Nr. 7/2021
Diffamierung / Trennung von Fakten und Kommentar

(X. c. «SRF Tagesschau»)

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I. Sachverhalt

A. Am 1. August 2020 sendete die «Tagesschau» von SRF einen Beitrag von Alexandra Gubser über eine Demonstration von Gegnern der Corona-Massnahmen in Berlin. Angekündigt wird er vom Moderator mit dem Hinweis, dass die Corona-Fallzahlen in vielen Ländern wieder am Steigen seien, dass sich dennoch gegen 20’000 Demonstrierende ohne Masken und ohne Einhaltung der Abstandsregeln versammelt hätten, um «das Ende der Pandemie» zu verkünden, ein «Protest für die Freiheit» und gegen die Politik der deutschen Regierung sei dies.

Im Beitrag werden die Teilnehmer als «bunter Mix aus Pandemieleugnern, Impfgegnern und Verschwörungstheoretikern» bezeichnet, die sich gegen die Einschränkungen während der Corona-Krise wehrten. Die Teilnehmer behaupteten, es gehe der Politik nicht mehr um das Virus, sondern darum, die Menschen zu entmündigen. Wie bei ähnlichen Protesten der letzten Wochen hätten sich «Nationalisten, selbst ernannte Reichsbürger und Rechtsradikale unter die Menge gemischt». Das Motto der Demonstration, «Tag der Freiheit», erinnere ungut an einen Propagandafilm der Nazi-Ikone Leni Riefenstahl mit dem gleichen Titel. Abschliessend werden je ein CDU- und eine SPD-Politikerin zitiert, welche die Demonstration scharf kritisierten, Jan Redmann aus Brandenburg mit den Worten, man könne sich angesichts von 1000 Neuinfektionen pro Tag diesen Blödsinn nicht mehr leisten, Saskia Esken habe von Covidioten gesprochen, welche mit dieser Demonstration nicht nur ihre Gesundheit, sondern die ganzen Erfolge bei der Bekämpfung der Pandemie gefährdet hätten.

B. Mit Eingabe vom 13. August 2020 reichte X. Beschwerde gegen diesen Beitrag beim Schweizer Presserat ein. Er kritisiert die Bezeichnung der Demonstrierenden als «Mix aus Pandemieleugnern, Impfgegnern und Verschwörungstheoretikern», die Feststellung, dass sich «Nationalisten, selbst ernannte Reichsbürger und Rechtsradikale unter die Menge gemischt» hätten und die scharf kritischen Zitate der beiden Politiker als tendenziös und diffamierend. Sie verstiessen, so der Beschwerdeführer (BF), gegen die Ziffer 8 (Diskriminierung) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (nachfolgend: «Erklärung») und gegen die Richtlinie 2.3 zur «Erklärung», welche die Trennung von Fakten und Kommentar verlangt. Der BF zitiert hier Max Frisch, der darauf hingewiesen habe, dass man den Gegner in ein schlechtes Licht bringen müsse, um sich die inhaltliche Auseinandersetzung ersparen zu können.

C. Gemäss Art. 13 Abs. 1 des Geschäftsreglements behandelt das Presserats-präsidium, bestehend aus Dominique von Burg, Präsident, sowie Casper Selg und Max Trossmann, Vizepräsidenten, Beschwerden, auf die der Presserat nicht eintritt.

D. Das Presseratspräsidium hat die vorliegende Stellungnahme per 3. März 2021 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.

II. Erwägungen

1. Gestützt auf Art. 11 Abs. 1 seines Geschäftsreglements tritt der Presserat nicht auf eine Beschwerde ein, wenn diese offensichtlich unbegründet ist. Das ist hier der Fall.

2. Wenn der Beitrag die Zusammensetzung der Demonstrierenden als «Mix von Pandemieleugnern, Impfgegnern und Verschwörungstheoretikern» bezeichnet, so kann der Presserat darin keine Diffamierung erkennen. Es haben in führender Funktion Gruppierungen an dieser Demonstration teilgenommen, welche offen genau diese Positionen vertreten. GegnerInnen von Impfungen ganz generell, Menschen, welche rechtsextreme Positionen vertreten und insbesondere Leute, welche behaupten, es gebe Corona nicht oder die Krankheit bilde keine grössere Gefahr als eine herkömmliche Grippe. Ein an dieser Veranstaltung gesungener Slogan lautete: «Die einzige Verschwörungstheorie ist die Corona-Pandemie». Zu jenem Zeitpunkt war seit längerem bekannt, dass Corona eine gefährlichere Krankheit ist als die normale Grippe. Viele Zuschauer und Leserinnen empfinden zwar das Wort «Corona-Leugner» als diffamierend, verschiedene Medien verwenden deswegen den Ausdruck «Corona-Skeptiker». Aber die Anführer und Anführerinnen dieser Bewegung sind nicht «skeptisch», was die Gefährlichkeit und überhaupt die Existenz von «Corona» angeht, sondern sie bestreiten sie. Der Duden definiert «leugnen» als das Bestreiten von Tatsachen, die von der Lehre oder einer Weltanschauung oder Ähnlichem anerkannt werden. Dass es einzelne Wissenschaftler gibt, welche die Gefährlichkeit von Corona bestreiten, ändert nichts daran, dass die Wissenschaft ganz grossmehrheitlich zu anderen Schlüssen gekommen ist. Entsprechend sieht der Presserat im Gebrauch des Verbs «leugnen» beim Bestreiten der Corona-Gefahr keinen Verstoss gegen die Wahrheitspflicht und auch keinen gegen das vom BF angerufene Diskriminierungsverbot (vgl. auch Stellungnahme 19/2020). Dass im Demonstrationszug auch Menschen mitgingen, die keine radikalen Thesen vertreten, ist wohl wahr. Aber der Ton, die Inhalte der Demonstration waren aufgrund der Aufrufe vor der Demonstration, der Transparente und der Slogans klar und im Beitrag richtig beschrieben.

3. Ebenso kann der Presserat keinen Verstoss gegen Richtlinie 2.3 (Trennung von Fakten und Kommentar) erkennen. Wenn die drei Gruppierungen, welche innerhalb einer Demonstration – was Organisation und was die Transparente und Slogans betrifft – die Hauptrolle gespielt haben, explizit genannt werden, dann ist dies Berichterstattung und nicht Kommentar. Dass das Bild, das sich dabei ergibt, als bedenklich erscheint, liegt nicht an der Wertung der Autorin, sondern an der inhaltlichen Haltung der führenden Gruppierungen an der Demonstration.

Auch der Hinweis, dass die Demonstrierenden trotz der grossen Ansteckungsgefahr meist weder Masken trugen noch die vorgeschriebenen Abstände einhielten, entsprang nicht einem Kommentar, sondern einer Tatsachendarstellung.

Dass schliesslich zwei Stimmen aus zwei der grössten Parteien, eine links der Mitte, eine rechts davon, genannt werden, welche den Umzug angesichts der dort verkündeten Inhalte wie der damit entstandenen Ansteckungsgefahr scharf kritisieren, erscheint ebenfalls nicht kommentierend oder diffamierend. Ausser der AfD hatte keine der Parteien im politischen Spektrum Deutschlands Verständnis für die von den Demonstrierenden verkündete Haltung.

Die Beschwerde ist somit offensichtlich unbegründet.

III. Feststellung

Der Presserat tritt auf die Beschwerde nicht ein.