Nr. 60/2013
Diskriminierung

(X. c. «Blick am Abend») Stellungnahme des Schweizer Presserates vom 8. November 2013

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I. Sachverhalt

A. Unter dem Titel «Vielen Deutschen stinkts in der Schweiz» berichtete Urs Helbling am 30. September 2013 in «Blick am Abend», immer mehr Deutsche seien nicht mehr glücklich in der Schweiz und kehrten heim. «Der Trend ist derart stark, dass ihm die deutsche Zeitung ‹Welt am Sonntag› anderthalb Seiten widmete.» Das Rückwanderer-Phänomen gebe es nicht nur in der Schweiz. Doch hier sei es zahlenmässig am grössten, «weil wir bei den Deutschen als Auswanderungsziel am attraktivsten waren». 2012 habe der Einwanderungsüberschuss nur noch 9686 Personen betragen – so wenig wie seit vielen Jahren nicht mehr. Die deutschen Rückwanderer seien heiss begehrt. So heiss, dass sie Bayern sogar mit dem Programm «Return to Bavaria» aktiv anwerbe. Nächste Woche finde darum in Zürich ein «Bayerischer Abend» statt. Interessenten werde ein «ausführliches Rückkehrercoaching» angeboten – bis zur Suche von Krippenplätzen. Als Grund für die zunehmende Zahl der Rückkehrer gebe die «Welt am Sonntag» «Probleme bei der Integration in der Schweiz» an. Zudem habe sich der Arbeitsmarkt in Deutschland wieder deutlich verbessert. «In der Schweiz waren die Deutschen mehr als zehn Jahre lang die am stärksten wachsende Bevölkerungsgruppe. Wegen des deutschen Rückkehrer-Trends legten 2012 erstmals die Portugiesen wieder stärker zu.»

Illustriert ist der Artikel mit einem Bild von mobilen Toiletten. Davor steht ein in eine deutsche Flagge gehüllter Fussballfan. Die Bildlegende lautet: «An ein anderes Örtchen. Deutsche kehren vermehrt nach Hause zurück.»

B.
Am 2. Oktober 2013 beschwerte sich X. beim Schweizer Presserat über das mit dem obengenannten Artikel abgedruckte Bild und die Bildlegende. Der Beschwerdeführer sieht darin eine diskriminierende Anspielung auf die nationale Zugehörigkeit, die gegen die Ziffer 8 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (Diskriminierung) verstösst.. «Die Darstellung eines aufgrund seiner Fanbekleidung als Deutscher gekennzeichneten Mannes, der ein Klo besucht, mit dem Untertitel ‹An ein anderes Örtchen. Deutsche kehren vermehrt nach Hause zurück.› impliziert folgende Aussagen: Deutschland ist ein Scheisshaus; die Deutschen sind (aus) Scheisse; die Deutschen stammen aus dem Scheisshaus.»

C.
Gemäss Art. 12 Abs. 1 des Geschäftsreglements behandelt das Presseratspräsidium Beschwerden, auf die der Presserat nicht eintritt.

D. Das Presseratspräsidium, bestehend aus Präsident Dominique von Burg, Vizepräsidentin Francesca Snider und Vizepräsident Max Trossmann, hat die vorliegende Stellungnahme per 8. November 2013 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.

II. Erwägungen

1. Gemäss Artikel 10 Absatz 1 seines Geschäftsreglements tritt der Presserat nicht auf eine Beschwerde ein, wenn diese offensichtlich unbegründet erscheint.

2. Ziffer 8 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» auferlegt den Medienschaffenden die Pflicht, auf diskriminierende Anspielungen zu verzichten. Die Nennung einer Gruppenzugehörigkeit wirkt gemäss der zugehörigen Richtlinie 8.2 insbesondere dann diskriminierend, wenn solche Anspielungen negative Werturteile verallgemeinern und damit Vorurteile gegenüber Minderheiten verstärken. Der Presserat orientiert sich bei seiner Beurteilung, ob im Einzelfall eine Verletzung der Ziffer 8 der «Erklärung» (Verletzung der Menschenwürde; Diskriminierung) zu bejahen ist, weder an Geschmacksfragen, noch legt er den Massstab einer strengen «political correctness» an (Stellungnahme 6/2002).

3. Für den Presserat sind die vom Beschwerdeführer ins beanstandete Bild hineininterpretierten Aussagen nicht nachvollziehbar. Man könnte ebenso gut ins Bild hineininterpretieren, mit dem Bild des «stinkenden Örtchens» sei wenn schon nicht Deutschland, sondern vielmehr die Schweiz gemeint. Wird doch diese laut dem Bericht von «Blick am Abend» von einer zunehmenden Zahl von Deutschen verlassen, weil es ihnen hier «stinkt». Und hinsichtlich der beanstandeten Diskriminierung legt der Beschwerdeführer zudem nicht dar, inwiefern mit dem Bild bestehende Vorurteile gegen die Deutschen verallgemeinert werden. Ob die beanstandete Illustration als solche angebracht war, ist eine Geschmacksfrage, die wie angeführt vom Presserat nicht zu beurteilen ist. Eine Verletzung von Ziffer 8 der «Erklärung» ist deshalb offensichtlich zu verneinen.

III. Feststellung

Der Presserat tritt nicht auf die Beschwerde ein.