Nr. 39/2009
Sperrfristen

(«Rheintalische Volkszeitung» c. «Rheintaler») Stellungnahme des Presserates vom 21. August 2009

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I. Sachverhalt

A. Unter dem Titel «Energie-Oscar für das Rheintal» berichtete «Der Rheintaler» am 8. Januar 2009 auf der Frontseite, die Rheintaler Energie-Initiative gehöre mit einem 1. Rang zu den Preisträgern der vom Bundesamt für Energie zum 3. Mal verliehenen Auszeichnung «Watt d’Or» für herausragende Enegieprojekte.

B. Am 9. Januar 2009 gelangte René Jann, Chefredaktor der «Rheintalischen Volkszeitung», mit einer Beschwerde gegen den «Rheintaler» an den Presserat. Seine Zeitung habe sich an die auf 8. Januar 2009, 07.00 Uhr, festgelegte Sperrfrist gehalten. Hingegen habe sich der «Rheintaler» nicht darum geschert und den Bericht über die Verleihung des «Watt d’Or» bereits am 8. Januar 2009 veröffentlicht.

C. Am 28. Januar 2009 teilte Chefredaktor Gert Bruderer mit, selbstverständlich halte sich «Der Rheintaler» an alle begründeten Sperrfristen. «Die Berichterstattung über die Verleihung des Watt d’Or war mit einer Sperrfrist bis 8. Januar, 7 Uhr, verbunden. Für Printmedien bedeutete dies, dass eine Berichterstattung – gemäss gängiger Praxis – in der Ausgabe vom 8. Januar möglich war.»

D. Am 30. Januar 2009 teilte der Presserat den Parteien mit, die Beschwerde werde vom Presseratspräsidium behandelt, bestehend aus dem Präsidenten Dominique von Burg, Vizepräsidentin Esther Diener-Morscher und Vizepräsident Edy Salmina.

E. Am 5. Februar 2009 veröffentlichte der «Rheintaler» den Artikel «Die beiden müssen raus». Der Untertitel lautete: «Otto Kühne-Sturzenegger und Marcel Tischhauser werden Ritter der Strasse. Die beiden haben im vergangenen Sommer in Balgach zwei Menschen aus einem brennenden Auto geborgen und ihnen damit das Leben gerettet.»

F. Am 6. und 9. Februar 2009 gelangte Chefredaktor René Jann namens der «Rheintalischen Volkszeitung» erneut mit einer Beschwerde gegen den «Rheintaler» an den Presserat. Zwar habe Chefredaktor Gert Bruderer am 28. Januar geschrieben, sein Blatt halte sich an alle begründeten Sperrfristen. Nur gerade 8 Tage später habe sich die Konkurrenz erneut über eine Sperrfrist hinweggesetzt.

G. Am 18. Februar 2009 entgegnete der «Rheintaler», zwar treffe es zu, dass die BFU (Beratungsstelle für Unfallverhütung) den Medien eine Einladung zur Preisverleihung «Ritter der Strasse» mit dem Vermerk «Sperrfrist 18. Februar 2009, 10.30 Uhr» zukommen liess. «Praktisch zeitgleich mit der Einladung ist jedoch durch die SDA eine Medienmitteilung verbreitet worden, die verschiedene Zeitungen publiziert haben. Mit der Verbreitung dieser Mitteilung wurde öffentlich kundgetan, wer zum Ritter der Strasse ernannt werden sollte. Zwei Balgacher, die bei einem schweren Unfall im letzten Juli Leben retteten. Aufgrund dieser Publikation war es in unserer Region und sowieso in Balgach kein wirkliches Geheimnis mehr, wer die Auszeichnung erhalten sollte. ‹Der Rheintaler› hat denn auch sogleich gewusst, welche Balgacher zu Rittern der Strasse ernannt werden sollten. Diese haben sich bereit erklärt, sich mit einem Mitglied der Redaktion zu unterhalten und sich auf keine Sperrfrist berufen.»

H. Das Presseratspräsidium hat die vorliegende Stellungnahme per 21. August 2009 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.

II. Erwägungen

1. Gemäss der Richtlinie 4.4 zur «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» ist eine gerechtfertigte Sperrfrist zu respektieren, beispielsweise «wenn eine Information oder ein Dokument (Abgabe von Texten noch nicht gehaltener Reden; Beeinträchtigung wichtiger Interessen bei einer verfrühten Publikation usw.) zur Erleichterung der Arbeit der Medienschaffenden frühzeitig an ein oder mehrere Medien übergeben wird. (…) Hält eine Redaktion eine Sperrfrist nicht für gerechtfertigt, hat sie die Quelle über ihre Absicht, umgehend an die Öffentlichkeit zu gehen, zu informieren, damit die Quelle die übrigen Medien benachrichtigen kann.»

2. Beim Artikel vom 8. Januar 2008 über die Verleihung des «Watt d’Or» stellt sich die Frage, wie die auf «8. Januar 2007, 07.00 Uhr» festgelegte Sperrfrist durch Printmedien zu interpretieren ist. Bedeutet die frühe Uhrzeit – wie dies der «Rheintaler» geltend macht, dass Printmedien die Meldung bereits veröffentlichen dürfen, selbst wenn einzelne Exemplare bereits vor 07.00 Uhr in den Briefkästen liegen oder hätte der «Rheintaler mit der Publikation – entsprechend der Auffassung der «Rheintalischen Volkszeitung» zumindest bei der Printversion bis zur Ausgabe vom 9. Januar 2009 zuwarten sollen? Der Presserat hat sich bisher noch nie zu dieser Frage geäussert. Printmedien wären gegenüber elektronischen Medien übermässig benachteiligt, könnten sie die Information praktisch erst einen Tag nach diesen veröffentlichen. Und wollte der Urheber der Sperrfrist eine Publikation vor der Preisverleihung verhindern, hätte er die Sperrfrist auf 16.30 Uhr, dem Zeitpunkt der offiziellen Preisverleihung, festlegen können.

3. Ebenso wenig ist für den Presserat beim zweiten beanstandeten Bericht vom 5. Februar 2009 eine Sperrfrist in ungerechtfertigter Weise verletzt. Zwar deutet hier die Festlegung der Uhrzeit (18. Februar 2009, 10.30 Uhr) in der bereits am 22. Januar 2009 versandten Einladung darauf hin, dass die BFU die Meldung erst nach der Preisverleihung veröffentlichen wollte. Nachdem die SDA nach Erhalt der Einladung zur Preisverleihung umgehend eine entsprechende Meldung verbreitete, offenbar ohne auf die Sperrfrist hinzuweisen, liess sich deren Aufrechterhaltung nicht mehr rechtfertigen, nachdem einzelne Medien diese Meldung veröffentlichten.

Hinzu kommt, dass sich der beanstandete Artikel vom 5. Februar 2009 ohnehin nicht auf die mit Sperrfrist belegte Medienmitteilung vom 22. Januar 2009, sondern auf eine eigene Recherche des «Rheintalers» bei den vor Ort bekannten Balgacher Preisträgern stützt. Man kann sich zwar die Frage stellen, ob auf diese Weise eine Sperrfrist nicht in berufsethisch missbräuchlicher Weise umgangen werden könnte. Nach Auffassung des Presserates ist es aber mit der Informationsfreiheit nicht vereinbar, durch die Festlegung einer Sperrfrist die Recherche zu einem Thema fast während der Dauer eines Monats zu verhindern. Zudem haben sich die beiden als «Ritter der Strasse» Ausgezeichneten ungeachtet der ursprünglich festgelegten Sperrfrist ohne jegliche Vorbehalte gegenüber dem «Rheintaler» geäussert. Auch hier wäre es wenn schon am Urheber der Sperrfrist gewesen, durch geeignete Weisungen und/oder Vereinbarungen mit den Betroffenen sowie durch eine wesentliche Verkürzung der Dauer der Sperrfrist deren Respektierung zu begünstigen.

III. Feststellungen

1. Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. «Der Rheintaler» hat mit der Veröffentlichung der Berichte «Energie-Oscar für das Rheintal» vom 8. Januar 2009 und «Die beiden müssen raus» vom 5. Februar 2009 die Ziffer 4 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (Sperrfristen) nicht verletzt.