I. Sachverhalt
A. Am 4. Oktober 2009 berichtete Kurt-Emil Merki in der Zeitung «Sonntag» über einen «merkwürdigen TV-Auftritt» von Markus Eisenhut, Co-Chefredaktor des «Tages-Anzeiger». Eisenhut sei in der Sendung «Sonntalk» von Tele Züri «frontal auf den Zürcher SP-Star und Medienliebling Daniel Jositsch» losgegangen, der in der Sendung mitdiskutierte. Er habe diesem vorgeworfen, «nicht über einen ausreichenden Rucksack für den Job eines Regierungsmitglieds» zu verfügen. Anspruch auf den freien Sitz im Zürcher Regierungsrat habe die SVP. «Mangelnde Sachkenntnis zeigte Eisenhut – immerhin Vertreter der wichtigsten Zürcher Regionalzeitung – bei der Diskussion über die realen Machtverhältnisse im Kanton Zürich. Nach seiner Attacke gegen die Versager-Regierung musste er vom Nationalrat Jositsch darauf hingewiesen werden, dass das Ungenügen keineswegs den Linken angelastet werden könne. Denn: Sowohl im Parlament als auch im Regierungsrat verfügt die bürgerliche Rechte über Mehrheiten. Eisenhut war Ende der Woche für weitere Auskünfte nicht zu erreichen. Auch vom Tamedia-Pressesprecher nicht.»
B. Am 19. Oktober 2009 gelangte Markus Eisenhut mit einer Beschwerde gegen den obengenannten Artikel an den Schweizer Presserat. «Sonntag» behaupte wahrheitswidrig, er hätte bei der Diskussion um die real existierenden Machtverhältnisse im Kanton Zürich «mangelnde Sachkenntnis» gezeigt und Nationalrat Jositsch habe ihn darauf hinweisen müssen, dass im Parlament und im Regierungsrat die bürgerliche Rechte über Mehrheiten verfüge. Jositsch habe diese Äusserung zwar gemacht, aber nicht als Korrektur einer Fehlbehauptung, sondern vielmehr als Entgegnung auf das Argument von Eisenhut, man müsse jetzt in der Wirtschaftskrise einen Bürgerlichen wählen. Besonders unfair sei der Vorwurf deshalb, weil er sich aufgrund der TV-Debatte in keiner Art und Weise aufgedrängt habe. «Es macht den Anschein, es sei dem Autor einzig und allein darum gegangen, mich herunterzumachen.» Mit der Veröffentlichung der unwahren Behauptung habe «Sonntag» die Ziffer 1 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verletzt.
Darüber hinaus habe der Autor in seinem Bericht auch wichtige Informationen im Sinne von Ziffer 3 der «Erklärung» unterschlagen. In Beantwortung der E-Mail-Anfrage von Kurt-Emil Merki, ob dem Beschwerdeführer die Mehrheitsverhältnisse im Zürcher Regierungsrat bei seiner Attacke auf den Zürcher Regierungsrat bewusst gewesen seien, habe Tamedia-Pressesprecher Christoph Zimmer an seiner Stelle geantwortet: «Die Mehrheitsverhältnisse waren nie umstritten, die Frage war vielmehr, ob die SP mit einem Wähleranteil von 19 Prozent einen Anspruch auf drei von sieben Regierungsratssitzen hat.» Diese klärende Antwort habe «Sonntag» nicht in den beanstandeten Bericht einfliessen lassen.
Schliesslich stimme auch die Darstellung im Artikel so nicht, er (der Beschwerdeführer) sei Ende Woche für weitere Auskünfte nicht zu erreichen gewesen. Tatsächlich sei er zwar am Freitag Nachmittag mit seiner Familie für das Wochenende in die Ferien verreist. Bereits ab Samstag Abend sei er aber wieder erreichbar gewesen. Demgegenüber suggeriere «Sonntag» fälschlicherweise, er sei über das ganze Wochenende nicht erreichbar gewesen und unterstelle ihm damit unprofessionelles Verhalten.
C. Gemäss Art. 12 Abs. 1 des Geschäftsreglements des Presserats werden Beschwerden, auf die der Presserat nicht eintritt, vom Presseratspräsidium behandelt.
D. Das Presseratspräsidium, bestehend aus Presseratspräsident Dominique von Burg, Vizepräsidentin Esther Diener-Morscher und Vizepräsident Edy Salmina, hat die vorliegende Stellungnahme per 31. Dezember 2009 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.
II. Erwägungen
1. Der Presserat hat in seiner jüngeren Praxis wiederholt darauf hingewiesen, dass eine formale oder inhaltliche Ungenauigkeit aus Sicht der Leserschaft eine gewisse Relevanz aufweisen muss, um die Feststellung einer Verletzung von Ziffer 1 der «Erklärung» als verhältnismässig erscheinen zu lassen (vgl. hierzu zuletzt die Stellungnahme 57/2009 mit weiteren Hinweisen).
2. Nach Auffassung des Presserates wird diese Schwelle bei keinem der drei vom Beschwerdeführer beanstandeten Punkte erreicht, soweit die beanstandeten Passagen des Berichts von «Sonntag» überhaupt als sachlich unzutreffend oder unvollständig zu bewerten sind.
a) Der Vorwurf der «mangelnden Sachkenntnis» im Bericht von Kurt-Emil Merki ist nicht zwingend als Sachvorwurf zu verstehen, wie ihn der Beschwerdeführer versteht: Er wisse nicht, dass die bürgerlichen Parteien im Kanton Zürich sowohl im Regierungsrat als auch im Kantonsrat über die Mehrheit verfügten. Für den Presserat kommt die beanstandete Formulierung vielmehr als kommentierende Wertung des «Sonntag»-Journalisten daher. Dieser kritisiert damit die aus seiner Sicht inkonsistente Argumentation des Beschwerdeführers, der das links-grüne Lager für (finanzpolitische) Fehler der aktuellen Regierung verantwortlich mache, obwohl doch die bürgerliche Rechte über die Mehrheiten in Regierung und Parlament verfüge. Mit dieser Wertung bewegt sich Kurt-Emil Merki innerhalb des weit zu ziehenden Rahmens der Kommentarfreiheit.
b) Ebenso wenig ist die Antwort des Tamedia-Sprechers auf die Frage, ob sich der Beschwerdeführer der Mehrheitsverhältnisse bei seiner Attacke auf den Zürcher Regierungsrat bewusst gewesen sei, als wichtige Information im Sinne von Ziffer 3 der «Erklärung» zu bewerten, die der Leserschaft von «Sonntag» nicht hätte vorenthalten werden dürfen. Denn das fragliche Statement – «Die Mehrheitsverhältnisse waren nie umstritten, die Frage war vielmehr, ob die SP mit einem Wähleranteil von 19 Prozent einen Anspruch auf drei von sieben Regierungsratssitzen hat» – geht nicht auf die von «Sonntag» erhobene Kritik einer inkonsistenten Argumentation des Beschwerdeführers ein. Zudem erscheint die im beanstandeten Bericht gegenüber dem Beschwerdeführer erhobene Kritik nicht als «schwer» im Sinne der Richtlinie 3.8 zur «Erklärung» (Anhörung bei schweren Vorwürfen), so dass die Wiedergabe des Statements des Tamedia-Pressesprechers auch unter diesem Gesichtspunkt nicht zwingend war.
c) Für die Leserschaft von «Sonntag» nicht von Bedeutung erscheint schliesslich die Frage, wie lange genau der Beschwerdeführer am fraglichen Wochenende für eine Stellungnahme von «Sonntag» nicht erreichbar war. Entscheidend ist vielmehr, dass er die ihm vom Autor per E-Mail unterbreiteten Fragen bis zum Redaktionsschluss der Zeitung nicht persönlich beantworten konnte. Der Presserat sieht deshalb in der vom Beschwerdeführer beanstandeten Formulierung im Bericht von Kurt-Emil Merki weder eine sachlich falsche Darstellung noch liest er daraus den Vorwurf unprofessionellen Verhaltens. Auch Personen, die gesellschaftlich wichtige Funktionen innehaben, müssen nicht zwingend jederzeit rund um die Uhr für Medienanfragen erreichbar sein.
III. Feststellungen
Der Presserat tritt nicht auf die Beschwerde ein.