I. Sachverhalt
A. Die Sendung «Rundschau» des Schweizer Radios und Fernsehens (SRF) strahlte am 27. März 2013 einen Beitrag von Christian Rentsch über den «erzkonservativen Churer Bischof Vitus Huonder» aus. Dieser spalte weiterhin die Kirchenbasis, stehe isoliert da und komme zunehmend unter Druck. Der Beitrag illustriert dies an der Pfarrei-Initiative, mit welcher Seelsorger aus der Kirchenbasis eine Erneuerung der katholischen Kirche verlangen. In den kommenden Wochen werde der «umstrittene» Bischof zu einem Gespräch im Vatikan erwartet. Im Gegensatz zu Huonder stehe der volksnahe Papst Franziskus für Öffnung und Dialog – und nicht für Konfrontation und Polarisierung. Geschadet habe dem Bistum Chur auch der Skandal um den erzkonservativen Pfarrer Reto Nay und dessen Internetfernsehen Gloria TV.
B. Am 3. April 2013 beschwerte sich das Bistum Chur beim Schweizer Presserat und beanstandete, der obengenannte Bericht verletze die Ziffern 1 (Wahrheit) und 3 (Entstellung von Informationen) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten».
Dem Bischof von Chur werde von der «Rundschau» ein einsamer Kampf gegen Anliegen der Pfarrei-Initiative unterstellt, welche in Wahrheit schon im Dezember 2012 von allen Schweizer Bischöfen abgelehnt worden sei. Zudem reduziere die «Rundschau» die Initiative, für die in mehreren Bistümern Unterschriften gesammelt worden seien, bewusst auf das Bistum Chur, um so ihre These des isolierten, dialogunfähigen Bischofs zu stützen. Und die «Rundschau» setze die Falschmeldung in Umlauf, der Bischof von Chur werde wegen seines Führungsstils nach Rom gerufen. In Wahrheit gehe es um die Auswirkungen der Pfarrei-Initiative. «Diese versucht mittels medialen Drucks die Änderung weltkirchlicher Vorgaben zu erzwingen und kann zu einer Kirchenspaltung in der Schweiz führen.» Deshalb seien im Januar 2013 alle drei von der Initiative betroffenen Bischöfe (St. Gallen, Basel, Chur) von der Glaubenskongregation nach Rom gerufen worden. Schliesslich suggeriere der «Rundschau»-Beitrag fälschlicherweise, das Bistum Chur habe sich der Sendung verweigert, weil der Bischof nicht persönlich vor der Kamera Stellung nimmt. Tatsächlich hätten jedoch der Stellvertreter des Bischofs und der Medienbeauftragte des Bistums sämtliche Informationen aktiv zur Verfügung gestellt.
In der Angelegenheit Gloria TV stütze sich die «Rundschau» auf eine veraltete Erklärung des Bischofs aus dem Jahr 2008 und unterschlage dabei, dass er bereits Mitte März 2013 die Löschung sämtlicher von Gloria TV produzierten und mit seiner Person in Verbindung stehenden Inhalte verlangt habe. Ebenso verschweige der Beitrag, dass Bischof Huonder äusserst rasch auf den Skandal mit den «Hakenkreuz-Videos» reagiert habe.
C. Gleichentags gelangte das Bistum Chur mit einer identischen Beschwerde an die Ombudsstelle SRG-Deutschschweiz.
D. Am 10. Mai 2013 erstattete der Ombudsmann Achille Casanova seinen Schlussbericht, in dem er zu folgenden Schlussfolgerungen gelangt: «Die ‹Rundschau› hat zu Recht die durchaus wichtige Frage der Haltung von Bischof Huonder in Bezug auf die Pfarrei-Initiative und Gloria TV kritisch thematisiert. Dabei – und dies scheint mir wichtig zu sein – wurden auch den Vertretern des Bistums Chur genügend Möglichkeiten geboten, auf die Kritiken zu reagieren. Doch indem bezüglich der Pfarrei-Initiative wichtige Informationen verschwiegen und unwahre Tatsachen zumindest suggeriert wurden, konnte sich das Publikum über die ganze Angelegenheit nicht genügend eine eigene Meinung bilden. Das Sachgerechtigkeitsgebot wurde deshalb verletzt.»
E. Gemäss Art. 12 Abs. 1 des Geschäftsreglements behandelt das Presseratspräsidium Beschwerden, auf die der Presserat nicht eintritt.
F. Das Presseratspräsidium hat die vorliegende Stellungnahme per 7. Juni 2013 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.
II. Erwägungen
1. Sofern sich keine berufsethischen Grundsatzfragen stellen, tritt der Presserat gemäss Artikel 10 Absatz 2 seines Geschäftsreglements nicht auf eine Beschwerde ein, wenn der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit dem Beschwerdegegenstand bereits ein rundfunkrechtliches Verfahren eingeleitet hat.
2. Bei der Prüfung der Frage, ob eine Beschwerde grundlegende berufsethische Fragen aufwirft und es sich damit rechtfertigt, das Presseratsverfahren trotz eines parallelen Gerichtsverfahrens oder rundfunkrechtlichen Verfahrens durchzuführen, berücksichtigt der Presserat nicht allein die als verletzt gerügten abstrakten berufsethischen Bestimmungen, sondern den konkret zur Diskussion stehenden Sachverhalt in Verbindung mit diesen Bestimmungen. Ebenso fällt bei der Interessenabwägung durch den Presserat ins Gewicht, inwiefern es die Bedeutung der Sache rechtfertigt, zu einem identischen oder zumindest ähnlichen Sachverhalt zwei parallele Verfahren durchzuführen. Beanstandet der Beschwerdeführer im parallel hängigen Gerichtsverfahren zu weiten Teilen die gleichen Punkte wie in der Presseratsbeschwerde, ist diese Doppelspurigkeit aus Sicht des Presserates in aller Regel nicht gerechtfertigt (Stellungnahmen 46/2007, 9/2010).
3. Auch wenn im rundfunkrechtlichen Verfahren andere Normen massgebend sind, geht es vorliegend in beiden Verfahren weitgehend um dieselben Fragen: Unterschlägt oder entstellt der beanstandete «Rundschau»-Bericht im Zusammenhang mit der Pfarrei-Initiative und dem Skandal um Gloria TV wichtige Informationen und enthält er Falschinformationen? Unter diesen Umständen hält es der Presserat nicht für gerechtfertigt, parallel zum rundfunkrechtlichen Verfahren ein eigenes Verfahren durchzuführen.
III. Feststellung
Der Presserat tritt nicht auf die Beschwerde ein.