Nr. 58/2013
Menschenwürde

(X. c. «20 Minuten Online») Stellungnahme des Schweizer Presserates vom 8. November 2013

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I. Sachverhalt

A. Am 27. August 2013 veröffentlichte «20 Minuten Online» einen Artikel von Seth Borenstein (AP) mit Fragen und Antworten rund um den Einsatz von Giftgas in Syrien (Titel: «So tötet das Giftgas die Syrer»). Illustriert ist der Artikel mit einer Bildstrecke von 14 Bildern. Darunter befindet sich ein Bild, dass einen Mann in der Mitte eines Raums mit Leichen zeigt, welche grösstenteils mit Leintüchern abgedeckt sind. Die zugehörige Bildlegende lautet: «Ein Mann inmitten von Leichen, darunter auch Kinder, im Damaszener Vorort Duma.»

B. Am 30. August 2013 beschwerte sich X. über die Veröffentlichung des obengenannten Bildes. Es sei ein absolutes Tabu, Bilder von Toten zu veröffentlichen «noch schlimmer, wenn die Gesichter erkennbar sind». Die Presse habe auch eine Verantwortung gegenüber Minderjährigen. «Es ist nicht angebracht, Bilder von Leuten die tot sind, oder scheinbar tot in einer Blutlache liegen, zu veröffentlichen. Zudem sind die Gesichter der Toten zu sehen.» Da «20 Minuten Online» schon mehrfach solche Bilder veröffentlicht habe, könne es sich kaum um ein Versehen handeln. Das Online-Portal verstosse damit gegen die Ziffern 7 (Privatsphäre) und 8 (Menschenwürde) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten».

C. Gemäss Art. 12 Abs. 1 des Geschäftsreglements behandelt das Presseratspräsidium Beschwerden, auf die der Presserat nicht eintritt.

D. Das Presseratspräsidium, bestehend aus Präsident Dominique von Burg, Vizepräsidentin Francesca Snider und Vizepräsident Max Trossmann, hat die vorliegende Stellungnahme per 8. November 2013 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.

 
II. Erwägungen

1. Gemäss Artikel 10 Absatz 1 seines Geschäftsreglements tritt der Presserat nicht auf eine Beschwerde ein, wenn diese offensichtlich unbegründet erscheint.

2. Gemäss der Ziffer 7 der «Erklärung» ist die Privatsphäre zu respektieren, sofern das öffentliche Interesse nicht das Gegenteil verlangt. Die zugehörige Richtlinie 7.1 (Privatsphäre) präzisiert dazu, dass das Fotografieren und Filmen im öffentlichen Raum nur dann ohne explizites Einverständnis der Betroffenen zulässig ist, wenn sie auf dem Bild nicht herausgehoben werden.

Man kann sich vorliegend zwar fragen, ob es sich um einen öffentlichen Raum handelt. Ohnehin aber werden die einzelnen Personen auf dem Bild nicht herausgehoben und entgegen der Einschätzung des Beschwerdeführers sind die einzelnen Gesichter kaum erkennbar. Nach dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit erscheint es dem Presserat deshalb als offensichtlich unangebracht, die Veröffentlichung dieses vergleichsweise zurückhaltenden, unblutigen Bilds, welches grösstenteils abgedeckte Leichen aus der Totale zeigt, als Verletzung der Ziffer 7 der «Erklärung» zu rügen.

3. Dasselbe gilt auch in Bezug auf die beanstandete Verletzung der Menschenwürde. Das von «20 Minuten Online» veröffentlichte Bild wirkt weder sensationalistisch noch setzt es die darauf Abgebildeten in ihrem Menschsein herab.

III. Feststellung

Der Presserat tritt nicht auf die Beschwerde ein.