Nr. 8/2024
Werbung / Unabhängigkeit

X. c. Birsigtal Bote

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I. Sachverhalt

A. Am 8. Dezember 2022 veröffentlichte der «Birsigtal Bote» zwei Texte von Ulf Rathgeber über einen architektonisch interessanten Neubau in Oberwil. Der Anreisser auf der Front war betitelt mit «Raumschiff oder Traumschiff», der längere auf Seite 9 mit «Futuristisches Residenzgebäude in Oberwil». Im Text mit einem Bild auf der Frontseite wird der Bau des Architekten Raymond Gaëtan, das Haus «Panorama», als architektonischer «Diamant» gepriesen, als «ein Stück herausragender Architektur», schon jetzt, im noch unbewohnten Zustand, kämen Architektur-Studenten, um sich das Werk anzusehen. Der Autor vergleicht das Haus mit Ikonen der Architekturgeschichte, etwa mit Mies van der Rohes «Villa Tugendhat», und er stellt in Aussicht, dass weitere derart herausragende Bauten in den umliegenden Gemeinden folgen werden. In dem mit drei Fotos versehenen Hauptartikel wird das Haus bewundernd beschrieben, als Konstruktion, die «in verblüffender Weise an ein gelandetes Ufo sogar mit Raumschiff-Dimension erinnert», als «herausragende zeitgenössische Residenz-Architektur». Es wird der Werdegang des Architekten skizziert, weiter, welche grundsätzlichen Entscheidungen beim Haus «Panorama» getroffen worden seien, etwa habe man bei der Planung den Tagesverlauf der Sonne mit einbezogen und immer wieder «Lage, Lage, Typologie, Grundriss». Schliesslich wird hingewiesen auf weitere Projekte, welche der Architekt im Birsigtal plane, etwa die «Cloudline» in Bottmingen, ein Haus «in amerikanischer Tankstellen-Ästhetik», das «abermals für Staunen, Bewunderung, Begeisterung und – möglicherweise – auch Ablehnung sorgen wird». Auch auf Projekte in Therwil und Schönenbuch wird hingewiesen. «Auch dort will Gaëtan aussergewöhnliche Residenz-Architektur mit spektakulären Panorama-Aussichten verwirklichen.»

B. Am 6. Januar 2023 reichte X. Beschwerde beim Schweizer Presserat ein. Er macht geltend, die beiden Artikel verletzten die Ziffern 10 (Trennung von redaktionellem Text und Werbung) und allenfalls 9 (Unabhängigkeit) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (nachfolgend «Erklärung»).

Der Beschwerdeführer begründet dies damit, dass die begeisterte Beschreibung der Bauprojekte eine «überschwängliche Lobung» eines in der Gegend relativ unbekannten Architekten enthalte. In der Kombination mit den Hinweisen auf weitere Projekte des gleichen Architekten in Bottmingen, Therwil und Schönenbuch habe man es «möglicherweise» mit einer Publireportage zu tun, die nicht als solche ausgewiesen werde, oder allenfalls als Gefälligkeit des Journalisten gegenüber dem Architekten. Ihn, den Beschwerdeführer, störe es, dass der amtliche Anzeiger für solche nicht gekennzeichnete Werbung missbraucht werde.

C. Mit Beschwerdeantwort vom 15. November 2023 wies Stefan Fehlmann, der Redaktionsleiter des «Birsigtal Bote», die Vorwürfe zurück. Er konzediert, dass der Autor grosse Freude an der beschriebenen Architektur gezeigt habe, dass man «hier vielleicht etwas mehr Nüchternheit an den Tag» hätte legen können. Das gelte aber auch bei anderen Themen im Aufgabenbereich dieses Anzeigers von vier Gemeinden: Auch wenn etwa von Volkstanzaufführungen und dergleichen Dingen berichtet werde. Den investigativen Journalismus müsse man den grösseren Blättern überlassen. Was aber entschieden bestritten werde, sei die Unterstellung, für den Artikel sei bezahlt worden. Wenn Publireportagen publiziert würden, was gelegentlich der Fall sei, würden diese auch als solche gekennzeichnet.

D. Am 27. November 2023 reichte der Beschwerdeführer einen weiteren, im «Birsigtal Bote» veröffentlichten Artikel desselben Autors zum nächsten Projekt des Architekten Gaëtan nach, auf welchen der «Bote» in seiner Beschwerdeantwort eine Woche zuvor bereits aufmerksam gemacht hatte. Eine Begründung fehlte.

E. Gestützt auf Art. 13 Abs. 1 des Geschäftsreglements des Presserats behandelt das Präsidium des Presserats Beschwerden, die in ihren Grundzügen mit vom Presserat bereits früher behandelten Fällen übereinstimmen oder die von untergeordneter Bedeutung erscheinen.

F. Am 30. November 2023 teilte der Presserat den Parteien mit, die Beschwerde werde vom Präsidium behandelt, bestehend aus Susan Boos, Präsidentin, Annik Dubied, Vizepräsidentin, Jan Grüebler, Vizepräsident, und Ursina Wey, Geschäftsführerin.

G. Das Präsidium des Presserats hat die vorliegende Stellungnahme am 27. Mai 2024 verabschiedet.

 

II. Erwägungen

1. Der Presserat tritt auf die ursprüngliche Beschwerde ein, auf die nachgereichte Ergänzung wird gestützt auf Artikel 12 Absatz 2 des Geschäftsreglements mangels separater Begründung nicht eingegangen.

2. Die Ziffer 10 der «Erklärung» weist Journalisten, Journalistinnen an, jede Form von kommerzieller Werbung zu vermeiden und keine Bedingungen von Seiten der Inserenten und Inserentinnen anzunehmen. Der Beschwerdeführer «vermutet», es könnte Geld geflossen sein. Der «Birsigtal Bote» bestreitet dies entschieden. Für den Presserat besteht kein Grund, an den Aussagen des Redaktionsleiters des «Birsigtal Bote» zu zweifeln. Gestützt auf reine Vermutungen ist es ihm nicht möglich, eine fundierte Stellungnahme abzugeben. Im Ergebnis wurde Ziffer 10 der «Erklärung» somit nicht verletzt.

3. Die Ziffer 9 der «Erklärung» untersagt Journalisten, Journalistinnen, Vorteile oder Versprechungen anzunehmen, die geeignet sind, ihre berufliche Unabhängigkeit und die Äusserung ihrer persönlichen Meinung einzuschränken. Auch hier vermutet der Beschwerdeführer eine derartige Einflussnahme angesichts des ungewöhnlich begeisterten Textes. Auch hier bestreitet der «Birsigtal Bote» jede Einflussnahme seitens des Architekten, wobei er konzediert, dass im Text etwas mehr Nüchternheit an den Tag hätte gelegt werden können. Dem Presserat liegt kein Anhaltspunkt vor, der schlüssig auf eine Einflussnahme entscheiden liesse. Die Ziffer 9 der «Erklärung» ist nicht verletzt.

 

III. Feststellungen

1. Der Presserat weist die Beschwerde ab.

2. Der «Birsigtal Bote» hat mit den Artikeln «Raumschiff oder Traumschiff» und «Futuristisches Residenzgebäude in Oberwil» vom 8. Dezember 2022 die Ziffern 9 (Unabhängigkeit) und 10 (Trennung zwischen redaktionellem Text und Werbung) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» nicht verletzt.