I. Sachverhalt
A. In ihrer Ausgabe 48/2014 vom November 2014 veröffentlichte die «Schweizer Familie» unter dem Titel «Das Glück und der Granatsplitter» die Lebensgeschichte eines Berner Verdingbuben. Der Lead lautete: «Ein Berner Verdingbub findet in Kanada die grosse Freiheit und erlebt dann in Vietnam die Schrecken des Kriegs. Er desertiert und flieht zurück in die Schweiz. Das ist die Geschichte des Tschönu Klaey». Das Porträt zeichnet Klaeys Leben nach, angereichert mit zahlreichen Episoden und diversen Zitaten seiner Erzählungen.
B. Am 30. März 2015 legte X. beim Schweizer Presserat Beschwerde gegen das Porträt in der «Schweizer Familie» ein und machte geltend, wesentliche Punkte im Artikel entsprächen nicht der Wahrheit. Deswegen habe er sich bei der Redaktion der «Schweizer Familie» gemeldet. Deren Antwort habe ihn jedoch nicht zufrieden gestellt. Aus dem der Beschwerde beiliegenden Mailverkehr geht hervor, dass der Beschwerdeführer der Neffe Klaeys ist. Aufhänger der Geschichte ist für ihn, dass der Porträtierte ein Vietnamveteran sein soll. Fakt sei, dass der Beschwerdeführer weder eine amerikanische Grossmutter habe (im Artikel ist davon die Rede, dass die Mutter von «Tschönu» Amerikanerin war), noch sei sein Onkel im Vietnamkrieg gewesen. Die geschilderten Geschehnisse könnten chronologisch nicht zusammenpassen. Einem Redaktionsteam hätte auffallen sollen, dass die Passagen zum Vietnamkrieg und der anschliessenden RS in der Schweiz nicht stimmen könnten. Er sieht den Journalistenkodex in Punkt 34 (Wahrheitspflicht) und 53 (Berichtigungspflicht) verletzt.
C. In ihrer Beschwerdeantwort vom 30. Juni 2015 beantragte die Tamedia AG, Herausgeberin der «Schweizer Familie», die Abweisung. Der Beschwerdeführer stütze sich in seiner Beschwerde auf die im Ratgeber des Schweizer Presserats «So arbeiten Journalisten fair» aufgeführten und nummerierten Fragen und auf keinen direkt mit der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (nachfolgend «Erklärung») zusammenhängenden Teil. Angesichts dessen, was er vorbringe, sei jedoch anzunehmen, dass X. wohl Ziffer 1 der «Erklärung» als verletzt betrachte. Während des Verfassens des Artikels habe die Journalistin keinen Grund gehabt, an «Tschönus» Aussagen zu zweifeln. Erste Einwände zum Beitrag seien knapp zwei Wochen nach Publikation durch den Ehemann einer Tochter des Porträtierten, nicht durch den Beschwerdeführer selbst erfolgt. Die Journalistin habe die Einwände sehr ernst genommen und die Tochter von «Tschönu» kontaktiert. Aufgrund des bereits sehr schlechten Gesundheitszustandes habe sie mit ihr vereinbart, «Tschönu» damit zu konfrontieren, sobald seine Gesundheit dies zulasse. Dessen Zustand habe sich jedoch rapide verschlechtert und er sei verstorben, bevor er noch habe Stellung nehmen können. X. selbst habe seine Einwände erst zwei Wochen nach «Tschönus» Tod und drei Monate nach der Publikation vorgebracht. In seiner ersten E-Mail habe er als Wiedergutmachung ein Gratis-Abonnement der «Schweizer Familie» für seine Mutter verlangt. Die «Schweizer Familie» habe mehrmals ausführlich auf X. Fragen geantwortet und ihre Beweggründe dargelegt. Aufgrund der langjährigen Bekanntschaft zwischen der Journalistin und dem Porträtierten habe für diese kein Grund bestanden, an der Wahrheit der Aussagen zu zweifeln. Der Beschwerdeführer fokussiere sich bei der Vietnamgeschichte darauf, diese könne mangels einer amerikanischen Mutter nicht wahr sein. Er vergesse dabei, dass ein wesentlicher Teil der Fakten unbestritten sei. Hinsichtlich der Chronologie könnten die Ereignisse sehr wohl stimmen, nachweisen lasse sich letztlich jedoch nicht, ob Klaey wirklich in Vietnam gekämpft habe. Das Absolvieren der Rekrutenschule in der Schweiz belege überhaupt nichts. Es stehe mitnichten fest, dass die Vietnamepisode falsch sei. Die Journalistin habe die Wahrheit nachgeprüft, soweit es ihr möglich war. Deshalb entfalle letztlich auch eine Berichtigungspflicht.
D. Am 30. November 2015 teilte der Presserat den Parteien mit, die Beschwerde werde vom Presseratspräsidium behandelt, bestehend aus dem Präsidenten Dominique von Burg, Vizepräsidentin Francesca Snider und Vizepräsident Max Trossmann.
E. Das Presseratspräsidium hat die vorliegende Stellungnahme per 6. Juni 2016 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.
II. Erwägungen
1. Ziffer 1 der «Erklärung» verlangt von Journalistinnen und Journalisten, dass sie sich an die Wahrheit halten und sich vom Recht der Öffentlichkeit leiten lassen, die Wahrheit zu erfahren. Die zugehörige Richtlinie 1.1 (Wahrheitssuche) präzisiert, dass die Wahrheitssuche den Ausgangspunkt der Informationstätigkeit darstellt. Sie setzt die Beachtung verfügbarer und zugänglicher Daten, die Achtung der Integrität von Dokumenten, die Überprüfung und die allfällige Berichtigung voraus. Der Beschwerdeführer macht geltend, es stimme nicht, dass «Tschönu» Klaey in Vietnam gekämpft habe, ebenso wenig, dass er eine amerikanische Mutter habe. Er legt dafür keine Belege vor, sondern argumentiert mit der Chronologie der Ereignisse, die so nicht stimmen könne. Mit diesem Vorwurf konfrontiert, führte die Ressortleiterin der «Schweizer Familie» gegenüber dem Beschwerdeführer aus, dass der Chefredaktion vor Abdruck des Artikels klar war, dass sich die Vietnamepisode nicht belegen liesse. Aufgrund der sorgfältigen Recherche der Autorin und ihrer Kenntnis von «Tschönus» Umfeld und Leben habe sie sich jedoch entschlossen, den Artikel so zu drucken. Hinzu sei gekommen, dass die Autorin «Tschönu» schon sehr lange kannte und sehr viel Zeit mit ihm verbrachte. Es habe kein begründeter Anlass bestanden, anzunehmen, dass sie oder «Tschönu» nicht die Wahrheit sagen.
2. Das Porträt ist in der Rubrik «Menschen» der «Schweizer Familie» erschienen. Es ist für die Leserschaft somit in jedem Moment klar, dass es sich um die Lebensgeschichte von Klaey handelt, so wie dieser sie erzählt bzw. wie er sich an sein Leben erinnert. Es geht somit um eine subjektive, individuelle Erzählung aus Sicht des Protagonisten. Erinnerungen sind keine exakte Grösse, sie unterliegen im Verlauf des Lebens Veränderungen. Oder wie Max Frisch es ausdrückt: «Jeder Mensch erfindet sich früher oder später eine Geschichte, die er für sein Leben hält, oder eine ganze Reihe von Geschichten.» (Aus: Mein Name sei Gantenbein) Wie von der «Schweizer Familie» dargelegt, bestand für sie kein Anlass, an der Glaubwürdigkeit Klaeys zu zweifeln. Insofern hält es vor der Wahrheitspflicht stand, über die Zeit als Soldat in Vietnam zu berichten, auch wenn der «Schweizer Familie» keine Belege dafür vorlagen, dass dies der Wahrheit entspricht. Richtlinie 1.1 verlangt die Beachtung verfügbarer und zugänglicher Daten. Solche lagen der «Schweizer Familie» nicht vor und sie liegen auch dem Beschwerdeführer nicht vor. Eine Verletzung der Wahrheitspflicht ist demnach nicht erstellt. Ist die Wahrheitspflicht nicht verletzt, so ist auch keine Berichtigung vorzunehmen.
III. Feststellungen
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
2. Die «Schweizer Familie» hat mit dem Artikel «Das Glück und der Granatsplitter» Ziffer 1 (Wahrheitspflicht) sowie Ziffer 5 (Berichtigung) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» nicht verletzt.