Nr. 5/2017
Wahrheitspflicht / Unterschlagen wichtiger Informationen / Recherchegespräche / Berichtigung

(Lehrmittelverlag Zürich c. «Saldo»)

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Zusammenfassung

Die Konsumentenzeitschrift «Saldo» hat in einem Vergleich von Englisch- und Mathematiklehrmitteln des Zürcher Lehrmittelverlags und des Klett-Verlags wichtige Informationen unterschlagen. Das rügt der Schweizer Presserat.

Unter dem Titel «Lehrmittel aus Zürich: Teuer und unbeliebt» berichtete «Saldo» über ein Englisch-Lehrbuch des Lehrmittelverlags Zürich. Dieses sei nach Kritik von Lehrern durch ein Lehrmittel aus dem deutschen Klett-Verlag ersetzt worden. Daraus hätten die Zürcher Bildungsbehörden nichts gelernt, das neue Mathematiklehrbuch stehe bei Lehrpersonen wiederum in der Kritik: Es sei zu komplex und zu teuer. Der Lehrmittelverlag Zürich beschwerte sich beim Schweizer Presserat gegen diesen Artikel: Er enthalte falsche Preisangaben und falsche Zahlen bezüglich der in die Entwicklung der Lehrmittel einbezogenen Lehrer. Zudem hätte der Journalist den Verlag zu den schweren Vorwürfen anhören müssen.

Für den Presserat ist der Vorwurf der falschen Preise sowie falscher Zahlen zu den einbezogenen Lehrern nicht erstellt. «Saldo» war in einem intensiven Austausch mit dem Leiter des Lehrmittelverlags und hat gegen den Verlag keine schweren Vorwürfe erhoben. Eine Anhörung war deshalb nicht zwingend. Der Presserat stützt auch den Vorwurf nicht, «Saldo» habe den Verlag nicht über das Ziel seiner Recherchen informiert.

In einem Punkt gibt der Presserat dem Lehrmittelverlag jedoch Recht: Beim Vergleich der beiden Mathematik-Lehrbücher hätte «Saldo» darauf hinweisen müssen, dass das neue Mathebuch des Zürcher Verlags zusätzlich einen Geometrielehrteil enthält. Der Preisvergleich berücksichtigt auch nicht, dass zum neuen Buch Arbeitshefte gehören, sodass ein erheblicher Kopieraufwand wegfällt. Der Presserat kommt deshalb zum Schluss, dass dem Leser wichtige Informationen vorenthalten wurden, welche ihm eine Einschätzung der Kosten des neuen Mathebuchs ermöglicht hätten. Er ruft in Erinnerung, dass bei Preisvergleichen besondere Sorgfalt angebracht ist: Gleiches ist mit Gleichem zu vergleichen.

Résumé

Le magazine des consommateurs «Saldo» a escamoté des informations importantes dans sa comparaison des manuels scolaires d’anglais et de mathématiques des éditions Zürcher Lehrmittelverlag et Klett. C’est ce que lui reproche le Conseil suisse de la presse.

Intitulé «Lehrmittel aus Zürich: Teuer und unbeliebt» (manuels scolaires zurichois: chers et impopulaires), l’article de «Saldo» rend compte d’un livre d’anglais des éditions scolaires de Zurich. L’ouvrage aurait été remplacé par un titre de la maison d’édition allemande Klett après avoir essuyé les critiques d’enseignants. Les autorités zurichoises en charge de l’éducation n’auraient tiré aucune leçon de l’affaire, le nouveau manuel scolaire de mathématiques serait à son tour sous le feu de la critique des enseignants: trop complexe et trop cher. Les éditions scolaires zurichoises ont porté plainte contre cet article auprès du Conseil suisse de la presse: il contiendrait des indications de prix erronées et des chiffres inexacts sur les enseignants associés à la mise au point des manuels. De plus, le journaliste aurait dû auditionner la maison d’édition au sujet des graves reproches qui lui étaient faits.

Pour le Conseil de la presse, la critique concernant les prix et les chiffres erronés n’est pas fondée. «Saldo» a eu d’intenses échanges avec le directeur des éditions scolaires et n’a fait aucun reproche grave à la maison d’édition. Il n’était donc pas impératif de procéder à une audition. Le Conseil de la presse n’adhère pas non plus au grief selon lequel «Saldo» n’aurait pas informé les éditions du but de ses recherches.

Le Conseil de la presse donne toutefois raison à la maison d’édition sur un point: en comparant les deux livres de mathématiques, «Saldo» aurait dû signaler que le nouveau manuel des éditions scolaires zurichoises contenait en plus une partie sur la géométrie. La comparaison de prix ne tient pas compte non plus du fait que cet ouvrage comprend des cahiers d’exercices, de sorte qu’il évite des frais considérables de photocopie. Le Conseil de la presse conclut par conséquent que des informations importantes pour l’évaluation du prix du nouveau manuel ont été soustraites au lecteur. Il rappelle qu’il faut se montrer prudent en faisant des comparaisons de prix et ne comparer que ce qui est comparable.

Riassunto

Il Consiglio svizzero della stampa ha giudicato scorretta una critica espressa dal periodico «Saldo» dopo aver comparato del materiale didattico pubblicato dalla casa editrice zurighese «Lehrmittelverlag» e dalla tedesca «Klett-Verlag», in quanto carente di alcune informazioni importanti.

«I prodotti di Zurigo: cari e poco apprezzati»: questo il titolo di un articolo pubblicato comparando un manuale per l’insegnamento dell’inglese pubblicato dalla «Lehrmittelverlag» di Zurigo con un prodotto analogo pubblicato dalla casa editrice tedesca Klett-Verlag, che dopo le critiche espresse da alcuni docenti era stato adottato in sostituzione del primo. L’esperienza non è servita alle autorità scolastiche, sostiene «Saldo», tanto che anche un manuale per l’insegnamento della matematica sarebbe successivamente stato giudicato troppo complicato e troppo caro. L’editrice zurighese si è rivolta al Consiglio della stampa sostenendo che l’articolo conteneva indicazioni inesatte quanto al prezzo dei manuali e cifre fuori luogo riferite al docente incaricato di svilupparne il contenuto. Inoltre, l’autore dell’articolo avrebbe dovuto interpellare la casa editrice criticata prima di pubblicare.

Il Consiglio della stampa ha giudicato infondata la critica al periodico circa i prezzi praticati, come pure quella relativa al numero dei docenti che avevano contribuito al libro. C’erano stati contatti intensi tra il giornalista e il responsabile della pubblicazione, e poiché le critiche alla casa editrice non si possono definire «addebiti gravi» non era necessario sentire anche quest’ultima. Negato anche l’addebito a «Saldo» di non avere informato la stessa casa editrice circa il fine del servizio.

Su un punto, tuttavia, il Consiglio della stampa dà ragione alla «Lehrmittelverlag». Nel mettere a confronto i manuali di matematica si sarebbe dovuto precisare che la pubblicazione zurighese conteneva anche un annesso di geometria. Anche il confronto sui prezzi trascura di precisare che la pubblicazione contiene una sezione di esercitazioni che evitano di ricorrere a fotocopie. Da qui la conclusione del Consiglio della stampa che al lettore del servizio siano stati taciuti elementi di giudizio importanti, anche relativi ai costi finali delle pubblicazioni. Quando si mettono a confronto due prodotti va osservata una cura speciale: la parità di condizioni deve essere assoluta.

I. Sachverhalt

A. Am 25. Mai 2016 erschien im Konsumentenmagazin «Saldo» ein Artikel mit dem Titel «Lehrmittel aus Zürich: Teuer und unbeliebt». Im Lead hiess es «Der Zürcher Lehrmittelverlag bestimmt, wie in Primarschulen gelernt wird». Autor Beni Frenkel berichtet über ein vor einigen Jahren erschienenes Englisch-Lehrmittel des Lehrmittelverlags Zürich für Primarschüler. Dieses sei von den Lehrpersonen abgelehnt worden, diverse Schulen hätten sich geweigert, es zu verwenden. Was zur Folge gehabt habe, dass seit 2013 ein Lehrmittel aus dem deutschen Klett-Verlag benutzt werde. Die Klett-Bücher kosteten 900 Franken pro Jahr für eine Klasse mit zwanzig Kindern. Beim Zürcher Lehrmittelverlag (LMV) seien es 1500 Franken plus Lizenzgebühren.

Nach dem Untertitel «Derselbe Fehler beim neuen Mathebuch» führt Frenkel aus, die Zürcher Bildungsbehörden hätten nichts daraus gelernt. Im April sei das neue Mathematik-Lehrmittel des LMV für die 6. Klasse erschienen. Auch hier seien im 13-köpfigen Autorenteam nur zwei aktive Primarlehrerinnen vertreten gewesen. Angefragte Lehrer hätten «Saldo» gesagt, das neue Lehrbuch sei zu komplex und zu teuer. Der Autor referiert LMV-Verlagsleiter Beat Schaller so: Der finde die Preise nicht zu hoch; das neue Lehrmittel sei «bedürfnisgerecht». Der Schlussabschnitt erwähnt den Pisa-Test 2009: Dort hätten die Ausserrhoder Schüler im Fach Mathematik am besten abgeschnitten, die Zürcher Kinder hätten das Schlusslicht gebildet. Die Appenzeller Schüler hätten mit Büchern aus dem Klett-Verlag gelernt.

In einem Infokästchen erwähnt der Autor, der LMV sei Marktleader bei Schweizer Schulbüchern. Der LMV solle nun noch stärker expandieren können durch die vom Zürcher Kantonsrat genehmigte und vom Verlag gewünschte Privatisierung des LMV.

B. Am 17. Oktober 2016 reichte der Lehrmittelverlag Zürich (mandatiert von der Bildungsdirektion des Kantons Zürich) beim Schweizer Presserat Beschwerde gegen «Saldo» ein. Er macht eine Verletzung der zur «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (nachfolgend «Erklärung») gehörenden Richtlinien 1.1 (Wahrheitspflicht), 3.1 (Quellenbearbeitung), 3.8 (Anhörung bei schweren Vorwürfen), 4.6 (Information über das Ziel des Recherchegesprächs) und 5.1 (Berichtigungspflicht) geltend.

Der Beschwerdeführer hebt hervor, dass der Autor einen unrichtigen und nicht nachvollziehbaren Preisvergleich aufführe. Er beanstandet, dass der LMV zum Preisvergleich des Englisch-Lehrmittels überhaupt nicht und zum Preisvergleich des Mathematik-Lehrmittels nur teilweise angehört worden sei. Der Artikel berücksichtige die Stellungnahme des LMV nicht. Zudem hätte der Autor gegenüber dem LMV weder das Ziel der Recherche noch dessen Ergebnis transparent gemacht. Der Beschwerdeführer macht weiter geltend, die Recherchen seien ungenügend und enthielten elementare Fehler wie falsche Preise und falsche Zahlen bezüglich der in die Entwicklung der Lehrmittel involvierten Lehrpersonen. Das neue Mathematikbuch sei mit einem Geometrieanteil erweitert worden, was einen direkten Vergleich mit dem alten Lehrmittel schwierig mache. Der LMV weist auch darauf hin, dass ein Lehrmittel nur ein Element darstelle für die Resultate der Pisa-Tests und dies daher weiterer Informationen für die Leser und Leserinnen bedürfe. Frenkel hätte den Verlag darüber informieren sollen, dass er die Pisa-Tests erwähnen werde. Abschliessend sieht der Beschwerdeführer eine starke Verallgemeinerung dadurch, dass «Saldo» den LMV generell als teuer bezeichne. Der Preisdarstellung von «Saldo» hält der LMV einen Vergleich von zehn Englisch- und Mathematiklehrmitteln entgegen: Bei neun dieser zehn Lehrmittel sei der LMV günstiger als der Klett-Verlag. Der LMV betont, dass er in der Entwicklung der Lehrmittel einen grösseren Selbstaufwand leisten müsse als der Klett-Verlag. Trotz dieses Mehraufwands seien seine Lehrmittel aber mehrheitlich preiswerter als jene von Klett. Weiter seien die Ausführungen von «Saldo» über die Zusammensetzung des Autorenteams in der Lehrmittelentwicklung unwahr. Der LMV halte sich an den strukturierten, vorgegebenen Prozess des Zürcher Bildungsrats, welcher auch die Zusammensetzung des Autorenteams definiere. Insgesamt sei somit Richtlinie 1.1 (Wahrheitspflicht) verletzt.

Der Beschwerdeführer sieht zudem eine Verletzung der Richtlinie 3.1 (Quellenbearbeitung) und 3.8 (Anhörung bei schweren Vorwürfen). Seiner Meinung nach hätte «Saldo» die Quellen (angefragte Lehrer) angeben müssen, zumal keine Gefahr von Sanktionen gegenüber dem Lehrpersonal bestanden habe. Zudem hätten Vertreter der Bildungsdirektion oder des LMV mit den erhobenen schweren Vorwürfen (teuer, unbeliebt, denselben Fehler begangen wie vor einigen Jahren, wenig Präsenz von aktivem Lehrpersonal) konfrontiert werden müssen.

Der Autor habe den LMV nie über das Ziel der Anfrage und Recherche informiert. Der erste Kontakt des Autors von «Saldo» habe mit einem Email mit dem Vermerk «Ich habe eine kurze Frage» stattgefunden. Auch die weiteren Emails hätten das Ziel der Recherche nicht erwähnt. In dieser mangelnden Transparenz sieht der Beschwerdeführer eine Verletzung der Richtlinie 4.6 (Recherchegespräche).

Weiter macht er eine Verletzung der Richtlinie 5.1 geltend, da er eine Berichtigung von Fakten mit Schreiben vom 26. Mai 2016 und 17. Juni 2016 verlangt habe, auf welche «Saldo» nicht eingetreten sei. «Saldo» habe dem LMV lediglich angeboten, sich in einem Leserbrief zu äussern.

C. Am 9. Dezember 2016 nahm der Publizistische Leiter von «Saldo», Rechtsanwalt René Schuhmacher, für die Redaktion Stellung und beantragte, die Beschwerde sei abzuweisen. Zum Vorwurf der Verletzung von Richtlinie 4.6 (Recherchegespräche) macht «Saldo» geltend, naturgemäss stehe zu Beginn einer Recherche das Ergebnis nicht fest. Daher sei der Vorwurf des Beschwerdeführers verfehlt, die Kontaktaufnahme des Autors lasse nicht ansatzweise vermuten, dass «ein Frontalangriff» auf den Lehrmittelverlag zukomme. Der ausführliche Mailverkehr zwischen den Parteien dokumentiere, dass der Lehrmittelverlag in keinem Zeitpunkt im Unwissen darüber gewesen sei, um was es im geplanten Artikel gehen würde. Bezüglich des Vorwurfes der nicht erfolgten Anhörung (Richtlinie 3.8 Anhören bei schweren Vorwürfen) hält die Beschwerdegegnerin fest, der erste Vorwurf laute: Englisch-Lehrmittel aus dem LMV kosteten die Schulen viel Geld. Die Bücher würden aber teilweise von den Lehrern abgelehnt, was dazu führe, dass Produkte aus anderen Verlagen, wie etwa dem Klett-Verlag, vorgezogen würden. Der zweite Vorwurf: Aus den Erfahrungen mit den Englischlehrmitteln für die Primarschule hätte der Verlag nichts gelernt. Auch das neu erschienene Mathematiklehrbuch des Lehrmittelverlags für die 6. Klasse sei nach Aussagen von Lehrern zu komplex und zu teuer. Beiden Vorwürfen würde Verlagsleiter Schaller widersprechen und er werde unmittelbar anschliessend mit seinen besten Argumenten zitiert: Die Preise seien nicht zu hoch und das neue Lehrmittel sei bedürfnisgerecht. Diese Aussage sei zwar zusammengefasst, deren Richtigkeit jedoch bestreite der Beschwerdeführer nicht. Die im Artikel formulierte Kritik der Lehrer an beiden Lehrmitteln basiere im Wesentlichen auf subjektiven Aussagen von Lehrern. Dem LMV werde insbesondere weder ein illegales noch ein unredliches Verhalten vorgeworfen, weshalb eine Anhörung nicht zwingend gewesen sei. Die Ausführungen des Beschwerdeführers zu Richtlinie 3.1 (Quellenbearbeitung) bzw. zur Forderung, die Informanten des Autors hätten namentlich genannt werden müssen, erachtet «Saldo» als wirklichkeitsfremd. Der LMV sei Teil der kantonalen Bildungsdirektion. Diese sei gleichzeitig Arbeitgeberin der Lehrer. Deshalb sei die Befürchtung der Informanten, Probleme mit der Arbeitgeberin zu riskieren, nachvollziehbar. Fakt sei, dass der Autor mit über einem Dutzend Lehrpersonen gesprochen habe. Alle hätten sich nur unter ausdrücklicher Garantierung des Redaktionsgeheimnisses geäussert. Auch der Vorwurf einer Verletzung der Wahrheitspflicht durch den Titel (dieser suggeriere, die Bücher des LMV seien generell «teuer und unbeliebt») treffe nicht zu. Der Titel fasse nur den Inhalt des Artikels zusammen. Inhaltlich gehe es um einige Lehrmittel aus dem Lehrmittelverlag Zürich – nicht «die Lehrmittel». Die Vorwürfe der Lehrer lauteten, die erwähnten Lehrmittel seien teuer und unbeliebt. Ausserdem träfen die Angaben zu den Kosten der Bücher zu, wie auch die Angaben zur Zusammensetzung des Autorenteams. Der Vorwurf der Verletzung von Richtlinie 5.1 (Berichtigungspflicht) schliesslich falle in sich zusammen, weil der Bericht die Fakten richtig wiedergebe.

D. Das Präsidium des Presserats wies den Fall der 3. Kammer zu, der Max Trossmann (Präsident), Marianne Biber, Jan Grüebler, Matthias Halbeis, Barbara Hintermann, Seraina Kobler und Markus Locher angehören.

E. Die 3. Kammer des Presserates behandelte die Beschwerde an ihrer Sitzung vom 26. Januar 2017 und auf dem Korrespondenzweg.

II. Erwägungen

1. Gemäss Richtlinie 1.1 sind Journalisten und Journalistinnen verpflichtet, sich an die Wahrheit zu halten. Die Wahrheitssuche stellt den Ausgangspunkt der Informationstätigkeit dar. Sie setzt die Beachtung verfügbarer und zugänglicher Daten, die Achtung der Integrität von Dokumenten, die Überprüfung und die allfällige Berichtigung voraus.

Der Lehrmittelverlag bemängelt zum einen den Titel des Berichts. Dieser suggeriere, Lehrmittel aus Zürich seien generell «teuer und unbeliebt». Diese Zuspitzung und Generalisierung sei wahrheitswidrig, denn in neun von zehn Fällen seien die Lehrmittel des Klett-Verlags teurer. Der LMV müsse nach Vorgaben des Bildungsrats zudem einen höheren Aufwand leisten. Unwahr schliesslich seien die Behauptungen bezüglich der Zusammensetzung des Autorenteams, bezüglich der Kosten des Englisch-Lehrmittels und bezüglich des Mathematik-Lehrmittels. «Saldo» macht demgegenüber geltend, der Titel fasse nur den Inhalt des Artikels zusammen. Die Vorwürfe der Lehrer lauteten, einige Lehrmittel seien teuer und unbeliebt. Die Angaben zu den Kosten der Englischlehrbücher sowie des neuen Mathematikbuches seien zutreffend. Auch die Zusammensetzung des Autorenteams sei korrekt wiedergegeben.

Der Beschwerdeführer behauptet nicht, die vom Autor im Artikel genannten jährlichen Kosten von 900 Franken für eine Klasse von 20 Kindern beim Klett-Verlag bzw. 1500 Franken beim Lehrmittelverlag stimmten nicht, auch nicht der Vergleich von 18 Franken für das alte Mathematiklehrbuch des Lehrmittelverlags versus 39.60 Franken für das neue. Hingegen macht er generell geltend, unwahr seien die Behauptungen bezüglich der Kosten des Englisch-Lehrmittels und des Mathematik-Lehrmittels. Zudem seien die Lehrmittel des Klett-Verlags in neun von zehn Fällen teurer. Um dies nachzuweisen, legt der Verlag einen Vergleich von zehn Lehrmitteln des Klett-Verlags bzw. des LMV vor. Dieser Vergleich ist für den Presserat nicht stichhaltig, greift er doch aus dem gesamten Angebot an Lehrmitteln der beiden Verlage willkürlich zehn Beispiele heraus. Nicht äussern kann sich der Presserat zur generellen Aussage, die genannten Kosten betreffend der beiden Lehrmittel seien unwahr. Es fehlen ihm dazu die notwendigen Informationen. Was das Argument des höheren Aufwandes des LMV angeht, so ist dieses für den Presserat nicht überzeugend, umso mehr als der Aufwand, den der Klett-Verlag betreibt bzw. allenfalls betreiben muss, nicht bekannt ist. In Bezug auf die Zusammensetzung des Autorenteams macht der Beschwerdeführer geltend, weder habe das Team zur Erarbeitung des Mathematiklehrbuches aus 13 Personen bestanden noch seien nur zwei aktive Primarlehrerinnen dabei gewesen. Der LMV verweist dabei auf seine Webseite. Auf der Webseite sind für das Lehrmittel «Mathematik 1–6 Primarstufe» insgesamt 13 Autorinnen und Autoren aufgeführt, zehn davon werden als «Primarlehrerin» oder «Primarlehrer» bezeichnet, ohne nähere Bezeichnung, ob es sich um «aktive» Primarlehrer handelt oder nicht. Mangels Substantiierung dieser Rüge lässt sich auch hier nicht auf eine Verletzung von Richtlinie 1.1 schliessen.

Auf den Wahrheitsgehalt des Titels des Berichts geht nachfolgend Erwägung 2 b) ein.

2. a) Richtlinie 3.1 (Quellenbearbeitung) fordert eine genaue Bezeichnung der Quelle eines Beitrags. Diese liegt im Interesse des Publikums, sie ist vorbehältlich eines überwiegenden Interesses an der Geheimhaltung einer Quelle unerlässlich, wenn dies zum Verständnis der Information wichtig ist. Der LMV macht geltend, der Autor berufe sich beim Vorwurf, die neuen Mathematiklehrbücher seien «komplex» und «unbeliebt» auf «angefragte Lehrer» und macht implizit geltend, die befragten Lehrpersonen hätten genannt werden müssen. Der Autor schreibt in seinem Mailaustausch mit dem LMV, er habe zum Mathematiklehrbuch 50 Lehrer befragt. die Beschwerdeantwort spricht von über einem Dutzend. Für den Presserat ist die Zahl der angefragten Lehrer nicht ausschlaggebend. Selbst wenn der Autor präzisiert hätte, neun von zwölf angefragten Lehrern seien der Ansicht, das Mathebuch sei zu anspruchsvoll, wäre damit lediglich eine Pseudogenauigkeit gegeben. Dem Autor ist nicht zum Vorwurf zu machen, dass er die genaue Zahl der befragten Lehrer nicht nennt. Aus der Formulierung «angefragte Lehrer sagten saldo, die neuen Lehrbücher seien zu komplex» geht für den Leser hervor, dass es sich nicht um eine repräsentative Umfrage handelt. Vor diesem Hintergrund kann «Saldo» erst recht nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass darauf verzichtet wurde, die Namen der befragten Lehrpersonen zu nennen. Deren Namen waren für das Verständnis des Beitrags nicht wichtig. Ausserdem ist das Argument von «Saldo», wonach die befragten Lehrpersonen nur unter Garantie ihrer Anonymität zu einer Aussage bereit waren, nachvollziehbar.

b) Ziffer 3 der «Erklärung» verlangt von Journalisten, dass sie keine wichtigen Elemente von Informationen unterschlagen und weder Tatsachen, Dokumente, Bilder und Töne noch von anderen geäusserte Meinungen unterschlagen. Der Beschwerdeführer macht im der Veröffentlichung des Artikels vorausgegangenen Mailverkehr zwischen LMV und Autor (dieser ist integrierender Bestandteil der Beschwerde) geltend, dem neuen Mathematiklehrmittel sei als zusätzlicher Lehrstoff «Geometrie Mittelstufe» integriert, im früheren nicht. Weiter würden beim neuen Lehrmittel Kopierkosten und Kopieraufwand für Arbeitsblätter in beträchtlichem Umfang wegfallen. In seiner Antwort gibt Autor Frenkel dem LMV in vielen Punkten Recht, präzisiert dies jedoch nicht im Detail, konzediert aber u.a., dass die Kopierkosten für die Arbeitshefte des neuen Schulmaterials höher ausfallen würden als der Endpreis. Im Artikel findet sich davon jedoch nichts. Er hält nur fest, das neue Lehrmittel für Mathematik sei laut Lehreraussagen zu teuer. Früher habe ein solches 18 Franken gekostet, heute müssten die Gemeinden für das Buch und die Hefte pro Schüler 39.60 zahlen. Dazu kämen Lizenzrechte pro Klassensatz. Diese generelle Aussage unterschlägt, dass das neue Lehrbuch einen zusätzlichen Geometrielehrteil enthält, sie berücksichtigt den wegfallenden Kopieraufwand nicht, da Hefte und Arbeitsblätter Bestandteil des Lehrmittels sind und die Aussage enthält auch nichts zur Frage der mehrfachen Verwendung dieser Lehrmittel durch nachfolgende Schulklassen bzw. Schüler. Im Schreiben vom 26. Mai 2016 hatte der Verlagsleiter den Anwalt von «Saldo» zudem darauf hingewiesen, dass der ursächliche Zusammenhang von Pisa-Testergebnissen und Mathematiklehrmittel des LMV fragwürdig sei. Im Übrigen sei beim Pisa-Test 2009 ja noch das alte, «angeblich» preisgünstige, von Frenkel gelobte Lehrmittel des LMV im Verkehr gewesen. Die Beschwerdegegnerin hat sich zu dieser Frage in der Folge nicht geäussert. Für den Presserat bestehen keine Anhaltspunkte, die Zusatzinformationen des LMV in Frage zu stellen. Indem der Autor die genannten Elemente weggelassen hat, hat er dem Leser wichtige Informationen vorenthalten, welche diesem eine Einschätzung der Kosten des neuen Lehrmittels sowie der Rangierung der Zürcher Primarschüler anlässlich des Pisa-Tests 2009 ermöglicht hätten. Damit hat «Saldo» die Ziffer 3 der «Erklärung» verletzt. Insbesondere bei Preisvergleichen ist besondere Sorgfalt angebracht: Gleiches ist mit Gleichem zu vergleichen.

Zu untersuchen ist schliesslich der Titel «Lehrmittel aus Zürich: Teuer und unbeliebt». Der Beschwerdeführer führt dazu aus, dieser suggeriere, Lehrmittel des LMV seien generell teuer und unbeliebt. Diese Zuspitzung und Generalisierung sei wahrheitswidrig. Dazu folgendes: Zwar fasst der Titel den Inhalt des nachfolgenden Artikels zusammen, er spitzt damit jedoch nichts zu. Er behauptet nicht, Lehrmittel aus Zürich seien zu teuer. Wie oben ausgeführt wäre jedoch das Argument teuer im Artikel zu relativieren gewesen. Das Argument unbeliebt belegt der Journalist zwar teilweise, allerdings unterlässt er einen Hinweis darauf, dass die Kritik am Englischlehrbuch für die Primarstufe auch vor dem Hintergrund zu verstehen ist, dass das Unterrichtsfach Englisch an den Primarschulen neu eingeführt wurde. Im Ergebnis ist folglich auch der gewählte Titel fragwürdig.

3. Richtlinie 3.8 (Anhörung bei schweren Vorwürfen) verlangt von Journalisten, dass sie Betroffene vor der Publikation schwerer Vorwürfe anhören und deren Stellungnahme im gleichen Medienbericht kurz und fair wiedergeben. Nach Praxis des Presserats wiegt ein Vorwurf schwer, wenn jemandem ein widerrechtliches oder damit vergleichbares unredliches Handeln vorgeworfen wird. Der Beschwerdeführer macht geltend, ihm hätten die Vorwürfe «unbeliebt» weil «komplex», praxisferne Zusammensetzung der Autorenteams sowie ursächlicher Zusammenhang der Pisa-Ergebnisse mit dem neuen Mathe-Lehrmittel zur Stellungnahme vorgelegt werden müssen. Zudem habe sich der Verweis auf die Stellungnahme des LMV auf den lapidaren Satz beschränkt, der Verlagsleiter «findet die Preise nicht zu hoch».

Bei den im Artikel genannten Vorwürfen handelt es sich für den Presserat zum einen um keine schweren Vorwürfe. Zum anderen ist festzuhalten, dass der LMV bzw. der Verlagsleiter angehört wurde und ein reger Mailaustausch vor der Publikation stattgefunden hat. Zwar wäre wünschenswert gewesen, dass dieser mit seinem besten Argument (d.h. der Relativierung des höheren Preises der Lehrbücher) zitiert wird. Eine Verletzung von Richtlinie 3.8 liegt aber offensichtlich nicht vor.

4. Gemäss Richtlinie 4.6 (Recherchegespräche) sollen Journalisten ihre Gesprächspartner über das Ziel des Recherchegesprächs informieren. Der Beschwerdeführer rügt, in der ersten Kontaktnahme per Email habe der Journalist nicht bekannt gegeben, dass er einen Bericht über Beliebtheit, Tauglichkeit und Preiswertigkeit eines Lehrmittels zu recherchieren gedenke. Die Kontaktnahme unter dem Stichwort «habe eine kurze Frage» habe nicht ansatzweise vermuten lassen, was schliesslich im Titel des Berichts an Frontalangriff dahergekommen sei. Auch in der zweiten Kontaktnahme zwei Tage später und der Zusatzfrage habe der Redaktor einen Teil der Stossrichtung der Recherche unterschlagen. Zwar habe der Angefragte erkannt, dass es um den Preisvergleich eines älteren Produkts mit dem Preis des neuen Produkts geht. Die «Zusatzfrage» habe aber nicht erkennen lassen, dass es im Bericht um eine generelle Würdigung der Produktepreise und auch um den Vorwurf von angeblich «befragten» Lehrern gehen würde, dass die Lehrmittel «unbeliebt» seien weil «zu komplex». Der Redaktor habe ebenfalls nicht transparent gemacht, dass sein Bericht einen Zusammenhang mit den Ergebnissen aus der Pisa-Studie herstellen werde. «Saldo» führt dazu aus, aus dem Mailverkehr zwischen den Parteien gehe hervor, dass der Autor einfache, offene Fragen zum Thema stellte. Der ausführliche Mailverkehr zwischen den Parteien dokumentiere, dass der Lehrmittelverlag in keinem Zeitpunkt im Unwissen darüber war, um was es im geplanten Artikel ging.

Der Presserat stimmt dem Beschwerdeführer insofern zu, als aus den ersten beiden Mailanfragen noch nicht klar hervorging, was das Ziel der Recherche war. Richtlinie 4.6 verlangt jedoch von Journalistinnen nicht, dass sie bereits am Anfang ihrer Recherchen das Ziel derselben offen legen. Oft ergibt sich erst im Verlauf der Recherchen, welche Stossrichtung diese in der Folge annehmen. Dies war vorliegend der Fall. «Saldo» ist nicht zum Vorwurf zu machen, dass das Ziel der Recherchen nicht bereits zu Beginn genannt wurde. Aus dem nachfolgenden Mailaustausch und den Details zum Preisvergleich der verschiedenen Lehrmittel ging die Stossrichtung der Recherchen des Autors deutlich hervor. Der LMV musste damit rechnen, dass ein kritischer Artikel erscheinen würde. Im Übrigen entkräftet der Beschwerdeführer seinen Vorwurf im Schreiben von Verlagsleiter Schaller an den Anwalt von «Saldo» vom 26. Mai 2016 wie folgt selbst: «Zwar wurde uns in den Mails rasch klar, welche Stossrichtung der Artikel haben würde.» Richtlinie 4.6 ist demnach nicht verletzt.

5. Richtlinie 5.1 (Berichtigungspflicht) verlangt von Journalisten, Berichtigungen unverzüglich von sich aus wahrzunehmen. Die materielle Unrichtigkeit betrifft die Fakten und nicht die sich auf erwiesene Fakten abstützenden Werturteile. Wie oben unter Erwägung 1 festgehalten, liegt kein Verstoss gegen die Wahrheitspflicht vor, «Saldo» sind keine faktischen Fehler vorzuwerfen. Vor diesem Hintergrund kann auch keine Verletzung der Berichtigungspflicht gegeben sein.

III. Feststellungen

1. Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen.

2. «Saldo» hat mit dem Artikel «Lehrmittel aus Zürich: Teuer und unbeliebt» Ziffer 3 (Unterschlagen wichtiger Elemente von Informationen) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verletzt.

3. Darüber hinausgehend wird die Beschwerde abgewiesen.