I. Sachverhalt
A. Am 2. Mai 2008 veröffentlichte die «Schweizerzeit» im Vorfeld der eidgenössischen Volksabstimmung vom 1. Juni 2008 über die Einbürgerungsinitiative der Schweizerischen Volkspartei eine Karikatur zu diesem Thema. Zu sehen ist ein muslimischer Mann, der bei einem Beamten einer «amtlichen Einbürgerungsinstanz» vorspricht. Dem Moslem wird folgende Aussage in den Mund gelegt: «… meine 4 Frauen, 36 Kinder, 16 Grossmütter, 7 Grossväter und 128 Enkel und Nichten wollen endlich auch den Schweizerpass!!»
B. Am 23. Juni und 30. Juni 2008 beschwerte sich X. beim Presserat, mit der Veröffentlichung der obengenannten, vom Autor nicht gezeichneten Karikatur habe die «Schweizerzeit» gegen die Ziffern 1 (Wahrheit), 3 (Entstellung von Tatsachen), 7 (anonyme und sachlich nicht gerechtfertigte Anschuldigungen) und 8 (Respektierung der Menschenwürde / Diskriminierungsverbot) der «Erklärung der Pflichten und Rechten der Journalistinnen und Journalisten» verstossen. Seine muslimische Frau sehe sich durch die Karikatur in ihrer religiösen Integrität verletzt. Zudem habe er bisher gemeint, bei einer Karikatur oder Abbildung sei auch der Name des Autors anzugeben.
C. Gemäss Art. 12 Abs. 1 des Geschäftsreglements des Presserats werden Beschwerden, auf die der Presserat nicht eintritt, vom Presseratspräsidium behandelt.
D. Das Presseratspräsidium bestehend aus Presseratspräsident Dominique von Burg, Vizepräsidentin Esther Diener-Morscher und Vizepräsident Edy Salmina hat die vorliegende Stellungnahme per 12. Dezember 2008 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.
II. Erwägungen
1. Gemäss langjähriger Praxis des Presserates ist kein Thema von der Satire ausgenommen. Übertreibungen und Verfremdungen sind nicht ausgeschlossen, jedoch müssen die Fakten stimmen, von denen die Satire ausgeht Die Satire darf nicht nur zuspitzen, sondern auch übertreiben. Sie geht aber immer von einem wahren Kern aus (vgl. z.B. die Stellungnahmen 17/2005, 8/1996).
2. Die Aussage, die dem auf der beanstandeten Karikatur abgebildeten Moslem in den Mund gelegt wird, ist für die Leserschaft der «Schweizerzeit» ohne weiteres als Übertreibung erkennbar. Und sie beruht zumindest insoweit auf einem wahren Kern, als der Islam die Polygamie erlaubt. Entsprechend geht die Berufung des Beschwerdeführers auf die Ziffern 1 (Wahrheit) und 3 (Entstellung von Informationen) der «Erklärung» von vornherein fehl.
3. Der Presserat hat zudem kürzlich in der Stellungnahme 44/2007 festgehalten, dass sozioökonomische Argumentationsmuster, die auf behaupteten kulturellen Unterschieden zwischen verschiedenen ethnischen Gruppierungen und religiösen Gemeinschaften basieren, nicht von vornherein gegen das Diskriminierungsverbot verstossen, so fragwürdig und umstritten die Argumentation im Einzelfall auch sein mag.
Weiter ist zu berücksichtigen, dass die von der «Schweizerzeit» veröffentlichte Karikatur im Kontext der – zum Teil heftig umstrittenen – Kampagne der politischen Rechten für die Einbürgerungsinitiative veröffentlicht wurde. Der Versuch, mit teils fragwürdigen Bildern und Argumenten die Angst vor einer unkontrollierten Masseneinbürgerung zu schüren ist zwar alles andere als «politisch korrekt». Nach Auffassung des Presserates bewegt sich die vom Beschwerdeführer beanstandete Karikatur aber noch innerhalb des aufgrund der Meinungsäusserungs- und Kommentarfreiheit weit zu ziehenden Rahmens für Äusserungen im politischen Meinungskampf. Weder werden durch die beanstandete Abbildung einzelne Individuen unmittelbar in ihrer Ehre verletzt, noch die Angehörigen der Glaubensgemeinschaft des Islam in einem Masse herabgewürdigt, die als Verletzung der Pflicht zur Respektierung der Menschenwürde und/oder als Diskriminierung zu sanktionieren wäre. Entsprechend ist auch die vom Beschwerdeführer gerügte Verletzung der Ziffern 7 (anonyme und sachlich nicht gerechtfertigte Anschuldigungen) und 8 (Respektierung der Menschenwürde / Diskriminierung) zu verneinen und deshalb gestützt auf Art. 10 Abs. 1 des Geschäftsreglements des Schweizer Presserates nicht auf die Beschwerde einzutreten.
4. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Zeichnung von redaktionellen Beiträgen in der schweizerischen Medienpraxis zwar weit verbreiteter Praxis entspricht, jedoch berufsethisch nicht in jedem Fall zwingend gefordert ist. Zumal in jedem Fall die Verantwortung der Redaktionsleitung für die im redaktionellen Teil veröffentlichten Beiträge bestehen bleibt.
III. Feststellung
Der Presserat tritt nicht auf die Beschwerde ein.