Zusammenfassung
Der «Beobachter» hat mit seiner Titelstory über die «Modedroge Anabolika» keine Persönlichkeitsrechte verletzt. Der Presserat wies die Beschwerde eines Mannes ab, den der Artikel anonymisiert als Dealer beschrieben hatte.
Der «Beobachter» publizierte am 25. November 2015 einen Schwerpunkt zum Thema Anabolika. Auf neun Seiten beschrieb das Magazin, wie gross dieser Markt sei, zeigte den Zusammenhang mit der wachsenden Fitness-Industrie und informierte über die Gefährlichkeit von Anabolika und anderer Drogen. Zwei Text-Abschnitte illustrierten gestützt auf eine Anklageschrift, mit welchen Methoden ein Dealer operierte.
Dieser als Beispiel aufgeführte Mann beschwerte sich beim Presserat: Er sei im Artikel zu wenig anonymisiert worden, sein Umfeld habe erkennen können, dass er gemeint sei. Der Presserat lehnt diesen Einwand ab: Da der «Beobachter» den Vornamen änderte und vom Nachnamen nur den ersten Buchstaben nannte, respektierte er die Privatsphäre des Beschwerdeführers genügend. Damit konnte höchstens noch das nächste Umfeld erkennen, um wen es sich handelt, nicht aber Dritte, die nur durch die Medien vom Vorgang erfuhren.
Auch die weiteren Einwände des Beschwerdeführers sind für das Kontrollorgan unberechtigt: So monierte der Mann, er sei nicht zu den Vorwürfen befragt worden und der «Beobachter» habe nichts berichtigt. Für den Presserat bestand zu beidem kein Anlass: Der «Beobachter» stützte sich ausdrücklich auf den Wortlaut einer Anklageschrift und anonymisierte den Beschuldigten. Entsprechend wurden dessen Persönlichkeitsrechte nicht verletzt durch den reinen Beschrieb der Methoden eines Dealers, wie sie die Untersuchungsbehörden in einem Strafverfahren schildern.
Der Mann sah auch die Wahrheitspflicht verletzt, weil ein Passus aus der einen Anklageschrift verwendet worden sei, um einen Vorgang zu beleuchten, den ein anderes Strafverfahren behandle. Dazu stellt der Presserat fest, dass es journalistisch um den gleichen Sachverhalt ging. Die juristische Unterteilung aufgrund verschiedener Beteiligter spielt journalistisch keine Rolle.
Résumé
Le «Beobachter» n’a pas porté atteinte aux droits de la personnalité dans le dossier qu’il a consacré à la drogue «tendance» que sont les anabolisants. Le Conseil de la presse a rejeté la plainte d’un homme que l’article avait évoqué, de manière anonyme, comme un dealer.
Le «Beobachter» a publié le 25 novembre 2015 un dossier sur le thème des anabolisants. Le magazine a décrit sur neuf pages l’étendue de ce marché, montré ses liens avec l’industrie du fitness, en pleine expansion, et informé sur les dangers que revêtent les anabolisants et autres drogues du même genre. Deux paragraphes de texte illustraient les méthodes utilisées par un dealer sur la base de l’acte d’accusation.
L’homme pris en exemple dans cet article s’est plaint auprès du Conseil de la presse: il considère que son anonymat est trop peu garanti, que son environnement a été capable de le reconnaître. Le Conseil de la presse rejette sa plainte: le «Beobachter» a modifié son prénom et n’a fourni que la première lettre de son nom de famille, respectant ainsi suffisamment la sphère privée de l’intéressé. Seul son entourage le plus proche pouvait savoir de qui il était question, non les tiers apprenant toute l’histoire par les médias.
L’organe de contrôle considère les autres objections faites par l’intéressé comme injustifiées: l’homme critique le fait de ne pas avoir été interrogé sur les faits qui lui sont reprochés et que le «Beobachter» n’a procédé à aucune rectification. Le Conseil de la presse juge ces critiques sans motif: le «Beobachter» s’est fondé expressément sur le contenu de l’acte d’accusation et a rendu le prévenu anonyme. En conséquence, il n’a pas porté atteinte à ses droits de la personnalité en décrivant purement et simplement les méthodes d’un dealer telles qu’exposées par les autorités d’instruction dans la procédure pénale.
L’homme a également estimé que le magazine a violé son devoir de rechercher la vérité en citant les mots de l’acte d’accusation pour éclairer un mécanisme qui faisait l’objet d’une autre procédure pénale. Le Conseil de la presse constate là qu’il en va de la même thématique au plan journalistique. La subdivision juridique de l’affaire, en raison de l’existence de différentes parties, ne joue aucun rôle pour les journalistes.
Riassunto
Il Consiglio della stampa ha respinto il reclamo di una persona descritta da un servizio del «Beobachter». L’identità del protagonista dell’articolo «Modedroge Anabolika» – uno spacciatore (pusher) – risultava sufficientemente anonimizzata.
Il servizio principale del numero del 25 novembre 2015 del «Beobachter», esteso su nove pagine del periodico, era dedicato agli anabolizzanti. Vi si sottolineava l’importanza di un mercato collegato alla crescente industria del fitness e i rischi inerenti all’assunzione di sostanze. Da una proposta di decreto d’accusa erano stati ricavati due testi descriventi i metodi di un «pusher», cioè di uno spacciatore. Il personaggio in questione si è appellato al Consiglio della stampa sostenendo che il periodico aveva insufficientemente anonimizzato la sua identità, con il risultato di renderlo riconoscibile nell’ambiente.
Il Consiglio ha respinto il reclamo: il «Beobachter» aveva modificato il prenome e ridotto il cognome alla lettera iniziale, impedendo in tal modo la riconoscibilità della persona: al massimo forse identificabile nello stretto giro di questo mercato, non invece da terzi che ne venivano a conoscenza solo attraverso il servizio.
Anche gli altri appunti contenuti nel reclamo sono stati respinti dal Consiglio della stampa. In particolare, il periodico non avrebbe messo il protagonista al corrente delle accuse che gli venivano mosse e aveva rifiutato una sua messa a punto. Il «Beobachter» si era limitato a riassumere i termini del decreto d’accusa e l’identità del «pusher» era, come detto, resa irriconoscibile. Puramente e semplicemente se ne descrivevano gli atti, deducendoli dal decreto d’accusa formulato sulla base dell’inchiesta penale.
Il reclamo sosteneva pure che il periodico aveva mancato al dovere di rispettare la verità in quanto, per descrivere l’ambiente, non specificava di riferirsi anche a un altro caso, pure sub judice. Il Consiglio della stampa osserva che, da un punto di vista giornalistico, si trattava dello stesso ambiente: la precisazione che ci si riferiva a due casi penalmente distinti non era perciò necessaria.
I. Sachverhalt
A. Unter dem Titel «Modedroge Anabolika» berichteten die «Beobachter»-Journalisten Thomas Angeli und Otto Hostettler am 27. November 2015 in der Ausgabe 24/2015 auf den Seiten 16ff. über insgesamt neun Seiten ausführlich über das Doping im Bodybuilding- und Fitnessstudio-Bereich. Ergänzt wird ihr Text durch Schaubilder, Statistiken und weitere Informationen zum Thema Muskel-Doping. Anschliessend an diesen Artikel folgt ein Interview mit einem deutschen Experten zur gleichen Thematik.
Im Artikel wird zunächst anhand eines Einzelfalls gezeigt, dass das Einnehmen von Anabolika und ähnlichen Medikamenten, die das Muskelwachstum fördern, bei vielen Konsumenten zu einer Sucht führe, wie man sie von anderen, von harten Drogen kenne. Das Ausmass dieser Drogensucht und des damit verbundenen schwunghaften Handels wird dann am Beispiel eines «besonders spektakulären Coups der Aargauer Staatsanwaltschaft» geschildert: D
iese habe im Frühjahr ein Untergrundlabor ausgehoben, das die Szene mit Anabolika, Potenzpillen und anderen Medikamenten versorgt habe. Dabei seien Potenzpillen «gleich eimerweise» gefunden worden, sodann «Plastikdosen mit allen möglichen Mitteln. Etwa Oxymetholon, das in der Szenebibel ‹Anabole Steroide› (…) als das ‹stärkste verfügbare anabol-androgene Steroid› bezeichnet wird.» Und vor allem seien literweise Anabolika, abgefüllt in Ampullen, sichergestellt worden. Die Polizei sei, so der Artikel weiter, auf dieses Labor gestossen, weil zuvor ein Fitnesscenter als Anabolika-Drehscheibe aufgeflogen sei. Dort wiederum sei der «Dealer Daniel S.» eine zentrale Figur gewesen. Dieser habe die verbotenen Substanzen entweder von einem Kumpel importieren lassen oder sie – eben – im zuvor erwähnten Untergrundlabor besorgt. Unter den fraglichen Substanzen seien anabole Steroide, diverse Wachstumshormone sowie Potenztabletten gewesen. Weiter wird erklärt: «Dealer S. erreichte gemäss Anklageschrift mit den Dopingsubstanzen über fast zehn Jahre hinweg einen kumulierten Umsatz von weit über einer Million Franken.»
Anschliessend wird das Funktionieren der Drogengeschäfte erklärt, dann die Rechtslage: Die Täter hätten in diesem Bereich wenig zu fürchten. Aufgrund eines neuen Bundesgerichtsentscheides kämen erhebliche Strafen wegen Verstosses gegen das Heilmittelgesetz nur noch infrage, wenn vom illegalen Handel eine konkrete Gefährdung der Gesundheit ausgegangen sei. Das sei aber im Einzelfall kaum nachzuweisen, weswegen solche Täter praktisch nur noch wegen Vergehen oder Übertretungen mit Geldbussen bis 200’000 Franken bestraft werden könnten. Der im Fall eines Kunden von Dealer S. ursprünglich formulierte Vorwurf der Geldwäsche mit den Erträgen aus dem Drogenhandel falle ebenfalls weg, weil dazu als «Vortat» ein schweres Delikt vorliegen müsse, welches aber angesichts des beschriebenen Bundesgerichtsentscheides gerade nicht mehr gegeben sei. Im Weiteren skizziert der Artikel weitere Einzelschicksale und zeigt dabei unter anderem auf, wie einfach diese Art Drogen herzustellen und welch enorme Gewinnmargen dabei zu erzielen seien.
B. Am 29. Dezember 2015 reichte der im Artikel als «Dealer Daniel S.» bezeichnete X. über seinen Anwalt Beschwerde beim Schweizer Presserat ein. Dabei macht er geltend, es sei Ziffer 1 (Wahrheitspflicht) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (nachfolgend «Erklärung») verletzt, weil der Artikel den «spektakulären Coup» beim unterirdischen Drogenlabor und die «Machenschaften des ‹Dealers S.›» (also des Beschwerdeführers) im Fitnessstudio in einen Zusammenhang stelle. Das sei falsch, es gehe hier in Tat und Wahrheit um zwei inhaltlich getrennte Bereiche, die auch in zwei voneinander unabhängigen Strafverfahren beurteilt würden. Der Artikel erwecke einen falschen Eindruck, indem er zum Beleg des ersten Sachverhalts aus einer Anklageschrift zum zweiten zitiere. Das sei unstatthaft. Zudem sei der Beschwerdeführer im Artikel zu wenig anonymisiert. Er sei für sein Umfeld erkennbar. Hier wird kein Artikel der «Erklärung» genannt, gegen den verstossen worden sei, es wird nur geltend gemacht, damit verstosse der «Beobachter» aufs Gröbste gegen journalistische Prinzipien. Weiter werde Ziffer 3 der «Erklärung» verletzt: Dem Beschwerdeführer würden Taten im Sinne von erwiesenen Tatsachen unterstellt. Es werde nicht darauf hingewiesen, dass es sich dabei nur um Mutmassungen der Staatsanwaltschaft und nicht um erwiesene Fakten handle. Nur in einem einzigen Punkt erfolge dieser Hinweis. Die Anonymisierung des Namens könne die Verfasser aber nicht ihrer journalistischen Pflichten entheben. Ein schwerer Verstoss gegen Ziffer 1 und 3 der «Erklärung» bestehe darin, dass auf ein bereits ergangenes Strafurteil in der Angelegenheit «S.» nicht eingegangen oder hingewiesen werde. Dieses Urteil spreche den Beschwerdeführer «von den Vorwürfen gemäss Anklage frei» und verfüge, dem Beschwerdeführer seien «sämtliche Vermögenswerte wieder herauszugeben». Damit habe das Gericht auch den völlig legalen Erwerb dieser Werte anerkannt. Ziffer 3 der «Erklärung» sei zudem verletzt worden, weil die Verfasser X. nicht zu den schwerwiegenden Vorwürfen gegen seine Person befragt hätten. Schliesslich sei Ziffer 5 (Berichtigungspflicht) verletzt, weil der «Beobachter» ein Gesuch um Gegendarstellung zu Unrecht abgelehnt habe. Im Übrigen sei kein gerichtliches Verfahren gegen diesen Artikel anhängig gemacht, noch werde dies beabsichtigt.
C. Mit Schreiben vom 8. März 2016 nahm der Verlag Ringier Axel Springer Schweiz AG, vertreten durch den Anwalt Markus Prazeller, Stellung zur Beschwerde mit dem Antrag, nicht auf die Beschwerde einzutreten. Falls doch, sei sie vollumfänglich abzuweisen. Den Antrag auf Nichteintreten begründet der Verlag damit, dass Beschwerdeführer X. nie namentlich erwähnt worden sei und der ihn betreffende Sachverhalt im Artikel nur am Rande Erwähnung finde. Mit dem Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer sei ein Parallelverfahren im Sinne von Artikel 9 Abs. 3 des Geschäftsreglements des Presserats gegeben und deswegen sei auf die Beschwerde nicht einzutreten. Insbesondere habe die Staatsanwaltschaft den beanstandeten Artikel zu den Strafakten genommen. Damit sei er in einem laufenden Verfahren ein gerichtliches Beweismittel, dessen Tauglichkeit die Verteidigung des Beschwerdeführers vor dem Presserat in Frage stellen wolle. Dieses parallele Vorgehen verdiene keinen Rechtsschutz. Da der Presserat kein Verfahren mit Beweiserhebung durchführe, könne er über die beanstandeten Punkte ohnehin nicht verbindlich urteilen.
Das Eventualbegehren auf Ablehnung der Beschwerde begründete der Beschwerdegegner mit dem Hinweis, dass die beiden angeblich völlig unverbundenen Sachverhalte sehr wohl miteinander in Zusammenhang stünden. Das ergebe sich allein schon daraus, dass gegen den Beschwerdeführer mehrere Verfahren liefen, resultierend aus beiden Sachverhalten, was dieser in der Beschwerde auch selber konzediere. Die Staatsanwaltschaft sei laut eigenen Angaben auf den Händlerring um das Untergrundlabor nur aufmerksam geworden aufgrund der Untersuchung über einen Brandanschlag im Fitnessstudio drei Jahre zuvor. Auch in diesem Sinne sei ein Zusammenhang der beiden Sachverhalte eindeutig gegeben.
Was die Anonymisierung angeht, sei diese vollständig und nach Massgabe des letzten Satzes der einschlägigen Presserats-Richtlinie 7.2 erfolgt. Der Beschwerdeführer sei für andere als Familienmitglieder oder sein nahes Umfeld nicht erkennbar gewesen. Eine Verletzung der Unschuldsvermutung bestreitet der «Beobachter». (Der Beschwerdeführer hatte hier Ziffer 3 der «Erklärung» genannt, die Unschuldsvermutung ist jedoch in Ziffer 7 festgehalten.) Dazu macht die Redaktion geltend, sie habe keine wichtigen Elemente unterschlagen und keine Quellen benutzt, die sie nicht gut gekannt habe. X. versuche zu Unrecht den Eindruck zu erwecken, es liege ein erstinstanzlicher Freispruch in der Strafsache gegen ihn vor. Das sei falsch. Den Sachverhalt, wie ihn die Staatsanwaltschaft beschreibe, bestätige das Gericht. Es habe den Beschuldigten denn auch zu einer fünfstelligen Busse verurteilt. Die Autoren des Artikels hätten sich bewusst nur auf diesen reinen Sachverhalt beschränkt und eine juristische Bewertung der Taten unterlassen. Im Übrigen sei das Urteil noch gar nicht rechtskräftig.
Ein Verstoss gegen die Anhörungspflicht (Ziffer 3 der «Erklärung») könne nicht vorliegen. Diese diene zur «Wahrung des Rufes» einer Person. Wenn diese vollständig anonymisiert sei, entfalle die mögliche Schädigung des Rufes. Auch eine allenfalls nötige Erkennbarkeit einer Kontroverse sei gegeben. Der Leser habe ja erfahren, dass der Beschwerdeführer in ein Strafverfahren verwickelt sei, was das Vorliegen einer Kontroverse hinreichend illustriere.
Die Verweigerung der Gegendarstellung könne keine Verlet
zung von Ziffer 5 der «Erklärung» darstellen. Zum einen weil eine Gegendarstellung keine Behauptungen enthalten dürfe, die über den ursprünglichen Text hinausgehen, was hier aber der Fall gewesen sei. Vor allem aber müsse der Betroffene eine Gegendarstellung namentlich zeichnen, was der Beschwerdeführer aber ablehne. Eine Vertretung sei nicht möglich. Im Übrigen habe der «Beobachter» die Unschuldsvermutung durch seine Darstellung in keiner Weise verletzt.
Der «Beobachter» beantragte im Weiteren, der Beschwerdeführer solle das Urteil des Bezirksgerichts Brugg in der Sache «Fitnessstudio» vorlegen, ebenso wie eine Darstellung der übrigen gegen ihn laufenden Verfahren.
D. Um den Sachverhalt hinsichtlich eines allfälligen Parallelverfahrens und des geltend gemachten Freispruchs des Beschwerdeführers im Strafverfahren zu klären, forderte der Presserat den Beschwerdeführer mit Schreiben vom 20. Mai 2016 auf, das Urteil des Bezirksgerichts Brugg vom 30. Juni 2015 nachzureichen und über pendente weitere Strafverfahren Auskunft zu erteilen. Im Übrigen schloss er den Schriftenwechsel ab.
E. Mit Schreiben vom 6. Juni 2016 reichte der Beschwerdeführer das Urteil vom 30. Juni 2015 nach, allerdings ohne die Urteilsbegründung, welche genauen Aufschluss über die Tatbestände gegeben hätte, derer er schuldig gesprochen wurde. Ebenso reichte er das Titelblatt einer Einvernahme der kantonalen Staatsanwaltschaft in einem weiteren Verfahren ein. Darüber hinaus äusserte sich der Beschwerdeführer über einige Punkte der Beschwerdeantwort, worauf aber nicht eingegangen wird, da der Schriftenwechsel abgeschlossen war und der Beschwerdegegner darauf umgekehrt nicht antworten könnte.
Aus dem Urteil des Bezirksgerichts Brugg geht hervor, dass die Staatsanwaltschaft dem Beschwerdeführer eine grosse Anzahl von Delikten in dem vom «Beobachter» beschriebenen Bereich vorgeworfen hatte. Dass er schliesslich erstinstanzlich wegen Verstössen (Übertretungen) gegen das Heilmittelgesetz verurteilt und mit 25’000 Franken gebüsst wurde, von den übrigen Vorwürfen (gewerbsmässiges Vergehen gegen das Heilmittelgesetz, mehrfache Geldwäscherei, Vergehen gegen das Waffengesetz) aber freigesprochen.
Aus dem von seinem Anwalt eingereichten Dokument der Staatsanwaltschaft (Deckblatt zu den Unterlagen über eine Verhaftung und erste Einvernahme vom 17. April 2015) geht hervor, dass gegen X. eine zweite Strafuntersuchung läuft wegen Erpressung, Nötigung und – wie der Anwalt nachreicht – wegen einer «einzelnen Widerhandlung gegen das Sportförderungsgesetz». Worin die vorgeworfenen Delikte bestanden haben, von wann bis wann sie begangen worden sein sollen, ist dem Dokument nicht zu entnehmen.
F. Das Präsidium des Presserats wies den Fall der 1. Kammer zu, der Francesca Snider (Präsidentin), Francesca Luvini, Klaus Lange, Casper Selg, Michael Herzka, Dennis Bühler und David Spinnler angehören.
G. Die 1. Kammer des Presserats behandelte die Beschwerde an ihrer Sitzung vom 30. Juni 2016 und auf dem Korrespondenzweg.
II. Erwägungen
1. Der «Beobachter» fordert Nichteintreten aus zwei Gründen: Zum einen werde der Beschwerdeführer im Artikel namentlich nicht genannt und der mit seiner Person im Zusammenhang stehende Sachverhalt sei nur am Rande erwähnt. Dieser Einwand ist nicht relevant. Weder ist explizite Namensnennung für das Eintreten auf eine Beschwerde zwingend, noch muss der behauptete Verstoss gegen die «Erklärung» die Hauptsache einer Geschichte ausgemacht haben.
Zum anderen wird geltend gemacht, die Beschwerde erfolge zu einem parallel laufenden Verfahren, was ein Eintreten verbiete. Das Strafverfahren, welches gegen den Beschwerdeführer laufe, sei ein solches Parallelverfahren. Die Beschwerde ziele darauf ab, eine beweisrechtliche Besserstellung in diesem Strafverfahren zu erzielen. Mit Verweis auf die Stellungnahme 2/2015, Erwägung 1, des Presserats verlangt der Beschwerdegegner, auf eine so angelegte Beschwerde sei nicht einzutreten. Abgesehen davon, dass der Entscheid 2/2015 dies in Erwägung 1 nicht wirklich besagt: In der Tat kann auch ein Strafverfahren «Parallelverfahren» im Sinn des Art. 11 des Geschäftsreglementes (Nichteintreten) sein. Allerdings nur wenn es den gleichen Sachverhalt zum Gegenstand hat. In der vom Beschwerdegegner ebenfalls angerufenen Stellungnahme 24/2015 stellt der Presserat ausdrücklich fest: «Ratio legis der Bestimmung ist es, zu verhindern, dass sich zwei unterschiedliche Instanzen mit der gleichen Frage beschäftigen.» Im vorliegenden Fall beschäftigt sich der Presserat hauptsächlich mit der Frage, ob der «Beobachter» mit seiner Berichterstattung die Wahrheitspflicht verletzt und damit allenfalls die Privatsphäre des Beschwerdeführers verletzt habe. Die Strafverfahren hingegen beschäftigen sich mit der Frage, ob der Beschwerdeführer gewerbsmässig mit Drogen gehandelt und Geldwäsche betrieben habe, sowie gegen das Waffengesetz verstossen, Erpressung und Nötigung begangen habe. Die zu beurteilende Materie ist also nicht identisch. Angesichts der Tatsache, dass die Staatsanwaltschaft den Artikel des «Beobachter» zu den Strafakten hat nehmen lassen, ist aber dennoch zu fragen, ob eine allfällig vom Presserat festgestellte Verletzung der «Erklärung» seitens des «Beobachter» eine relevante Veränderung der Beweislage in den immer noch laufenden Strafverfahren zur Folge haben könnte. Auch diese Frage ist zu verneinen: Der «Beobachter»-Artikel gibt einen Überblick über die Thematik «Handel mit der Modedroge Anabolika». Was die Rolle des Beschwerdeführers angeht, so beschränkt sich die Beschreibung – wie der Beschwerdeführer ja selber beklagt – im Wesentlichen auf Vorwürfe aus der einen anonymisierten Anklageschrift, also auf nichts Neues im Sinne des Strafverfahrens. Im Ergebnis tritt der Presserat auf die Beschwerde ein.
2. Der Beschwerdeführer sieht Ziffer 1 der «Erklärung» (Wahrheitspflicht) verletzt, weil der «Beobachter» zwei vollkommen verschiedene Vorgänge, nämlich die Vorgänge um das Fitnessstudio und den «Coup der Staatsanwaltschaft» in einen Zusammenhang bringe. Der Vorwurf ist unberechtigt. Allein schon das Communiqué der Staatsanwaltschaft, das über die Razzia beim Untergrundlabor berichtet (Beilage 2 des Beschwerdegegners) stellt diesen Zusammenhang zwingend her: Es sei die Untersuchung gegen das Fitnessstudio gewesen, welche zu den Erkenntnissen über das Untergrundlabor und den mit ihm verbundenen Grosshandel geführt hätten. Dass es hier im Sinn des Strafverfahrensrechts um zwei verschiedene Vorgänge geht, bedeutet nicht, dass die Themen journalistisch nicht in Verbindung stünden. Das tun sie sehr wohl. Entsprechend ist auch nichts dagegen einzuwenden, dass bei der Beschreibung des einen Sachverhalts auf eine Anklageschrift in einer anderen Sache zurückgegriffen wird, wenn die sich auf den ersteren bezieht.
3. Der Beschwerdeführer macht weiter geltend, er sei im Artikel des «Beobachter» zu wenig anonymisiert worden. Er sei für sein Umfeld erkennbar gewesen. Zwar nennt die Beschwerde hier keine Ziffer des Journalistenkodex, gegen die damit verstossen worden sein soll, entsprechend wäre auf diesen Vorwurf eigentlich nicht einzutreten. Da es aber offensichtlich um Ziffer 7 (Privatsphäre) geht, sei hier dennoch darauf hingewiesen, dass eine Anonymisierung gemäss Richtlinie 7.2 so weit gehen muss, dass allenfalls NUR das enge Umfeld des Betroffenen erkennen kann, wer gemeint ist, nicht aber andere, die über den Fall aus den Medien erfahren. Der «Beobachter» bezeichnete X. als «Daniel S.». Diese Anonymisierung ist hinreichend, sie entspricht den Anforderungen von Richtlinie 7.2.
4. Der Beschwerdeführer macht geltend, Ziffer 3 der «Erklärung» sei verletzt, weil «Mutmassungen» der Staatsanwaltschaft gegen ihn als T
atsachen dargestellt worden seien. Das sei zum einen ohnehin unstatthaft. Hinzu komme aber, dass er vom Bezirksgericht Brugg «von den Vorwürfen gemäss Anklage» freigesprochen worden sei.
Es trifft zu, dass zur Illustration der Art und Weise, wie der Handel mit diesen Drogen abläuft, in einem kurzen Abschnitt zunächst im Indikativ von Tätigkeiten des Beschwerdeführers berichtet wird. Nur ist dieser erstens genügend anonymisiert, also dadurch nicht persönlich belastet, und zweitens wird am Schluss des kurzen Abschnitts ausdrücklich Bezug genommen auf die Anklageschrift gegen ihn. Damit ist die Quelle für die Leserschaft ersichtlich. Dass diese schon früher hätte genannt werden sollen, ist richtig, hat aber – gerade im Zusammenhang mit der Anonymisierung – nicht die Tragweite, um einen Verstoss gegen die Sorgfaltspflicht zu begründen.
5. Der Beschwerdeführer sieht einen Verstoss gegen die Ziffern 1 und 3 darin, dass der «Beobachter» nicht auf das Urteil des Bezirksgerichts Brugg vom 30. Juni 2015 hingewiesen habe, das X. «von den Vorwürfen gemäss Anklage» freigesprochen habe. Dem Presserat liegt nur das reine Urteil ohne Begründung vor. Aus diesem geht hervor, dass der Beschwerdeführer zu. 25’000 Franken Busse verurteilt wurde und zwar wegen Widerhandlung (Übertretung) gegen das Heilmittelgesetz. Zwar wurde er mit Bezug auf alle schwereren Straftatbestände freigesprochen. Man darf aber davon ausgehen, dass es hier um genau den Unterschied geht, den der «Beobachter»-Artikel selber beschreibt: Mit dem neuen Präjudiz des Bundesgerichts kann der «gewerbsmässige» Verstoss gegen das Heilmittelgesetz, wie die Anklage das Verhalten des Beschwerdeführers qualifiziert hatte, praktisch nicht mehr zur Anwendung kommen, ohne dass konkrete Gesundheitsschädigungen aufgrund der Handlungen des Angeklagten nachgewiesen werden. Ob das Gericht hier effektiv in genau diesem Sinne geurteilt hat, ist aber ohnehin unerheblich, weil der Ausgang des Strafverfahrens gegen den Beschwerdeführer für den Artikel nur dann relevant geworden wäre, wenn der eigentliche, vom «Beobachter» beschriebene Sachverhalt (effektiv stattgefundener Handel mit Doping-Medikamenten) unzutreffend gewesen wäre. Das wäre aber nur dann der Fall, wenn das Gericht den Beschwerdeführer von Widerhandlungen gegen das Heilmittelgesetz insgesamt freigesprochen hätte. Angesichts der Verurteilung zu 25’000 Franken Busse wegen just des Verstosses gegen das Heilmittelgesetz darf davon ausgegangen werden, dass die im Artikel aus der Anklage zitierten reinen Sachverhaltsbeschreibungen zutreffen. Das Gegenteil ist jedenfalls vom Beschwerdeführer nicht belegt.
6. Der Beschwerdeführer sieht Ziffer 3 der «Erklärung» verletzt, weil der «Beobachter» ihn nicht zu den schwerwiegenden Vorwürfen gegen ihn befragt habe. Da es im Artikel nicht um die Person des Beschwerdeführers ging, dieser deswegen auch hinreichend anonymisiert wurde, sondern um die Beschreibung der Praktiken des Anabolika-Handels, war eine Befragung nicht erforderlich. Eine Anklageschrift, welche bestimmte Praktiken beschreibt, ist eine hinreichende Quelle, wenn sie denn wirklich genannt wird. Das war der Fall.
7. Der Beschwerdeführer rügt schliesslich, Ziffer 5 der «Erklärung» sei verletzt, weil die Redaktion keine Berichtigung akzeptiert und gedruckt habe. Seine Gegendarstellung wollte der Beschwerdeführer ohne Namensnennung abgedruckt haben.
Die Durchsetzung von Gegendarstellungsbegehren ist nicht Sache des Presserats, sondern eines Zivilgerichts (Art. 28g ZGB). Der Presserat kann aber im Artikel des «Beobachter» keine falschen Tatsachenbehauptungen erkennen, welche eine Gegendarstellung gerechtfertigt hätten. Eine anonyme Gegendarstellung würde zudem wohl kaum Sinn machen: Sich entschieden und öffentlich gegen eine Verletzung zur Wehr zu setzen, die man nicht konkret benennen will, erscheint als eher kurioses Anliegen.
III. Feststellungen
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
2. Der «Beobachter» hat mit dem Artikel «Modedroge Anabolika» vom 27. November 2015 Ziffer 1 (Wahrheitspflicht), Ziffer 3 (Anhören bei schweren Vorwürfen) und Ziffer 5 (Berichtigung) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» nicht verletzt.