Zusammenfassung
Medien dürfen nicht hemmungslos Privates aus dem Internet verbreiten
Im Internet machen zwar immer mehr Personen private Informationen und Bilder öffentlich zugänglich. Doch daraus können Massenmedien nicht ableiten, dass diese Personen willentlich auf den Schutz ihrer Privatsphäre verzichten. Das hat der Schweizer Presserat in einer Stellungnahme ausdrücklich festgehalten. Für die Medien bedeutet dies, dass sie private Informationen aus dem Internet nicht ohne Einschränkungen weiterverbreiten dürfen.
Die Beschwerdeinstanz für medienethische Fragen hat das Thema «Internet und Privatsphäre» aus eigener Initiative aufgegriffen. Denn diese neue Form der Kommunikation hat inzwischen eine derart grosse Verbreitung erlangt, dass manche bereits vom Ende der Begriffs der «Privatheit» sprechen. Die Frage, ob es zulässig sei, die ins Netz gestellten Informationen weiterzuverbreiten oder sich darauf zu beziehen ist für Medienschaffende bei der Ausübung ihres Berufs mittlerweile zentral geworden.
Der Presserat begründet seine Haltung mit seiner bisherigen Praxis: Öffentlichkeit bedeutet in Bezug auf das Internet nicht zwingend auch «Medienöffentlichkeit». Entscheidend ist – nicht nur im Internet – mit welcher Absicht sich jemand im öffentlichen Raum exponiert.
Je nach ihrem Inhalt behalten Informationen oder Bilder trotz der Veröffentlichung im Internet ihren privaten Charakter. Im Einzelfall sind Journalisten deshalb verpflichtet, sorgfältig abzuwägen, welches Interesse überwiegt: Das Recht der Öffentlichkeit auf Information oder das Recht einer Person auf den Schutz ihres Privatlebens.
Bei dieser Abwägung ist entscheidend, in welchem Kontext eine Information ins Netz gestellt wird. Erscheinen die Informationen in einem sozialen Netzwerk wie Facbook oder auf einer institutionellen Website? Sind die Informationen eher für einen kleinen Kreis von Adressaten bestimmt oder für eine breite Öffentlichkeit? Ist der Autor eine Privatperson oder öffentlich bekannt?
Vergewissern müssen sich Medienschaffende auch, ob eine der Voraussetzungen für die identifizierende Berichterstattung erfüllt ist. Die in der Richtlinie 7.2 zur Ziffer 7 der «Erklärung» angeführten Fälle, in denen eine Namensnennung zulässig ist, gelten auch im Internet: Es muss sich um einen öffentlichen Auftritt handeln, die Person muss allgemein bekannt sein und die Information in Zusammenhang damit stehen, die betroffene Person hat die Einwilligung zur Namensnennung gegeben, die Person übt ein politisches Amt aus, sie hat ein staatliche oder gesellschaftlich leitenden Funktion, es besteht Verwechslungsgefahr oder es gibt ein anderes überwiegendes öffentliches Interesse an der Namensnennung.
Résumé
Même étalée sur Internet, la vie privée est protégée
Le journaliste se doit-il encore de protéger la vie privée des individus, à l’heure où l’on constate que tout le monde ou à peu près s’expose complaisamment sur la toile? Pourquoi les médias classiques seraient-t-ils plus royalistes que le roi? N’est-il pas complètement ringard de se priver de répandre les infos et les images qui sont de toute façon déjà livrées en pâture à tout un chacun sur les nouvaux médias?
Dans sa dernière prise de position, le Conseil de la presse répond à ces questions. Oui, les informations personnelles placées sur les réseaux sociaux, les blogs et Cie appartiennent au domaine public. Mais non, cela ne signifie pas qu’elles puissent être reprises sans autre par les journaux, la radio, la télévision ou par les sites journalistiques sur l’Internet. Voici comment s’articule le raisonnement du Conseil de la presse, qui d’ailleurs confirme ses prises de position antérieures.
Quand il raconte sa vie à ses „amis“ sur Facebook ou autre, l’internaute lambda s’adresse à un public qui lui est plus on moins proches. Il n’a pas forcément les connaissances ou les outils lui permettant de restreindre l’accès à son message. Et de toute façon, il n’a pas l’intention de s’adresser à un journaliste. S’il le faisait en toute connaissance de cause, il ne s’exprimerait sans doute pas de la même manière, et ne divulguerait pas les mêmes informations. Comme en témoignent les plaintes des usagers quant à l’utilisation de leurs données personnelles par les exploitants de certains réseaux sociaux, ou encore la progression constante des plaintes adressées au Conseil de la presse et touchant à la vie privée, le public tient à garder le contrôle sur son image.
Certes, admet le Conseil de la Presse, „avec leur développement fulgurant, les réseaux sociaux, les blogs, forums etc. ont considérablement élargi l’espace public“. Et il rappelle au passage à celui qui s’y expose qu’il prend le risque d’une publication plus large si un intérêt public le justifie. Néanmoins, tirant un parallèle avec les informations qui peuvent circuler dans la rue ou dans un espace public, le Conseil de la presse fait remarquer qu‘ „une information à caractère privé ou une image de nature personnelle n’acquière pas de valeur informative du simple fait qu’elle a été placée sur Internet.“
La publication d’une information de nature privée, quelle que soit sa provenance, doit répondre à un intérêt public dont l’importance prime sur le droit au respect de sa sphère privée. En plus des critères habituels devant présider à cette pesée des intérêts (personnage public ou non; responsabilité exercée par l’intéressé; accord donné explicitement ou implicitement à une publication) le Conseil de la presse demande aux journalistes de tenir compte du contexte dans lequel une information est placée sur la toile. Quelle est la nature du site et qui s’exprime? A qui l’auteur a-t-il l’intention d’adresser son information ou de divulguer son image?
Enfin, le Conseil de la presse rappelle qu’avant publication, toute information doit être vérifiée quant à sa provenance et à sa véracité. Internet étant par nature ouvert à tous vents, ces vérifications sont particulièrement malaisées en la circonstance. Le Conseil de la presse recommande donc une prudence particulière avant de répandre des informations de nature personnelle.
I. Sachverhalt
A. Das Internet, insbesondere via soziale Netzwerke und Blogs, ermöglicht es jedermann, persönliche Informationen an ein grosses, mehr oder weniger selbst gewähltes Publikum zu verbreiten. Diese neue Form der Kommunikation hat inzwischen eine derart grosse Verbreitung erlangt, dass manche bereits vom Ende des Begriffs der «Privatheit» sprechen. Die Frage stellt sich effektiv: Sind die ins Netz gestellten Informationen aus dem Privatleben noch der Privatsphäre zuzuordnen oder sind sie – einmal online zugänglich gemacht – nicht mehr geschützt?
B. Die Rechtsprechung hat die sich in diesem Zusammenhang stellenden Abgrenzungsprobleme soweit ersichtlich noch nicht geklärt. Ungeachtet davon ist die Frage, ob es zulässig ist, die ins Netz gestellten Informationen weiterzuverbreiten oder sich darauf zu beziehen für die Journalist/innen bei der täglichen Ausübung ihres Berufs zentral. Der Presserat hat deshalb gestützt auf Art. 6 Abs. 2 seines Geschäftsreglements beschlossen, das Thema von sich aus aufzugreifen, um den Medienschaffenden eine Richtschnur in einem sich rasch entwickelnden Gebiet zu geben. An seiner Sitzung vom 2. September 2009 hat das Plenum des Presserats die 2. Kammer beauftragt, die entsprechende Stellungnahme auszuarbeiten.
C. Die 2. Kammer des Presserats, bestehend aus Nadia Braendle, Anne Seydoux, Michel Bührer, Dominique von Burg (Präsident), Pascal Fleury, Charles Ridoré und Michel Zendali beschloss an ihrer Sitzung vom 19. Februar 2010, je einen Fachmann auf den Gebieten des Privatrechts und der sozialen Netzwerke im Internet anzuhören.
D. Am 27. April 2010 hörte die 2. Kammer den Juristen Manuel Bianchi della Porta und den Soziologen Sami Coll an.
E. Nach Auffassung von Manuel Bianchi della Porta verzichtet man mit der Veröffentlichung seines Bildes und seiner Geheimnisse im Internet in diesem Zusammenhang auf sein Persönlichkeitsrecht (einschliesslich des Rechts am eigenen Bild). Die journalistische Verwertung dieser Informationen unterliegt jedoch gewissen Einschränkungen. Dem Journalisten muss es um seine Informationsaufgabe gehen. Zudem verlange das Prinzip der Verhältnismässigkeit, die Anonymität der Betroffenen zu wahren, sofern die Identifizierung für die Berichterstattung nicht notwendig ist.
Gemäss der Rechtsprechung sei die Einwilligung zu einem Eingriff in die Privatsphäre nicht zu vermuten, sondern zu beweisen. Ganz generell erachtet es Manuel Bianchi della Porta nicht als angebracht, Betroffene – über den Kreis von Kindern, Jugendlichen und Personen in Notsituationen hinaus – vor sich selber zu schützen. Er appelliert hier an das Prinzip der Eigenverantwortung. Die Internetnutzer müssten selber wissen, was sie ins Netz stellen und wer Zugang dazu haben soll.
F. Für Sami Coll ist die herkömmliche Trennung zwischen privater und öffentlicher Sphäre zu statisch, um angemessene Antworten auf die Verbreitung sozialer Netzwerke zu liefern. Bis zur Entwicklung einer Rechtsprechung könnten die Journalisten auf folgende Kriterien abstellen: Um welche Art von Medium geht es, um einen persönlichen Blog oder um ein an ein grösseres Publikum gerichtetes Medium? Was bezweckt der Autor, an wen richtet sich seine Botschaft? Welchen Status oder welche Identität hat er? Handelt es sich um einen Unbekannten oder um eine öffentliche Person?
G. Beide Experten unterstreichen die grosse Bedeutung des Kontexts einer Veröffentlichung. In einem Blog drückt man sich anders aus als gegenüber einem Journalisten. Im Gespräch mit Medienschaffenden achtet man stärker auf seine Sprache als in einem Blog oder einem Netzwerk, wo die entsprechenden «Warnlampen» nicht funktionieren. Willigt jemand in ein Gespräch mit einem Journalisten ein, erwartet er zudem nicht ohne Weiteres, dessen Inhalt auch noch in einem anderen Medium wiederzufinden. Bei der Weiterverbreitung einer Information aus einem anderen Medium nimmt man dem Autor die Möglichkeit, seine Aussage umzuformulieren, präzisiert Sami Coll. Schliesslich vereinfache das Internet im Vergleich zu allen anderen Medien den Zugang zu Daten ganz massiv. Umso mehr sei Vorsicht angebracht.
Der Begriff «private Website» macht für die beiden Experten keinen Sinn, selbst wenn der Zugang durch ein Passwort limitiert werden kann. Diese in der Verantwortung des Autors liegende Beschränkung passe im Übrigen nicht zum Geist des Internets.
H. Die 2. Kammer diskutierte den Entwurf der Stellungnahme an ihrer Sitzung vom 4. Juni 2010 sowie auf dem Korrespondenzweg. Das Plenum des Presserats verabschiedete den Text an seiner Sitzung vom 1. September 2010.
II. Erwägungen
1. Darf ein Medium eine Information, ein Bild weiterverbreiten, sobald etwas öffentlich zugänglich ist? Mit dieser Frage hat sich der Presserat bereits mehrmals auseinandergesetzt:
– Ein Lokalfernsehsender nahm das Bild eines bei einem Unfall verstorbenen Motorradfahrers von dessen Website, worüber sich dessen Angehörigen beschwerten. Der Presserat (35/2008) gab dem Sender recht, da im konkreten Fall ein unmittelbarer Bezug zwischen Bild und Gegenstand der Berichterstattung bestand. Zudem war der Abgebildete nicht erkennbar. Bereits damals präzisierte der Presserat jedoch, dass Medien nicht unbesehen Informationen von der Website eines Einzelnen weiterverbreiten dürfen – selbst wenn sich dieser damit gegenüber der Öffentlichkeit exponiert.
– In der Stellungnahme 27/2009 hat der Presserat diesen Ansatz weiterentwickelt. Er rügte eine Zeitung, die ein von einer Website entnommenes Personenbild veröffentlichte, obwohl die Betroffene dies ausdrücklich untersagt hatte. «Für den Presserat», wird in diesem Entscheid ausgeführt, «ist der Begriff der Öffentlichkeit in Bezug auf das Internet nicht ohne Weiteres mit dem Begriff der ‹Medienöffentlichkeit› gleichzusetzen. Ein Artikel in einer auflagestarken Zeitung (…) findet ein wesentlich grösseres und ein ganz anderes Publikum als eine private Website, die sich in den Weiten des Internets verliert und nur wenige speziell an einem Thema Interessierte anspricht.»
2. In einer weiteren, sich nicht auf das Internet beziehenden Stellungnahme hat der Presserat darauf abgestellt, mit welcher Absicht sich jemand im öffentlichen Raum exponiert. Das auf der Grabstätte aufgestellte Foto des tragisch verstorbenen Kinds eines bekannten Schriftstellers war zwar für jedermann zugänglich. Die für die Angehörigen bestimmte Geste – der Schriftsteller hatte seine Familie immer von seiner öffentlichen Tätigkeit ferngehalten – hatte jedoch einen eminent privaten Charakter. Die Vergrösserung des Bildes und dessen Veröffentlichung auf der Titelseite einer Zeitung mit grosser Auflage wurde deshalb als schwerer Verstoss gerügt (1/2010).
3. Informationen, die in einem Blog, im nicht nur für ausgewählte Personen zugänglichen Bereich eines sozialen Netzwerks oder einem öffentlichen Internetforum publiziert werden, sind für jedermann sichtbar. Sie sind damit der öffentlichen Sphäre zuzurechnen. Daraus abzuleiten, dass Privatpersonen, die im Internet Privates preisgeben, damit auch in Bezug auf die Weiterverbreitung dieser Informationen durch Massenmedien mit einem grossen Publikum willentlich auf den Schutz ihrer Privatsphäre verzichten, ist für den Presserat jedoch nicht haltbar. Denn ein erheblicher Teil der Nutzer dürfte sich des Umfangs der Verbreitung ihrer Daten kaum bewusst sein. Und manche Nutzer verfügen nicht über das notwendige Wissen oder kümmern sich nicht genügend darum, um das von ihnen eigentlich gar nicht gewünschte Ausmass der Verbreitung zu beschränken.
2009 haben die Kommissionen für «Informatik und Freiheit» in 29 europäischen Ländern Regeln für soziale Netzwerke im Internet entwickelt. Sie
fordern die Betreiber unter anderem auf, die Standardeinstellungen so festzulegen, dass die Weiterverbreitung der Daten der Nutzer nur beschränkt erfolgt.
Wie wichtig eine grössere Zurückhaltung der Betreiber ist, zeigt das Beispiel von Facebook, das die Vertraulichkeitseinstellungen bei bereits veröffentlichten Informationen nachträglich änderte und dadurch in der Internetgemeinde harsche Reaktionen auslöste. Anfang Mai 2010 hat eine Reihe von amerikanischen Konsumentenschutzorganisationen deshalb eine Klage gegen das Netzwerk eingereicht. Den Nutzern liegt also viel am Schutz ihrer Privatsphäre, selbst wenn sie sehr Persönliches ins Netz stellen. Dieselbe Erfahrung macht der Presserat, steigt doch die Zahl der Beschwerden, die eine Verletzung der Privatsphäre rügen, nach wie vor an.
4. Ungeachtet davon geht, wer sich im Netz exponiert, das Risiko ein, eine breitere mediale Aufmerksamkeit zu erlangen, sofern ein öffentliches Interesse dies rechtfertigt. Obwohl ein Informatiker seine Stelle in der öffentlichen Verwaltung verlor, nachdem ein Bericht über eine von ihm eingerichtete Website erschienen war, wies der Presserat die Beschwerde gegen den Artikel ab. Da der Informatiker das Publikum auf seiner Gamewebsite zur Teilnahme an einem Spiel aufforderte, wurde er selber zur öffentlichen Person (Stellungnahme 56/2004).
Ein anderes Beispiel aus dem Ausland: Vergangenes Jahr hat die britische Press Complaints Commission (PCC) es für zulässig gehalten, dass eine Zeitung einen Kommentar veröffentlichte, den ein Polizist auf Facebook geschrieben hatte. Es ging um eine ironische Anmerkung nach dem Tod eines Demonstranten bei einem Polizeieinsatz. Für die PCC überwog das öffentliche Interesse daran, von diesem sich auf die berufliche Tätigkeit des Polizisten beziehenden Kommentar Kenntnis zu nehmen, gegenüber dem Schutz der Privatsphäre. Indem er seinen umstrittenen Kommentar «Personen zugänglich machte, die nicht dem Amtsgeheimnis unterstellt sind», sei der Polizist zudem ein erhebliches Risiko eingegangen.
5. Mit ihrer rasenden Verbreitung haben soziale Netzwerke im Internet, Blogs, Foren usw. den öffentlichen Raum beträchtlich ausgeweitet. Aber ebenso wie bei Informationen, die in einem öffentlichen Lokal oder auf der Strasse gesammelt werden, können Informationen ausgehend von ihrem Inhalt ihren privaten Charakter behalten. Die Tatsache, dass eine private Information oder ein persönliches Bild ins Internet gestellt wird, genügt für sich allein noch nicht, um diesen einen Informationswert zu verleihen.
Solche Informationen dürfen nur dann weiterverbreitet werden, wenn öffentliche Interesse daran gegenüber dem Anspruch auf Schutz der Privatsphäre überwiegt. Bei dieser Interessenabwägung ist entscheidend, in welchem Kontext eine Information ins Netz gestellt wird. Nebst der Natur der Website (soziales Netzwerk wie Facebook, persönlicher Blog, institutionelle Website usw.) ist dabei auch die Identität des Autors (Unbekannter, öffentliche Person, Journalist usw.) und soweit ersichtlich die Intention der Publikation (grosses Publikum oder beschränkter Adressatenkreis) von Bedeutung.
Die in der Richtlinie 7.2 zur Ziffer 7 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» angeführten Fälle, in denen eine identifizierende Berichterstattung zulässig ist, gelten auch hier: öffentlicher Auftritt oder Einwilligung der betroffenen Person; die Person ist allgemein bekannt und die Information steht damit im Zusammenhang; Ausübung eines politischen Amts, einer staatlichen oder gesellschaftlich leitenden Funktion; Verwechslungsgefahr; ein anderes überwiegendes öffentliches Interesse.
6. So einfach der Zugriff auf Information via Internet ist, so schwierig ist es jedoch häufig, deren Quelle und den Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Gerade bei privaten Bildern und Informationen ist es oft nicht einfach, abzuschätzen, ob diese von den Betroffenen selbst ins Netz gestellt worden sind oder ob dies Dritte gegen deren Willen getan haben. Entsprechend erhöht sich dadurch die Gefahr von Persönlichkeitsverletzungen. Umso mehr fordert der Presserat bei der Weiterverbreitung von Informationen mit privatem Charakter und privaten Bildern aus dem Internet eine besonders sorgfältige Prüfung und Interessenabwägung.
III. Feststellungen
1. Informationen und Dokumente, die für jedermann zugänglich veröffentlicht werden, sei es in sozialen Netzwerken wie Facebook, auf persönlichen Websites oder Blogs usw., sind der öffentlichen Sphäre zuzurechnen. Je nach Inhalt einer Information kann diese aber trotzdem ihren privaten Charakter behalten. Deshalb darf sie von anderen Medien nicht ohne Weiteres weiterverbreitet werden.
2. Im Einzelfall sind Journalisten verpflichtet, die zur Diskussion stehenden Interessen (Recht der Öffentlichkeit auf Information; Schutz des Privatlebens) sorgfältig abzuwägen und sich zu vergewissern, ob eine der Voraussetzungen der identifizierenden Berichterstattung (Einwilligung der betroffenen Person, Ausübung einer leitenden Funktion usw.) erfüllt ist.
3. Bei dieser Interessenabwägung ist entscheidend, in welchem Kontext eine Information ins Netz gestellt wird. Mit Kontext ist gemeint: Natur der Website (Facebook, persönlicher Blog, Forum, institutionelle Website usw.), Identität des Autors (Unbekannter, öffentliche Person, Journalist usw.) und soweit ersichtlich die Intention der Publikation (grosses Publikum oder beschränkter Adressatenkreis). Allein aus der Tatsache, dass eine Information oder ein Bild im Internet gefunden wird, ist nicht abzuleiten, dass der Urheber in die Weiterverbreitung durch ein anderes Medium einwilligt.