Nr. 42/2010
Publikation trotz Verbot / Fairness / Unlautere Recherche / Privatsphäre

(X./Y. c. «Tages-Anzeiger»)

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I. Sachverhalt

A. Der «Tages-Anzeiger» (TA) publizierte am 25. und 26. März 2010 zwei Artikel über einen Haftpflichtfall infolge einer missglückten Hausgeburt. Der erste, fast ganzseitige Artikel lief unter dem Titel «Versicherung zahlt knapp 5 Millionen wegen Fehlern bei Hausgeburt». Sein Lead lautete: «Eine Hebamme macht bei der Hausgeburt Fehler. Anna* kommt schwer behindert zur Welt. Die Hebamme wird verurteilt, doch ihre Haftpflichtversicherung will nicht zahlen. Die Eltern nehmen den Kampf auf.» Der einspaltige Frontanriss war überschrieben mit «Acht Jahre Kampf um Schadenersatz». Tags darauf erschien Folge zwei «Kampf gegen ‹perverse Mechanismen›».

Im ersten Artikel zeichnet Reporter René Staubli sachlich und nüchtern die Fehler der Hebamme bei der Hausgeburt 2001 auf, beschreibt den Kampf des Elternpaars mit der Mobiliar, der Haftpflichtversicherung der Hebamme, und die Prozesse vor Bezirks-, Ober- und Bundesgericht, die knapp vor der Verjährung mit der Verurteilung der Hebamme wegen fahrlässiger schwerer Körperverletzung enden. Im November 2009 zahlt die Mobiliar nach weiterem Hin und Her 4,75 Millionen Franken. Der zweite Bericht thematisiert die Ansprüche auf Schadenersatz und Genugtuung von Eltern und lebenslang hirngeschädigtem Kind sowie die Praxis der Mobiliar und anderer Versicherer, die Kosten für Anwälte und Gutachter in die maximale Deckungssumme einzurechnen und so den Geschädigten aufzubinden, auch bei verlorenem Prozess.

In beiden Artikeln sind die Namen der Geschädigten fingiert, Berufe, Wohnort und genaue Daten fehlen.

B. Das Elternpaar X. und Y. reicht am 22. April 2010 Beschwerde beim Schweizer Presserat gegen die Berichte des «Tages-Anzeiger» ein. Sie verletzten das Fairnessgebot der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» sowie deren Ziffern 4 (unlautere Recherche) und 7 (Privatsphäre). Die Beschwerdeschrift samt Unterlagen zeichnet die Kontakte des Ehepaars mit TA-Reporter Staubli zwischen November 2009 und dem 2. Februar 2010 nach: Von ersten Telefongesprächen über zwei persönliche Besprechungen, die Übergabe des Dossiers zum Fall, zahlreiche E-Mails bis hin zum Rückzug der Zusage für eine Publikation im «Tages-Anzeiger» mit den Worten: «Bitte retournieren Sie uns sämtliche unsere Unterlagen. Wir untersagen Ihnen, von den erhaltenen Informationen in irgend einer Form Gebrauch zu machen, namentlich sie an Dritte weiter zu geben.»

Die Beschwerdeführenden betonen, neben der Versicherungssache sei es ihnen wesentlich um die Darstellung ihrer schwierigen persönlichen Situation gegangen: neben allen Problemen mit einem schwer behinderten Kind einen jahrelangen, ungleichen Kampf mit der Haftpflichtversicherung zu führen. Ihr von Idealismus getragener Kraftakt sei im zur Prüfung vorgelegten Artikelentwurf nicht zum Ausdruck gekommen. Im Gegenteil habe er Geldgier und Rachegelüste suggeriert, unterstrichen durch die mehrfache, unnötige Nennung der schliesslich bezahlten Versicherungssumme von knapp fünf Millionen. Das rufe nur die Neider auf den Plan. Die Botschaft der schliesslich wider ihren Willen publizierten Artikel sei bei einem überaus grossen Teil der Leserschaft denn auch falsch angekommen; das belegten die beigelegten Kommentare in den Online-Ausgaben von «Berner Oberländer» und «Der Bund», wo die Berichte am 25. respektive 26. März 2010 ebenfalls erschienen.

Die Beschwerdeführenden schreiben: «Wir sind nicht einverstanden, dass der Tages-Anzeiger das Schicksal unserer Familie mit unseren vertraulichen, höchst persönlichen Informationen nach eigenem Gutdünken ausschlachtet. (…) Wir fühlen uns (…) missbraucht, hintergangen und bestohlen.»

C. Die durch den Rechtsdienst der Tamedia vertretene «Tages-Anzeiger»-Redaktion wies die Beschwerde am 26. Mai 2010 zurück. Die beiden beanstandeten Artikel hätten den Kampf der Beschwerdeführer mit der Mobiliar in einem ausserordentlich tragischen Haftpflichtfall kritisch, aber mit der nötigen journalistischen Distanz beschrieben.

Es sei unerlässlich gewesen, alle wesentlichen Fakten einzubeziehen, um die Tragweite der Geschichte glaubwürdig darstellen zu können. Die Versicherungssumme mehrfach zu nennen war unabdingbar, in Anbetracht der Dauer und Intensität des Verfahrens und um die Verhältnismässigkeit des betriebenen Aufwands zu verdeutlichen. Und gegenüber der Mobiliar wäre es unfair gewesen, ihre Geldleistung zu verschweigen. Staubli habe dem Elternpaar dargelegt, welche Konsequenzen die Nicht-Nennung der Summe haben würde: «Die Versicherung … hätte die Summe öffentlich gemacht – und die TA-Berichterstattung damit als einseitig entlarvt.»

Im Zentrum der Berichte sei aber der Kampf der leidgeprüften Eltern gestanden, die in keiner Weise als geldgierig und von Rachegelüsten geprägt dargestellt worden seien. Das hätten die Leser durchaus so verstanden: Denn der Grossteil der Reaktionen in den Onlineausgaben bo.bernerzeitung.ch und derbund.ch sei positiv, unterstützend und verständnisvoll. Der Titel des ersten Artikels «Versicherung zahlt knapp 5 Millionen wegen Fehlern bei Hausgeburt» sei zudem weder reisserisch noch irreführend. Der Titel nenne nur Fakten, der Lead stelle sofort den Zusammenhang zum Inhalt des Berichts her. Den ausformulierten Gegenvorschlag des Elternpaars, der den Charakter eines PR-Artikel hatte, habe Staubli nicht akzeptieren können.

Die Eltern seien selber mit dem Anliegen an den TA und Staubli gelangt, die Geschichte zu recherchieren und zu veröffentlichen. Es war damals «ihr erklärter und ausdrücklicher Wille, ihre Erlebnisse publizieren und damit die Öffentlichkeit an ihrem Schicksal teilhaben zu lassen». Reporter Staubli habe weder den Verwendungszweck eines Gesprächs verschleiert, die Eltern irregeführt noch sie in einem Irrglauben gelassen. Inwiefern er Informationen unlauter erworben haben solle, werde nicht dargelegt.

Ein generelles, zeitlich unbefristetes Rückzugsrecht von Informanten würde die journalistische Arbeit ungebührlich erschweren. «Eine entsprechende Pflicht zur Respektierung eines solchen Rückzugsrechts ist nur dann zu bejahen, wenn ein solches zwischen den Parteien ausdrücklich vereinbart worden ist. Dies ist vorliegend aber nicht der Fall.»

Die Privatsphäre der Eltern sei nicht verletzt worden. Denn die Artikel seien genügend anonymisiert. Weder Namen, Berufe noch Wohnort seien genannt, zudem keine exakten Daten.

D. Nach Abschluss des Schriftenwechsels reichten die Beschwerdeführenden am 21. Juni 2010 in Ergänzung der Beschwerdeunterlagen eine E-Mail vom 21. Dezember 2009 an René Staubli nach.

E. Das Präsidium des Presserats wies den Fall seiner 3. Kammer zu; ihr gehören Esther Diener-Morscher als Präsidentin an sowie Claudia Landolt Starck, Peter Liatowitsch, Markus Locher und Max Trossmann. Daniel Suter, als ehemaliger Redaktor des «Tages-Anzeiger», und Jan Grüebler, ehemaliger Redaktor bei «Tages-Anzeiger Online», traten in den Ausstand.

F. Die 3. Kammer behandelte die Beschwerde an ihrer Sitzung vom 8. September 2010 sowie auf dem Korrespondenzweg.

II. Erwägungen

1. a) Dem Presserat stellen sich in diesem Fall Fragen, die er so gelagert bisher nicht zu entscheiden hatte. Die Fragen lauten: Durfte der «Tages-Anzeiger» einen Artikel über einen Haftpflichtfall auch dann bringen, wenn die Eltern, die den Grossteil des Stoffs geliefert hatten, ihm dies ausdrücklich untersagen? Haben Informanten ein Recht auf Rückzug und gilt dieses absolut oder ist es relativ?

b) Der Presserat hat sich zwar bisher noch nie ausdrücklich zur Frage eines Rückzugs von Informationen geäussert. Er hat sich im Zusammenhang mit Interviews und Recherchegesprächen aber schon mehrmals mit dem Thema Rückzug von Äusserungen befasst.

Die Stellungnahme 1/1996 hält fest, dass ein gestaltetes Interview immer für die Öffentlichkeit bestimmt ist, die Aussagen des Interviewten nicht privater Natur sind und dieser sie somit nicht beliebig zurücknehmen kann. Entsprechend bestimmt die Richtlinie 4.5 zur «Erklärung» die Regeln bei Interviews: Der Interviewte kann seine Äusserungen zwar autorisieren, Irrtümer und Rechtswidrigkeiten korrigieren sowie kleinere redaktionelle und sprachliche Änderungen vorschlagen. Aber er darf den Sinn seiner Aussagen nicht verändern, ganze Fragen und Antworten streichen oder neue erfinden.

Dies gilt analog auch für Aussagen, Statements und Indiskretionen, die ein Journalist im Rahmen einer Recherche gewonnen hat. Solche Äusserungen darf man nicht zur Unzeit zurückziehen, zum Beispiel weniger als zwei Stunden vor Ausstrahlung einer Fernsehsendung oder kurz vor Andruck einer Publikation. In der Stellungnahme 7/2001 entschied der Presserat, ein zeitlich unlimitierter Rückzug eines Statements sei nur dann zu berücksichtigen, wenn die Parteien dies zuvor ausdrücklich vereinbart hätten. Denn ein unlimitiertes Rückzugsrecht würde die Arbeit der Journalisten ungebührlich erschweren.

In einem weiteren Entscheid (11/2010) hielt der Presserat jüngst fest, wer Medienschaffenden Informationen anvertraue, könne nicht erwarten, dass diese in Umfang und Stossrichtung unverändert veröffentlicht würden. Dies gelte insbesondere für Informationen von Interessenvertretern. Der Presserat empfahl den Redaktionen, ihre Informanten auf diese Spielregeln hinzuweisen.

c) Wie ist der konkrete Fall vor dem Hintergrund dieser Präjudizien zu beurteilen? War der Rückzug der Publikationszusage gerechtfertigt und für den TA bindend? Hat sich die Redaktion, indem sie sich darüber hinwegsetzte, unfair verhalten? Oder hatten die Beschwerdeführer mit ihrer Anfrage an den TA und der Übergabe der Dokumente den entscheidenden Schritt an die Öffentlichkeit längst getan?

Zwar lässt sich die Übergabe eines umfangreichen Dossiers durch einen Informanten an eine Redaktion nicht eins zu eins mit der Situation bei einem gestalteten Interview oder einem Rechercheinterview gleichsetzen. Trotzdem macht ein Informant nach Auffassung des Presserats bei der Kontaktnahme mit der Redaktion und der Preisgabe von Informationen ebenso wie bei einem Interview oder einem Recherchegespräch einen entscheidenden Schritt Richtung Öffentlichkeit, der sich nicht willkürlich rückgängig machen lässt. Vorliegend hätte den Beschwerdeführern von Anfang an bewusst sein müssen, dass es für René Staubli nicht möglich und zumutbar war, umfangreiche Unterlagen zu studieren und ergänzend zu recherchieren, wenn er jederzeit damit rechnen musste, dass seine Informanten ihre Informationen nach Belieben zurückziehen könnten. Vielmehr muss ein derart weitgehendes Rückzugsrecht – auf das sich eine Redaktion nur unter ganz besonderen Umständen einlassen dürfte – zwischen Informant und Journalist wenn schon ausdrücklich vereinbart werden.

Nach Auffassung des Presserates haben Informanten kein absolutes Verfügungsrecht an Informationen, die sie einer Redaktion offengelegt haben. Dies liefe dem Prinzip des freien Informationsflusses fundamental zuwider. Und es würde die Gefahr einer Zensur heraufbeschwören. Daraus ist aber nicht abzuleiten, dass eine Redaktion mit einem ihr anvertrauten Dossier beliebig umgehen darf. Vielmehr gebietet das Fairnessprinzip, dass Journalistinnen und Journalisten den berechtigten Wünschen und Anliegen der Informanten Rechnung tragen, soweit dies unter Berücksichtigung des öffentlichen Informationsinteresses verhältnismässig erscheint. Dabei sollten die Redaktionen die Rollenverteilung und die unterschiedlichen Funktionen von Journalist und Informant von Anfang an klar machen. Informanten sind darauf hinzuweisen, dass Journalistinnen und Journalisten zwar anwaltschaftlich und parteiergreifend berichten dürfen, Informationen aber weder kritiklos, ungeprüft übernehmen noch selber Partei werden sollten.

Anhand der von den Parteien eingereichten Unterlagen kann der Presserat nicht beurteilen, ob der TA den Beschwerdeführern diese Spielregeln von Anfang an genügend klar machte. Umgekehrt zeigen jedoch bereits die ersten E-Mails der Parteien unmissverständlich, dass die Beschwerdeführer ihren Fall via TA öffentlich machen wollten. Dabei musste ihnen bewusst sein, dass der Journalist eigene Wertungen und Gewichtungen sowie gegebenenfalls ergänzende Recherchen einfliessen lassen wird.

Im weiteren Verlauf der Zusammenarbeit bis zum Rückzug der Informationen ist für den Presserat zudem erstellt, dass sich René Staubli an faire, journalistische Gepflogenheiten hielt. Er unterbreitete den Entwurf der Artikel zur Prüfung der Fakten vor der Publikation den Beschwerdeführern und bemühte sich auch um eine Stellungnahme der Mobiliar. Zudem orientierte der Reporter seine Informanten am Vorabend des Erscheinens der ersten Folge am 25. März 2010 über den Entscheid zur Publikation und die Gründe dafür.

Der Rückzug der Informanten ist für den Presserat sachlich nicht nachvollziehbar. Daher durfte der «Tages-Anzeiger» in Abwägung der Interessen das öffentliche Interesse an der Publikation der Mobiliar-Geschichte höher gewichten als das Interesse der Eltern, das Erscheinen des Artikels zu verhindern, weil der ihren Standpunkt nach ihrer Meinung zu wenig deutlich vertrat und zudem entgegen ihrem ausdrücklichen Wunsch die Versicherungssumme nannte. Zumal die beiden TA-Berichte die Geschichte soweit wie möglich anonymisierten, so dass nicht die konkreten beteiligten Personen, sondern allein der tragische Unglückfall und seine weitreichenden Folgen sowie der aufreibende langjährige Kampf der Eltern mit der Versicherung im Vordergrund stehen.

Nach Auffassung des Presserats ist die Artikelfolge sachlich korrekt verfasst, der Stil ist nüchtern, lässt die Fakten für sich sprechen; aber die Artikel sind nicht ohne Empathie für die Geschädigten geschrieben. Dass der Reporter darauf bestand, alle wesentlichen Fakten einzubeziehen – insbesondere auch die hohe Summe, um die es ging – und Distanz zum Thema zu wahren, ist aus journalistischer Sicht berechtigt. Der Presserat kommt deshalb bei einer Gesamtwürdigung zum Schluss, dass der «Tages-Anzeiger» mit der Publikation des Haftpflichtfalls das Fairnessprinzip nicht verletzt hat.

2. Die Beschwerdeführer beanstanden weiter, verletzt sei die Pflicht zur Lauterkeit der Recherche (Ziffer 4 der «Erklärung»), indem René Staubli höchst vertrauliche Informationen unlauter erworben und verwertet habe. Für die Prüfung dieses Vorwurfs ist es dienlich, den Verlauf der lange Zeit nicht untypischen, dann aber abrupt endenden Beziehung zwischen Informationsgebern und Journalist nachzuzeichnen.

Das Ehepaar X./Y. gelangt Ende November 2009 an den TA und seinen Reporter René Staubli. Rasch kommt man sich näher, ist sich sympathisch, trifft sich zu Gesprächen, übergibt das Dossier, wird sich handelseinig, dass der TA den Fall publizieren soll. Alles scheint auf guten Wegen. Zu dieser Zeit willigen die Eltern nach anfänglichem Sträuben sogar ein, dass ihre Namen genannt werden und der TA ein Foto ihrer Tochter bringt.

Dann schickt Staubli am 15. Januar 2010 den Entwurf seiner Artikel zur Prüfung. Die Eltern reagieren «ehrlich gesagt … erschrocken. Wir haben uns und unser Anliegen nicht wieder gefunden. Der Leser müsste den Eindruck gewinnen, wir seien rachsüchtig und kohlegeil.» Sie mailen Staubli ihren ausformulierten Gegenvorschlag. Nun ist dieser konsterniert und antwortet mailwendend nach Lektüre der ersten beiden Textabschnitte: «Ich glaube, Sie sitzen da einem Missverständnis auf. Nicht Sie schreiben den Artikel, sondern ich. … Der Fall ist für mich erledigt.» Nachdem er den ganzen Text gelesen hat, schiebt er wenig diplomatisch nach, es handle sich um «eine unsägliche PR-Sause. Das hat nichts mit Journalismus zu tun.» (Alle Zitate aus Mails vom 20. Januar.)

Zwei Tage später versucht der Reporter nochmals, eine Basis zu finden, man verhandelt wieder. X./Y. wollen vor allem nicht, dass die bezahlte Summe genannt wird. Und fragen immer nach der Absicht, die Staubli mit seiner Geschichte verfolge.

Am 1. Februar 2010 entziehen die Eltern dem TA-Journalisten die Vollmacht, bei der Mobiliar Informationen zu ihrem Fall zu erfragen, am 2. Februar machen sie Schluss und verlangen ihr Dossier zurück: «Wir untersagen Ihnen, von den erhaltenen Informationen in irgend einer Form Gebrauch zu machen, namentlich sie an Dritte weiter zu geben.» Staubli quittiert fünf Minuten darauf trocken: «Ich nehme das so zur Kenntnis.»

Der Presserat kann bei diesem Ablauf nicht erkennen, dass sich der recherchierende Reporter die Informationen zu seinen Artikeln unlauter erschlichen hätte. Die Informationen wurden ihm von den Eltern zur Verfügung gestellt beziehungsweise hat er sie offen dazurecherchiert. Eine Verletzung von Ziffer 4 der «Erklärung» ist deshalb zu verneinen.

3. Nicht verletzt ist schliesslich auch Ziffer 7 der «Erklärung» (Respektierung der Privatsphäre). Denn der TA hat bei der Endfassung der Artikel sorgsam darauf geachtet, die persönlichen Angaben über die Geschädigten so gut wie möglich zu anonymisieren.

III. Feststellungen

1. Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. Der «Tages-Anzeiger» hat mit den Artikeln vom 25. und 26. März 2010 über einen Haftpflichtfall, die er entgegen dem Willen seiner Informanten publizierte, weder das Gebot der Fairness gemäss der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verletzt noch die Ziffern 4 (unlautere Recherche) und 7 (Privatsphäre) der «Erklärung».

3. Kontaktiert ein Informant eine Redaktion und gibt dabei einem Journalisten vertrauliche Informationen für eine von ihm gewünschte Berichterstattung preis, so macht er einen entscheidenden Schritt Richtung Öffentlichkeit. Ein absolutes, zeitlich unbefristetes Recht, die Informationen zurückzuziehen und deren Veröffentlichung zu untersagen ist dann nicht gegeben. Es gälte nur, wenn Informant und Journalist dies ausnahmsweise ausdrücklich vereinbaren.