I. Sachverhalt
A. Am 3. April 2003 berichtete der «Bote der Urschweiz» über einen Strafprozess wegen Vernachlässigung von Unterhaltspflichten. Der Prozess stellte gemäss der Zeitung «lediglich eine Facette innerhalb einer unglaublichen Kampfscheidung dar». Der Angeklagte wurde im Bericht mit dem ersten Buchstaben seines Nachnamens bezeichnet. Zudem war dem Artikel zu entnehmen, dass er seine Bauunternehmung in Y. verkaufen musste, während ein «Verkauf des Wohnhauses in Z.» gescheitert sei.
B. Mit Beschwerde vom 30. April gelangte X. an den Presserat. Er rügte, er sei im Bericht ohne weiteres erkennbar gewesen, da es nur einen Bauunternehmer in Y. mit Namen X. gebe. Dies habe zu grossem Misstrauen bei Kunden und Angestellten geführt. Zudem enthalte der Artikel rufschädigende, ehrverletzende Äusserungen. Schliesslich beanstandete der Beschwerdeführer, der Gerichtsberichterstatter habe einseitig den Standpunkt der Gegenpartei dargestellt.
C. Am 31. Mai 2003 wies die Redaktion des «Boten der Urschweiz» die Beschwerde als unbegründet zurück. Der Beschwerdeführer sei im Zusammenhang mit seiner Scheidung von sich aus an die Öffentlichkeit getreten, weshalb eine Verletzung der Privatsphäre von vornherein zu verneinen sei. Ohnehin sei er aber für den massgeblichen unbefangenen Durchschnittsleser nicht identifizierbar gewesen.
D. Gemäss Art. 10 Abs. 7 des Geschäftsreglements des Schweizer Presserates kann das Präsidium zu Beschwerden, die in ihren Grundzügen mit vom Presserat bereits früher behandelten Fällen übereinstimmen oder sonstwie von untergeordneter Bedeutung erscheinen, abschliessend Stellung nehmen.
E. Am 5. Juni 2003 erklärte der Presserat den Schriftenwechsel als geschlossen und teilte den Parteien mit, die Beschwerde werde vom Presseratspräsidium behandelt.
F. In einer nachträglichen Stellungnahme vom 10. Juni 2003 zur Beschwerdeantwort machte der Beschwerdeführer sinngemäss geltend, entgegen der unzutreffenden Behauptung der Beschwerdegegnerin habe er die Öffentlichkeit nicht vorbehaltlos gesucht, sondern im Gegenteil mit Hilfe eines Anwalts eine sachlich unhaltbare Publikation verhindert.
G. Das Presseratspräsidium hat die vorliegende Stellungnahme per 4. August 2003 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.
II. Erwägungen
1. a) Der Beschwerdeführer beanstandet über die Rüge der identifizierbaren Berichterstattung hinaus, der «Bote der Urschweiz» habe im Bericht vom 3. April 2003 ehrverletzende Äusserungen veröffentlicht, einseitig den Standpunkt der Gegenpartei dargestellt und sich darüber hinaus sogar mit dem Gericht und dem Gegenanwalt gegen ihn verschworen. Die Rüge der einseitigen Berichterstattung geht von vornherein fehl, da die in der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» festgehaltenen berufsethischen Normen keine Pflicht zu «objektiver Berichterstattung» statuieren. Deshalb sind auch einseitige, parteiergreifende Medienberichte berufsethisch zulässig, solange das Publikum in der Lage ist, zwischen Fakten und Wertungen zu unterscheiden (Stellungnahme 17/98 i.S. L. c. «Weltwoche»). Der Vorwurf der ehrverletzenden Veröffentlichung wird vom Beschwerdeführer nicht belegt. Ebensowenig legt er Indizien vor, die an der redaktionellen Unabhängigkeit des «Boten der Urschweiz» zweifeln liessen. Insoweit ist die Beschwerde also als offensichtlich unbegründet abzuweisen.
b) Für den Kern der Beschwerde gilt zudem ein Vorbehalt. Der Presserat ist nicht in der Lage, ein umfangreiches Beweisverfahren zur Klärung komplexer Sachverhalte durchzuführen (vgl. hierzu die Stellungnahmen 8/2001 i.S. FSJ/SLJ c. J.; 25/2001 i.S. K. c. «Computerworld»; 32/2002 i.S. Inselspitalstiftung c. «Puls-Tipp»). Soweit die Sachverhaltsdarstellungen der Parteien hinsichtlich der Kampfscheidung und deren Weiterungen einander widersprechen, muss der Presserat die Frage nach der «Wahrheit» offen lassen. Dies gilt auch für die Erwähnung der offenbar in einem anderen Verfahren erfolgten Bedrohung eines Gerichtsmagistraten. Immerhin bestreitet der Beschwerdeführer nicht, dass der Vorfall an der Strafgerichtsverhandlung, die der «Bote der Urschweiz» in der Ausgabe vom 3. April 2003 beschrieb, zur Sprache kam. Deshalb durfte die Zeitung die Bedrohung auch erwähnen.
2. a) Gemäss Ziffer 7 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» ist die Privatsphäre der einzelnen Personen zu respektieren, sofern das öffentliche Interesse nicht das Gegenteil verlangt. Die Richtlinie 7.6 (Namensnennung) zur «Erklärung» hält fest: «Journalistinnen und Journalisten machen grundsätzlich keine Angaben, die eine Identifikation einer von einem Gerichtsverfahren betroffenen Person durch Dritte ermöglichen, die nicht zu Familie, sozialem oder beruflichem Umfeld gehören, also ausschliesslich durch die Medien informiert werden.» Die Richtlinie nennt allerdings auch Ausnahmen von dieser Grundregel gegen die Namensnennung:
– Überwiegendes öffentliches Interesse (inhaltlich unbestimmte «Generalklausel»);
– Nennung eines politischen oder amtlichen Funktionsträgers, soweit das Delikt einen Bezug zu dieser Funktion hat;
– Gefahr von Verwechslungen, falls der Name nicht genannt wird;
– Wenn die Person bereits allgemein bekannt ist – wobei meist die Medien im konkreten Fall für die Bekanntheit gesorgt haben, weshalb diese Ausnahme mit besonderer Zurückhaltung anzuwenden ist;
– Ausdrückliche Einwilligung der Betroffenen.
b) Der «Bote der Urschweiz» wendet dazu ein, Beschwerdeführer X. sei aufgrund des Gerichtsberichts vom 3. April 2003 für den massgebenden Durchschnittsleser nicht identifizierbar gewesen. Der Presserat hat in der Stellungnahme 8/2000 i.S. L. c. «Beobachter» darauf hingewiesen, dass die grösste Gefahr der Verletzung der Privatsphäre dann besteht, wenn ein Betroffener aufgrund einer Medienberichterstattung in seiner näheren Umgebung identifizierbar ist. Deshalb kann bei der Prüfung der Identifizierbarkeit entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin nicht einfach auf einen hypothtischen «Durchschnittsleser» abgestellt werden. Massgebend ist vielmehr, ob jemand in einem Medienbericht über sein engstes soziales Umfeld hinaus für Dritte an seinem Wohn- oder Arbeitsort erkennbar beschrieben ist.
c) Bei einer laut der Website der Gemeinde V. rund 4000 Personen betragenden Einwohnerzahl von Y. behauptet der «Bote der Urschweiz» zwar plausibel, dass sein Bericht die Firma des Beschwerdeführers angesichts mehrerer Bauunternehmen im Raum V. für einen «Durchschnittsleser» kaum identifiziert hätte – jedenfalls ohne die beigefügte Initiale. Gerade sie erleichterte eine Identifikation aber wesentlich, selbst wenn die Unternehmung offiziell nicht unter dem Namen X., sondern als Bauunternehmung S. AG firmierte. Die Ortschaft Z. weist eine kleine Einwohnerzahl auf (gemäss der gleichen Website ca. 1300). Der «Bote» präzisierte zudem noch, der Beschwerdeführer habe seine Baufirma in Y. verkaufen müssen, und ein Verkauf seines Wohnhauses in Z. sei gescheitert. All das zusammengenommen identifizierte ihn im Bericht des «Boten» über den engsten Kreis von Angehörigen und Bekannten hinaus höchstwahrscheinlich auch für einen erheblichen Teil der Einwohner von Ibach und Rickenbach. Dasselbe gilt für Kunden, für andere Firmen im Bausektor usw. Dies hätte ohne weiteres vermieden werden können, da die Angaben über Firmensitz und Standort des Wohnhauses für das Verständnis der Leserschaft keineswegs notwendig waren.
d) Die Redaktion des «Boten der Urschweiz» macht darüber hinaus geltend, selbst bei Identifizierbarkeit des Beschwerdeführers sei die Beschwerde abzulehnen, da aufgrund des vorangegangenen Verhaltens von X. implizit ohnehin von seiner Einwilligung habe ausgegangen werden können. Tatsächlich argumentier
t Beschwerdeführer X. widersprüchlich: Einerseits macht er geltend, einen – aus seiner Sicht unhaltbaren – Artikel des «Boten der Urschweiz» verhindert zu haben; gleichzeitig nimmt er offenbar die Darlegung der betroffenen Redaktion hin, er habe ursprünglich die Publizität selber gesucht und gedroht, die «massiven Missstände» via «Blick», Fernsehen etc. publik zu machen. Seine nachträgliche Eingabe vom 10. Juni 2003 deutet demgegenüber darauf hin, dass er von sich aus an den «Boten der Urschweiz» gelangt war. In einem mitgelieferten Artikelentwurf, dessen Publikation der «Bote der Urschweiz» offenbar abgelehnt hatte, verwendete der Beschwerdeführer damals jedoch nicht den eigenen Namen, sondern ein Pseudonym. Daraus kann gerade nicht geschlossen werden, dass er von vornherein generell in eine identifizierbare Berichterstattung eingewilligt hätte. Im Gegenteil: Das vorgeschagene Pseudonym hätte ihm Schutz vor Identifizierung gewähren sollen. Zudem hat der «Bote» seine Behauptung nicht belegt, ein anderes lokales Medium habe mit Einverständnis des Beschwerdeführers identifizierend über seinen Fall berichtet.
Ungeachtet der letztlich für den Presserat nicht mit Sicherheit zu entscheidenden Frage, ob die Einwilligung des Beschwerdeführers vorlag oder nicht, fällt aber etwas anderes entscheidend ins Gewicht: Eine identifizierende Berichterstattung über einen Strafprozess wegen Unterlassung von Unterhaltspflichten ist bereits wegen der Wahrung der Privatsphäre der Privatklägerin und Ehefrau des Beschwerdeführers wie auch der betroffenen Kinder höchst problematisch. Die Redaktion des «Boten der Urschweiz» macht in ihrer Beschwerdeantwort denn auch geltend, dass sie früher – entgegen dem Wunsch des Beschwerdeführers – eine Publikation über die Auseinandersetzung zum Schutze von Familie und Kindern verweigert habe. Zudem war es gerade auch angesichts der für Aussenstehende abstrusen Rundumschläge des Beschwerdeführers – ungeachtet seiner eventuellen Einwilligung – angezeigt, auf eine identifizierende Berichterstattung zu verzichten.
III. Feststellung
Die Beschwerde wird im Sinne der Erwägungen teilweise gutgeheissen, soweit darauf eingetreten wird.