I. Sachverhalt
A. Am 14. November 2013 publizierte die «RhoneZeitung» (RZ) einen Artikel mit dem Titel «Hexenjagd im Wallis?». Im Lead heisst es: «Nach der ‹Kruzifix-Affäre› droht dem Wallis die ‹Causa Inderkummen›. Es droht der Gang vors Bundesgericht.» Der Artikel berichtet über den Fall einer Religionslehrerin, welcher der Bischof von Sitten die Unterrichtstätigkeit entzog, weil sie aus der katholischen Kirche ausgetreten sei. Anlass für den Bericht war eine Medienorientierung durch Schuldirektor, Schulpräsident, Stadtpräsident und Stadtschreiber, anlässlich derer auch darüber informiert wurde, dass drei Lektionen im Fach Ethik–Reli-gionen–Gemeinschaft von der Schulleitung nicht mehr an sie vergeben worden seien und sie heute arbeitslos sei. Edith Inderkummen habe bis heute keine rechtskräftige Kündigung erhalten. Der Artikel hält fest, dass die Aussagen verschiedener Protagonisten in der «Causa Interkummen» unterschiedlich seien. So wird die Tatsache thematisiert, dass die Lehrerin die Schüler über ihren Kirchenaustritt informierte. Zudem rapportiert die «RhoneZeitung» über die anlässlich der Medienorientierung gemachten Aussagen der Behördenvertreter und fragt: «War die Verbindung zu sektenähnlichen Organisationen der entscheidende Indikator, Inderkummen nicht weiter zu beschäftigen?». Die Zeitung hält abschliessend fest, Inderkummen sei für die «RhoneZeitung» nicht erreichbar gewesen.
B. Am 4. Juni 2014 reichte Edith Inderkummen beim Schweizer Presserat Beschwerde gegen den Artikel ein. Dieser Artikel habe ihr schweren Schaden zugefügt. Ausgangspunkt für die Verleumdungen und Diskriminierungen sei ein erster Artikel der «RhoneZeitung» mit dem Titel «Religionslehrerin Mitglied einer Sekte?» vom November 2011 gewesen. Sie beantrage deshalb die Löschung der beiden Artikel. Die Vermutung, sie gehöre einer Sekte an, widerspreche der zur «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» gehörigen Richtlinie 1.1, da hier eine falsche Information gegeben wurde. Zudem verletze sie Richtlinie 8.1 der «Erklärung», da diese auf Luftschlössern aufgebaute Behauptung ihre Würde als Mensch nachhaltig geschädigt habe und sie deswegen geächtet werde. Weiter sieht die Beschwerdeführerin Richtlinie 8.2 verletzt, weil durch die Wiedergabe der boshaften, lügnerischen Behauptungen eine Diskriminierung gegen ihre Person erfolgt sei.
C. Am 19. August 2014 nahm die Redaktion der «RhoneZeitung» zu den Vorwürfen Stellung. Zentrale Frage sei für die Redaktion zu Beginn der Affäre gewesen, was sich hinter dem Namen «Auferstehungspower» verberge. Der Autor des Artikels, Simon Kalbermatten, habe deshalb gleich zu Beginn seiner Recherchen Edith Inderkummen kontaktiert, um sich mit ihr über den «Auferstehungskanal» auf Youtube zu unterhalten. Diese habe aber keine Auskunft geben wollen. Worauf er den Sektenexperten Hugo Stamm um seine Auffassung gebeten habe, welche korrekt zitiert worden sei. Die «RhoneZeitung» habe im kritisierten Artikel aus dem Jahr 2011 von einer Oberwalliser Religionslehrerin gesprochen, der Name der Lehrerin sei nie verwendet worden. Ein grosser Teil der Leserschaft habe nicht gewusst, um wen es sich handelte, der Autor habe Frau Inderkummen bewusst schützen wollen. Dass diese als Religionslehrerin ihre Schüler über ihren Kirchenaustritt informierte, habe im katholisch geprägten Wallis wesentlich mehr Polemik ausgelöst als dieser Artikel. Die «RZ» habe jedoch in der Folge auf eine weitere Berichterstattung verzichtet, auch als die Frau ihre Anstellung verlor, wollte sie den Fall nicht neu aufrollen. Erst als der Briger Stadtpräsident mit Schulpräsident und Schuldirektor eine Pressekonferenz ankündigte, in der detailliert über die Vorfälle informiert wurde, sei die «RZ» ihrer journalistischen Sorgfaltspflicht nachge-gangen. Wiederum habe der Journalist versucht, die Beschwerdeführerin zu befragen, was diese jedoch ablehnte. Die «RhoneZeitung» schliesst, der Artikel, der ausschliesslich als Information für die Leser und nicht als Attacke auf Frau Inderkummen gedacht war, hätte bestimmt anders ausgesehen, hätte diese das Gespräch mit dem Journalisten gesucht.
D. Im Rahmen eines zweiten Schriftenwechsels teilte die Beschwerdeführerin am 19. Oktober 2014 dem Presserat mit, sie habe den Journalisten nie autorisiert, über sie zu schreiben. Sie habe ihre Gründe gehabt, ihm keine Auskünfte erteilen zu wollen. Die «RhoneZeitung» verzichtete darauf, erneut Stellung zu nehmen.
E. Am 18. Februar 2015 teilte der Presserat den Parteien mit, die Beschwerde werde vom Presseratspräsidium behandelt, bestehend aus Präsident Dominique von Burg, Vizepräsidentin Francesca Snider und Vizepräsident Max Trossmann.
F. Das Presseratspräsidium hat die vorliegende Stellungnahme per 7. September 2015 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.
II. Erwägungen
1. Die Beschwerdeführerin macht eine Verletzung der Wahrheitspflicht geltend, indem der Artikel die Vermutung zulasse, sie gehöre einer Sekte an. Laut der zur «Erklärung» gehörigen Richtlinie 1.1 (Wahrheitssuche) stellt die Wahrheitssuche den Ausgangspunkt der journalis-tischen Informationstätigkeit dar. Diese setzt die Beachtung verfügbarer und zugänglicher Daten, die Achtung der Integrität von Dokumenten, die Überprüfung und die allfällige Berichtigung voraus. Der Artikel hält nach dem Untertitel «Nach dem Kantons- das Bundesgericht?» folgendes fest: «Weiter haben der Schulpräsident sowie der Direktor und Inspektor davon Kenntnis genommen, dass ihre Religionslehrerin auf dem Youtube-Kanal im Internet mit sektenähnlichen Kreisen verkehrte (die RZ berichtete) und haben sie deshalb zu einem Gespräch aufgefordert. (…) Warum informierte Blumenthal [Adjunkt der Dienststelle für Unterrichtswesen, Anm. SPR] die Stadtgemeinde nicht über sein Wissen? War die Verbindung zu sektenähnlichen Organisationen der entscheidende Indikator, Inderkummen nicht weiter zu beschäftigen? (…) Inderkummen war für die RZ nicht erreichbar.» In der fraglichen Passage ist der erste Satz, Schulpräsident und Direktor hätten Kenntnis genommen, «dass ihre Religionslehrerin … mit sektenähnlichen Organisationen verkehrte …» klar als Aussage der Schul-Autoritäten an der Medienkonferenz zu erkennen. Der Satz «War die Verbindung zu sektenähnlichen Organisationen der entscheidende Indikator, Inderkummen nicht weiter zu beschäftigen?» wäre präziser gewesen, hätte er gelautet: «War die von der Schule behauptete Verbindung zu sektenähnlichen Organisationen der entscheidende Indikator, Inderkummen nicht weiter zu beschäftigen?» Im ganzen Abschnitt geht es um die Entlassung der Beschwerdeführerin und darum, was die Schulbehörden dazu an der Medienkonferenz gesagt haben. Es ist somit für den Leser erkennbar, dass die Sektenzuschreibung mit den Aussagen der Schulbehörden in Verbindung steht. Die festgestellte Ungenauigkeit ist deshalb untergeordneter Natur. Sie vermag letztlich keine Verletzung der Wahrheitspflicht zu begründen.
2. a) Richtlinie 8.1 zur «Erklärung» (Achtung der Menschenwürde) hält fest, dass sich die Informationstätigkeit an der Achtung der Menschenwürde zu orientieren hat. Sie ist ständig gegen das Recht der Öffentlichkeit auf Information abzuwägen. Dies gilt sowohl hinsichtlich der direkt betroffenen oder berührten Personen als auch gegenüber der gesamten Öffentlichkeit. Wie oben ausgeführt, gibt der Artikel die Aussagen der Schulbehörden an der Medienkonferenz korrekt wieder. Dass diese Aussagen so gemacht wurden, bestreitet die Beschwerdeführerin nicht. Die Aussage, sie habe mit sektenähnlichen Kreisen verkehrt, ist ein massiver Vorwurf
, zu dem sie anzuhören ist. Die Redaktion hat versucht, von der Beschwerdeführerin eine Stellungnahme einzuholen. Es ist selbstverständlich deren gutes Recht, sich nicht äussern zu wollen. Dass die «RhoneZeitung» das Recht der Öffentlichkeit auf Information höher gewichtete und über die öffentlich geäusserten Vermutungen berichtet hat, kann ihr nicht zur Last gelegt werden. Eine Verletzung der Menschenwürde der Beschwerdeführerin liegt damit nicht vor.
b) Gestützt auf Richtlinie 8.2 (Diskriminierungsverbot) kann die Nennung der ethnischen oder nationalen Zugehörigkeit, der Herkunft, der Religion, der sexuellen Orientierung und/oder der Hautfarbe diskriminierend wirken, insbesondere wenn sie negative Werturteile verallgemeinert und damit Vorurteile gegenüber Minderheiten verstärkt. Die «RhoneZeitung» hat sachlich über die anlässlich der Medienkonferenz geäusserten Vermutungen berichtet, was, wie oben dargelegt, nicht zu beanstanden ist. Auch eine Verletzung des Diskriminie-rungsverbots liegt demnach nicht vor.
III. Feststellungen
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
2. Die «RhoneZeitung» hat mit dem Artikel «Hexenjagd im Wallis?» vom 14. November 2013 Ziffer 1 (Wahrheitspflicht) und Ziffer 8 (Menschenwürde/Diskriminierung) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» nicht verletzt.