Nr. 52/2015
Entstellen von Tatsachen / Identifizierung / Menschenwürde

(Segessenmann c. «Sonntagsblick» und «Blick.ch») Stellungnahme des Schweizer Presserats vom 31. Dezember 2015/22. Februar 2016

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I. Sachverhalt

A. Am 18. Mai 2014 publizierten «SonntagsBlick» und «Blick.ch» einen Artikel mit dem Titel «Innerschweiz: Neonazis schlagen bei Dorffesten zu» bzw. «Neonazis schlagen bei Dorffesten zu». Ein 32-Jähriger habe lebensgefährliche Verletzungen erlitten. Der Artikel ist mit einem Foto des Vizepräsidenten der Partei National Orientierter Schweizer (Pnos) und Avalon-Präsidenten Adrian Segessenmann illustriert. Der Bericht informiert aufgrund der Schlägerei über den rechtsextremen Hintergrund der gefassten Täter.

B. Am 28. August 2014 reichte Adrian Segessenmann, vertreten durch Rechtsanwalt Erich Giesser, beim Schweizer Presserat gegen den Artikel vom 18. Mai 2014 Beschwerde ein. Er macht eine Verletzung von Ziffer 3 (Entstellen von Tatsachen und Dokumenten), 7 (Privatsphäre) und 8 (Menschenwürde) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (nachfolgend «Erklärung») geltend. Der Artikel erwecke den Eindruck, der Beschwerdeführer stehe mit der Schlägerei in einem direkten, wenn nicht sogar kausalen Zusammenhang. Im weiteren sei ein Foto verwendet worden, welches Adrian Segessenmann auf Facebook publiziert habe. Dieses Foto sei ohne Rücksprache mit Segessenmann in einem anderen Zusammenhang verwendet worden. Die Identifizierung verletze zudem die Privatsphäre des Beschwerdeführers sowie seine Menschenwürde, da der Bericht auf eine dis-kriminierende Darstellung desselben hinauslaufe.

C. Am 26. Oktober 2014 hielt Philippe Pfister, stv. Chefredaktor des «SonntagsBlick», in einem Schreiben fest, dass die Redaktion die Beschwerde für unbegründet erachte und an der Veröffentlichung als richtig festhalte. Auf eine einlässliche Beantwortung der Beschwerde werde indessen verzichtet.

D. Am 18. Juni 2015 teilte der Presserat den Parteien mit, die Beschwerde werde vom Presseratspräsidium behandelt, bestehend aus dem Präsidenten Dominique von Burg, Vizepräsidentin Francesca Snider und Vizepräsident Max Trossmann.

E. Das Presseratspräsidium hat die vorliegende Stellungnahme per 31. Dezember 2015, korrigiert am 22. Februar 2016 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.

II. Erwägung

Ziffer 3 der «Erklärung» verlangt von Journalistinnen und Journalisten, dass sie weder Tatsachen, Dokumente, Bilder und Töne noch von anderen geäusserte Meinungen unterschlagen. Der Beschwerdeführer macht geltend, sein Foto hätte im Zusammenhang mit diesem Artikel in dieser Form nicht verwendet und auch nicht in Zusammenhang mit den im Artikel umschriebenen Schlägereien gebracht werden dürfen. Unabhängig von der Frage, ob diese Rüge in den Anwendungsbereich von Ziffer 3 der «Erklärung» fällt, hält der Presserat fest, dass im Artikel keine Nähe des Beschwerdeführers zu den Schlägereien suggeriert wird. Der Artikel berichtet von Schlägereien, die von Neonazis verübt worden seien und spricht davon, dass diese sich insbesondere in Facebook-Gruppen austauschen, die unter anderem für die Pnos und die Avalon-Gemeinschaft werben. In diesem Zusammenhang wird der Beschwerdeführer als Präsident der Avalon-Gemeinschaft und als Vizepräsident der Pnos genannt. In dieser Funktion tritt Adrian Segessenmann auch öffentlich auf. Er hat das von «SonntagsBlick» und «Blick.ch» verwendete Bild selbst auf Facebook veröffentlicht. Es stellt sich somit die Frage, ob die beiden Medien dieses Bild veröffentlichen durften. In seiner Stellungnahme 43/2010 zum Thema Internet und Privatsphäre hatte der Presserat folgendes festgehalten: «Bei dieser Interessenabwägung ist entscheidend, in welchem Kontext eine Information ins Netz gestellt wird. Mit Kontext ist gemeint: Natur der Website (Facebook, persönlicher Blog, Forum, institutionelle Website usw.), Identität des Autors (Unbekannter, öffentliche Person, Journalist usw.) und soweit ersichtlich die Intention der Publikation (grosses Publikum oder beschränkter Adressatenkreis). Allein aus der Tatsache, dass eine Information oder ein Bild im Internet gefunden wird, ist nicht abzuleiten, dass der Urheber in die Weiterverbreitung durch ein anderes Medium einwilligt.» Bei Adrian Segessenmann handelt es sich um eine öffentliche Per-son. Sein Porträt durfte deshalb im Zusammenhang mit seiner Funktion als Präsident bzw. Vizepräsident auch ohne seine Einwilligung verwendet und auch sein Name genannt werden. Insofern liegt auch keine Verletzung von Ziffer 7 (Privatsphäre) der «Erklärung» vor. Soweit der Beschwerdeführer zudem eine diskriminierende Darstellung seiner Person im kritisierten Artikel und damit eine Verletzung von Ziffer 8 (Menschenwürde) der «Erklärung» geltend macht, so ist für den Presserat im Lichte der obigen Ausführungen nicht ersichtlich, worin diese bestehen soll.  

III. Feststellungen

1. Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. «SonntagsBlick» und «Blick.ch» haben mit der Illustration des Artikels «Innerschweiz: Neonazis schlagen bei Dorffesten zu» mit einem vom Beschwerdeführer auf Facebook veröffentlichten Foto die Ziffern 3, 7 und 8 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» nicht verletzt.