Nr. 33/2025
Trennung zwischen redaktionellem Teil und Werbung

(X. c. «nau.ch»)

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I. Sachverhalt

A. Am 8. November 2024 veröffentlichte «nau.ch» einen Text mit dem Titel «Weniger Verkehr in den Dörfern – das hilft allen». Der Text lief unter der Autorenzeile «JA zur Sicherung der Nationalstrassen» und wurde sowohl auf der Plattform «nau.ch» als auch auf den News-Bildschirmen im öffentlichen Verkehr geteilt. Auf den Bildschirmen standen über einem Staubild die Aussagen «Stau erhöht Ausweichverkehr durch Gemeinden und erhöht das Unfallrisiko» sowie «Mehr Kapazität auf der Autobahn reduziert Stau und erhöht die Verkehrssicherheit», ohne weitere Einbettung. In der oberen rechten Ecke war in Rot «Sponsored Content» erkennbar, in Grün das Logo der VorlagenbefürworterInnen. Der Artikel auf «nau.ch» ist ausführlicher. Im Lead ist erkennbar, dass es um die Volksabstimmung vom 24. November 2024 geht, bei welcher die BefürworterInnen angeben, das Ziel der Nationalstrassenvorlage (Bundesbeschluss über den Ausbauschritt 2023 für die Nationalstrassen) sei die Reduzierung von Stau und Ausweichverkehr, indem die Nutzung der Nationalstrassen priorisiert werde. Das sorge für Ruhe und Sicherheit. Von einem Strassenausbau, wie es die Abstimmungsvorlage vorsehe, würden alle profitieren: Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft. Der Artikel enthält weiter ein Umfrage-Tool, bei welchem die LeserInnen angeben können, wie sie am 24. November 2024 abstimmen werden. Der Text endet mit dem Satz: «Wollen auch Sie weniger Ausweichverkehr, sichere Schulwege und Velorouten in Gemeinden? Dann sagen Sie am 24. November 2024 JA.» In der URL und über dem Artikel ist ersichtlich, dass es beim Beitrag um «Sponsored Content» geht, die Autorenzeile ist mit einem grünen Logo versehen.

B. Am 20. November 2024 reichte X. beim Schweizer Presserat Beschwerde gegen den Artikel auf «nau.ch» und auf den News-Bildschirmen im öffentlichen Verkehr ein. X. macht einen Verstoss gegen Ziffer 10 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (nachfolgend: «Erklärung») beziehungsweise Richtlinie 10.1 (Trennung zwischen redaktionellem Teil und Werbung) geltend. Dass es sich um bezahlte Inhalte handle, werde ganz bewusst verwischt. Grafisch sei der Beitrag identisch mit den übrigen redaktionellen Beiträgen auf «nau.ch». Auf den News-Bildschirmen sei die Autorenschaft überhaupt nicht erkennbar gewesen, um diese Information zu erhalten, habe der Text auf der Plattform gesucht werden müssen. Weiter habe «nau» die Ziffer 5 (Berichtigung) der «Erklärung» sowie die Richtlinien 2.2 (Meinungspluralismus), 2.3 (Trennung von Fakten und Kommentar), 2.4 (öffentliche Funktionen), 3.4 (Illustrationen) und 9.1 (Unabhängigkeit) verletzt.

C. Am 5. März 2025 nahm die Medienstelle der Nau media im Namen der Redaktion Stellung. Der Artikel sei als «Sponsored Content» deklariert: Auf dem Teaserbild auf der Online-Plattform, in der Autorenzeile und im Pfad oberhalb des Titels. Auch auf den News-Bildschirmen im ÖV sei der Beitrag als Werbung deklariert.

D. Am 24. April 2025 teilte der Presserat den Parteien mit, die Beschwerde werde gemäss Artikel 13 Abs. 1 seines Geschäftsreglements vom Präsidium behandelt, bestehend aus Susan Boos, Präsidentin, Annik Dubied, Vizepräsidentin, Jan Grüebler, Vizepräsident, und Ursina Wey, Geschäftsführerin.

E. Das Präsidium des Presserats hat die vorliegende Stellungnahme am 15. August 2025 verabschiedet.

II. Erwägungen

1. Gemäss Art. 17 Abs. 2 des Geschäftsreglements des Schweizer Presserats steht es dem Presserat frei, sich in seinen Stellungnahmen auf die wesentlichen Beschwerdegründe zu beschränken. Der Presserat konzentriert sich vorliegend auf den Hauptpunkt der Beschwerde, die Verletzung von Richtlinie 10.1 (Trennung zwischen redaktionellem Teil und Werbung), auf die restlichen Vorhaltungen tritt er nicht ein.

2. Ziffer 10 der «Erklärung» verlangt von Journalistinnen und Journalisten, dass sie jede Form von kommerzieller Werbung vermeiden und keinerlei Bedingungen von Seiten der Inserentinnen und Inserenten akzeptieren. Die deutliche Trennung zwischen redaktionellem Teil/Programm und Werbung bzw. bezahltem oder durch Dritte zur Verfügung gestelltem Inhalt ist für die Glaubwürdigkeit der Medien unabdingbar. Inserate, Werbesendungen und bezahlte oder durch Dritte zur Verfügung gestellte Inhalte sind gestalterisch von redaktionellen Beiträgen klar abzuheben. Sofern sie nicht optisch/akustisch eindeutig als solche erkennbar sind, müssen sie explizit als Werbung deklariert werden. Journalistinnen und Journalisten dürfen diese Abgrenzung nicht durch Einfügen von Schleichwerbung in der redaktionellen Berichterstattung unterlaufen (Richtlinie 10.1 – Trennung zwischen redaktionellem Teil und Werbung, vgl. Stellungnahme 47/2022, die die bisherige Praxis des Presserats zu diesem Thema zusammenfasst).

Sowohl auf den News-Bildschirmen im ÖV als auch im Teaser-Hinweis auf der Startseite «nau.ch» ist erkennbar, dass es sich um bezahlte Werbung handelt. In der Online-Version des Artikels auf «nau.ch» allerdings ist der Hinweis, dass es sich beim Beitrag um Werbung handelt, nur im Pfad zum Text erkennbar (Home > Intern > Sponsored Content). Dieser Pfad verschwindet zudem beim Scrollen durch den Text. Ansonsten ist kein Unterschied zu redaktionellen Beiträgen ersichtlich, weder in der Gestaltung noch in der Kennzeichnung. Die explizite Deklaration als Werbung ist im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Richtlinie 10.1 (Trennung zwischen redaktionellem Teil und Werbung) ist verletzt.

3. Auf den 1. Januar 2025 wurde Richtlinie 10.1 verschärft. Seither verlangt der Presserat, dass nicht-redaktionelle Beiträge, die im Umfeld redaktioneller Beiträge erscheinen, eindeutig gekennzeichnet sind und in erkennbar anderer Gestaltung daherkommen. Bislang war nur ein Entweder-oder verlangt worden. Die Beschwerde ging vor Inkrafttreten der Revision ein, weshalb der Presserat die Beschwerde noch nach der alten Version entschieden hat.

III. Feststellungen

1. Der Presserat heisst die Beschwerde gut, soweit er darauf eintritt.

2. «nau.ch» hat mit dem Beitrag «Weniger Verkehr in den Dörfern – das hilft allen» vom 8. November 2024 die Ziffer 10 (Trennung zwischen redaktionellem Teil und Werbung) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verletzt.