Nr. 37/2007
Kommentarfreiheit

(Diethelm c. «Bote der Urschweiz») Stellungnahme des Presserates vom 10. August 2007

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I. Sachverhalt

A. Am Freitag 26. Januar 2007 veröffentlichte der «Bote der Urschweiz» einen Leserbrief von Bernhard Diethelm, Vorderthal, mit dem Titel «Die Emanzipation des Rütlis». Darin zeigte sich der Autor über «die neuerliche Absurdität in Sachen 1. August-Feier auf dem Rütli erstaunt». Mit übertriebenen polizeilichen Massnahmen und Kosten von über einer Million Franken habe man im vergangenen Jahr das Zugangsrecht «jedes freien Schweizers» eingeschränkt. «Nur richtig also, wenn der zuständige Schwyzer Justiz- und Polizeiverantwortliche Regierungsrat Alois Christen eine Strafklage unter anderem wegen Freiheitsberaubung, Amtsmissbrauch und Nötigung am Hals hat. In diesem Zusammenhang gratuliere ich Herrn Brennenstuhl, der sich die Mühe und die Zeit genommen hat, gegen diese Fehlleistungen seitens der Rütlikommission und des zuständigen Regierungsrats zu opponieren. Seine Broschüre ‹Der Verrat – 1. August 2006 auf dem Rütli› verdient die grösste Anerkennung. Leider muss nun davon ausgegangen werden, dass sich die Vorfälle aus dem Jahr 2006 wiederholen und die zuständigen Damen und Herren aus ihren Fehlern nichts gelernt haben.»

B. Daraufhin veröffentlichte die Zeitung am 30. Januar 2007 einen Artikel von Chefredaktor Clavadetscher mit dem Titel «Braune Hilfe von JSVP-Sekretär». Der Lead lautete: «Er schreibt eifrig Leserbriefe. Zuletzt auch zur Rütli-Bundesfeier. Nur hat diesmal JSVP-Sekretär Bernhard Diethelm den Bogen überspannt. Er nimmt den Holocaust-Leugner Philippe Brennenstuhl in den Schutz. Die Mutterpartei ist alles andere als erfreut.» Im von Diethelms Leserbrief ausdrücklich gelobten Pamphlet habe Brennenstuhl von Verschwörung, Verrat und Tyrannei geschrieben und dargelegt, dass er ebenfalls auf dem Rütli hätte reden wollen. Neben verschiedenen Reaktionen auf den Leserbrief Diethelms kommt im Artikel auch der Betroffene selber zu Wort: «Diethelm erklärte, dass er Brennenstuhl nicht persönlich kenne, er ihn aber als Verfasser dieser Broschüre schätze. Schliesslich dürfe Brennenstuhl seine Meinung sagen, solange die Meinungsfreiheit in diesem Land gelte. Er teile die politische Gesinnung von Brennenstuhl nicht, aber was er in dieser Broschüre geschrieben habe, das treffe zu, erklärte Diethelm. Dass er damit eine braune Gesinnung unterstützt, scheint Diethelm nicht zu stören. Brennenstuhl ist schon 2002 vom Strafgericht Vevey und vom Kantonsgericht Waadt wegen Holocaust-Verleugnung rechtskräftig zu drei Monaten Gefängnis verurteilt worden. Auch wurde der Revisionistenverein ‹Verité et Justice›, dem Brennenstuhl als Vorstandsmitglied angehört hatte, gerichtlich aufgelöst.»

C. Am 14. Februar 2007 gelangte Bernhard Diethelm mit einer Beschwerde gegen den Artikel des «Boten der Urschweiz» vom 30. Januar 2007 an den Presserat. Er habe gegenüber Josias Clavadetscher bereits am Telefon deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er nicht Herrn Brennenstuhl als Person, sondern dessen Bemühungen im Zusammenhang mit dem Rütli gelobt habe. Demgegenüber sei es dem Journalisten von Anfang an darum gegangen, ihn in die «braune Ecke» zu stellen. Zudem habe er seinen Leserbrief als Privatperson und nicht in der Rolle eines Partei- oder Funktionsträgers ausgeführt. Auch dies sei bewusst nicht respektiert worden. Obwohl er sich klar und deutlich von der Gesinnung Brennenstuhls distanziert habe, sei dies im Artikel nur am Rande erwähnt worden. Schliesslich habe Clavadetscher nicht wie in einem solchen Fall üblich den Parteipräsidenten der SVP um eine Stellungnahme angefragt, sondern stattdessen bewusst einen anderen Parteifunktionär, von dem er gewusst habe, dass dieser eine kritische Haltung gegenüber der Person des Beschwerdeführers einnehme.

Insgesamt habe der «Bote der Urschweiz» mit der Veröffentlichung des beanstandeten Berichts das Prinzip der Fairness sowie die Ziffern 1 (Wahrheitspflicht), 3 (Unterschlagung von wichtigen Informationen), 4 (Lauterkeit der Recherche), 5 (Berichtigungspflicht) sowie 8 (Respektierung der Menschenwürde) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verletzt.

D. Gemäss Art. 9 Abs. 3 des Geschäftsreglements des Presserates sind offensichtlich unbegründete Beschwerden durch das Pressratspräsidium zurückzuweisen.

E. Das Presseratspräsidium bestehend aus dem Presseratspräsidenten Peter Studer und den beiden Vizepräsidentinnen Sylvie Arsever und Esther Diener-Morscher hat die vorliegende Stellungnahme per 10. August 2007 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.

II. Erwägungen

1. Gemäss konstanter Praxis des Presserates kann aus der Ziffer 1 der «Erklärung» und der zugehörigen Richtlinie 1.1 (Wahrheitssuche) keine Pflicht zu objektiver Berichterstattung abgeleitet werden. Berufsethisch sind auch einseitige, parteiergreifende und fragmentarische Standpunkte zulässig. Ein Kommentar bewegt sich «in den Grenzen des berufsethisch Zulässigen (…), wenn sowohl die Wertung wie die ihr zugrundeliegenden Fakten für das Publikum erkennbar sind und wenn sich die Wertung zudem auf eine genügende Grundlage stützt» (vgl. zuletzt die Stellungnahme 3/2007).

2. Soweit der Beschwerdeführer beanstandet, der Bericht des «Boten der Urschweiz» verstosse gegen das Fairnessprinzip, weil Josias Clavadetscher von Anfang an eine voreingenommene Haltung gehabt habe, ihn in die «braune Ecke» habe stellen wollen und zudem bewusst nicht berücksichtigt habe, dass er den Leserbrief «Die Emanzipation des Rütlis» als Privatperson und nicht als Parteifunktionär geschrieben habe, zielt seine Argumentation offensichtlich an der oben erwähnten Praxis zur Kommentarfreiheit vorbei. Der kommentierende Bericht stützt sich in einer für die Leserschaft erkennbaren Weise auf den Leserbrief des Beschwerdeführers, worin er die Broschüre des als Holocaust-Leugner verurteilten Philippe Brennenstuhl über die Rütlifeier 2006 ausdrücklich lobt. Zwar trifft es zu, dass sich Diethelm im Leserbrief ausschliesslich über die Broschüre äussert und nicht grundsätzlich zum Gedankengut Brennenstuhls. Dies geht aber auch aus dem Artikel des «Boten der Urschweiz» hervor. Und auch wenn der Beschwerdeführer «bloss» die Broschüre Brennenstuhls lobte, durfte die Beschwerdegegnerin dies thematisieren und scharf kritisieren. Ebenso durfte die Zeitung die als «privat» deklarierte politische Äusserung von Bernhard Diethelm in Bezug zu seiner politischen Funktion als Sekretär der Jungen SVP bringen. Zwar kann sich ein Parteisekretär auch öffentlich als Person äussern ohne damit die Partei zu binden. Dies ändert aber nichts daran, dass diese Meinungsäusserung als solche des Parteisekretärs wahrgenommen wird.

3. Auch eine Verletzung der Wahrheitspflicht (Ziffer 1 der «Erklärung»), eine Unterschlagung von wichtigen Elementen (Ziffer 3) oder gar eine Verletzung der Menschenwürde (Ziffer 8) vermag der Presserat im Artikel «Braune Hilfe von JSVP-Sekretär» nicht zu sehen. Der Beschwerdeführer wird darin entgegen seiner Beanstandung nicht als rechtsextreme Persönlichkeit dargestellt. Ihm wird bloss vorgeworfen, durch seinen Leserbrief eine solche zu unterstützen. Ebenso wenig war die Zeitung unter diesen Umständen verpflichtet, eine Falschmeldung zu berichtigen (Ziffer 5 der «Erklärung»).

4. Schliesslich war es dem Autor des Artikels unbenommen, von wem er – neben demjenigen des Beschwerdeführers – weitere Statements einholte. Insbesondere war es – entgegen der Auffassung von Bernhard Diethelm – nicht unlauter im Sinne von Ziffer 4 der «Erklärung», an Stelle derjenigen des kantonalen SVP-Präsidenten die Meinung des SVP-Fraktionschefs wiederzugeben.

III. Feststellungen

1. Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. Der «Bote der Urschweiz» hat mit der Veröffentlichung des Artikels «Braune Hilfe von JSVP-Sekretär» am 30. Januar 2007 die Ziffern 1
(Wahrheitspflicht), 3 (Unterschlagung von wichtigen Informationen), 4 (Lauterkeit der Recherche), 5 (Berichtigungspflicht) und 8 (Respektierung der Menschenwürde) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» nicht verletzt.