaft war und die Staatsanwaltschaft Marburg gedenke, Anklage zu erheben. Eine Verurteilung werde also nicht unterstellt.
F. Am 20. Juli 2009 teilte der Presserat den Parteien mit, die Beschwerde werde vom Presseratspräsidium behandelt, bestehend aus dem Präsidenten Dominique von Burg, Vizepräsidentin Esther Diener-Morscher und Vizepräsident Edy Salmina.
G. Am 23. Juli und 1. August 2009 richtete der Beschwerdeführer weitere Korrespondenzen an den Presserat.
H. Das Presseratspräsidium hat die vorliegende Stellungnahme per 12. Februar 2010 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.
II. Erwägungen
1. Gemäss Art. 10 Abs. 1 seines Geschäftsreglements tritt der Presserat nicht auf eine Beschwerde ein, wenn die Publikation des beanstandeten Medienberichts zum Zeitpunkt der Einreichung der Beschwerde länger als sechs Monate zurückliegt. Selbst wenn man hierzu auf die erste – formal unvollständige – Eingabe des Beschwerdeführers vom 7. Mai 2009 abstellt, ist die Beschwerde in Bezug auf den am 22. Oktober 2008 veröffentlichten Artikel «Reinfall mit X.» verspätet. Einzutreten ist hingegen auf die Beschwerde gegen den zweiten Bericht «X. in Haft» vom 8. Dezember 2008.
2. a) Soweit der Beschwerdeführer seine Rügen überhaupt begründet, erscheinen diese grösstenteils als offensichtlich unbegründet. Bei der geforderten Berichtigung (Ziffer 5 der «Erklärung») beschränkt sich die Beschwerde auf blosse Behauptungen, währenddem die Redaktion von «K-Geld» ihre Sachverhaltsdarstellung grösstenteils durch Urkunden belegt.
b) Ebenso haltlos erscheint die beanstandete Verletzung der Pflicht zur Anhörung (Richtlinie 3.8 zur «Erklärung»). «K-Geld» belegt mehrere Versuche des Autors, beim Beschwerdeführer eine Stellungnahme zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen einzuholen. Zudem geht aus beiden Berichten vor, dass der Beschwerdeführer auf Anfragen von «K-Tipp» nicht reagiert und selbst auf einen Einschreibebrief nicht reagiert hat. Wenn der Beschwerdeführer behauptet, er sei im Zeitpunkt des Erscheinens des zweiten Berichts in Deutschland postalisch problemlos erreichbar gewesen, wäre es ihm auch möglich und zumutbar gewesen, sein Sekretariat in der Schweiz entsprechend zu orientieren und/oder die Post von seinem Schweizer Domizil entsprechend umleiten zu lassen.
c) Offensichtlich zu verneinen ist auch eine Verletzung der Unschuldsvermutung (Richtlinie 7.5 zur «Erklärung). Der Presserat leitet daraus in konstanter Praxis ab, ein Bericht dürfe nicht den falschen Eindruck erwecken, der Betroffene sei bereits (rechtskräftig) verurteilt. Aus dem beanstandeten Bericht von «K-Geld» vom 8. Dezember 2008 geht hingegen deutlich hervor, dass die gegen den Beschwerdeführer in Deutschland laufenden Verfahren noch hängig sind.
d) Da die Beschwerde diesbezüglich jeglicher Begründung entbehrt, tritt der Presserat schliesslich nicht auf die Rüge der Verletzung der Richtlinie 8.1 (Menschenwürde) und 8.2 (Diskriminierung) zur «Erklärung» ein.
3. a) Näher zu prüfen ist einzig die vom Beschwerdeführer beanstandete Nennung seines Namens. Hätte es nicht genügt stattdessen bloss den Namen der betroffenen Firma zu nennen? Die Ziffer 7 der «Erklärung der Pflichten» verlangt von den Journalisten: «Sie respektieren die Privatsphäre der einzelnen Person, sofern das öffentliche Interesse nicht das Gegenteil verlangt. Sie unterlassen anonyme und sachlich nicht gerechtfertigte Anschuldigungen.» Und die Richtlinie 7.6 hält sie dazu an, grundsätzlich weder Namen zu nennen noch andere Angaben, die eine Identifikation einer von einem Gerichtsverfahren betroffenen Person durch Dritte ermöglichen, die nicht zu Familie, sozialem oder beruflichem Umfeld gehören, also ausschliesslich durch die Medien informiert werden.
Ausnahmen von dieser Grundregel sind nur zulässig – wenn dies durch ein überwiegendes öffentliches Interesse gerechtfertigt ist; – wenn die Person mit einem politischen Amt oder einer staatlichen Funktion betraut ist und wenn sie beschuldigt wird, damit unvereinbare Handlungen begangen zu haben; – wenn eine Person in der Öffentlichkeit allgemein bekannt ist; diese Ausnahme ist mit Zurückhaltung anzuwenden; zudem müssen die vorgeworfenen Handlungen im Zusammenhang mit der Bekanntheit stehen; – wenn die betroffene Person ihren Namen im Zusammenhang mit dem Verfahren selber öffentlich macht oder ausdrücklich in die Veröffentlichung einwilligt; – wenn die Nennung nötig ist, um eine für Dritte nachteilige Verwechslung zu vermeiden.
b) Der Presserat hat in der Stellungnahme 16/2009 die Nennung des Namens und weiterer detaillierter Angaben bei einem wegen des Vorwurfs der Veruntreuung verhafteten Treuhänder als ungerechtfertigt erachtet. Die Namensnennung sei nicht schon deshalb begründet gewesen, weil die vom Betroffenen geführten Firmen in der Öffentlichkeit um Anleger warben. «Und auch nicht, weil potentiell viele Anleger zu Schaden gekommen sein können. Für die Information und Warnung der Kunden, weiterer Anleger und der Leserschaft hätte es genügt, die Namen der inkriminierten Firmen zu nennen.»
c) Auch wenn der Beschwerdeführer erst sehr spät auf die Berichte von «K-Geld» reagiert hat – angeblich, weil er vorher keine Kenntnis davon hatte – erscheint die Nennung seines Namens insbesondere auch im Zusammenhang mit seiner Inhaftierung in Deutschland und den dort gegen ihn geführten Verfahren als unverhältnismässig. Zumal «K-Geld» weder einen unmittelbaren Zusammenhang der deutschen Verfahren mit der Tätigkeit des Beschwerdeführers als Anlagevermittler in der Schweiz behauptet noch belegt. Für die Warnung potentieller Anleger hätte es unter diesen Umständen genügt, den Namen der Develop Management GmbH und allfälliger weiterer Firmen mit fragwürdig erscheinenden Renditeversprechen zu nennen. Wie sich aus der dem Presserat eingereichten Korrespondenz ergibt, hat die Redaktion von «K-Geld» im Juni 2009 denn auch auf die Intervention des Beschwerdeführers hin die beiden Texte im elektronischen Archiv anonymisiert.
III. Feststellungen
1. Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen, soweit darauf einzutreten ist.
2. «K-Geld» hat mit der Nennung des Namens des Beschwerdeführers im Artikel «X. in Haft» in der Ausgabe 6/2008 die Ziffer 7 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verletzt.
3. Nicht verletzt hat «K-Geld» die Ziffern 3 (Anhörung bei schweren Vorwürfen), 5 (Berichtigung), 7 (in Bezug auf die Unschuldsvermutung) und 8 (Menschenwürde, Diskriminierung).