Nr. 35/2014
Wahrheitspflicht / Unterschlagen von Informationen / Berichtigung

(X. c. «Basler Zeitung») Stellungnahme des Presserats vom 27. November 2014

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I. Sachverhalt

A. Am 26. November 2013 erschien in der «Basler Zeitung» (BaZ) unter dem Titel «Krumme Geschäfte mit ‹Regio Aktuell›» ein Artikel von Daniel Wahl. Der Untertitel lautete: «Staatsanwaltschaft erhebt Anklage gegen Anwalt Daniel Staehelin und Treuhänder X.». Ausgangspunkt des Artikels ist ein Bericht des «Sonntagsblick». Dieser solle berichtet haben, die Basler Staatsanwaltschaft habe die Ermittlungen rund um die Vorgänge der GTS Verlag AG, die das Magazin «Regio Aktuell» herausgibt, auf den renommierten Kollegen von X., Daniel Staehelin, Professor und Basler Anwalt, ausgedehnt. Dies habe X. dazu veranlasst, seine Gegenoffensive gegen den ermittelnden Staatsanwalt Karl Aschmann zu intensivieren. Wie Staatsanwaltschaftssprecher Peter Gill aber bestätigt habe, sehe die Sache für den Treuhänder X. ernst aus. Und ebenso für dessen ehemaligen Weggefährten Robert Gloor, Herausgeber des Baselbieter Magazins «Regio Aktuell». Beide habe die Staatsanwaltschaft wegen Verdachts der mehrfachen ungetreuen Geschäftsbesorgung, der mehrfachen Urkundenfälschung, der mehrfachen Erschleichung einer falschen Beurkundung sowie des mehrfachen Steuerbetrugs angeklagt. Die «BaZ» beleuchtet die Hintergründe dieser Anklage. Die GTS Verlag AG habe die Titel-Lizenzgebühren für den konkursiten Titel «Regio Aktuell» auf ein Konto auf einer englischen Kanalinsel überwiesen, worauf sie später wieder zurück auf ein Schweizer Bankkonto flossen. Revidiert worden seien diese Vorgänge am Firmensitz von Revisionsexperte X., der bis im März 2012 auch als GTS-Verwaltungsratsmitglied firmierte. X. jedoch sei der Ansicht, die ganze Anklage falle in sich zusammen, weil Kurt Schudel (Minderheitsaktionär, der sich durch dieses Vorgehen geschädigt sieht) gar kein Aktionär sei. Die Basler Staatsanwaltschaft habe gegenüber der «BaZ» mehrfach bestätigt, dass drei Anklagen in diesem Fall hängig seien. X. bestreite dies jedoch.

Am Tag darauf, dem 27. November 2013, veröffentlichte die «BaZ» einen weiteren Artikel mit dem Titel: «X.’s verzweifelter Kampf gegen die Justiz» und dem Untertitel «Basler Treuhänder rotiert im roten Drehzahlbereich». Darin führt die «BaZ» aus, wenn der alt SVP-Grossrat und heutige IWB-Verwaltungsrat X. nur zu einem Teil dessen für schuldig befunden werde, was ihm die Basler Staatsanwaltschaft vorwerfe, dann bedeute es das Karriereaus für den Revisionsexperten. In welch schwieriger Lage sich X. sehe, komme dadurch zum Ausdruck, dass der Treuhänder noch spätabends den Journalisten SMS versende und bestreite, dass eine Anklage gegen ihn hängig sei. Die Staatsanwaltschaft lüge diesbezüglich wie gedruckt. Die «BaZ» hält dazu fest, formaljuristisch habe X. recht, denn das Gericht habe die Anklage der Staatsanwaltschaft aus formalen Gründen zurückgewiesen, es sei jedoch davon auszugehen, dass die Anklage postwendend wieder eingereicht würde. Inzwischen habe der umtriebige Treuhänder nicht nur über eine Interpellation des SVP-Grossratskollegen Karl Schweizer die Staatsanwaltschaft unter Druck gesetzt, sondern X. habe den Kanton auch auf 855 167 Franken betrieben. Ziel von X.’s Attacken sei immer die Basler Staatsanwaltschaft.

B. a) Am 17. Dezember 2013 reichte X. beim Schweizer Presserat Beschwerde ein gegen die Berichterstattung der «BaZ» vom 26. und 27. November 2014. Der Beschwerdeführer beklagt eine Verletzung des in Ziffer 1 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verankerten Wahrheitsgebots. Im Artikel vom 26. November 2013 schreibe Daniel Wahl: «Wie Stawa-Sprecher Peter Gill bestätigt, sieht die Sache ernst aus für den Treuhänder X.» Darauf habe er am 6. Dezember 2013 eine Aufsichtsbeschwerde bei der Staatsanwaltschaft Basel-Stadt eingereicht. In ihrer Antwort habe diese festgehalten, dass sie hinsichtlich der medial aufgegriffenen Verfahren weder eine Medienmitteilung verfasst noch eine Einschätzung der Prozesschancen vorgenommen habe. Weiter macht der Treuhänder geltend, der Journalist schreibe am 27. November, das Verhalten des Beschwerdeführers werde in Justizkreisen als querulatorisch und trölerisch bezeichnet, ohne aufzudecken, woher diese Informationen stammten.

b) Der Beschwerdeführer beruft sich zudem auf Ziffer 3 der «Erklärung», wonach wichtige Elemente von Informationen nicht unterschlagen werden dürfen. Mit seinem Mail vom 28. November 2013 habe eine lange Korrespondenz mit Martin Wagner, dem Anwalt der «Basler Zeitung», begonnen. Wiederholt hätte er angeboten, seine Fakten und seinen Standpunkt der «BaZ» darzulegen, was diese jedoch nicht angenommen habe. Offenkundig habe die «BaZ» seine Argumente nicht anhören wollen, was in eine einseitige Berichterstattung mündete.

c) Schliesslich beklagt X. gestützt auf Ziffer 5 der «Erklärung» eine Verletzung der Pflicht zur Berichtigung. Er habe den Vertreter der «BaZ» am 16. Dezember 2013 über das Dementi der Staatsanwaltschaft und die offensichtlich unzutreffende Berichterstattung der «Basler Zeitung» informiert. Die Reaktion von Anwalt Wagner: «Super, freue mich auf den Gerichtsentscheid. Damit hat die ‹BaZ› keinen Handlungsbedarf mehr.»

C. Mit Schreiben datiert vom 24. Januar 2014, beim Presserat eingegangen am 1. April 2014, nahm die anwaltlich vertretene «BaZ»-Redaktion Stellung. Sie beantragte, nicht auf die Beschwerde einzutreten oder diese als unbegründet abzuweisen. Nach Art. 10 Abs. 2 seines Geschäftsreglements trete der Presserat auf Beschwerden nicht ein, wenn der Beschwerdeführer diesen missbrauchen wolle, um an Beweismittel zu gelangen, die in einem Gerichtsverfahren verwendet werden sollen. Der Beschwerdeführer habe den beanstandeten Artikel zum Anlass genommen, um gerichtlich gegen die «Basler Zeitung» vorzugehen. So habe das Zivilgericht Basel-Stadt am 10. Januar 2014 über ein Gegendarstellungsbegehren X.’s entschieden, wobei es mehrere Beweisanträge des Beschwerdeführers ablehnte. Sowohl mündlich als auch in seiner Korrespondenz habe X. weitere gerichtliche Verfahren in Aussicht gestellt. Daher sei davon auszugehen, dass es in naher Zukunft zu weiteren Verfahren gegen die «BaZ» komme, weshalb das Presseratsverfahren offensichtlich der Vorbereitung dieser Gerichtsverfahren diene. Vor diesem Hintergrund sei es der Beschwerdegegnerin nicht möglich, sich frei zu den Beanstandungen des Beschwerdeführers zu äussern. Deshalb sei das Verfahren auf die Frage der Zuständigkeit zu beschränken. Andernfalls sei der Beschwerdegegnerin Frist zur einlässlichen Begründung der Beschwerdeantwort zu setzen.

D. Mit Schreiben vom 17. April 2014 teilte der Presserat der Beschwerdegegnerin mit, der Beschwerdeführer habe den Presserat über seinen beim Zivilgericht Basel-Stadt eingereichten Antrag auf Gegendarstellung informiert. Mit Entscheid vom 10. Januar 2014 habe das Zivilgericht des Kantons Basel-Stadt sein Gesuch um Gegendarstellung abgewiesen. Davon sei vorliegend auszugehen, dem Presserat seien keine weiteren Verfahren bekannt, weshalb der Vorwurf, das Presseratsverfahren erfolge zum Zweck der Vorbereitung weiterer Gerichtsverfahren nicht erhärtet sei. Der Redaktion wurde in der Folge eine Nachfrist angesetzt, sich einlässlich zur Beschwerde zu äussern.

E. a) Am 5. Mai 2014 stellte die «Basler Zeitung» den Antrag, die Beschwerde sei abzuweisen. Die beanstandete Aussage im Artikel vom 26. November 2014 der «BaZ», es sehe «ernst aus für den Treuhänder», stütze sich auf die Tatsache, dass gegen den Treuhänder Anklage erhoben worden sei. Die Behauptung, in dieser Aussage sei eine Einschätzung der Prozesschancen zu erblicken, bestreitet die «BaZ». Bei der Durchschnittsleserin entstehe bei der Lektüre des Artikels kein falsches Bild. Die Zitate des St
aatsanwaltssprechers bezögen sich auf die angeklagten Tatbestände, die Verkürzung, die Sache sehe für den Beschwerdeführer ernst aus, sei als Werturteil des Autors zulässig und im Kontext des Artikels angebracht. Eine strafrechtliche Anklage sei zweifelsohne eine «ernste Sache», die behauptete Verletzung von Ziffer 1 erweise sich als unbegründet und sei abzuweisen. Ins Leere laufe auch die Beanstandung X.’s, die Aussage im Bericht vom 27. November 2013, Justizkreise bezeichneten sein Verhalten als querulatorisch und trölerisch, sei nicht belegt. Beide Artikel stützten sich auf mehrere unabhängige Quellen; diese stünden unter dem journalistischen Quellenschutz und könnten deshalb nicht aufgedeckt werden.

b) In Bezug auf die behauptete Verletzung von Ziffer 3, wonach die «BaZ» nicht bereit gewesen sei, den Standpunkt des Beschwerdeführers zu berücksichtigen, sei dessen Verweis auf die Korrespondenz mit Advokat Martin Wagner nicht stichhaltig. Dieser Mailwechsel habe die Gegendarstellung sowie die Androhung anderer rechtlicher Schritte seitens X.’s zum Inhalt gehabt. Dessen Stellungnahmen seien in beide beanstandeten Artikel eingeflossen.

c) Die «BaZ» bestreitet auch, Ziffer 5 verletzt zu haben, weil sie eine Falschmeldung nicht richtiggestellt habe. Bei der angeblichen Falschaussage, die Lage für X. sei ernst, handle es sich um ein Werturteil des Autors. X. habe zudem wiederholt Gelegenheit gehabt, sich in der «BaZ» zu äussern. Schliesslich sei das vom Beschwerdeführer ins Feld geführte Schreiben der Staatsanwaltschaft Basel-Stadt nicht geeignet, den Beweis für die Verletzung zu führen. Zwar halte die Staatsanwaltschaft fest, dass sie keine Einschätzung der Prozesschancen vorgenommen habe; dies sei jedoch in den beanstandeten Berichten weder behauptetet worden, noch sei dieser Eindruck entstanden.

F. Am 11. Juli 2014 teilte der Presserat den Parteien mit, die Beschwerde werde vom Presseratspräsidium behandelt, bestehend aus dem Präsidenten Dominique von Burg, Vizepräsidentin Francesca Snider und Vizepräsident Max Trossmann.

G. Das Presseratspräsidium hat die vorliegende Stellungnahme per 27. November 2014 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.

II. Erwägungen

1. Der Beschwerdeführer beklagt eine Verletzung des in Ziffer 1 der «Erklärung» verankerten Wahrheitsgebots. Im Raum stehen folgende zwei Vorwürfe: Zum einen habe der Journalist im Artikel vom 26. November 2013 geschrieben: «Wie Stawa-Sprecher Peter Gill bestätigt, sieht die Sache ernst aus für den Treuhänder X.» Die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt halte jedoch fest, sie habe zum Verfahren gegen X. und andere weder eine Medienmitteilung verfasst noch eine Einschätzung der Prozesschancen vorgenommen. Zum anderen habe der Journalist am 27. November geschrieben, X.’s Verhalten gelte in Justizkreisen als querulatorisch und trölerisch, ohne zu schreiben, woher diese Informationen stammten.

Laut «Basler Zeitung» ist im Zitat des Sprechers der Staatsanwaltschaft keine Einschätzung der Prozesschancen zu erblicken, die Verkürzung, die Sache sehe für den Treuhänder ernst aus, sei als Werturteil des Autors zulässig und im Kontext des Artikels angebracht. Dazu ist folgendes auszuführen: Die Staatsanwaltschaft hat nie eine Einschätzung der Prozesschancen von X. vorgenommen, dies legt sie in ihrem Schreiben vom 12. Dezember 2013 an den Beschwerdeführer dar. Sie hält fest, sie habe weder eine Medienmitteilung verfasst noch sich zu den Prozesschancen geäussert. Auf Ersuchen von Daniel Wahl habe sie der «BaZ» in ihrer per Mail erfolgten Antwort vom 25. November 2013 weder Namen genannt noch eine Einschätzung zu den Prozessaussichten abgegeben. Im kritisierten Artikel legt die «BaZ» dem Sprecher der Staatsanwaltschaft jedoch eine solche Prozesseinschätzung in den Mund, indem sie schreibt: «Wie Stawa-Sprecher Peter Gill bestätigt, sieht die Sache ernst aus für den Treuhänder X.» Darin liegt eine klare Einschätzung der Chancen des Beschwerdeführers. Ziffer 1 der «Erklärung» ist demnach verletzt.

Was den Vorwurf betrifft, das Verhalten des Beschwerdeführers werde in Justizkreisen als querulatorisch und trölerisch bezeichnet, so beruft sich die «BaZ» auf mehrere unabhängige Quellen, die sie jedoch aus Gründen des Quellenschutzes nicht nennen könne. Zwar handelt es sich bei dieser Aussage um einen schweren Vorwurf an einen Juristen. Angesichts der Ausgangslage lässt sich jedoch nicht eruieren, ob dieser Vorwurf wirklich so erhoben wurde. Die Frage muss deshalb offen bleiben.

2. Weiter stellt sich die Frage, ob die «BaZ» wichtige Elemente von Informationen (Ziffer 3 der «Erklärung») unterschlagen hat. Der Beschwerdeführer macht geltend, er habe der «BaZ» wiederholt angeboten, seinen Standpunkt darzulegen, was diese jedoch nicht angenommen habe. Offenkundig habe die «BaZ» seine Argumente nicht anhören wollen, weshalb sie dann einseitig berichtet habe. X. führt nicht näher aus, welche wichtigen Informationen die «BaZ» unterschlagen haben soll. Anzufügen ist, dass er im Artikel vom 26. November 2013 – wenn auch kurz – zu Wort kommt. In der Ausgabe vom 30. November 2013 hat die  «BaZ» zudem seinen Leserbrief «Keine Strafklage gegen X.» zum Artikel vom 26. November 2013 veröffentlicht. Der Presserat sieht deshalb Punkt 3 nicht verletzt.

3. Der Beschwerdeführer macht zudem geltend, gestützt auf Ziffer 5 sei der «BaZ» eine Verletzung der Pflicht zur Berichtigung vorzuwerfen. Er habe den Vertreter der «BaZ» am 16. Dezember 2013 über das Dementi der Staatsanwaltschaft und die offensichtlich unzutreffende Berichterstattung der «Basler Zeitung» informiert, ohne Konsequenzen. Bei der Passage wird – wie bereits erwähnt – dem Sprecher der Staatsanwaltschaft eine Einschätzung der Prozessaussichten in den Mund gelegt, die offensichtlich jener des Autors des Beitrags entspricht. Dies ist für den Leser und die Leserin zwar nicht ersichtlich, doch handelt es sich dabei nicht um einen derart gravierenden Fehler, dass ihn die «BaZ» hätte berichtigen müssen. Auch hier liegt keine Verletzung der «Erklärung» vor.  

III. Feststellungen

1. Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen.

2. Die «Basler Zeitung» hat mit den Artikeln «Krumme Geschäfte mit ‹Regio Aktuell›» vom 26. November 2013 sowie «X.’s verzweifelter Kampf gegen die Justiz» vom 27. November 2013 Ziffer 1 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (Wahrheitspflicht) verletzt, indem sie dem Sprecher der Staatsanwaltschaft eine falsche Aussage in den Mund legte.

3. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen. Die «Basler Zeitung» hat Ziffer 3 (Unterschlagen von Informationen) sowie Ziffer 5 (Berichtigung) der «Erklärung» nicht verletzt.