Nr. 14/2021
Wahrheit / Entstellen von Tatsachen / Nicht gerechtfertigte Anschuldigungen

(X. c. «Berner Zeitung» et al.)

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I. Sachverhalt

A. Am 8. September 2020 veröffentlichte die «Berner Zeitung» sowie zuvor am 31. August verschiedene weitere Zeitungen des Tamedia-Verbundes (unter anderen: «Tages-Anzeiger», «Bund») einen Artikel von Alexandra Bröhm und Felix Straumann mit dem Titel «Haben die Corona-Skeptiker recht?». Dieser befasst sich mit dem Buch «Corona Fehlalarm?», welches den ersten Platz der deutschen und Schweizer Bestsellerlisten erreicht hatte. Im Untertitel wird angekündigt «Wir überprüfen einige Hauptaussagen daraus auf ihren Wahrheitsgehalt». Der Artikel stellt einleitend fest, dass das Autoren-Ehepaar Karina Reiss und Sucharit Bhakdi schon seit Frühling die Corona-Massnahmen bekämpfe und auch schon auf der Website des Verschwörungstheoretikers «KenFM» aufgetreten sei. «Corona Fehlalarm?» sei ein in anklagendem Grundton verfasstes, in polemischer Art verfasstes Buch, welches sich vor allem auf Untersuchungen aus der Anfangszeit der Pandemie stütze und auf neuere, wichtige Untersuchungen nicht eingehe. Die Universität Kiel, an welcher die Autorin Karina Reiss tätig sei, habe sich bereits offiziell von dem Werk distanziert.

Im Folgenden untersucht der Artikel fünf Aussagen des Buches und bewertet sie abschliessend je mit einer Skala, einem Diagramm, das von links, rot («falsch») bis rechts, grün («richtig») reicht:
– Das Buch behaupte, Masken brächten nichts und seien sinnlos. Dazu sei zwar durchaus anzumerken, dass noch nicht vollends abgeklärt sei, ob Menschen noch ohne Symptome ansteckend sein könnten, es gebe aber genug Indizien, dass dies der Fall sei. Vor allem aber sei klar, dass Masken Viren zurückhalten könnten. Die Behauptung des Buches wird entsprechend mit «falsch», rot auf der Skala, gewertet.
– Das Buch behaupte, das Virus sei nicht besonders gefährlich und mit der Grippe zu vergleichen. Diese Behauptung stützten die Autoren – so der Artikel – auf eine Studie, welche nur Fälle bis zum 2. März 2020 erfasst habe, als die Pandemie überhaupt erst richtig begonnen habe. Seither seien unzählige weitere Studien erschienen, welche im Buch nicht erwähnt würden. Gemäss aktuellem Stand der Dinge gingen die meisten Forscher von einer Infektionssterblichkeit – Dunkelziffer mit eingerechnet – von 0,5 bis 1 Prozent aus, verglichen mit 0,1 Prozent bei der Grippe. Die Behauptung des Buches wird deswegen ebenfalls mit «falsch», rot, taxiert.
– Die dritte im Artikel aufgegriffene Behauptung des Buches lautet: Die meisten sterben nicht an Covid-19, sondern mit dem Virus. Hier wird die Behauptung des Buches kritisiert, wonach Verstorbene mit dem Virus jeweils als Corona-Opfer gezählt würden, egal woran sie effektiv gestorben seien. Das sei – so der Artikel – falsch, es werde bei der Beurteilung von Todesfällen auf einen Corona-Bezug, respektive auf entsprechende Symptome abgestellt.
– Die vierte untersuchte These: Der Schaden einer Corona-Impfung wäre grösser als jeder denkbare Nutzen. Diese Behauptung wird als ziemlich falsch taxiert. Zwar stimme es, dass mit sehr hohem Tempo an den Impfstoffen gearbeitet werde, was in der Tat ein beträchtliches Risiko berge, aber die Behauptung, dass Impfstoffe die zelluläre Immunantwort nicht verstärken könnten, sei durch die bisherigen Versuche mit diesen Stoffen längst widerlegt: Bewertung: «ziemlich falsch», heller rot.
– Und die fünfte These des Buches, die im Artikel untersucht wird: Der Lockdown sei überflüssig gewesen. Diese These wird als klar falsch bewertet. Die Experten in der Schweiz seien sich einig, dass der Lockdown Tausende Menschenleben gerettet habe. Und auch das Beispiel Schweden mit seinen Massnahmen, aber ohne Lockdown, und den entsprechend höheren Todeszahlen zeige, dass die Behauptung in dieser absoluten Form falsch sei.

B. Am 16. September 2020 reichte X. Beschwerde beim Schweizer Presserat ein, ergänzt am 25. September 2020 durch vom Presserat angeforderte Präzisierungen. Sie macht geltend, der Artikel verletze die Ziffern 1 (Wahrheit), 3 (Entstellung von Tatsachen) und 7 (sachlich nicht gerechtfertigte Anschuldigungen) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (nachfolgend «Erklärung»).

Die Beschwerdeführerin (BF) führt insgesamt 13 Textstellen auf, in denen sie 16 Verstösse gegen die «Erklärung» sieht.

Der Titel («Haben die Corona-Skeptiker recht?») und die farbigen Balken enthielten ungerechtfertigte Anschuldigungen (Ziffer 7). Konkret: Der Ausdruck «Corona-Skeptiker» beinhalte den Vorwurf von Verschwörungstheorie und Rechtsextremismus, die Balken mit ihren negativen Beurteilungen suggerierten, dass das ganze Buch aus Falschaussagen bestehe.

Der Untertitel («Wir überprüfen einige Hauptaussagen daraus auf ihren Wahrheitsgehalt») erwecke den Eindruck, dass man hier über die wichtigsten Aussagen des Buches informiert werde. Das sei aber nicht der Fall, daher verstosse der Text gegen die Ziffer 1, die Wahrheitspflicht.

Die Feststellung, wonach sich die Universität Kiel mit einem offiziellen Statement vom Buch (ihrer Mitarbeiterin, der Presserat) distanziert habe, entspreche nicht der Wahrheit (Verstoss gegen Ziffer 1). Hinsichtlich ihrer kritischen Feststellungen zur – laut Buch –«sinnlosen» Maskenpflicht» gäben die Autoren keine Quellen an (Verstoss gegen Ziffer 3), zudem sei es nicht wahr, dass sich im Labor nachweisen lasse, dass Masken Viren zurückhalten könnten (Verstoss Ziffer 1).

Das Zitat des Epidemiologen Andrew Azman stelle einen Bezug her mit der Genfer Studie zur Anzahl Menschen mit Antikörpern. Dieser sei falsch und unterschlage Wichtiges: Zum einen sei Azman nur einer von 25 Beteiligten an der Studie und zum anderen habe die Studie nichts mit der Gefährlichkeit von Corona zu tun, sondern mit der Frage der Herden-Immunität (Ziffer 3).

Die Aussage im Artikel, wonach die Infektionssterblichkeit von Covid bei 0,5 bis 1 Prozent liege, im Gegensatz zur Grippe mit 0,1 Prozent, sei falsch, die beiden Werte würden verschieden berechnet. (Verstoss Ziffer 1), ebenso sei die Feststellung im Artikel falsch, wonach jährlich 5 bis 20 Prozent an Grippe erkrankten, während das bei Covid sehr viel mehr sein könne (Verstoss Ziffer 1). Ernsthaft seien an Covid viel weniger Menschen erkrankt, nur 0,06 Prozent der Bevölkerung seien hospitalisiert worden.

Die These im Buch, wonach die meisten Menschen nicht an, sondern mit dem Virus gestorben seien, sei belegt und von den beiden Journalisten sogar später im Text bestätigt worden. Die Kritik des Artikels an der Behauptung des Buches, wonach Corona-Impfungen mehr schaden als nützen dürften, impliziere, dass die beiden Buchautoren keine seriösen Wissenschaftler seien (Ziffer 7, ungerechtfertigte Anschuldigung). Weiter entspreche es einer Entstellung von Tatsachen, wenn der Artikel behaupte, Impfstoffe könnten eine zelluläre Immunantwort sehr wohl verstärken, anders als das Buch behaupte (Ziffer 3).

Der Satz, Experten seien sich einig, der Lockdown in der Schweiz habe Tausende Leben gerettet, sei ohne Quellenangabe geblieben (Verstoss Ziffer 3) und die Aussage zu Schweden (so viele Tote wie seit 150 Jahren nicht mehr) sei falsch. 2019 seien dort 88’000 Menschen verstorben, im ersten Halbjahr 2020 4300 (Verstoss Ziffer 1).

C. Mit Beschwerdeantwort vom 13. Januar 2021 beantragte die Rechtsabteilung der TX Group (Beschwerdegegnerin, BG), welcher Tamedia und damit die fraglichen Zeitungen gehören, die Beschwerde sei abzuweisen.

Sie macht zu den einzelnen Vorwürfen geltend:
– Die Bezeichnung «Corona-Skeptiker» sei gerechtfertigt, der Titel des besprochenen Buches heisse «Corona Fehlalarm?», was bereits eine Corona-skeptische Haltung signalisiere, der Inhalt bestätige diese dann eindeutig.
– Der Vorwurf, der Artikel decke nicht, wie in der Einleitung angedeutet, alle Hauptaussagen des Buches ab, gehe fehl. Dort werde sogar ausdrücklich darauf hingewiesen, dass «einige der Hauptaussagen» aufgegriffen würden. Das werde denn auch getan und zwar werde das an Argumenten aufgegriffen, was von den Skeptikern immer wieder angeführt werde.
– Es sei falsch, wenn die Beschwerdeführerin behaupte, die fünf Balken mit den negativen Bewertungen erzeugten den Eindruck, das ganze Buch bestehe aus Falschaussagen. Zwar komme der Artikel zum Schluss, dass in den fünf untersuchten Punkten falsche Aussagen vorlägen, damit werde aber keine Aussage über den gesamten Inhalt des Buches verbunden.
– Dass den beiden Autoren jede wissenschaftliche Kompetenz abgesprochen werde, treffe nicht zu. Hingegen sei es sehr wohl so, dass die berufliche Expertise der beiden Autoren woanders liege als bei Infektionen durch Viren (nämlich bei Dermatologie und Blutgefäss-Ablagerungen), und dass es gerade diese beiden seien, welche umgekehrt der Mehrheit der Experten jede Kompetenz absprächen.
– Es treffe sehr wohl zu, dass die Universität Kiel sich ausdrücklich und offiziell von der Arbeit ihrer Mitarbeiterin Reiss distanziert habe. Die entsprechende Verlautbarung ist der Beschwerdeantwort beigelegt.
– Wenn die BF mehrfach moniert, dass Feststellungen ohne Quellenangabe gemacht würden, dann entspreche dies nicht einem Verstoss gegen die Ziffer 3 der «Erklärung». Diese besage lediglich, dass die Quelle dem Journalisten, der Journalistin bekannt sein müsse, nicht, dass sie jeden Satz mit Quellenangabe versehen müssten. Ein Zeitungsartikel könne nicht den Anforderungen an eine wissenschaftliche Publikation entsprechen.
– Was den angeblich fraglichen Nutzen von Masken angeht, unterbreitet die BG verschiedene Quellen, welche den Wortlaut des Artikels stützen.
– Der Epidemiologe Azman werde nicht mit Bezug auf die «Genfer Studie» angeführt, sondern mit seiner wörtlich zitierten Einschätzung, dass Covid-19 eine «viel ernstere Krankheit sei als die saisonale Grippe». Die Genfer Studie werde nur angeführt als Erläuterung zur Person und ihrem Fachgebiet. Die Zahlen, welche belegten, dass Covid-19 eine deutlich höhere Sterblichkeit mit sich bringe als eine saisonale Grippe, stammten vom Epidemiologen Christian Althaus und hätten schon im Juni 2020 vorgelegen. Seither hätten sie sich bestätigt.
– Die These im besprochenen Buch: «Die meisten sterben nicht an Covid-19, sondern mit dem Virus» werde im Artikel zurecht kritisiert. Ein Beleg, den die Buchautoren für ihre These vorlegen, sei – wie im Artikel kritisiert – eine Verkürzung eines längeren Zitats aus «The Telegraph», das, vollständig zitiert, einen anderen Sinn ergebe. Auch die Belegstelle im Buch, welche zeigen soll, dass Corona stark saisonal aktiv sei, halte einem kritischen Blick nicht stand.
– Auch beim Thema «Der Schaden einer Corona-Impfung wäre grösser als der Nutzen» habe die BG keine Tatsachen entstellt. Dort geht es um die Behauptung im Buch, dass Impfstoffe die zelluläre Immunantwort grundsätzlich nicht verstärken könnten. Die BG verweist auf Marcel Tanner, Präsident der Akademien der Wissenschaften Schweiz, auf einen Artikel im «Deutschen Ärzteblatt» sowie auf eine Studie in «Science», welche allesamt erläutern, auf welche Weise moderne, mRNA- und DNA-Impfstoffe «zelluläre Immunantworten induzieren». Auch zur Widerlegung der These «Der Lockdown war überflüssig» wird als Beleg auf eine Studie im Wissenschaftsmagazin «Nature» verwiesen. Was in diesem Zusammenhang die Todeszahlen in Schweden betreffe, so verweist die BG auf das Statistische Amt Schwedens, welches im Zusammenhang mit dem geringsten Bevölkerungswachstum seit 15 Jahren davon berichtet, dass die Zahl der Toten im ersten Halbjahr mit 51’405 seit 1869 nie mehr so hoch gewesen sei wie 2020.

D. Am 26. Februar 2021 teilte der Presserat den Parteien mit, die Beschwerde werde vom Presseratspräsidium behandelt, bestehend aus der Präsidentin Susan Boos sowie den Vizepräsidenten Dominique von Burg und Max Trossmann.

E. Das Presseratspräsidium hat die vorliegende Stellungnahme per 31. März 2021 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.

II. Erwägungen

1. Der Ausdruck «Corona-Skeptiker» im Titel des Artikels ist allein schon angesichts des Titels des dort besprochenen Buches («Corona Fehlalarm?»), insbesondere aber angesichts der darin vertretenen Thesen gerechtfertigt. Die Autoren sind sogar deutlich mehr als nur «skeptisch», wenn es um die Gefährlichkeit des Covid-19-Virus geht. Der verwendete Ausdruck verstösst deshalb nicht gegen Ziffer 7 der «Erklärung». Dasselbe – kein Verstoss gegen Ziffer 7 – gilt für die Darstellung der Ergebnisse zu den fünf ausgewählten Thesen mittels fünf Balkendiagrammen: Dass in fünf Punkten deutliche Kritik geübt wird, impliziert nicht, dass der ganze Inhalt des Buches, sozusagen von vorne bis hinten, falsch sei, wie die BF das geltend macht.

2. Dasselbe gilt für den Untertitel: Wenn dort gesagt wird «Wir überprüfen einige Hauptaussagen auf ihren Wahrheitsgehalt», dann wird – anders als von der BF moniert – nicht angekündigt, der Artikel fasse alle wichtigsten Aussagen des Buches zusammen. Es ist ausdrücklich von «einigen» Aussagen die Rede. Kein Verstoss gegen die Ziffer 1.

3. Der BF ist auch nicht zuzustimmen, wenn sie sagt, der Satz, die medizinische Fakultät der Uni Kiel habe sich nicht von diesem Buch distanziert, die gegenteilige Behauptung der BF verstosse gegen die Ziffern 1 und 3: Die von der BG vorgelegte Erklärung der Universität Kiel ist eine unmissverständliche, offizielle, mit dem Logo der Medizinischen Fakultät der Universität Kiel versehene, relativ breit gestreute Erklärung. Sie stellt fest: «… das Buch beider Autoren enthält nach Auffassung der Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer tendenziöse Aussagen, die die wissenschaftliche Sorgfalt medizinischer Forschung in Deutschland und international in Frage stellt». Das ist eine klare Distanzierung seitens der zuständigen Fakultät der Universität Kiel. Kein Verstoss gegen Ziffern 1 und 3, auch wenn später in der gleichen Erklärung ergänzt wird, dass es durchaus noch offene Fragen gebe.

4. Dass nicht zu jedem Satz Quellen angegeben werden in einem journalistischen Artikel, der den Stand der Erkenntnis auf einem bestimmten Gebiet zusammenfasst, verstösst nicht gegen die Ziffer 3 der «Erklärung». Diese verlangt, dass der Journalistin, dem Journalisten die Quelle einer Information bekannt ist. Die Erklärung der BG zum Thema «Masken bringen nichts und sind sinnlos» sind in diesem Sinne nicht problematisch, die Beschwerdegegnerin hat in ihrer Beschwerdeantwort verschiedene Quellen zu diesem Sachverhalt unterbreitet.

Die Beschwerdeführerin kritisiert in diesem Zusammenhang weiter, es sei unwahr, zu behaupten, dass auch einfache Masken aus Textil Viren zurückhalten können, wie der Artikel dies behaupte, das verstosse gegen die Ziffer 1 der «Erklärung». Sie stützt das ab auf eine Erklärung des deutschen Bundesministeriums für Arzneimittel und Medizinprodukte vom 26. Juni 2020. Dort heisse es, Stoffmasken nützen nichts.

In der (undatierten) Version der «Hinweise des BfArM zur Verwendung von Mund-Nasen-Bedeckungen, medizinischen Gesichtsmasken sowie partikelfiltrierenden Halbmasken (FFP-Masken)», die dem Presserat online zugänglich ist, heisst es: «Alltagsmasken erbringen nicht die in den technischen Normen definierten Leistungsnachweise, wie sie für medizinische Gesichtsmasken und partikelfiltrierende Halbmasken gefordert sind. Sie bieten also in der Regel weniger Schutz als diese regulierten und geprüften Maskentypen. Das bedeutet aber nicht, dass sie keine Schutzwirkung haben. International gibt es zahlreiche wissenschaftliche Veröffentlichungen, die die gewonnenen Erfahrungen über die Wirksamkeit der Mund-Nasen-Bedeckungen im Sinne eines allgemeinen Bevölkerungsschutzes bestätigen» (Hervorhebung durch den Presserat). Der Blick in die von der Beschwerdeführerin angegebene Quelle zeigt: Hier wurde kein Verstoss gegen Ziffer 1 glaubhaft gemacht.

5. Die Kritik der Beschwerdeführerin, wonach die Untersuchung des Epidemiologen Azman in Genf nichts mit der Gefährlichkeit von Corona zu tun habe, mag zwar zutreffen, nur hat die BG das im Artikel auch nicht behauptet. Sie zitiert Professor Azman wörtlich mit der Aussage, dass immer mehr Studien von überall ganz klar zeigten, dass Covid-19 eine viel ernstere Krankheit sei als die saisonale Grippe. Die Bemerkung über die Studie zur Antikörperentwicklung situiert den Professor und sein Fachgebiet und entspricht nicht einer inhaltlichen Stellungnahme zum angesprochenen Thema. Auch hier: kein Entstellen von Tatsachen, kein Verstoss gegen Ziffer 3 der «Erklärung».

6. Die BF kritisiert, dass die Zahlen, welche eine erhöhte Sterblichkeit bei Covid gegenüber der Grippe belegen sollen, nicht brauchbar seien, weil sie zwei Berechnungsarten einander gegenüberstellten, die nicht vergleichbar seien. Die Beschwerdegegnerin bestreitet dies mit Hinweis auf einen Twitter-Thread des Epidemiologen Christian Althaus vom Juni 2020 und damit, dass die entsprechenden, auch im Artikel aufgeführten Zahlen in der Zwischenzeit mehrfach bestätigt worden seien. Der Presserat kann wissenschaftlich-methodische Streitfragen nicht beurteilen oder klären, es steht Aussage gegen Aussage: Es ist entsprechend kein Entscheid über einen Verstoss gegen Ziffer 1 möglich.

7. Dasselbe gilt für die Angaben zur Sterblichkeit, insbesondere zur Anmerkung im Artikel über die erhöhte Sterblichkeit in Bergamo, welche die Beschwerdeführerin pauschal als falsch bezeichnet. Auch hier steht Aussage gegen Aussage, allerdings belegt die BG ihre Aussage zu Bergamo mit Aussagen des italienischen Statistischen Amtes. Dennoch: Keine Stellungnahme des Presserates möglich, ob gegen Ziffer 1 der «Erklärung» verstossen wurde.

8. Die Behauptung im Artikel, wonach die Autoren des Buches «bisweilen verkürzt oder gar falsch zitierten», wird von der BG in ihrer Antwort mit dem vollständigen Zitat der betreffenden Stelle im «Telegraph» klar belegt. Deswegen auch hier: kein Verstoss gegen Ziffer 7.

9. Gleiches gilt für die Kritik des Artikels an den Behauptungen im Buch, wonach «Impfstoffe die zelluläre Immunantwort grundsätzlich nicht verstärkten». Die Bemerkung, wonach das sehr wohl doch der Fall sei, ist seitens der BG in ihrer Antwort mit zwei glaubwürdigen Quellen belegt worden. Kein Verstoss gegen die Ziffer 3. Dass mit dem Satz «Darüber rätseln seriöse Wissenschaftler allerdings bis heute» eine sachlich nicht gerechtfertigte Anschuldigung (die Autoren des Buches also unseriös seien) verbunden sei, diese Lesart kann der Presserat nicht teilen. Insbesondere nicht im Kontext einer Passage, die angesichts von Zehntausenden gestaffelten Tests vor der Zulassung jeden Medikaments dennoch pauschal behauptet, der Schaden einer Corona-Impfung wäre grösser als der Nutzen. Kein Verstoss gegen Ziffer 7.

10. Wenn die Autoren des Buches davon sprechen, «Der Lockdown war überflüssig», dann erscheint dies angesichts der nach den Lockdowns jeweils geringeren Corona-Zahlen als mindestens sehr erstaunlich. Die BG legt in diesem Zusammenhang eine Studie vor, die in der Zeitschrift «Nature» veröffentlicht wurde und das Gegenteil belege.

Dasselbe gilt für die von der Beschwerdeführerin bestrittenen Zahlen in Schweden, wo zwar bestimmte Massnahmen, aber kein Lockdown beschlossen worden waren. Die dortige, von der BF bestrittene Zahl wird von der BG mit Angaben des Schwedischen Statistischen Amtes belegt. Dieses spricht von 51’400 Toten im ersten Halbjahr 2020. Angesichts dieser Zahl können die 4379 nicht zutreffen, welche die BF errechnet, hier handelt es sich vermutlich um einen Irrtum ihrerseits. Kein Verstoss gegen Ziffer 1.

III. Feststellungen

1. Der Presserat weist die Beschwerde ab.

2. Die «Berner Zeitung» und weitere Zeitungen von Tamedia haben mit dem Artikel «Haben die Corona-Skeptiker recht?» von Alexandra Bröhm und Felix Straumann die Ziffer 1 (Wahrheit), 3 (Entstellen von Tatsachen) und 7 (ungerechtfertigte Anschuldigungen) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» nicht verletzt.