I. Sachverhalt
A. Am 21. Dezember 2004 gelangte der Engeli & Partner Verlag, Herausgeber des «KMU-Magazins», mit einer Beschwerde gegen den «KMU-Manager» an den Presserat. Der Beschwerdeführer beanstandete, der «KMU-Manager» habe durch die mangelhafte Deklaration von sog. Publireportagen die Richtlinien 9.1 (Unabhängigkeit) und 10.1 (Trennung zwischen redaktionellen Teil und Werbung) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verletzt. Die Leserschaft des «KMU-Managers» sei ungenügend oder überhaupt nicht in der Lage, bezahlte und journalistisch bearbeitete Information zu unterscheiden, da der redaktionelle Teil und die «Publireportagen» mit identischer Typografie und identischem Layout erscheinen würden. Ebenso sei die visuelle Darstellung der begrifflichen Deklaration mit der redaktionellen Rubrikenbezeichnung identisch. Zum Beleg reichte der Beschwerdeführer mehrere Seiten aus Ausgaben des «KMU-Managers» aus dem Jahr 2004 ein.
B. In einer Stellungnahme vom 13. Januar 2005 machte die KMU-Medien AG geltend, der «KMU-Manager» habe innerhalb der Fachpresse immer eine vorbildlich konsequente Politik der Kennzeichnung von PR-Artikeln vorweisen können. Der für die Kennzeichnung verwendete Begriff «Publireportage» werde von der Schweizerischen Lauterkeitskommission seit Jahren für die Kennzeichnung von PR-Texten empfohlen. Der Begriff «Publi-Reportage» werde in Hunderten von Presse-Erzeugnissen verwendet und PR-Seiten seien selbst in grossen Publikumszeitschriften nicht immer speziell gestaltet. «Kennzeichnung, Titel, Lead und natürlich der Text lassen in der heutigen Pressewelt wohl bei niemandem Zweifel über den Zweck derartiger Texte. Dies gelte insbesondere für die Leserschaft einer Zeitung, die sich ausschliesslich an Geschäftsleute richtet.
C. Gemäss Art. 10 Abs. 7 des Geschäftsreglements des Schweizer Presserates kann das Präsidium zu Beschwerden, die in ihren Grundzügen mit vom Presserat bereits früher behandelten Fällen übereinstimmen oder von untergeordneter Bedeutung erscheinen, abschliessend Stellung nehmen.
E. Am 21. Januar 2005 teilte der Presserat den Parteien mit, die Beschwerde werde vom Presseratspräsidium, bestehend aus dem Präsidenten Peter Studer sowie den Vizepräsidentinnen Sylvie Arsever und Esther Diener-Morscher behandelt. Vorab führte das Presseratspräsidium jedoch einen Meinungsaustausch mit der Lauterkeitsstiftung zum Begriff «Publireportage» durch.
F. Am 15. März 2005 teilte das Presseratssekretariat den Parteien mit, gemäss den Angaben der Lauterkeitskommission habe diese jüngst einen analogen Fall zum Thema «Publireportage» behandelt und dabei auf die Richtlinie 10.1 des Presserates zur «Erklärung» abgestellt, wonach die Trennung zwischen redaktionellem Teil und Werbung nicht nur begrifflich, sondern auch optisch klar zu kennzeichnen ist. Hingegen stehe eine inhaltliche Antwort zum vom Presserat angeregten Verzicht auf die Bezeichnung «Publireportage» aus. Dessenungeachtet habe das Präsidium beschlossen, nun eine Stellungnahme zur Beschwerde von Engeli & Partner auszuarbeiten.
G. Das Presseratspräsidium hat die vorliegende Stellungnahme per 23. November 2005 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.
II. Erwägungen
1. a) Die Richtlinie 10.1 zur «Erklärung» lautet: «Die Trennung zwischen redaktionellem Teil bzw. Programm und Werbung ist optisch und begrifflich klar zu kennzeichnen.» Der Presserat hatte sich in den letzten Jahren immer wieder mit dieser Abgrenzung auseinanderzusetzen:
b) In der Stellungnahme 26/2001 hielt der Presserat eine Beilage zum «St. Galler Tagblatt» zu einer Abstimmungsvorlage zwar optisch, jedoch nicht begrifflich für genügend gekennzeichnet. Der Vermerk «Tagblatt-Beilage» und der Obertitel «Stadt-Entwicklung» im Kopf der ersten Seite habe die Lesenden zur irrigen Auffassung verleiten können, es handle sich um eine Beilage redaktioneller Art. Zudem sei ein Impressum am Schluss der Beilage, nach mehreren Inserateseiten kaum geeignet, den nicht gänzlich auszuschliessenden Irrtum gewöhnlicher Zeitungsleser zu verhindern.
c) In einer weiteren Stellungnahme zum Thema (18/2002) verneinte der Presserat eine Verwechslungsgefahr. Bei diesem Entscheid ging es um ein Inserat der Telefongesellschaft «Orange», deren Inserat in der «SonntagsZeitung» sich layoutmässig offensichtlich an dasjenige der Zeitung anlehnte. Ein entsprechendes Inserat von «Orange» erschien wenig später auch in der «Berner Zeitung»; dort war das Layout durch dasjenige der BZ «inspiriert». Der Presserat kam damals zum Schluss, durch die blosse Annäherung der optischen Darstellung an die Zeitung lasse sich die Leserschaft kaum über den Werbecharakter des Inhalts täuschen, weshalb Ziffer 10 der «Erklärung» nicht verletzt sei.
d) In der Stellungnahme 21/2004 hatte der Presserat eine im «Blick» veröffentlichte «Sonderbeilage» der Teleclub AG zu beurteilen. Dabei kam er zum Schluss, dass deren Layout aufgrund der dem «Blick» nachempfundenen Darstellungsweise auf den ersten Blick zwar irritiere. Dennoch war trotz der optischen Anlehnung der Beilage aufgrund des offensichtlich werbenden Charakters nicht davon auszugehen, dass die Leserschaft die Beilage fälschlicherweise dem redaktionellen Teil des «Blick» zurechnete. Zudem wurde mit dem Untertitel «eine Sonderbeilage von Teleclub» auch begrifflich darauf hingewiesen, von wem die Beilage stammte. In Abweichung von einer früheren Stellungnahme (5/1992) empfahl der Presserat jedoch, anstelles des unklaren und nicht allen Leserinnen und Lesern bekannten Begriffs «Sonderbeilage» den völlig eindeutigen Terminus «Werbebeilage» zu verwenden. Ebenso empfahl der Presserat in der Stellungnahme 45/2004 anstelle des zwar verbreiteten, aber für das breite Publikum dennoch unklaren Begriffs «Publireportage», denjenigen der «Werbeseite» oder «Werbebeilage» zu verwenden.
2. Gemäss einer dem Presserat vorliegenden Fassung der Richtlinien der Lauterkeitskommission (Grundsatz 3.12 Ziffer 7) aus dem Jahr 2000 empfahl diese damals noch ausdrücklich, den «französischsprachigen Begriff ÐPublireportageð in deutschsprachigen Publikationen zu vermeiden, weil er nicht allgemein verständlich ist». Für den Presserat stellt hingegen die aktuelle Fassung dieser Richtlinie eine bedauerliche Verschlechterung dar. Die aktuelle Fassung lautet: «PR-Botschaften können auch auf bezahltem Raum, d.h. als Inserate veröffentlicht werden. Um die Unterscheidung gegenüber dem Redaktionsteil sicherzustellen, sollen solche PR-Botschaften klar ersichtlich als ÐWerbe- oder Publireportageð bzw. als ÐAnzeigeð oder ÐInseratð bezeichnet werden.» Demnach kann dem «KMU-Manager» kein Vorwurf aus der Verwendung des Begriffs «Publireportage» gemacht werden, auch wenn der Redaktion für die Zukunft dringend zu empfehlen ist, die entsprechenden Seiten unmissverständlich z.B. als «Werbung», «Anzeige» oder «Inserat» zu deklarieren.
3. Eine Verletzung der Presserat-Richtlinie 10.1 zur «Erklärung» ist hingegen zumindest hinsichtlich der geforderten optischen Abgrenzung zwischen redaktionellem Teil und Werbung festzustellen. Denn im Gegensatz zu den oben angeführten Stellungnahmen 18/2002 und 21/2004 ist das Layout der bezahlten Texte im «KMU-Manager» nicht nur an das der redaktionellen Beiträge angelehnt, sondern identisch gestaltet. Die optische Abgrenzung ist damit offensichtlich ungenügend, selbst wenn – wie dies die Redaktion des «KMU-Manager» geltend macht – die Natur der Texte aufgrund ihres Inhalts für die Leserschaft durchaus erkennbar sein mag.
III. Feststellungen
1. Die Beschwerde wird gutgeheissen.
2. Der KMU-Manager hat die Richtlinie 10.1 zur «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» zumindest durch eine ungenügende optische
Abgrenzung von PR-Texten von redaktionellen Inhalten verletzt.
3. Zudem ist der Redaktion dringend zu empfehlen zur begrifflichen Kennzeichnung bezahlter PR-Texte anstelle des nicht allgemein bekannten Begriffs «Publireportage» eine klarere Bezeichnung wie z.B. «Inserat», «Anzeige» oder «Werbung» zu kennzeichnen.