I. Sachverhalt
A. Am 10. August 2023 veröffentlichte «Die Wochenzeitung» (im folgenden WOZ) einen Artikel mit dem Titel «Trans-Panik: Wer macht hier Terror?» von Robin Adrien Schwarz. Der Text handelt von der Politisierung der Rechte von trans Menschen, vom Verbot von geschlechtsangleichenden Behandlungen für Minderjährige, von neuen kriminalisierenden Gesetzen in den USA. Der Autor ist der Ansicht, diese Fragen bzw. Kampagnen könnten in der Schweiz aufgenommen werden, er sieht Ansätze dafür und nennt dies Schüren von «moralischer Massenpanik». Der Text zitiert Fachpersonen: einen Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, der Leiter des Innovations-Focus Geschlechtervarianz am Universitätsspital Basel ist, und eine Chefärztin der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich (PUK). Zitiert wird weiter ein SVP-Politiker, der «den Linken» vorwerfe, aus fragilen Kindern «die Queeren zu züchten». Die Zahl trans- und non-binärer Menschen nehme zwar zu, stelle aber gemäss einer deutschen Studie immer noch eine Minderheit von 3,3 Prozent der Menschen dar. Der Journalist stellt die Frage, was passiert, wenn pubertätsblockierende oder geschlechtsangleichende Behandlungen verweigert oder verboten würden. Die Kinderpsychiaterin ist der Ansicht, die Pubertätsblocker gäben den Betroffenen Zeit, sich Gedanken zu Körper und Identität zu machen. Die Zufriedenheitsraten mit den Behandlungen seien sehr gross, sowohl für Pubertätsblocker, Hormonbehandlungen als auch für operative Geschlechtsangleichungen lägen diese zwischen 97 und 99,5 Prozent. Die Chefärztin betont, Pubertätsblocker und Hormone würden nicht leichtfertig verordnet. Was beiden Fachpersonen vielmehr Sorgen bereiten würde, sei, dass die Diskussion auf Nebenschauplätzen derart eskaliere, statt dass man sich um die wichtige Frage kümmere, wie man junge Menschen mit diverser Geschlechtsidentität am besten unterstütze. Der Journalist stellt der Medienstelle der SVP die Frage, ob es in der Partei eine Arbeitsgruppe gebe, die sich differenziert mit dem Thema Transgender auseinandersetze, was diese verneint. Dies sei nicht nötig, man sei einfach gegen «Woke-Wahnsinn» und «Genderterror». Die ebenfalls angefragten SVP-PolitikerInnen Esther Friedli und Andreas Glarner hätten auf die Anfrage nicht regiert.
B. Am 8. November 2023 reichte X. beim Schweizer Presserat Beschwerde gegen den Artikel in der WOZ ein. Er macht einen Verstoss gegen Ziffer 3 (Quellen) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (nachfolgend: «Erklärung») geltend. Der Artikel behandle ein medizinisches Thema, genauer Behandlungen, die lebenslange Konsequenzen hätten, was eine besondere Sorgfalt und Verantwortung erfordere. Einwände oder Kritik bezüglich dieser Behandlungen würden ausschliesslich als Kampagne von konservativen Kreisen und der SVP dargestellt. Titel, Lead und Zitate framten diese als «rechts» und gestört. Die Argumentation des Autors verweise schon im Lead auf die «nüchterne» Wissenschaft, mit welcher die Panik bekämpft werden müsse, unterschlage aber genau diese. So hätten Gesundheitsbehörden in Grossbritannien, Dänemark, Finnland und Norwegen die Behandlung Minderjähriger mit Pubertätsblockern massiv eingeschränkt, verboten oder nur noch im Rahmen streng kontrollierter Studien zugelassen. Der Beschwerdeführer belegt dies unter anderem mit Artikeln auf «aerzteblatt.de», aus der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» und aus «DocCheck». Ausserdem nenne der Journalist keine Quelle für die von ihm zitierte Studie zur Zufriedenheit mit den medizinischen Behandlungen. Und er unterschlage, dass dieselben Behandlungen in Grossbritannien zu einer Reihe von Klagen und zur Schliessung einer zentralen Klinik geführt hätten. Die Wortwahl im Text (Terror, Trans-Panik und Massenpanik) sei hochgradig unsachlich, manipulativ und demagogisch. Sowohl der Journalist als auch seine Auskunftspersonen seien «transaktivistisch» unterwegs, woraus sich offensichtlich ein Bias ergebe.
C. Am 23. Mai 2024 nahm Daniela Janser im Namen der WOZ-Redaktionsleitung zur Beschwerde Stellung und beantragte deren Abweisung. Die benutzten Begriffe «Trans-Panik», «Hetze» und «Terror» stünden ganz klar im Kontext der damaligen Ereignisse, die für Schlagzeilen gesorgt hätten: nämlich die Agitation von Andreas Glarner gegen einen «Gendertag» an einer Schule, auf welche auch der Lead implizit verweise. Die Wortwahl im Text sei also kein verzerrendes «Framing» sondern zutreffend. Wenn der Beschwerdeführer nur «Massenpanik» kritisiere, sei das eine Verkürzung. Im Text stehe «moralische Massenpanik». Die SVP (und keine anderen politischen Lager oder Parteien) habe den Kampf gegen «Genderwahn» und «Transgender-Ideologie» sogar explizit im Wahlprogramm verankert, der Beschwerdeführer verwechsle hier Kontext und Framing. Das differenzierte wissenschaftliche Bild jenseits von Hetzkampagnen und Wahlkampfparolen zeichne der Journalist mit der Befragung zweier führender Fachpersonen: Dagmar Pauli, Chefärztin der Klinik für Kinder und Jugendpsychiatrie an der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich und David Garcia Nuñez. Beide seien neben der Forschung auch als praktizierende ÄrztInnen tätig. Deren Bezeichnung als «AktivistInnen» entbehre jeglicher Grundlage. Der Artikel thematisiere die Bedenken, die der Beschwerdeführer äussere, im Gespräch mit Pauli und Garcia Nuñez aktiv. Die Informationen würden weder unterschlagen noch Tatsachen entstellt. Der Artikel bilde den aktuellen Forschungsstand und die medizinische Praxis in der Schweiz zum Zeitpunkt des Erscheinens akkurat ab. Die vom Beschwerdeführer ins Feld geführten Artikel hingegen stammten mehrheitlich nicht aus wissenschaftlichen Quellen, sondern aus Blogs.
D. Am 25. Juli 2024 teilte der Presserat den Parteien mit, die Beschwerde werde gemäss Artikel 13 Abs. 1 seines Geschäftsreglements vom Präsidium des Presserats behandelt, bestehend aus Susan Boos, Präsidentin, Annik Dubied, Vizepräsidentin, Jan Grüebler, Vizepräsident, und Ursina Wey, Geschäftsführerin. Susan Boos trat von sich aus in den Ausstand.
E. Das Präsidium des Presserats hat die vorliegende Stellungnahme am 11. November 2024 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.
II. Erwägungen
1. Gemäss Ziffer 3 der «Erklärung» veröffentlichen JournalistInnen nur Informationen, Dokumente, Bilder und Töne, deren Quellen ihnen bekannt sind. Sie unterschlagen keine wichtigen Elemente von Informationen und entstellen weder Tatsachen, Dokumente, Bilder und Töne, noch von anderen geäusserte Meinungen.
Der Beschwerdeführer wirft der WOZ vor, Tatsachen unterschlagen zu haben und dadurch wissenschaftlich einseitig zu berichten. Sowohl der Journalist als auch seine Auskunftspersonen seien «transaktivistisch unterwegs», woraus sich offensichtlich ein Bias ergebe. Tatsächlich wird gerade dieser wissenschaftliche Diskurs im Gespräch mit zwei Gesprächspartnern aufgezeigt, die beide ausgewiesene Fachpersonen in diesem Bereich sind. Der Beschwerdeführer führt nicht weiter aus, inwiefern sie «transaktivistisch unterwegs» sein sollen. Die Aussage von David Garcia Nuñez, dass die Rechte der Schwächsten beschnitten würden, mag eine politische Komponente haben, der ganze Text ist allerdings als Analyse zu politischen Manövern aufgebaut. Die fachlichen Erläuterungen beider Gesprächspartner widerspiegeln einen vom Beschwerdeführer vorgebrachten Bias nicht.
Der Beschwerdeführer kritisiert zudem, der Journalist nenne keine Quelle für die von ihm zitierten Studien zur Zufriedenheit mit den medizinischen Behandlungen. Tatsächlich erwähnt der Journalist nur, dass mehrere Studien diese Zahlen bestätigten. Es wäre wünschenswert gewesen, wenn die konkrete Quelle im Text vorgekommen wäre. Der Beschwerdeführer macht aber nicht geltend, die Quelle, beziehungsweise die genannten Zahlen wären unbekannt oder falsch. Im Ergebnis liegt somit keine Verletzung der «Erklärung» vor.
Weiter macht der Beschwerdeführer «Framing» und Einseitigkeit geltend. Nach Auffassung des Presserats lässt sich aus dem Journalistenkodex weder eine ausdrückliche Pflicht zur «Ausgewogenheit» noch eine solche zu «objektiver Berichterstattung» ableiten. Das gilt selbst für Medien mit Monopolstellung, was bei der WOZ ohnehin nicht der Fall ist. Hingegen besteht der Presserat auf einer nachvollziehbaren Wahrheitssuche: auf überprüfbarer Transparenz, die tatsachennahe und subjektivere Elemente des Berichts getrennt sichtbar macht. Diese Vorgaben sind im Text erfüllt. Ziffer 3 der «Erklärung» ist nicht verletzt.
III. Feststellungen
1. Der Presserat weist die Beschwerde ab.
2. Die «Wochenzeitung WOZ» hat mit dem Beitrag «Trans-Panik: Wer macht hier Terror?» vom 10. August 2023 die Ziffer 3 (Quellen) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» nicht verletzt.