Nr. 21/2004
Trennung zwischen redaktionellem Teil und Werbung

(Swisscable c. «Blick») Stellungnahme vom 14. Mai 2004

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I. Sachverhalt

A. Dem «Blick» vom 16. September 2003 lagen vier zusätzliche Seiten bei, die als «Blick Spezial», «eine Sonderbeilage von Teleclub» betitelt waren. Darin warb die Firma Teleclub für die von ihr angebotenen Dienstleistungen im Bereich Pay TV. Layout und Aufmachung der vier Seiten waren denjenigen des «Blick» nachempfunden.

B. Am 3. Dezember 2003 gelangte Swisscable, Verband für Kommunikationsnetze, mit einer Beschwerde an den Presserat. Swisscable rügte, bei der Sonderbeilage «Blick Spezial» von Teleclub handle es sich um redaktionelle Werbung, die von «Blick» mangelhaft deklariert und damit auf unzulässige Weise mit redaktionellen Leistungen vermischt worden sei. Damit habe «Blick» gegen die Richtlinien 9.1 (Unabhängigkeit) und 10.1 (Trennung zwischen redaktionellem Teil und Werbung) zur «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verstossen. Die «Sonderbeilage» habe Anzeigen enthalten, «die in Aufmachung und Drucktechnik aussehen wie normale redaktionelle Beiträge, jedoch vom Werbetreibenden selbst herrühren und von diesem auch bezahlt werden». Die Beilage hebe sich zwar optisch klar vom übrigen Teil der Zeitung ab. Doch genüge dies nicht. «Die Bezeichnung ÐBlick Spezialð und der Obertitel Ðeinzigartig und exklusivð suggerieren eher den Eindruck, es handle sich um eine redaktionelle Eigenleistung.»

C. In einer Stellungnahme vom 12. Dezember 2003 machte Markus Rohr, Mitglied der Chefredaktion des «Blick», geltend, die Grösse des Logos von Teleclub auf der Titelseite lasse ebensowenig Zweifel aufkommen, von wem die Beilage stamme. Zudem sei auf Seite 4 der Beilage die Teleclub AG als Herausgeberin mit eigener Redaktion deklariert. Bei der Beilage, die von der Teleclub AG fixfertig abgeliefert worden sei, handle es sich um pure Werbung. «Die ÐBlickð-Redaktion hat dazu keinerlei Leistung erbracht.» Optisch hebe sich die Beilage klar von der Zeitung ab. Die Bezeichnung der Beilage als «Sonderbeilage» entspreche einer Empfehlung des Presserates in der Stellungnahme 5/1992.

D. Gemäss Art. 10 Abs. 7 des Geschäftsreglements des Schweizer Presserates kann das Präsidium zu Beschwerden, die in ihren Grundzügen mit vom Presserat bereits früher behandelten Fällen übereinstimmen oder sonstwie von untergeordneter Bedeutung erscheinen, abschliessend Stellung nehmen.

E. Am 18. Dezember 2003 erklärte der Presserat den Schriftenwechsel als geschlossen und teilte den Parteien mit, die Beschwerde werde vom Presseratspräsidium, bestehend aus dem Präsidenten Peter Studer sowie den Vizepräsidentinnen Sylvie Arsever und Esther Diener-Morscher behandelt.

F. Das Presseratspräsidium hat die vorliegende Stellungnahme per 14. Mai 2004 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.

II. Erwägungen

1. a) Gemäss der Richtlinie 9.1 (Unabhängigkeit) zur «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» ist die Wahrung der Unabhängigkeit der Journalistinnen und Journalisten für die Verteidigung der Pressefreiheit unabdingbar.

b) Swisscable sieht diese Unabhängigkeit durch die wirtschaftliche Verbundenheit zwischen der Ringier AG und der Teleclub AG beeinträchtigt, da die erstere Aktionärin der letzteren sei. Sinngemäss macht die Beschwerdeführerin geltend, bei dieser Sachlage sei es klar, dass für die «Blick»-Redaktion aufgrund dieser Verflechtung die wirtschaftlichen Interessen der Teleclub AG wichtiger seien als publizistische und journalistische Kriterien.

c) Nachdem die Beschwerdegegnerin den Werbecharakter der «Sonderbeilage» uneingeschränkt anerkennt und zudem geltend macht, bei deren Produktion in keiner Weise mitgewirkt zu haben, erweist sich die Rüge der Verletzung der Richtlinie 9.1 als gegenstandslos. Denn bei diesem Sachverhalt kann der «Blick»-Redaktion nicht vorgeworfen werden, dass sie sich bei der Erarbeitung von redaktionellen Beiträgen von anderen als von journalistischen Kriterien habe leiten lassen. Vom gegenteiligen Sachverhalt – wonach die vier Seiten eine redaktionelle Lobhudelei über die Dienstleitungen der Teleclub AG enthalten würden – kann angesichts des offensichtlichen Werbecharakters des Inhalts der Beilage nicht ernstlich ausgegangen werden.

2. a) Die Richtlinie 10.1 zur «Erklärung» lautet: «Die Trennung zwischen redaktionellem Teil bzw. Programm und Werbung ist optisch und begrifflich klar zu kennzeichnen.» Zur Problematik der Vermischung von redaktioneller Leistung und kommerzieller Werbung hat sich der Presserat u.a. in seiner Stellungnahme 5/92 vom 31. August 1992 i.S. «Luzerner Zeitung» (Sammlung 1992, S. 41ff.) geäussert: «ÐInserategetragene Verlagsbeilagenð in Form der Kombination von Texten, die in journalistischer Form geschrieben und redaktioneller Aufmachung präsentiert und mit Inseraten mit eindeutigem gegenseitigen Bezug kombiniert werden, sind durch eine vom übrigen redaktionellen Teil abweichende Gestaltung zu kennzeichnen. Der Kopf dieser Seiten ist mit dem Wort ÐSonderseiteð oder ÐSonderbeilageð zu versehen. Ausserdem sind in einem separaten Impressum der Herausgeber und die verantwortliche Redaktion aufzuführen.»

In der Stellungnahme 26/2001 hielt der Presserat eine Beilage zum «St. Galler Tagblatt» zu einer Abstimmungsvorlage zwar optisch, jedoch nicht begrifflich für genügend gekennzeichnet. Der Vermerk «Tagblatt-Beilage» und der Obertitel «Stadt-Entwicklung» im Kopf der ersten Seite habe die Lesenden zur irrigen Auffassung verleiten können, es handle sich um eine Beilage redaktioneller Art. Zudem sei ein Impressum am Schluss der Beilage, nach mehreren Inserateseiten kaum geeignet, den nicht gänzlich auszuschliessenden Irrtum gewöhnlicher Zeitungsleser zu verhindern.

In einer weiteren Stellungnahme (18/2002) zur Frage der Trennung zwischen redaktionellem Teil und Werbung verneinte der Presserat eine Verwechslungsgefahr. Bei diesem Entscheid ging es um ein Inserat der Telefongesellschaft Orange, deren Inserat in der «SonntagsZeitung» sich layoutmässig offensichtlich an dasjenige der Zeitung anlehnte. Ein entsprechendes Inserat von Orange erschien wenig später auch in der «Berner Zeitung»; dort war das Layout durch dasjenige der BZ «inspiriert». Der Presserat kam damals zum Schluss, durch die blosse Annäherung der optischen Darstellung an die Zeitung lasse sich die Leserschaft kaum über den Werbecharakter des Inhalts täuschen, weshalb Ziffer 10 der «Erklärung» nicht verletzt sei.

b) Ausgehend insbesondere von der zuletzt zitierten Stellungnahme 18/2002 ist in Bezug auf die «Sonderbeilage» der Teleclub AG festzuhalten, dass deren Layout aufgrund der dem «Blick» nachempfundenen Darstellungsweise auf den ersten Blick zwar irritiert. Dennoch – und in diesem Punkt stimmen auch die Auffassungen der Parteien überein – ist nicht davon auszugehen, dass die Leserschaft aufgrund der optischen Anlehnung die Beilage fälschlicherweise dem redaktionellen Teil des «Blicks» zurechnen wird. Denn dazu ist der werbliche Charakter des Inhalts der Beilage allzu offensichtlich. Das Logo von Teleclub erscheint unübersehbar oben links im Banner und unten rechts auf der ersten Seite. Links oben kommentiert nicht der bei «Blick» übliche «Käfer», sondern ein Fantasiegeschöpf namens Scrat.

Über den in der Stellungnahme 18/2002 zu beurteilenden Sachverhalt hinaus ist vorliegend aber nicht nur die optische Darstellung, sondern auch die Betitelung («Blick Spezial») dem redaktionellen Teil nachempfunden, was gegebenenfalls zu zusätzlicher Irritation bei den Leserinnen und Lesern führen könnte. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin trifft es jedoch nicht zu, dass jeder Hinweis fehlen würde, wonach es sich um eine bezahlte Werbebeilage handelt. Denn immerhin wird unter dem Titel «Blick Spezial» mit dem Untertitel «eine Sonderbeilage von Teleclub» gerade auch angesichts des
relativ grossen Logos von Teleclub durchaus ersichtlich, von wem die Beilage stammt.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass es sich insbesondere hinsichtlich der genügend klaren begrifflichen Kennzeichnung der Beilage als «Werbung» um einen Grenzfall handelt. Die «Blick»-Redaktion selber hat an die Stellungnahme 5/92 erinnert, in der der Presserat die Deklaration als «Sonderbeilage» empfahl. Diese nicht allen Leserinnen und Lesern bekannte Kennzeichnung erscheint aus heutiger Sicht zu wenig klar. Deshalb wäre die Verwendung des völlig eindeutigen Terminus «Werbebeilage» vorzuziehen. Dennoch erscheint die optische und begriffliche Kennzeichnung des Werbecharakters der Beilage der Teleclub AG vorliegend bei einer Gesamtbetrachtung als genügend, um Verwechslungen beim Publikum auszuschliessen.

III. Feststellungen

1. Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. Bezahlte Beilagen sind sowohl optisch als auch begrifflich für die Leserschaft genügend klar zu kennzeichnen. Dies, damit die Lesenden nicht zur irrigen Auffassung verleitet werden, es handle sich um eine Beilage redaktioneller Art. Allein durch die blosse Annäherung der optischen Darstellung eines Inserats oder einer Beilage an das Layout der entsprechenden Zeitung oder Zeitschrift ist die Pflicht zur Trennung von redaktionellem Teil und Werbung noch nicht verletzt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Leserinnen und Leser aufgrund des optischen Eindrucks und der begrifflichen Bezeichnung trotzdem in der Lage sind, den Werbecharakter von Beilage oder Inserat ohne weiteres zu erkennen.

3. Da die Branchenausdrücke «Sonderbeilage» oder «Spezial» nicht für alle Lesenden Werbliches bezeichnet, empfiehlt der Presserat, bezahlte Beilagen verständlicher, z.B. als «Werbebeilagen», zu benennen.