Nr. 20/2015
Interview

(X. c. «Tages-Anzeiger Online») Stellungnahme des Schweizer Presserats vom 11. Mai 2015

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I. Sachverhalt

A. Der «Tages-Anzeiger» publizierte am 16. Dezember 2014 in seiner Online-Ausgabe ein Interview mit X. Der Ethnologe analysiert darin die Zürcher Krawallnacht in der Europa-Allee vom 12. Dezember 2014 und machte Lösungsvorschläge. Er empfahl, die Krawalle mit allen Betroffenen an einem runden Tisch aufzuarbeiten, kritische Stimmen ernster zu nehmen und sich seriös mit den Veranstaltungen auseinanderzusetzen, die in den verbliebenen autonomen Zonen stattfinden. Neben dem Interview wurde die Leserschaft zu einer Online-Umfrage eingeladen über die Forderung von SVP-Nationalrat Hans Fehr, der eine Räumung der besetzten Häuser verlangte. In den Online-Kommentaren beteiligten sich zahlreiche Leserinnen und Leser an der Debatte.

B. Am 19. Dezember 2014 reichte X. eine Beschwerde beim Schweizer Presserat ein. Er bezieht sich auf die zur «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» gehörende Richtlinie 4.5. Darin heisst es: «Das Interview basiert auf einer Vereinbarung zwischen zwei Partnerinnen/Partnern, welche die dafür geltenden Regeln festlegen.» Mit seinem Interview habe er als Experte einen Beitrag zur Versachlichung leisten wollen. Am nächsten Tag habe er erstaunt festgestellt, dass sein online veröffentlichtes Interview mit einer Umfrage bei der Leserschaft gekoppelt wurde. Der Beschwerdeführer vertritt die Meinung, die Redaktion hätte ihn vorgängig konsultieren müssen. Die Umfrage nehme im Inhalt direkt Bezug auf das Interview und sei optisch in unmittelbarer Nähe direkt oberhalb seines Bildes platziert. Da die Redaktion ihn nicht konsultiert habe, ist seiner Ansicht nach die Vereinbarung zwischen zwei Partnern gemäss Richtlinie 4.5 verletzt.

C. Gemäss Art. 13 Abs. 1 des Geschäftsreglements behandelt das Presseratspräsidium Beschwerden, auf die der Presserat nicht eintritt.

D. Das Presseratspräsidium, bestehend aus Dominique von Burg, Präsident, Francesca Snider, Vizepräsidentin, und Max Trossmann, Vizepräsident, hat die vorliegende Stellungnahme per 11. Mai 2015 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.

II. Erwägungen

1. Gestützt auf Artikel 11 Absatz 1 seines Geschäftsreglements tritt der Presserat nicht auf eine Beschwerde ein, wenn diese offensichtlich unbegründet erscheint.

2. a) Hauptpunkt der Beschwerde ist, dass der «Tages-Anzeiger» mit der Publikation einer Online-Umfrage im unmittelbaren Kontext des Interviews die in der Vereinbarung zwischen Journalist und Beschwerdeführer festgelegten Regeln verletzt habe. Der Beschwerdeführer hat, bevor er an den Presserat gelangte, von der Redaktion eine Entschuldigung verlangt sowie ein Entschädigungshonorar von 1000 Franken. Aus der Korrespondenz wird ersichtlich, dass der Beschwerdeführer das Interview inhaltlich und von der Aufmachung her als sehr gelungen erachtet und den verantwortlichen Journalisten dafür lobt. Seine Kritik richtet sich gegen die Art und Weise, wie sein Expertenwissen kontextualisiert wurde. Die Redaktion argumentierte, die Aufmachung entspreche den Gepflogenheiten des Online-Journalismus. Für Nebengefässe wie Umfragen, Bilder oder andere Begleittexte brauche es nicht das Einverständnis des Interviewten. Das vom Beschwerdeführer monierte «Setting» sei Sache der Redaktion. Der «Tages-Anzeiger» habe den Konflikt thematisiert und zur Diskussion gestellt. Kommentarfunktionen seien Standard in der Online-Berichterstattung. Folglich lägen keine Verstösse gegen das Gesetz oder journalistische Sorgfaltspflichten vor.

b) Gemäss Richtlinie 4.5 (Interview) basiert ein Interview auf einer Vereinbarung zwischen zwei Partnerinnen/Partnern, welche die dafür geltenden Regeln festlegen. Der Presserat stellt fest, dass die Vereinbarung für das Interview keine Details zum Online-Auftritt enthielt. Die Einbettung eines Interviews in eine laufende Berichterstattung liegt in der Kompetenz der Redaktion. Ein Experte, der einen Beitrag zur Versachlichung einer Debatte leisten will, muss sich bewusst sein, das dieser wiederum in der Diskussion thematisiert wird. Das Vorgehen der Online-Redaktion ist deshalb nicht zu beanstanden, die Beschwerde somit offensichtlich unbegründet.

III. Feststellung

Der Presserat tritt nicht auf die Beschwerde ein.