I. Sachverhalt
A. SRF hat am 24. Februar 2019 auf seiner Onlineseite einen Beitrag aufgeschaltet mit dem als Zitat gekennzeichneten Titel «Was für ein kranker Tyrann». Ein Beitrag der «Tagesschau» berichtet zunächst während 1 Minute und 25 Sekunden über das Chaos an den venezolanischen Grenzübergängen nach Kolumbien und Brasilien. Darin ist unter anderem der venezolanische Präsident zu sehen, der seine Haltung rechtfertigt und verkündet, dass die Nahrungsmittellieferungen, die an den Grenzen in Brand gesteckt worden sind, vergammelt gewesen seien, Venezuela werde von einer Intervention des US-Militärs bedroht. In der Folge wird online darüber berichtet, dass US-Aussenminister Mike Pompeo die Gewalt in Venezuela, insbesondere die Gewalt von Präsident Nicolàs Maduros Schlägern, in einem Tweet scharf verurteile, dass er sich den Forderungen nach Gerechtigkeit für die Opfer anschliesse. In einer zweiten Twitter-Botschaft verurteile er die Weigerung Maduros, humanitäre Hilfe ins Land zu lassen, er frage: «Was für ein kranker Tyrann verhindert, dass Nahrungsmittel zu Hungrigen gebracht werden?» Der Anblick von Lebensmitteltransportern, die in Flammen stehen, mache ihn krank. Die Quellen zur Berichterstattung über Pompeos Position werden im Faksimile gezeigt: zwei Tweets, illustriert mit Bildern von «Secretary Pompeo @SecPompeo». Weiter wird darüber berichtet, dass es in der Schweiz Demonstrationen mit ähnlichen Äusserungen des Protestes gegeben habe. Als Quelle der ganzen Berichterstattung wird am Ende des Beitrags «SRF4 News, 03:00 Uhr; srf/agenturen/halp;onnd» angegeben.
Am folgenden 25. Februar 2019 erschien an gleicher Stelle wieder ein Beitrag, der im Titel wieder ein kenntlich gemachtes Zitat enthielt: «Ich bin zuversichtlich, dass Maduros Tage gezählt sind». Dort wird zunächst wieder ein Beitrag der «Tagesschau» aufgeschaltet mit dem Untertitel: «Lima-Gruppe spricht mit USA über Venezuela-Krise», der in 3 Minuten 25 Sekunden Länge zum einen über das Treffen der Lima-Gruppe, über die Haltung der südamerikanischen Nachbarstaaten und über deren grossmehrheitliche Unterstützung der venezolanischen Opposition berichtet. Zum anderen wird in einem Gespräch mit der Korrespondentin über die Situation, insbesondere der Opposition, in Venezuela gesprochen.
Weiter berichtet SRF dann im Text online darüber, dass US-Vizepräsident Mike Pence nach Bogotà reise, um den venezolanischen Interimspräsidenten Juan Guaidó zu treffen. Pence wolle mit der Lima-Gruppe auf härtere Sanktionen gegen Maduro hinarbeiten. In einem Tweet sage er, es sei Zeit für ein freies und demokratisches Venezuela. Sodann ist davon die Rede, US-Aussenminister Pompeo gehe davon aus, Maduro müsse bald abdanken. In einem Interview mit Fox News schliesse Pompeo auch eine militärische Option nicht aus. Weiter wird auch hier wieder über die Lage in Venezuela und an dessen Grenzen informiert und über internationale Reaktionen. Ergänzt wird die Berichterstattung mit einem Länderporträt zu Venezuela. Die Äusserungen von Pence sind mit einem im Faksimile abgebildeten Tweet des Vizepräsidenten «Vice President Mike Pence @VP» dokumentiert.
B. Am 3. März 2019 reichte X. Beschwerde beim Presserat gegen die beiden Online-Beiträge ein. Er rügt beim ersten Artikel einen Verstoss gegen die zur «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (nachfolgend «Erklärung») gehörende Richtlinie 2.2 (Meinungspluralismus). Er begründet dies damit, dass SRF eine monopolähnliche Stellung habe. Angesichts dessen sei es nicht zulässig, nur die Meinung von Mike Pompeo abzubilden, eine freie Meinungsbildung sei so nicht möglich. Richtlinie 3.1 (Quellenbearbeitung) sei zudem verletzt, weil eine genaue Identifizierung der Quelle, respektive der Agenturen nicht möglich sei, da unter dem Artikel nur Kürzel angegeben seien. Und Ziffer 3 (Unterschlagung von Informationen) der «Erklärung» und Richtlinie 3.8 (Anhörung bei schweren Vorwürfen) seien verletzt, weil nur die Auffassung von Pompeo abgebildet werde. Diese Einseitigkeit unterschlage die Informationen der Gegenseite vollständig. Dies bilde auch einen Verstoss gegen die publizistischen Leitlinien von SRF.
Beim Artikel vom folgenden Tag kritisiert der Beschwerdeführer (BF) wieder den Verstoss gegen den Meinungspluralismus (Richtlinie 2.2), weil nur die Ansicht von Mike Pence zum Tragen komme, weiter einen Verstoss gegen die korrekte Quellenbearbeitung (Richtlinie 3.1) sowie die Tatsache, dass die Angabe der Quellen zu ungenau sei und gegen Ziffer 3 (Unterschlagung von Informationen) der «Erklärung», respektive Richtlinie 3.8 (Anhörung bei schweren Vorwürfen) verstosse.
C. Gemäss Art. 13 Abs. 1 des Geschäftsreglements behandelt das Präsidium des Presserats, bestehend aus dem Präsidenten Dominique von Burg, Vizepräsidentin Francesca Snider und Vizepräsident Max Trossmann, Beschwerden, auf die der Presserat nicht eintritt.
D. Das Presseratspräsidium hat die vorliegende Stellungnahme per 30. Dezember 2019 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.
II. Erwägungen
1. Gestützt auf Art. 11 Abs. 1 seines Geschäftsreglements tritt der Presserat nicht auf eine Beschwerde ein, wenn diese offensichtlich unbegründet ist.
2. Richtlinie 2.2 (Meinungspluralismus) stellt fest, dass ein Pluralismus von Meinungen wichtig für die demokratische Meinungsbildung sei. Bei Medien, die eine Monopol- oder eine regionale Vormachtstellung haben, sei der Meinungspluralismus «notwendig». Unabhängig von der Frage, wie weit SRF in der heutigen Medienlandschaft im Bereich der Onlineberichterstattung eine Monopolstellung innehat, ist festzustellen, dass diese Vorgabe nicht bedeuten kann, dass jeder einzelne Beitrag für sich eine Pluralität von Meinungen zu jedem angesprochenen Aspekt enthalten muss. Auf einer solchen Basis wäre eine Berichterstattung gar nicht möglich. Die Vielfalt von Meinungen muss – gegebenenfalls – über eine gewisse Zeit gegeben sein, nicht im einzelnen Beitrag.
Hinzu kommt aber in concreto, dass, entgegen der Ansicht des BF, die Meinung von Präsident Maduro zur Kritik der USA sehr wohl enthalten war und zwar in dem zu Beginn aufgeschalteten Fernseh-Video. Dasselbe gilt für den zweiten Beitrag. Hier wurden primär die Äusserungen von Mike Pence und Mike Pompeo abgebildet, im Beitrag davor war aber auch von unterschiedlichen Meinungen innerhalb der Lima-Gruppe die Rede, auch von Enttäuschung bei der venezolanischen Opposition über die Haltung der USA. Dass speziell Pompeos Äusserung schon für sich allein eine Meldung wert gewesen wäre, ergibt sich aus deren Inhalt: Hier drohte der Aussenminister einer Grossmacht einem anderen Land Gewalt an. Die SRF-Berichterstattung hat die Richtlinie 2.2 (Meinungspluralismus) nicht verletzt.
3. Richtlinie 3.1 (Quellenbearbeitung) ist ebenfalls nicht verletzt. Der BF stört sich daran, dass die Quellen der im Beitrag beschriebenen Fakten nicht ausdrücklich genannt werden. Zum einen sind die Quellen für die vom BF angesprochenen Äusserungen sehr wohl benannt und sogar im Faksimile abgebildet: Es sind die Tweets der beiden Regierungsvertreter in Washington. Für Pompeos Drohung ist die Quelle mit «Interview des Senders Fox News» auch klar identifiziert. Genauer als in den genannten Fällen ist eine Quelle kaum zu benennen. Was die übrigen Angaben betrifft, so sind «Agenturen» genannt und die Kürzel zweier JournalistInnen. Das ist eine branchenübliche Identifizierung der Quelle, sie lässt zwar die Namen der AutorInnen nicht sofort erkennen, aber sie sind bei Bedarf klar identifizierbar. Richtlinie 3.1 ist nicht verletzt.
4. Ziffer 3 der «Erklärung» verbietet das Unterschlagen von Informationen. Insbesondere vermisst der BF die Gegenposition der offiziellen venezolanischen Seite. Er irrt. Die ist in dem zu Beginn des Beitrags angebotenen Video enthalten. Beiträge auf Online-Seiten bestehen häufig aus mehreren Komponenten, dem ist bei der Beurteilung Rechnung zu tragen. Ziffer 3 der «Erklärung» ist nicht verletzt.
5. Richtlinie 3.8 (Anhörung bei schweren Vorwürfen) fordert, dass Betroffene bei schweren Vorwürfen zu Wort kommen müssen. Abgesehen davon, dass dies hier im ersten Beitrag der Fall war – Maduro nahm Stellung –, ist die Vorstellung, dass man jeweils alle möglicherweise betroffenen Länder zu einer aussenpolitischen Äusserung eines Regierungsvertreters befragen müsste, abwegig. Damit käme praktisch jede Auslandberichterstattung zum Erliegen. (Zur Illustration: Eine Äusserung des türkischen Präsidenten zur Erweiterung seiner Militäraktionen in Nordsyrien betrifft Syrien, den Irak, indirekt den Iran und Israel, dann Russland und die USA mit ihren Truppen im Gebiet, sowie indirekt sämtliche NATO-Partnerländer mit ihren Verpflichtungen der Türkei gegenüber. Wer alles müsste da Stellung nehmen …).
Richtlinie 3.8, die sich ohnehin nur auf eine persönliche Betroffenheit bei besonders schweren Vorwürfen bezieht, ist nicht verletzt.
III. Feststellung
Der Presserat tritt auf die Beschwerde nicht ein.